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Zweites Blatt Nr. Sächsische Volkszeitunfl vom 2. März 1911 Deutscher Reichstag. Sitzung vom 28. Februar 1 Uhr 20 Minuten. Die zweite Lesung des Militäretats svird fort gesetzt. Beim Kapitel „Militärkassen wesen" bringt Abg. Kunert (Soz.) sogenannte Geheimfonds in der sächsischen Armee zur Sprache. Sächsischer Militärbevollmächtigter General v. Salza weist nach, daß diese Fonds alle begeben sind, teils im sächsischen Etat laufen. Abg. Erzberger (Ztr.): Nur eine Behauptung des Abgeordneten Kunert ist zutreffend, daß er schwere An klagen erhoben hat: aber an diesen selbst ist nichts wahr. Die Verwaltung ging loyal vor. Nach kurzer Debatte wird der Titel genehmigt. Zum Kapitel Seelsorge bringt Abg. Noth (W. B.) Beschwerden vor in Beziehung auf die Kommandierung zum Abendmahl. Die Form, in der dies geschieht, wider spricht jedem sittlichen religiösen Anstand. Ich vergesse die Art. wie ich zum Abendmahl kommandiert wurde, nie. Das Abendmahl wird heruntergedrückt zu einer Art Straf exerzieren. — Ein Regierungsvertreter erklärt, daß keine Kommandierungen zum Abendmahl stattgefunden haben. Eine Reihe von Kapiteln wird genehmigt. Es folgt Kapitel 24: Besoldungen. Abg. Sommer (Vp.) tritt für Besserstellung der Vetcrinärofsiziere ein. Abg. Zubeil (Soz.) fordert weitergehende Reduktion der Militärmusiker. Der Ab strich von 1000 Mann genügt nicht und entspricht nicht unseren Wünschen. 26 Mann genügen für ein Regiment statt 86. Daran kann man sparen. Wir wollen die Militär kapellen nicht beseitigen. Die Konkurrenz gegen die Zivil musiker sollte eingeengt werden. — Abg. Kopsch (Vp.) schließt sich dem an. Die Militärkapellen machen lange Konzertreisen. — General Wandel: Wir haben einen neuen Tarif über die Militärmusik vereinbart, der im all gemeinen den Tarifen der Zivilmusiker entspricht. — Nach kurzen Bemerkungen der Abg. Görcke und Zubeil bemerkt Graf Praschma (Ztr.), daß weite Kreise des Volkes die Militärmusik lieben. Als die freisinnige Volkspartei im Reichstage ihr Gründungsfest feierte, da wünschte sie — Militärmusik. (Heiterkeit und Beifall.) Beim Kapitel Bezirkskommando bringt Dr. Belzer (Ztr.) einige Wünsche vor und wünscht eine Garnison nach Sigmaringen. — Eine Reihe von kleineren Wünschen werden vorgebracht und kurz besprochen. — Abg. Dr. Görcke (Natl.) bespricht die Aufstellung eines sozial demokratischen Blattes, wonach die Schießversuche in Span dau auf Leichen stattfinden: er kann nicht annehmen, daß diese Behauptung wahr sei. — General Wandel: Die sozialdemokratische Presse bringe immer solche und ähnliche Berichte. Einmal seien in Spandau mit anatomischen Präparationen solche Versuche gemacht worden: um nackte Leichen handle es sich nicht. Soldaten seien aber bei den ganzen Versuchen nicht beteiligt und würden nicht komman diert. — Abg. Dr. Görcke (Natl.): Es sei also falsch, daß Soldaten beieiligt seien. — Abg. Noske (Soz.): Also ist die Hauptsyche doch wahr; denn Schießversuche finden auf menschliche Körperteile statt: auf Leichenteile wird also ge schossen. Das ist grauenhaft. — Abg. Dr. Mugdan (Frs. Vp.): Noske hat den Aberglauben doch stark gefördert. An den Leichen müssen wir solche Versuche vornehmen und zwar im Interesse der Soldaten. Wie soll man denn die Wir kung von Geschossen feststellen, wenn nicht bei solchen Ver suchen (Knochenschüsse). Solche Versuche nützen den Sol daten sehr, denn man kann diese dann entsprechend aus- nützen. (Emmel: Man nehme Offiziersleichen.) Die Ana tomie braucht diese. Die Sozialdemokratie ist sehr rück ständig. — Abg. Noske (Soz.): Um Aberglauben handelt es sich nicht, auch nicht um Anatomie. Man kommandiere aber keine Soldaten zu solchen Versuchen. — Abg. Frank (Soz.): Man hat den Streitpunkt ganz verschoben: erst ent rüstete sich Görcke, jetzt ist er ganz einverstanden. Nun sollen sich Leichen armer Leute anschießen lassen zu patrio tischen Zwecken. — General Wandel: Der Artikel ist falsch: kein Soldat hat von den Versuchen etwas gesehen. Es handelt sich um die Feststellung der Verwundungsfähig- keit eines Geschosses einer fremden Armee: nur ärztliche Gründe kamen hier in Betracht. — Abg. Dr. Mugdan (Vp.): Es handelt sich nur um Sträflingsleichen. Nach kurzen Bemerkungen wird die Debatte geschlossen. Das Hans vertagt die Weiterberatung auf Mittwoch 1 Uhr. Der portugiesische Episkopat und die republikanische Regierung. (Van unserem valikanischen Korrespondenten.) Rom, den 27. Fvbroar 1911. Am Sonnabend erhielten wir von unserem vatikani schen Korrespondenten folgendes Telegramm: Vor einiger Zeit ging bekanntlich durch die freisinnige Presse die Meldung, daß der portugiesische Episkopat die provisorische Regierung von Lissabon, der die Urheber und Veranstalter der Oktoberrevolution angehören, ohne Re serve in einem an die katholische Bevölkerung Portugals gerichteten gemeinsamen Hirtenschreiben anerkannt hätte. Diese Meldung stellt sich als tendenziös und unrichtig dar. Wie nämlich der Text des am heutigen Tage im Vatikan cingclangten Hirtenschreibens des portugiesischen Episko pates klar und deutlich erkennen läßt, hat dieser der katho lischen Bevölkerung Portugals zwar empfohlen, der ein gesetzten Negierung den Gehorsam nicht zu verweigern, hin gegen aber mit allem Nachdrucke und mit aller Schärfe in seinem Hirtenschreiben gegen die antikatholische Gesetz gebung Stellung genommen und sie verworfen, da sie ja gegen die nationale Ueberlieferung des katholischen Por tugal verstoße, und zugleich die Katholiken aufgefordcrt, sich zur Verteidigung der Religion zusammenzuschließen. Hierzu schreibt uns unser vatikanischer Korrespondent heute: Es scheint mir angezeigt, den heute im Vatikan eingelangten Hirtenbrief, der des portugiesischen Episko pates, der von den Kontinentbischöfen und von den Jnsel- oberhirten kollektiv unterschrieben ist, wiederzugebcn. Die ses Schreiben, das sehr geistreich verfaßt ist und zum Herzen spricht, sagte eingangs: „Angesichts der sehr schweren Krisis, die gegenwärtig das Land heimsucht, dürfen die Bischöfe, wenn sie vom religiösen Standpunkte aus die Lage betrach ten, nicht schweigen, ohne die Pflichten ihres hohen Amtes zu verletzen." Nach einer kurzen Darlegung des traditio nellen Bündnisses zwischen der katholischen Kirche und dem portugiesischen Volke fährt der Hirtenbrief fort: „Es wäre ungerecht und undankbar, wenn Portugal, nachdem es seine Regierungsform gewechselt hat, die katholische Religion, durch die eS groß und mächtig geworden ist, mißachtete oder vergesse." Ter Hirtenbrief bespricht sodann die kirchliche Doktrin über das AutoritätSprinsip und über die Pflicht des Gehorsams den staatlichen Behörden gegenüber, solange die letzteren etwas vorschreiben, was nicht gegen die Gebote Gottes ist." Was für eine Stellung sollen nun die portu giesischen Katholiken den politischen Behörden gegenüber einnehmen? . . . Die Katholiken müssen die politischen Behörden achten, ihre Vorschläge befolgen — so lange diese nicht mit den Forderungen des Gewissens in Kollision ge raten — überhaupt Mitwirken bei allen, was die Größe, die Ehre, der Friede und das Heil des Vaterlandes erfordern. Man muß jedoch zwei Begriffe genau unterscheiden, Autori tät und Gesetzgebung. Die Gewissenspflicht, die Staatsge walt zu respektieren, beinhaltet nicht die Pflicht, alle Gesetze, die von der Staatsgewalt geschaffen werden, zu billigen. Diesbezüglich legt den Bischöfen ihre hohe kirchliche Mission die unabweisliche Pflicht auf, klar und deutlich zu reden. Wenn auch einige Verfügungen der provisorischen Regie rung Lob und Anerkennung verdienen, so gibt es doch deren viele, die man unbedingt verurteilen muß. Manche Erlässe, die gegen die Religion, ihre Doktrinen und Institutionen gerichtet sind, sind nicht nur »katholisch, sondern geradezu antikatholisch, wie die Vertreibung der Jesuiten, die Ab schaffung des Eides, die Unterdrückung der anderen religiö sen Orden und der christlichen Festtage, das Verbot des religiösen Unterrichtes in der Volksschule, die Abschaffung der theologischen Fakultät an der Universität von Coimbra, das Ehescheidungsgesetz, die angekündigte Trennung von Kirche und Staat nsw . . Alle diese Verfügungen sind um so gerechtfertigter, als sie nicht dem Willen des Volkes ent sprechen, da nach der allerletzten Volkszählung von den 6 423 132 Portugiesen 6 416 204 ausdrücklich erklärt haben, daß sie an der katholischen Religion und ihren Vorschriften festhalten wollen. Der Hirtenbrief endet mit der Aufforderung, einig zu sein und dem Heiligen Vater Unterwürfigkeit und Gehor sam zu bezeigen, um die gegenwärtige Schwierigkeit mit Erfolg bekämpfen zu können. Kirche und Unterricht. k Das Töchtcrpensionat der Ursulincrinnen zu Erfurt macht es sich zur Aufgabe, den ihn anvertrauten Töchtern eine echt christliche Erziehung und standesgemäße Bildung zu geben, ihnen Sinn für Häuslichkeit und Ordnung einzu flößen und sie dadurch auf ihren künftigen Beruf vorzu bereiten. Die Zöglinge besuchen entweder die mit dem Pensionate verbundene lOklassige höhere Mädchenschule oder - 116 - Gerät llitzte auf dem dunklen Holze: ein silberner Mischkrug, dabei zwei silberne Schalen und ein Goldpokal. Bisiula hatte die Prunkstücke, Geschenke des Ausonius, aus Rom mit gebracht, und ihr Vater hatte mit geheimnisvoller Miene befohlen, sie heute auf den Tisch zu stellen. Bissula tat es. „Soll ich sie mit Met füllen," fragte sie, „da euer Gau men, ihr Männer, durstig sein muß von langem Reden im Volksding?" Herimuot lachte. „Ich habe Besseres," sagte er und verschioand hinter der Zeltivand von Luchsfellen. Sigmar aber faßte Biisulas Hand und sprach: „Dein Vater nahm mich in eure Sippe auf — und nun wage ich das Schwere: in dieser Stunde werbe ich um Bissula, die Holde." Bissula lächelte. „Ich wehr es dir nicht, du treuer, du teurer Mann ... Einst träumte niir, ein schöner Habicht habe sich auf meine Hand gesetzt. Sein Gefieder war golden, und all mein Gut hätte ich gegeben, ihn zu behalten — aber er flog mir im Traume davon. Jetzt ist der Traum Wahrheit ge worden. Sigmar, du bist der Habicht mit dem Goldgefieder, ein mannhafter Königssohn! Der herrlichste Held bist du, Sigmar, und wenn dein Herz mir noch in Minne zu eigen ist, so will ich gern deine Werbung hören." „Ach, Bissula," sagte Sigmar, „wie könnte ich ein anderes Weib lie ben, nackchem ich dich und deine holde Schönheit geschaut Habel Immer ist dir mein Herz in Minne zu eigen. Wohl will ich um dich werben — doch die Morgengabe kann ich nicht bieten." „Sprich mit dem Vater — da kommt er!" Herimuot trat wieder in das Zelt. Er trug einen Lederschlauch in der Hand, den er aus der Erde gegraben hatte, wo er ein Jahr lang verborgen gewesen war. Den Schlauch hatte er einem römischen Händler in Arbor felix abgekauft: er war mit rotem Wein gefüllt und er hatte ihn immer aufgespart bis zu dem Tage, da seiner Sippe eine besondere Freude erblühen würde. Heute war dieser Tag gekommen, und der weingefüllte Schlauch sollte ge leert werden. Als aber Herimuot die beiden mit so seligen Gesichtern sah, legte er ihn einstweilen auf den Steinsitz an der Zeltwand. „Ich seh euch Hand in Hand," sagte er ernst, „und Aug in Aug. Was bedeutet das?" Da trat Sigmar vor den Herzog hin und sprach: „Gib mir die Jung frau zum Weibe, Herzog Herimuot, in holder Minne sind wir uns ergeben." Herimuot lächelte. „Wohl sah ich, wie in euch beiden der Lenz erblühte, froh und lieblich. Und keinem anderen gönn ich Bissula, die Liebliche, als dir dem starken Helden. Aber was spricht Bissula?" Diese errötete. „Ich bin ihm gut," sprach sie, „und mag ohne ihn nicht leben." Herimuot nickte. „So sei er uns Bruder und Sohn." „Halt," rief Sigmar, „ich kann die Braut nicht durch die übliche Gabe lösen. Habe Geduld, Herzog Herimuot, wenn der Feind geschlagen ist, biete ich dir meinen Beuteanteil!" „Ich nehme ihn an. Sigmar. Dir aber sag ich: wenn wir siegen, so sollst du den Eberhof als KönigSlehen erhalten." — 113 - Herimuot lächelte wohlgefällig: die allgemeine Zustimmung tat ihm wohl und ließ sein Herz höher schlagen. Er wußte zum voraus, daß er ge wählt würde und hätte es auch keinem der anderen Gaugrafen raten mögen, gegen ihn zu stimmen — aber der äußeren Form mußte genügt werden. „Hört mich erst an, ehe ihr mich kürt," sprach er mit weithin schallender Stimme, „und urteilt selbst, ob es recht war, was ich zu unserem Schutze und Vorteil anordnete I . . . Sigmar und Bissula brachten im letzten Winter Kunde aus Nom, daß der Kaiser einen neuen Kriegszug gegen die Alamannen vorbereite. Da habe auch ich im stillen gerüstet und mich vorgesehen. Schon vorher hatte ich die Gau-Könige zum großen Völkerbunde geladen, weil ich voraussah: nur wenn wir zusammenstehen, wir freie Alamannen, können wir den Römern widerstehen. Einigkeit und Treue machen uns stark und un bezwingbar. Sind wir zersplittert, so werfen sich die Legionen der Römer über uns und brechen Gau um Gau. Die meisten der Gaugrafen und -könige sind dem Bunde beigetreten, und trotzen mehr denn zwanzig Volks burgen im Lande, vom Lacus Brigantinus angefangcn, den Rhein entlang, bis hinab zum Main, den Römern. Viele Tausende unseres Volkes erheben die Waffen wie wir. Wie der Bergstrom, der von den Alpen niederstürzt, so strömen die tapferen Heermänner der Alamannen zusammen und stürzen sich auf den Feind. Und bei den Göttern: es ist nicht Uebermur, was uns zum Kampfe treibt, sondern Sorge, Not und Rache! Zu klein und zu eng ist das Land für die Völker der Alamannen, deren Kinder so zahlreich empor schießen, wie die Bäume im Walde. Wir haben nicht mehr Raum im Lande für so viele, nicht mehr genug Wiese und Wald, Ackergrund und grüne Weide: wir müssen über die Grenzen brechen und ein neues Land erobern, auf dem wir und unsere Kinder wohnen und leben können. Die Römer verwehren uns dieses Land, darum müssen wir es uns erkämpfen . . ." Er schwieg einen Augenblick. Diese Gründe lagen den meisten zu ferne, da sie den Kampf nur des Kampfes wegen liebten und die Römer als Bezwinger ihrer Freiheit haßten: aber sie sahen auch ein, daß der Graf recht hatte. Je mehr Land sie besaßen, desto weiter konnten sie ihre Herrschaft aus dehnen, desto mächtiger wurde ihr Volk, desto größer wurde ihr Besitz an Land und Herden. Graf Herimuot fuhr fort: „Aber unser Kampf ist auch ein heiliger Krieg — ein Rachekrieg! So lange wir denken können, haben uns die Römer bekämpft. Unsere Felder haben sie verwüstet, unsere Häuser niedergcbrannh. tausende tapferer Alamannen fielen unter dem Römerschwert, und tausende von freien Alamannen mit ihren Frauen und Töchtern führten die Römer in Sklaverei. Zur Rache rufe ich euch, tapfere Alamannen, zur Rache wider Nom!" „Auf zum Kampfe!" dröhnte eS tausendstimmig über die Waldlichtung, während die zusammenschlagenden Waffen ein donnerndes Getöse verur sachten. Als sich der Waffenlärm gelegt hatte, fuhr der Graf fort: „Der Kampf ist also beschlossen! Es soll ein Vernichtungskampf sein. Es gibt keine Ge fangenen — denn was nützen uns diese! — sondern nur Tote. Jeder Römer, der erschlagen wird, bedeutet einen Feind weniger. Nur die Legaten werden geschont. Wenn wir siegen — und wir müssen siegen — werden sie zu Ge- ,Die Alamannen*