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Das katholische Deutschtum im Auslande. Rede d»ö Geistlichen Rates Msgr. Dr. werlhmann, gehalten in der zweiten beratenden EuritaSversommlung. (Schluß.) Doch unsere Teilnahme an dem Schicksale der Aus ländsdeutschen erschöpft sich nicht mit dem caritativ-religi- ösem Interesse. Auch das wissenschaftliche Interesse wirkt mächtig geweckt durch geschichtliche Studien über die Schick sale der deutschen Auswanderer, ihre Kämpfe mit den wil den Völkern und ihr mutiges Ringen mit den Gewalten der Natur. Welcher Deutsche könnte gleichgültig bleiben, wenn er in den Werken von Bosse, Cronau, Knaps, Häberle die abenteuerlichen Leiden und opfervollen Fahrten der Pfälzer über das Weltmeer, ihre blutigen Kriege mit den India nern, ihren Anteil an dem amerikanischen Befreiungskriege verfolgt? Oder wenn er die mit Tränen und Blut ge schriebenen Geschichtsblätter der Wolga-Deutschen durch fliegt, die Haus und Feld und Vieh in wllden Kämpfen gegen die räuberischen Einfälle der Tarieren und Kirgisen verteidigen mußten. Kulturgeschichtlich von hohem Werte ist es ferner, den Anteil der Deutschen an der Hebung der amerikanischen In dustrie, Kunst und Literatur festzustellen. Dem Sprach forscher gewährt es Freude, den Spuren des mittelalter lichen Sprachschatzes in den deutschen Sprachinseln von Oberitalien, den Sette und Tredicicomuni. oder den lite rarischen Erzeugnissen des Deutchstums in Amerika oder aber den Wanderungen und Wandlungen des pfälzischen Dialektes in Südrußland und m Pennsylvanien nachzu gehen. Hat sich doch aus der Pfälzer Mundart ein neuer Dialekt, das Pennsylvania-Deutsch, entwickelt, während in den Urwäldern Brasiliens Las Hunsrücker-Deutsch selbst unter den bei Deutschen dienenden Negern, und am Schivar zen Meere die elsäßisch-pfälzischen Laute sich fortpflanzten. Höher als das wissenschaftliche Interesse steht das na - ttonale Interesse. Es kann uns Söhnen des deutschen Vaterlandes nicht gleichgültig sein, ob der Klang der deut schen Sprache in den Karpathen und Sudeten oder den Ber gen Tirols, oder den Ebenen Ungarns immer mehr ver klingt, das heißt, ob "die deutsche Sprache auf den Grenz linien und in den Kolonien immer mehr zurückgedrängt wird oder nicht. Es muß uns Herzenssache sein, daß das Bewußtsein der Stammes-Zugehörigkeit bei den Sprößlin- gen deutscher Vorfahren in Nord- und Südamerika ebenso erhalten bleibt, wie an den Ufern der Wolga und des Schwarzen Meeres, bei aller Treue, die unsere Stammcs- genossen den öffentlichen Gewalten ihrer neuen Heimat schulden und tatsächlich erweisen. Es darf bei der politischen Stellung Deutschlands nicht in den Wind geschlagen werden, ob bei den 32 Millionen Ausländsdeutschen mit der Anhänglichkeit an die ererbte Sprache auch die Liebe zum Ursprungslande und Mutter lande lebendig bleibt oder nicht: es ist ferner für das Blühen des deutschen Handels und der Industrie entscheidend, ob bei den Deutschen im Auslande dauernd Absatzgebiete für die Produkte deutscher Technik und deutschen Gewerbefleißes zu finden sind und Bezugsquellen für unsere Rohstoffe und Nahrungsmittel erschlossen werden können oder nicht. Es ist endlich bei der Stellung Deutschlands im Geistesleben der Völker von hoher Bedeutung, ob die Ausländsdeutschen dauernd am Strome deutschen Kulturlebens sich erfrischen oder ob ihre Söhne aus der Quelle fremder Bildung ihre Gcisteslabung schöpfen. Nein, die Teilnahme für das Deutschtum im Auslande überhaupt ist eine ebenso nationale Pflicht, wie die Sorge für die ausländischen deutschen Katholiken eine religiöse Pflicht ist. Welche Ziele muß nun unsere Tätigkeit sich stellen? Welche Mittel stehen zu deren Erreichung ksier und dort zu Gebote? Welche neuen Einrichtungen müssen etwa noch geschaffen werden? Dies ist unsere folgende Frage. Unser erstes Ziel muß sein: Erhaltung der deutschen Sprache, Sitte und Kultur bei den vom Mutterlande ge trennten Brüdern. Alte und neue Erfahrungen bestätigen es, die Aussprüche der kirchlichen Autoritäten bekräftigen es: Mit dem Kampfe um die Erhaltung der ererbten deut schen Sprache kämpfen wir zugleich den Kampf um die Er haltung der angestammten Religion. Denn die Millionen, die draußen die deutsche Sprache dahingegeben, haben ge wöhnlich mit der Liebe zur Heimat auch die Religion dahin gegeben. Unser zweites Ziel mutz sein: Pflege lebhafter und geistiger Beziehungen zwischen dem Mutterlande und den Stammesbrüdern im Auslande, damit bei ihnen die Liebe zur alten Heimat erhalten bleibe und harmonisch sich ver binde mit der treuen Erfüllung aller Pflichten im neuen Staatsverbande. Unser drittes Ziel muß sein: Befestigung der bestehen den und Gründung neuer Stützpunkte zur Pflege der Re ligion und des Deutschtums im Auslande. Als Mittel zur, Erreichung dieser Ziele, insbesondere des ersten Zieles haben sich im Auslande sehr bewährt: die kirchlichen Organisationen, die Pfarreien und Pfarrkirchen mit deutschen: Gottesdienste und mit Geistlichen deutscher Nationalität. (Sehr zu begrüßen ist es, wenn diese Geist lichen auch in deutschen Seminarien, zum Beispiel im Jo sephinum zu Colnmbus (Bohyo) ihre Vorbildung erhalten könnten): 2. deutsche Schulen im engen Anschlüsse an die Pfarreien: 3. die deutsche Presse (Zeitungen. Zeitschriften und Bibliotheken): 4. Vereine, gesellige, kirchliche, nationale und soziale: 6. endlich Pflege der deutschen Sprache im Kreise der Familie. Inwieweit diese Mittel in den einzelnen Ländern des Auslandes zur Anwendung gekommen sind, kann hier nicht dargestellt werden. Das Material ist zum großen Teile ge sammelt in dein umfangreichen Handbuche des Deutschtums im Auslande, dessen dritte Auflage vorbereitet wird. Aber auch das Mutterland ist in Erstrebung dieser Ziele nicht untätig gewesen. Abgesehen von dem vom Reiche gewährten Zuschuß für die deutschen Auslandsschulen und der umfangreichen Tätigkeit der deutschen Konsuln, die sich naturgemäß auf die politisch zum Deutschen Reiche ge hörigen Sprachgenossen beschränken muß, ist mit 30 Jahren der interkonfessionelle und nichtpolitische Verein für das Deutschtum im Auslande äußerst rührig. Anfangs wandte er seine Tätigkeit hauptsächlich dem Deutschtum in Oester reich und dann dem Deutschtum der ganzen Welt zu. In diesem Jahre schenkte er auf seiner 30. Hauptversammlung in Koblenz den deutschen Kolonien in Bosnien erhöhte Auf merksamkeit. Er verwendet jährlich etwa 200 000 Mark für seine Zwecke. Außer der Zeitschrift des Vereins ist eine ganze Reihe von Zeitschriften, in erster Linie „Tie deutsche Erde", dann das „Echo", „Süd- und Zentral-Amerika" in seinem Sinne tätig. Gut geregelt ist im allgemeinen die religiöse Fürsorge für die protestantischen Ausländsdeutschen, dank der ener gischen Tätigkeit des preußischen Oberkirchenrates in Ber lin. Es ist bereits ein ausführliches Handbuch für Pfarrer und Freunde deutscher Auslandsgemeinden erschienen, und zahlreiche Vereine sind entweder für die protestantischen Ge meinden der ganzen Welt oder für die einzelner Länder tätig. Ich nenne beispielsweise den evangelischen Haupt verein für Auswanderer in Witzenhausen, die Barmer evan gelische Gesellschaft für die protestantischen Deutschen in Südamerika, den evangelischen La-Plata-Verein in Bremen, den Verein zur Pflege des deutsch-evangelischen Lebens im Auslände. Auch eine besondere Zeitschrift: „Deutsch-Evan gelisch im Auslande" erscheint seit 10 Jahren. Ans katholischer Seite sind reich an Verdiensten die ka tholischen männlichen und weiblichen Orden und Kongre gationen, denen das Deutschtnm unendlich viel zu danken hat. Von den Vereinen ist der Raphaels-Verein seit 10. der Josephs-Missionsverein in Aachen und der Lndwig- Missionsverein in München seit 50 Jahren auf diesem Ge biete tätig. Ihre Unterstützung ist jedem Katholiken dringend zu empfehlen. Aber noch gar vieles bleibt bei nnS Katholiken zu tun. Es muß die Kenntnis der Lage der Ausländsdeutschen in unseren Reihen noch viel weiter verbreitet werden. Es muß deshalb das Material über dieselben, soviel nur erreichbar, gesammelt und publiziert werden. Der Caritasverband ist seit mehreren Jahren auf diesem Gebiete tätig. Ter vierte und fünfte Baild seines Jahrbuches zeigt die Früchte dieser Arbeit. Es muß aber die Sammlung fortgesetzt, ins besondere der in der Caritasbücherei angesammclte Bücher bestand zu einer Fachbibliothek für das katholische Deutsch tum im Anslande erweitert, die Herausgabe eines Hand buches angestrebt werden. Zweitens müssen wir die Grün dung und Unterhaltung deutscher Bibliotheken im Auslande uns viel mehr angelegen sein lassen. So manches Buch, was in der privaten Bücherei verstaubt, so manche ungelesene und »»ausgeschnittene Zeitschrift wäre ein willkommenes Labsal für die deutschen Katholiken des Auslandes. Also revidiere man gründlich seinen Bücherschatz und sende die überflüssigen Bücher an die Sammelstelle des Caritas verbandes nach Freiburg i. Br. Doch wir müssen noch drei Schritte weiter geben. Dev erste Schritt ist: Befestigung und Unterstützung der im Auslände bereits bestehenden Stützpunkte für das katho lische Deutschtum, der deutschen Missionen, Anstalten, Schulen und Vereine. Insbesondere müssen wir auch die vom Reiche bewilligten Gelder in entsprechendem Maße unseren Anstalten zuzuwendcn suchen, so daß die Behörden nicht mehr bei etwaiger Nichtbewillignng als Grund an- führen können, wir hätten uns nicht darum beworben. Es — 28 — Klingenberg, dessen gedrungene Figur sich in der dicken Lodenkleidung etwas kölnisch ausnahm, war der Gegenstand harmlosen Spottes; er lachte dazu und lvehrte sich tapfer. Als Wangenheim eine Anspielung auf seine „vorsintflutliche Büchse" machte, sagte er: „Wahrscheinlich brauch ich den. Schießprügel gar nicht, denn ich glaube nicht, daß etwas Schießbares in diesen Wäldern haust. Zur Vorsorge habe ich übrigens meinen Feldstecher umge- hängt: vielleicht entdecke ich eine Waldmaus, die sich unter dem Glase zu einer Katze auswächst. Die knall ich nieder " Lachend erhoben sie sich, da die Jagd beginnen sollte. Die Hunde win selten, der Oberförster verständigte die Treiber, die Herren hängten die Büchsen um und Graf Wangenhelm trat an die Spitze des kleinen ZugeS „Wir halteil ein offenes Treiben durch den Hirschgraben bls zur großen Schlucht," erklärte er. „Die Treiber sind auf ihren Posten, die Stände für die Herren habe ich selber ausgesucht —" „Und mir den schlechtesten zugeteilt," brummte Klingenberg. „Im Gegenteil, den besten! Da Sie doch immer friert, habe ich Sir mitten ln die Sonne postiert —" „Der Geier dank Ihnen das, da werde ich braten —" Sie schritten durch den Wald und kamen nach einer Viertelstunde zn einem weiten, flachen Kessel, der von Buschwerk bedeckt und durch niederes Ge hölz eingeschlossen war. Mit dem Rücken gegen den Hochwald, an seinem äußersten Saume nahmen die Schlitzen Aufstellung: Hauptmann von Son nenberg, der den besten Stand hatte, vor einer Art Gaste, die in den Kessel 'mündete; dann folgten nach rechts Wolf und Erich. Die Eleven und dann Klingenberg, Graf Wangenheim, der seinen Gästen alle Vorteile überließ, stand am äußersten Flügel und konnte, ungesehen von den anderen, gehen und kommen wie es ihm beliebte. In Hauptmann von Sonnsnberg, der ein vorzüglicher Schütze war, er wachte die Jagdlust: er vergaß alles um sich her und lauschte atemlos in den Wald hinein, wartend, bis der erste Bock erscheinen würde. Erich hielt zwar die Augen offen und die Büchse schußbereit — aber seine Gedanken gingen in die Ferne: er dachte an den fatalen Besuch bei Sternfelds, der ihm übermorgen bevorstand, und den er zu umgehen suchte. Dann flogen seine Gedanken zu dem Forsthause und seiner znngen, schönen Braut. Und die Jagd und alle Böcke und Häslein in den Wäldern ver gessend, summte er Maxens Lied aus dem „Freischütz" vor sich hin: Durch die Wälder, durch die Auen. , Zog ich leichten Sinns dahin — Da brach ein stolzer Bock aus den Büschen, ihm gerade vor den Laut. Hastig riß Erich seine Büchse empor, zielte — uild drückte los Der stattliche Bursche wachte einen Seitensprung und verschtvand im Walde. Der Hauptmann hatte den Mißerfolg Erichs bemerkt und war wütend darüber. Seine Hände wie ein Sprachrohr an den Mund legend, rief er: „Dummer Jungei — Da soll doch gleich ein Hageldonncrwetter — -er schönste Bock ist futsch!" „O weh," dachte Erich, „nun habe ich für heute seine Gunst verscherzt." Und er gab sich Mühe, die Scharte Auszuwetzen, aber es war vergeblich — kein Bock lief mehr ins Feuer und er knallte ärgerlich ins Blaue hinein. — 25 — Erich brach auf einen Stuhl zusammen, schlug die Hände vor das Ge sicht und stöhnte. „O Gisa — lvas soll nun werden?" Und dann hielt er den Kopf zwl'.hen den Händen und brütete vor sich hin. So fand ihn Wolf, den der Vater nach ihm geschickt haste. „Was ist dir, mein Junge?" fragte er. „Ach, Wolf," rief Erich, „steh mir bei — ich soll Ada die Kur schneiden und mag doch nicht." „Bloß die Kur schneiden? — Nein, du sollst sie heiraten." „Aber ich liebe sie nicht, sie ist mir unausstehlich mit ihrem ewigen Geplapper —" „Ihr Mund läuft allerdings wie ein Mühlenrad — ec steht nie still. Angenehm ist das ja nicht — aber du wirst dich schließlich daran gewöhnen. Und so gar übel ist sie nicht —" „Wolf — warum nimmst du sie nicht?" Wolf zuckte Plötzlich zusammen und wurde blaß. „Ich?" sagte er. „Du l ist wohl verrückt. Ich — der ich mit Lords und Pairs zu Tische saß —" „Geh mir damit — du schneidest auf. Am Ende hast d» gar mit dem Prinzen von Wales Schmollis gemacht, was?" „Ich verbitte niir solche Späße. Du bist ein frecher Dachs —" „Wolf — nimm dich in acht, ich bin ein deutscher Offizier und lasse mich nicht beleidigen, auch von meinem Bruder nicht!" Hochaufgerichtet, mit funkelnden Augen stand Erich da und Wolf hatte die Empfindung, daß er nicht mehr einem schwachen Jungen gegeniiberstand sondern einem Manne, der wußte, was er lvert war. Er zuckte aber nur spöttisch die Schultern und sagte: „Tu, was du willst. Aber ich kann dir sagen, daß im Familienrate die Heirat eine beschlossene Sache ist. Du wirst dich ein wenig aufbäumen — aber dich schließlich fügen." „Nie!" rief Erich und wollte davonstürzcn. „Halt," rief Wolf und hielt ihn fest, „so darfst du dich der Gesellschaft nicht präsentieren — wir wären ja alle blamiert. Geh eine halbe Stunde in den Garten, bis Lein Blut ruhig ist — ich will deine Abwesenheit mit Kopf schmerzen entschuldigen. Und dann komme zurück und mache wenigstens gute Miene zum bösen Spiele. Das bist du uns und unseren Gästen schuldig." Wolf kehrte zu der Gesellschaft zurück, während Erich einen Gang durch den Garten machte. Es tat ihm entsetzlich loche, daß die Seinen über seine Zukunft verfügten, ohne ihn auch nur zu fragen, und daß sie ihn zu einem willenlosen Werkzeuge ihrer Pläne und Berechnungen machten. Er fühlte, daß er eine lächerliche Rolle zu spielen gezwungen wurde, aber sie sollten sich >n ihm tauschen; er wollte ihnen trotzen und nur dem Zuge seines Her zens folgen. Als er zur Gesellschaft zurückkehrte, waren die Herren in lebhafter Unterhaltung über eine geplante Jagd begriffen, die am folgenden Tage in Wangenheims Wäldern abgehalten werden sollte; daher wurde sein Kommen nicht beachtet. Nur Ada von Sternfeld erkundigte sich teilnahmsvoll nach seinem Be finden und schien ihren Groll schon wieder überwunden zu haben. Erich plan- derte mit ihr, legte sich aber eine gewisse Reserve auf, die indes Ada nicht zu '--achten schien. . n ,