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SWsche AMsreitlim Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Eoa«-». Festtage. Bezugspreis r Vierteljährl. 1 Mk. SV Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6858. Bei außerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-Preisliste. Einzelnummer 1V Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. Sucbtlruclterel. lkaalrilon unä LrrcbaMsttlle: Presde«, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: I I—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 13<tk. Nr. 20V. Katholiken: ProtuS. AreitttH, den 1 1 . September 1903. Protestanten: Abraham. 2. Jahrgang. Der Reichsirwalidenforrds und die Einführung der Wehrftener. Ein süddeutscher Reichstagsabgeordneter schreibt uns: Der neue Staatssekretär des Neichsschatzamtes, Freiherr von Stengel, hat gegenüber einem Berichterstatter es als seine Hauptaufgabe bezeichnet, eine Sanierung des Reichs invalidenfonds herbeiznführen. Schon sein Amtsvorgänger hat in den letzten Etatsberatnngen ans diesen wunden Punkt hingewicsen und von einen: bevorstehenden Bankerott des Reichsinvalidenfonds gesprochen. Diese Worte sind nicht zu scharf gewählt: denn jeder Privatgeschäfts»»»»»!, der nach den heutigen Mariinen des Neichsinvalidenfonds leben würde, wäre in der Tat schon bankerott. Ein Blick ans den Zustand desselben beweist uns dies ganz klar. Fm Jahre 1873 ist der Neichsinvalidenfonds ans der französi schen Kriegsentschädigung mit .76! Millionen ansgestattet worden, eine Kapitalsnmme, die mehr als reichlich schien, zumal derselben' mir die Verpflichtung anferlegt wurde, die Invaliden des deutsch-französischen Krieges zu entschädigen. Gar bald aber wurden diese Bezüge nicht nur erhöht, sondern die Verpflichtung der Pensionsleistnng auch auf die Invaliden früherer Kriege mit einbezogen, der Kaiserliche Dispositionsfonds für Unterstützungen auf denselben über nommen und die sog. Reichsbeihilfe für Invaliden lpro Kopf 120 Mk. jährlich) diesem anferlegt. So stiegen die Ausgaben gewaltig und überschritten die Einnahmen aus den Zinsen. Es mußten Kapitalznschüsse gegeben werden, was natürlich die Ziliseneinnahmen immer mehr verringert und schließlich den ganzen Fond ansfrißt. So hat der jetzige Staatssekretär bei der letzten Etatsberatnng die völlige Aufzehrung des Fonds für 1010, wenn nicht schon früher, in Aussicht gestellt. Dies werde aber für den ge samten Neichshaushalt die bedenklichsten Folgen haben, da dann die gesamten Lasten auf diesen übernommen werden müßten. Wie ist mm Abhilfe zu erhoffen? Die höheren Ein nahmen aus dein neuen Zolltarif werden diese nicht allein bringen, zumal, dank der Fürsorge des Zentrums, die Mehreinnahmen ans den hauptsächlichsten Lebensmittelzöllen bereits für die Wittwen- und Waisenversichernng festgelegt sind. Auch ist diese Einnahme sehr ungewiß und schwankend. Die Nufer nach der Reichsfinanzreform erscheinen mm alle samt auf dem Plane. Aber man darf gar keine Minute darüber im Zweifel sein, daß diese Reichsfinanzreform im wesentlichen in einer Erhöhung der indirekten Stenern be- ! stehen würde. Bier und Tabak müßten zuerst bluten. Wir »vollen aber keine solche Erhöhung. Ta bietet sich nun ein vorzüglicher Ausweg in der Einführung einer Wehrftener für die nicht znm aktiven Dienst Heran gezogenen. Der BundeSrat selbst hat im Jahre 1801 diese direkte Reichsstener vorgeschlagen. Der innere Kern der selben ist von fast allen Parteien im Reichstage günstig beurteilt worden. Wenn das Projekt aber trotzdem eine Beerdigung erster Klasse erfahren hat, so liegt dies daran, daß es mit anderen so bepackt war, daß es in die Tiefe sinken mußte. Fürst Bismarck trat damals gleichzeitig mit der Wechselstempel- und Branntweinsteuer an den Reichstag heran und setzte zwischen beide die Wehrftener, die dann von ihren Begleitern erdrosselt worden ist. Die damalige Vorlage erscheint uns heute noch als eine recht brauchbare, wenn auch einige Bestimmungen ge ändert werden müßten. Daß die gänzlich und teilweise Erwerbsunfähigen von der Steiler befreit bleiben müßten, ist selbstverständlich. Ein Hauptmangel jener Vorlage be stand darin, daß sie keine Bestimmungen traf über die ! Verwendung der Gelder, welche die Wehrftener einbringt. Es gewinnt ganz sicher dem Projekt in allen Lagern zahl reiche neue Freunde, wenn in einer neuen Vorlage be- stimmt würde, daß diese Stenergnelle für den Reichs- invalidensonds zu fließen hat und somit die Verwendung festgelegt ist. tteber die Berechtigung einer Wehrftener viele Worte zu verlieren, halten »vir für ganz unnötig. Tie ist ein Aeguivalent sür diejenigen, die militärsrei werden und ihrem täglichen Berufe nachgehen können, je nach dem Einkommen hat sich auch die Steuer zu richten. Ein Grund- betrag von 1 Mk. erscheint »ms nicht zu hoch, ebensowenig eine Steigerung bis zu 3 Proz. des Eiiikonnnens bei 6000 und mehr Mark. Das Hanptbedenken, daß nicht alle deutschen Bundesstaaten eine Einkommensteuer haben, ist nicht stichhaltig, der Bnndesrat hat schon im Jahre l88l geglaubt, daß er darüber hiiiivegkommt. Inzwischen ist aber in einer ganzen Reihe von deutschen Staaten die Einkommenftener eingeführt worden, und somit ein wesent liches Bedenken entkräftigt. Es darf ferner darauf hin gewiesen werden, daß Bauern und Württemberg in den Jahren 1867 und 1868 bereits Wehrstenern eingeführt hatten und diese erhoben bis zur Gründung des Tenischen Reiches. Die Schweiz und Oesterreich besitzen ähnliche Stenern. So wird es gewiß in den weitesten Kreisen des deutschen Volkes nur als ein Akt der ansgleichenden Gerechtigkeit angesehen werden, »venu diejenigen, die bei der Ansninsternng „Schweineglück" haben »md nicht n,i „Gut und Blut" das Vaterland zu verteidigen berufen sind, wenigstens mit „Gut" dazu beitragen, daß nnsere Kriegsinvaliden alle entschädigt werden könne». Die Ein- nahmen ans einer solchen Steuer dürfen immerhin ans 30 bis -10 Millionen Mark jährlich geschätzt werden »md würden hinreichen, den Reichsinvalidenfonds ans eine gesnnde Basis zu stellen. Politische Nundschan. Deutschland. — Die erste Enzuklika Pins X. an alle Bischöfe des katpolischen Erdkreises soll in Bälde veröffentlicht werden. Kardinal Satolli war an der Ausarbeitung der selben beteiligt. Der Papst kündigt in derselben den Bischöfen seine Erhebung an, hält eine Rnndschan über die gegenwärtige Lage der Kirche und bittet die Bischöfe um ihre Mitivirknng zur Erhaltung des religiösen Geisies unter den Völkern. Rach derselben Quelle wird Pins X. ein außerordentliches Jubiläum sür einige Monate ansschreiben, um durch das Gebet der gesamten Ehristenheit den Segen Gottes ans sein Pontifikat herabznflehen. — Den Berichten der Wahlkommissare zufolge entfielen von den abgegebenen gültigen Stimmen <1808: 7 772 603, 1003: 0 107 787) ans: i -mm o H.: »!»>:'.: v. H.: Sozialdemokraten . . 2 1 > >7 < >70 ,27.2) 3.010 771 <3.1.7, Zentrum .... 1 -177 13!» <18,8, 1 877 202 00.7) 'Nationalliberale . . 071 3«>2 <12.7, 1 3.13, >71 <13.8, Dentschkonservalive 87!» 222 «I 1,1 > 018118 < >0.0) Deutsche Reichspartei. 313 0 12 I 1.1> 3.33.101 l 3.7, Freis. Volkspartei. . .7.78 3 > I , 7.2> 712 .7.70 < 7.7) F-reis. Vereinig»ag 10.7 083 < 2.7, 213. 230 < 2,6) Deutsche Volkspartei . 108 .728 , 1,1) 01 217 < 1.0) Antisemiten < Deutsch soziale Reformparlei, Ehristlichsoziale» . M l 270 < 3,7, 21 I 713. I 2,0) Polen 2 11 128 , 3.1) 3,7 781 < 0.7) Bund der Landwirte. 1 10 MO « 1.1) 1 18 77!) « 1.2) Bauernbund . . . 110 30 1 « 1.8, 1 1 1 3.77 < 1.2) Andere Parteien . . 208 23.1 > 3.7, 21^021 < 2.0) Unbestimmt . . . 02 «'.37 , 1,2) .7.7 2 10 < 0,0) — Tie Herkunft der Reichstag sabgeordiieten. Wenn man die Reichstagsabgeordneten nach ihren Gebnrts- Nach geschiedener Ehe. Ein Sittenbild auS dem heutigen Frankreich. Bon Comtesse de Beaurepairc. — Deutsch von Helene KrcmbS >71. gorlsetzi:»,,., (Nnttidruck verbvleu.I Boivin besonders wäre sofort bereit geweseii, seine Erziehung und die Verwaltung seines Vermögens zu über nehmen. Doch die Vorsehung hatte es gefügt, daß Bertinet in einer gewissen Vorahnung der Ereignisse eine Art Testament abgefaßt, welches man unter seinen Papieren anfgefnnden hatte. In demselben bat er Herrn Marande, seinem Söhn- chen Schutz und Fürsorge zu gewähren, falls er demselben eines Tages fehlen sollte. Dieses Schriftstück hatte cholande treffliche Dienste geleistet, da sie nicht gesonnen war. das kleine Wesen Preis zugeben, das den Namen ihrer Kinder trug »md mit ihnen eines Blutes war. Wohl lud sie sich damit eine schwere Last ans, wohl mutete sie ihren Gefühlen eilt schweres Opfer zu, aber Rolande war eine gute Ehristin und eine treue Dienerin des Kreuzes. Als am Morgen der Abreise Herr Bertinet den kleinen Einil bemerkte, hatte er einen heftigen Zorn gezeigt, so daß man den nnschnldigen Gegenstand seiner Aufregung schleimigst fortbringen mußte. ißolande traf Fürsorge, daß der Fall sich nicht wiederhole. XXVI11. Während der Reise, die auch Herr Marande mitmachte, schien Marzcl an den Landschaftsbildern, die sich vor ihm entrollten, lebhaftes Interesse zu nehmen; einigemale be kundete er sogar richtige Ortskenntnis. Hin nnd »nieder war es, als ob sein krankes Hirn arbeite und nach Klarheit und Verständnis suche; dann fiel er anfs Nene in die traurige Geistesabwesenheit zurück. Aber stets, sobald er tßolandes Stimme hörte, trat ein Lächeln auf seine Lippen, und seine Augen blickten freundlicher. Die Ankunft in la Borderie gestaltete sich traurig genug. Den Kindern war eS verboten worden, den Reisenden entgegen zu gehen oder sich auch nur sehen zu lassen. So drängten sich denn ihre Köpfchen an das Wohn- zimmcrfcnster, um ja den Augenblick nicht zu verpassen, »vo der Wagen vor der Freitreppe halten würde. Aber — sollte dieser Greis, der mit Mühe von seinen Begleitern ans der Kutsche gehoben worden, wirklich ihr Vater sein? einen frommen Pilger zu der hl. Stätte, wo Maria ganz besonders ihre Gnaden ansleilt. Die wenigen Monde, die zwischen heute und dem letzten Besuche lagen, hatten Bertinet nm mehr als zwanzig Jahre gealtert. „Großer Gott!" schrie Hermine ans, „wie schrecklich muß Vater gelitten haben!" „Mutter wird ihn schon Pflegen," meinte Margnerite. Nachdem sie ihren Gatten in seinem Zimmer unter- gebracht, suchte Zolande die Kinder auf. Drei lange Monate war sie von ihnen getrennt gewesen, und beider seitig hatte man die Abwesenheit schmerzlich empfunden: nun gab es dafür Jubel und Liebkosungen ohne Ende. Alle Fragen konnte nnd durfte Rolande nicht be antworten; nur Hermine erfuhr die ganze schreckliche Wahrheit. Wie das Herz dem jungen Mädchen blutete, nnd wie es das Schicksal des Vaters beklagte! Das waren also die bittereil Früchte der Pflichtvergessenheit nnd des Treu- brnches! Jetzt war für die gehorsame Tochter die Zeit gekommen, ihr gegebenes Versprechen einznlösen. „Wenn mein Vater meiner bedarf," hatte sie gesagt, „so werde ich ihn Pflegen nnd trösten." Fortan teilte sie mit der Mutter, die selbst im höckplen Grade rnhebedürflig war. die Sorge nnd Mühe nm den Kranken. Und es dauerte nicht l'.nge, so gewann sie einen wohltätigen Einslnß ans denselben. Marzei verwechselte sie des öfteren mit seiner Gattin; er vermeinte, diese in zwei Gestalten nm sich zu haben, eine junge Rolande in blühender Schönheit, wie sie ehedem gewesen, nnd eine andere, die schwergep» üste, gramgebengte Greisin. Der Sommer verging, ohne eine Veränderung im Zn stände des Leidende» herbeiznführen, nur schwanden die Kräfte merklich. Frau 'Berlinet verdoppelte ihre Gebete. „Mein Gott." seufzte sie oft. „habe Erbarmen nnd laß Marzel den Verstand wiederfinden, sei es auch nur für eine Stunde, damit er Rene erwecken nnd Vergebung finden könne, ehe er vor Deinem Richterslnhle erscheinen m»ß!" Hermine empfahl ihn der Mutter von der imwer- währenden Hilfe, damit durch ihre mächtige Fürbitte der Herr Barmherzigkeit übe. Beide versprachen später eine Wallfahrt »ach Lonrdes zu unternehmen; einstweilen schickten sie an ihrer Stelle Die gebenedeite Jnngfran wird nicht vergebens ange- rufen, nnd Gott erhört stets die 'Bitten bedrängter Herzen. ! die mit Vertrauen nnd Liebe sich seiner Fürsorge Übertassen. Auch Rolande und Hermine sollte» nicht umsonst gebetet haben. An einem srenndlichen sonnigen Septemberlage saß Herr Berlinet wie gewöhnlich auf der Terrasse. Er schic» etwas weniger hinfällig wie sonst; die Angen blickten nicht so trüb und das Lächeln war nicht ganz verständnislos. Man konnte wahrnehmen, daß er mit Wohlbehagen die frische Lust nnd den Dust der 'Blumen einsog. Seine i Blicke schweiften von den seinen Handarbeiten in den Händen j Volaiidens und Herininens zu den beiden jüngeren Kindern. ! die fick) ans dem Grasplatze am Erognet-Spiele vergnügten. Da plötzlich stürzte über den Kiesweg ein dem Slall- ! knecht entronnenes junges Pferd. In wilden Sätzen sprang ! es anscheinend ans die Kinder zu; noch einen Augenblick, ! nnd es mußte den kleinen Johann nmwerfen und mit ! seinen Husen zerstampfen! Da. in der höchsten Gesalir. sprang Margnerite herzu, ^ nm den Bruder zurück, d. h. ans dem Wege des scheu g>-. > wordenen Tieres, zu reißen. Es gelang ihr auch, »venu ! auch nicht vollständig. I», wilden Lauf balle das Pferd die Schulter des > Knaben gestreift und ihn einige Schrille weit über den Rasen geschlendert. Er 'tand sogleich »nieder ans ohne ! Schaden genennnen zu haben; die Dazwischenknnft seiner ^ Schwester Halle ein Unglück verhütet. Der ganze 'Borgang spielte sich in kann, einer Minute ab; aber in dem Augenblicke, als Johann fiel, hörte mg» einen Schrei die Lust dnrchziltern. Herr 'Berlinet Halle ihn ansgestoßen. Mit weit vergefir-n'ien Händen nnd angst erfüllten Angen versuchte er, mH von seinem Sessel zu er heben, nm dem Kinde zu Hille zu eilen. „Mein Sohn!" Halle er gerufen. Dann war er kra'ilo:- znrückgesnnken; der Kops mit dem bleichen En sichle ruble auf der Rückenlehne des Stuhles. Rolande kam herbei. „Liebes Weib," sagte er, „siehe dock) sogleich nach, ob unser Junge nicht verletzt ist." Aber der .Knabe war schon die Stufen hinauf. Marzel betrachtete ihn voll Zärtlichkeit. „Komm und umarme mich!" lSRIin'-, folgt.)