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Romanbeilage der SachfisHe« BolkSzeitvng. — 20 — Als Erich sich endlich verabschiedete und die beiden ihm noch eine Strecke weit das Geleit gaben, sagte Erich: „Morgen gleich reite ich in die Stadt und besorge die Ringe. Und rede mit meinem Vater — es soll alles klar werden zwischen uns." Sie reichten sich die Hände, und der Förster sagte: „Wir gehören zu sammen. Und was auch kommen mag, Erich, vergiß das nicht — daß wir un wandelbar zu dir stehen werden, in Liebe und Treue bis in den Tod." „In Liebe und Treue bis in den Tod!" wiederholten Erich und Gisa. Und der Himmel hörte den Schwur, und die Sonne, die goldstrahlende Köni gin, lächelte die beiden jungen glücklichen Menschen aus goldenen Augen an und breitste wie zum Segen ihre Hände aus: „In Liebe und Treue bis in den Tod!" AIS Erich nach Haus Sonnenberg zurückkehrte, saßen die Seinen beim Mahle und schalteten ihn aus, weil er sich verspätet hatte. Ihm war nicht' danach, sich mit ihnen herumzuzanken. Das Glück, das er in sich trug, hatte ihn weich und versöhnlich gestimmt, und so begrüßte er den heimgekehrten Bruder nie! herzlicher, als es sonst zwischen ihnen üblich war. Wolf v. Sonnenberg war groß und breitschulterig, aber etwas blaß und angegriffen, als ob er eben eine schwere Krankheit überstanden hätte. Doch sprach er nicht darüber, ließ sich auch nichts weiter anmerken, trug vielmehr eine gewisse Blasiertheit zur Schau, die Erich unausstehlich fand. Obwohl Wolf teilweise aus Papas Tasche lebte, gab er sich immer ein wenig großartig, fand alles Ausländische wunderbar, und das, was die Heimat ihm bot, klein und unbedeutend. Die Engländer waren in seinen Augen das vornehmste Volk der Erde: infolge dieser Vorliebe kleidete er sich ganz nach englischem Muster, trug die Haare lang, mit linksseitigem Scheitel, den Schnurrbart ge stutzt wie eine Bürste und hatte stets ein großes Einglas im linken Augen winkel. „Geht es dir gut?" fragte Erich den großen, selbstgefälligen Bruder. Dieser stocherte an einem Beefsteak herum und setzte seine hoheitsvolle Miene auf. „Na — gut: das wäre denn doch zu viel gesagt. Es geht mir leidlich. Wenn man direkt aus London kommt und bei Lords zu Gaste war, so ist es erklärlich, daß man hier nicht alles prima findet. Es ist mir alles zu eng, zu klein und unbedeutend; ich kann mich nicht ausdehnen. Das Leben in so kleinen Verhältnissen lohnt sich kaum —" „Aber meinen Wein trinkst du doch," spottete der Hauptmann. „Er ist nicht übel," sagte Wolf resigniert. „Und etwas Gutes muß man nie verschmähen." „Das ist wenigstens vernünftig," sagte Sonnenberg. „Uebrigens scheint es dir gestern abend ganz gut gefallen zu haben. Du hast dich gut unter halten, wenn auch immer so ein bißchen von oben herab, als wärest du zum mindesten Lordkanzler von England. Zum Kuckuck, wenn du nur einmal von deiner majestätischen Höhe herabsteigen wolltest: wir sind doch auch anständige Menschen, was? — Lords sind wir freilich nicht." — 17 — Sie traten in die Wohnstube. Das war ein großer Raum mit schweren Eichenmöbeln, bis zur Decke braun getäfelt. An den Wänden hingen Waffen aller Art: Pistolen, Hirschfänger, Knicker und Degen. Nebenan lag eine Kammer, eine Art Werkstatt, mit einem kleinen Werktisch in der Mitte. An den Wänden befanden sich auf Holzständern eine ganze Menge von Gewehren, eine wertvolle Sammlung aus mehreren Jahr hunderten. Der Förster nahm eine mächtige Muskete vom Ständer und zeigte sie Erich, indem er mit sichtlicher Befriedigung sagte: „Ein Kabinettstück das: ein Luntengewehr aus dem dreißigjährigen Kriege. Das Hab' ich in einem Bauernhöfe entdeckt, und als ich dem Besitzer zwanzig Mark bot, schlug er schmunzelnd ein und dachte sich wohl: der Förster Oßwaldt ist doch ein rechter Esel. Aber der Kerl täuscht sich. Für einen Kenner ,st das Ding seine hundert Mark wert." Erich bewunderte die Muskete, stellte sie an ihren Platz und fragte den Förster: „Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, sich gerade dem Studium der Handfeuerwaffen znzuwenden?" „Das liegt im Blute," gab der Förster zurück. „Mein Vater war Büchsenmacher in einem schwäbischen Städtchen. Daneben Stadtrat und ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn. Von ihm habe ich die Freude am Walde und die Kunst, eine Büchse fix und fertig zu machen, geerbt. So bin ich Förster und nebenbei Büchsenmacher zum Privatvergnügen geworden. Ich habe die Geschichte der Handfeuerwaffen gründlich studiert und die Fortschritte wohl beobachtet. In der Welt draußen wäre ich vielleicht auf eine neue Idee gekommen oder hätte irgendeine neue Erfindung gemacht, eine Fabrik ange legt und wäre am Ende ein reicher Mann geworden. Hier aber in der Ab geschiedenheit ging das nicht. Ich habe diese Kunst nur zum Vergnügen ge trieben, aber sie hat mir doch manche Freude bereitet. Auch habe ich ein neues Gewehrmodell im Schrank, ans dem sich unter Umständen Nutzen schlagen läßt, sofern mir nicht ein anderer zuvorkommt. Das zeig' ich Ihnen ein ander mal. — Jetzt wollen wir zu Tisch. Da klappert nämlich Gisa vernehmlich mit den Tellern, ein Zeichen, daß wir erwartet werden. Wenn ich bitten darf —" Sie setzten sich zu Tische. Das Mahl war einfach — kalter Aufschnitt, frische Butter und kräftiges Schwarzbrot, dazu der alte Johannisberger, der wie Gold in den Kelchen funkelte. Der Förster griff tüchtig zu und sprach nur hie und da ein Wort; auch die beiden jungen Leute redeten wenig, und so verlief das Frühstück ziemlich still. Gisa brachte kaum einen Bissen hinunter; der Förster bemerkte es schließlich. „Nun, Kind," sagte er, „was ist dir? Bist du krank?" Gisa ließ Gabel und Messer fallen und sprang auf, indem sie Erich hilfeflehend anblickte. „Ach, Papa —" stieß sie hervor und eilte hastig aus dem Zimmer. Ter Förster sah ihr verwundert nach und schüttelte den Kopf. „Ja, was ist denn nur dem Mädel? — So Hab' ich sie ja noch gar nie gesehen I" — Erich saß einen Augenblick still; seine ganze Gedankenwelt und alle seine Gefühle drängten sich in dieser Sekunde zusammen — von diesem Haus Sonnenberg. 5