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Nr. LS — 10. Jahrgang Dienstag den 24. Januar 1011 Lrscheliit täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Ausgabe X mit .Die Zeit in Wort und Bild- vicrtelstibrlich 2, Xi ae. In Dresden durch Boten 2,x» X. In ganz Deutschland frei HauS S.S2 in Oesterreich 4,4» IO AuSgabe » ohne illustrierte Beilage vierteljäbrlich /e. I» Dresden durch Bote» S.IV I» ganz Deutschland frei Haus 2,22 in Oesterreich 4.U7 X. — Einzel-Ar. I« Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die ngelpaltene Petttzeile oder deren Raum mit 15 ReNamcn mit 5» -s die.steile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt, Bnchdrmlerrt. Redaktion und tilefchäftSftell«! TrrSden, Pillnihcr Strafte 4». — Fernsprecher INS« Für Rülkgabe unverlangt. 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Der Papst hat zwar diesen von den liberalen Führern nicht verlangt, die Bischöfe haben ihn auch nicht von den libera len Zeitnngsredaktionen gefordert, und doch gebärden sich diese so, als sei nun das Ende aller Kultur da und die Geistesfreiheit und Wissenschaft dahin. Die liberalen Ban nerträger verstehen entweder den ganzen Eid nicht — die meisten haben ihn nicht gelesen — oder sie wollen absichtlich Hetzen. Der Evangelische Bund hetzt jeden Tag gegen die- sen Eid und die Nationalliberalen sind seine getreuen Schleppträger, im Reichstage wie im preußischen Abgeord netenhause. Im letzteren hat der Abgeordnete Friedberg erklärt: „Meine Herren, das; Sie auf der Rechten darüber lactien, ist eigentlich ein schlechtes Zeichen für Sie, das möchte ich Ihnen sagen. Diese Frage berührt das geistige nnd kulturelle Leben unserer Nation ganz außerordentlich, und das hat mein verehrter Freund Everling im Reichs sage durchaus zutreffend ansgeführt. Wenn ihm Herr Kreth dabei in den Rücken gefallen ist, so glaube ich, beweist Herr Kreth nnd ein Teil seiner politischen Freunde damit, eaß sie für diese Dinge doch nicht das richtige Verständnis haben . . „Es ist in der Tat beschämend," bestätigt natürlich die „Nat.-lib. Korr," die Friedbergschen Ausführungen, „daß im Reichstage wie im Abgeordnetenhaus«? die konservative Partei nichts Besseres zu tun weiß, als die Männer, die ans die ernsten Gefahren der heutigen vatikanischen Politik für unser deutsches Volk Hinweisen, ansznlacben. Es gehört dazu die ganze Verranntheit in das klerikal-konservative Bündnis, von der der größte Teil der konservativen Partei heute beherrscht ist." Durch diese Randbemerkung ist klar gestellt, um was es sich handelt: man will also den Konser vative» Schwierigkeiten in der Wahl bereiten und spricht darum immer vor dem protestantischen Volke von dem Amts- cid der katholischen Geistlichen. Der knrnr ;,rntast!inti«'iis soll gegen die Konservativen entfacht wei den. Ein ganz er bärmliches Mittel zu einem politischen Zwecke. Die Konservativen freilich wehren sich jetzt ganz ent schieden gegen diese Anrempelungen nnd die höchst bedenk liche Konfessionshetze der Liberalen. Nach der „Krcnzzeitg," schenken sie den Bewegungen innerhalb der katholischen Kirche größte Aufmerksamkeit und legen sich mit Ernst die Frage vor, welche Stellung sie zu den vatikanischen Erlassen zu nehmen haben. Da seien es nun folgende Erwägungen, die im Vordergründe stehen und speziell von der „Krcnzztg." oft genug dargelegt worden sind, „Die Konservativen," fährt das konservative Blatt fort, „mischen sich nicht in die Angelegenheiten der katholischen Kirche, sie warten ab, ob sich aus ihren Beschlüssen Uebergriffe ans das Staatsrecht crgeben, bezw. ob der konfessionelle Frieden durch haltlose Angriffe auf den protestantischen Teil der Bevölkerung ge stört wird. Träte ersteres ein, so würde die Negierung bei ihrer Abwehr stets die Konservativen ans ihrer Seite fin den. Im zweiten Falle habe» die Konservative» erst jüngst anläßlich der Borromäus-Enzyklika bewiesen, daß sie Stö rungen des konfessionelle» Friedens energisch abzuwcisen gewillt sind. Nur befolgen sie streng den Grundsatz, den „konfessionellen Nerv" nicht unnötig und in einer Weise zu reizen, die die „Katholiken geradezu inS Zentrum hinein- i reibt" — einen Grundsatz, den Pachnicke am 13. d. M. im Abgeordnetenhause zwar aufstellte, aber seinerseits nicht befolgte." Die Krcnzzeitg." beklagt dann den Antimoder- nisteneid, aber sie hält sich vor Augen, „daß es sich erstens um eine zweifellos innere Angelegenheit der katholischen Kirche handelt, und daß zweitens durch Aufhebung der ka- tholischen Fakultäten — der teils geheime, teils offen znge- standene Wunsch der Liberalen — nur die Geschäfte derjeni gen Katholiken gemacht würden, die den vollkommenen Ab schluß der katholischen Bevölkerung von dem Volksleben wünschen. Ter .Kultusminister hatte auf Friedbergs Aenße- rungen in seiner Entgegnung vollkommen Recht, als er letz teres ansführte. Wir Konservativen, die wir mit den katho lischen Bevölkenmgskreise» znm Woble des Vaterlandes bei Wahrung voller Selbständigkeit Zusammenarbeiten wollen, freuen uns der Tatsache, daß es große katholische Strömlin gen in Dentschland gibt, die ein Gleiches wollen, und daß deren Politik gegenüber Angriffen und Verdächtigungen unduldsamer Richtungen gerade erst in jüngster Zeit einen vollen Sieg errungen hat. Es steht also, wenn man über die katholische Kirche der letzten Jahre, speziell in Deutsch land eine Bilanz anfmachen will, dem Passivkonio ein star ker Aktivposten gegenüber, der die Hoffnung erweckt, daß die nie ansznfüllende Kluft zwischen katholischer »nd Pro testantischer Religion und Weltanschauung auch in Zukunft immer wieder durch und in der praktischen Arbeit überbrückt werden wird. Wer von der Macht nnd Kraft evangelischen Glaubens überzeugt ist, dem kann eS im übrigen nicht zwei felhaft sein, ans welche Seite der endliche Sieg im Kampfe der Geister fallen wird. Wenn also die konservative Frak tion bei deii Ausführungen des Abgeordneten Friedberg gelacht haben sollte, wie die „Nat.-lib, Korresp." berichtet, so kann der Grnnd dafür in nichts anderem bestanden haben, als in Nebensächlichem. Vielleicht bot die Pose des Abge ordneten Friedberg, sein falsch angebrachter Bekennermnt, Veranlassung znm Lachen." Ans dieser Grundlage kann inan Zusammenarbeiten. Die deutschen Katholiken können selbstverständlich nie im Protestantismus den wahren Glauben sehen; sie müssen ihn als eine Irrlehre betrachten. Aber das hindert nicht, daß man im öffentlichen Leben mit Protestanten ziisammen- arbeitet. Man kann sich auch nicht gegenseitig die Kopfe cinschlagcn, sagte der Kaiser sehr zutreffend zu einem Zen- trnmsabgeordneten. Der Liberalismus freilich will von diesem Zusammenarbeiten nichts wissen, denn er will die Katholiken kirnten. Wenn man zusammenarbcitek, muß man die Katholiken als gleichberechliat ansehen und behan deln; das geht aber dem brutalen Liberalismus gegen den Strich; er will herrschen und alle Andersgesinnten imter- drücken! TaS lehrt seine Geschichte sehr deutlich. Politische Rundschau. Dresden, den 23. Januar 1911. — Das Krönniigs- und Ordensscst wnrde an, Sonntag im Schlosse zu Berlin in gewohnter Weise gefeiert. Das Schloß, die königlichen nnd die städtischen Gebäude »ich viele Häuser in der Umgebung des Schlosses waren beflaggt. Die neu zu dekorierenden Herren empfingen ans den Händen der Mitglieder der General-Ordenskommission die -Orden. Inzwischen hatten sich die Prinzen n»d Prinzessinnen des .Königliche»' Hauses ciiigefimdeii. Der Kaiser begab sich um (<,12 Uhr i» den Rittersaal. Dort waren bereits die Ritter des Schwarzen Adlerordens und die aktiven Staats- minister versammelt. Tie neue» Ritter und Inhaber des Rote» Adlerordens, des Königliche» Kronenordens und des Hansordens von Hohenzoller» hatten in alphabetischer Reihenfolge Ausstellung genommen »nd defilierten nun vor dem Kaiserpaare. Während dieser Eonr stellte der Präses der Generalordeiiskommissio» die nenen Ritter vor. Hier auf schritt das Kaiserpaar im Zuge zur zweiten Paradevor kammer, wo die Damen des Wilhelmsordens, des Lnisen- ordens, des Frauenverdienstkrenzes, des Verdienstkrenzes für Frauen nnd Jungfrauen und der Noten-Krenz-Medaille den Zug erwarteten: auch hier wurden die neu Dekorierten vorgcstellt. Um Uhr fand in der Schloßkapelle der Gottesdienst statt. Hofprediger Kritzinger sprach über 2. Ehronica 16, Vers 7: „Seid getrost nnd tut eure Hände nicht ab, denn euer Wort hat seine Not." Das gelte auch heute noch. Vierzig Jahre bestehe das Reich unter der Sonne eines »»gestörten Friedens, aber trotzdem sei ein? ungeheure Riesenarbeit herangewachsen, die getan werde» müsse in unermüdlicher Treue, von jedem einzelnen ans sei nem Posten bis zum Tode, znm Heile des Ganzen. An der Kaiserlichen Hanpttafel im Weißen Saale hatte wie immer auch eine Deputation von Inhabern des Allgemeinen Ehrenzeichens und der Rettungsmedaille Platz gefunden: 12 Feldwebel, Wachtmeister, Invaliden n. a. Im Verlaufe des Mahles erhob sich der Kaiser und trank „ans das Wohl der neu ernannten und der voriger Ritter". Nach der Tasek hielten die Majestäten Eercle und beehrten viele der neu Ausgezeichneten durch Ansprachen. Ans der großen Reihe dcr Auszeichnungen heben wir folgende Parlamentarier deS Zentrums hervor: Noten Adlerorden 3. Klasse mit der Schleife: Dr. Wellstein: Noten Adlerorden 4. Klasse: Dr. Vccker-Köln, Engelen, Nacken, v. Pfetten, S'ebenbnrger, Wallenborn: Kronenorden 2. Klasse: Vizepräsident des Reichstages Dr. Spahn; Kroncnorden 3. Klasse: Trimborn. — Das preußische Abgeordnetenhaus befaßte sich am Sonnabend mit der Zentrumsinterpellatioii betreffend W i n z e r n o t. Zwei Anträge von freikonservativer und nationalliberaler Seite forderten eine energische Bekämp fung der Nebschädlinge seitens der Regierung. Zciitrums- abgeordneter Kuhn begründete die Interpellation, nnd seine Ausführungen wurden von den Abgeordneten, die Vertreter der einzelne» Weingegenden sind, ans das beste unterstützt. Allseitig forderte man baldiges Eingreifen und keine end lose» Erhebungen. Ter Landwirtschaftsminister v, Schor- lemer stellte sich der Anfrage sehr wohlwollend gegenüber und sicherte den Interpellanten die Unterstützung der Re gierung zu. Die gestellten Anträge wurden auf Wunsch ans dem Hanse einer Kommission überwiesen und in dieser will man sich des Näheren darüber befassen, wie der Not lage der Winzer abznhelfen ist. Man kann den Verhandlun gen der Kommission nur einen- recht gedeihlichen Fortgang wünschen. — Am Montag soll nebst kleineren Vorlagen die zweite Lesung des Etats begonnen werden. — Konteradmiral v. Krosigk, der zweite Admiral deS ersten Geschwaders, ist zum Nachfolger des verstorbenen Chefs des Kreuzergesckwadertz ernannt worden. Mit seiner Stellvertretung bis zur Ankunft ist Ostasien wurde der Kommandant S. M. S. Scharnhorst, Kapitän zur See, Kraft, beauftragt. — Die »cnc Fcrnsprechgcbührcnordnnng soll am kom menden Mittwoch in die Vndgetkoinmission znrückverwiesen werden, um »och einige strittige Fragen zu klären; es ist aber falsch, ans diesem Schritte von einem Scheitern der Vorlage zu sprechen. Im Gegenteil: Man rechnet dadurch auf eine schnellere Erledigung im Plenum. Tie „Electrical Review and Western Electrician" hat kürzlich eine lieber- sicht über den Fernsprechverkehr der Welt am 1. Januar 1910 veröffentlicht. An diesem Tagcpbestanden ans der gan zen Erde ungefähr 1l> Millionen Fernsprechstellen nnd die Leitungen hatten eine Länge von 36 610 600 Kilometer. Das im gesamten Fernsprechwesen investierte Kapital belief sich ans 6100 Millionen Mark, das ist 636 Mark pro Sprech- stelle, und ungefähr OMI Millionen Gespräche wurden im Jahre 1000 gefühlt. Tic einzelnen Länder partizipieren an diesen Zahlen wie folgt: Sprechstellen Länge d^Lei- rlbcrhaupt aus 160 Tinlv. tung i. Kilom. Vereinigte Staaten . . 7 083 000 7.6 26 190 000 Dentschland . . . . , 010 OM 1.6 1 401 300 England . 616 000 1,2 2 971 000 Frankreich . . . . . 211600 0,6 1227 000 Schweden .... . 171 100 3,1 331000 Rußland n. Finnland . . 166 716 0,1 461 000 Oesterreich .... . 00 600 0,3 181000 Dänemark . . . . . 86 000 3.3 304 000 Schweiz . 73 300 2.0 330 000 Japan 71100 0.1 282 000 Italien . 66100 0.2 163 000 Norwegen . . . . . 61 600 2,3 193 000 Niederlande . . . . 62 600 0,0 178 000 Ungarn 60000 0.2 282 000 Belgien 12 600 0.6 212 000 Spanien 22 000 0.1 71 000 Rumänien 10 700 0.1 65 000 Ans die Vereinigten Staaten allein entfallen also rund 70 Prozent aller Sprechstellen »nd 66,6 Prozent des im Fernsprechwesen investierten Kapitals. Weitere 30,8 Pro zent entfallen ans Europa, 1,0 Prozent ans Kanada und 1,8 Prozent ans die übrigen Länder. Deutschland steht in Bezug ans die Zahl der Fernsprechstellen an zweiter Stelle, in Bezug ans deren Anzahl im Vergleiche zur Bevölkerungs- ziffer jedoch erst an sechster. Es wird hier pon den skandina vischen Ländern nnd der Schweiz übertroffe». — Dcr Beschluß der Zentrumsfraktion in Sachen deS Professors Martin Spahn, daß diese den „mißverständ lichen Auslassungen gegenüber a» ihrem Beschlüsse vom 0. Dezember 1010 festhalte", wurde am 16. Januar in den „Nenen Züricher Nachr." von Berlin ans folgendermaßen kommentiert: „Die jüngste Erklärung der Fraktion richtet sich keines falls gegen Spahn, wie einige glauben machen wollen, son dern sie ist lediglich eine durch Gegner Spahns sozusagen abgezwnngene Wiederholung der ersten Erklärung. Mgn könnte sie eher noch als ein V e r t r a n e n s p o t u m für Spahn bezeichnen, wenn man absolut etwas zwischen den Zeilen lesen will." Dieser Artikel ist n. a. von Berlin ans den Zen- trnmSabgeordneten Dr. Freih. v. Hcrtling nnd Gröber noch eigens zngesendet worden. Hierzu schreibt uns NeichstagS- abgeordneter Erzberger: „Es ist nicht der Ort, um hier wiederzugeben, mit wel chen Worten diese unerhörte Verdrehung des Tatbestandes gokennzeichnet worden ist. Aber das eine sei festgestellt: In der gesamten ZentrnmSfraktion herrscht nur eine Stimme der Entrüstung über dieses Gebaren, daß einen einheitlichen Zentrnmsfraktionsbeschliiß in das Gegenteil zu verdrehen sucht. Es ist nämlich in allen Teilen »»wahr, daß es sich „sozusagen um eine abgezwnngene Wiederholung der ersten