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s-rr. LS7 Freitag den IS. Oktober LVOA 7. Iahrg rNg. achstsche Uolkszeitung <trstyeln> »ä Eintel,lummer ,t)'P° -^ed'Äto^ Z UuadhMgtgrs Tageblatt Kr Wahrheit, Kecht«.Freiheit ^nk-rate werden die ««espalt- PetitzeUe od deren Raum mit 18 4. mit 80 ^ die .-ieile berechn^dei Mederh dedeltt^-'b-M «uchdruikere«. RedaNton u»> wesMaOSstelle- ^reSde«. iUillniver Strafte -18. — ^ernlpr-wer i>!r. 18«tO. XIII. Charitastag Op«. Ravensburg, 13. Oktober G08 Um 5 Uhr nachmittags begann im Konzerthaus die erste beratende Versammlung des Charitas- tages. Vom König Wilhelm von Wüttemberg ist auf das am Vormittag abgesandte Huldigungstelegramm ein Danktclegramm eingelauien. Ter erste Redner ist Prälat R e h l e r - Regensburg. Er behandelt das Thema: „Für sorge für die männliche Jugend auf dem Lande." Für die Erhaltung eines gesunden, christlichen Bauernstandes tut uns vor allem die Fürsorge fiir die ländliche Heran wachsende Jugend not. Hier gibt es nur ein Mittel: die Organisation des ganzen Bauernstandes auf christlicher, nationaler Grundlage in Vereinen und Genossenschaften. (Bravo!) Gerade die ländliche Jugend ist nach ihrer Ent lassung aus der Schule vielfach hirtenlos. Es ist zwar bis- her schon manches getan, aber die bisherige Fürsorge ist doch noch äußerst mangelhaft und systemlos. Daher der Ruf nach landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen aus dem Lande. Tie Landjugend verwahrlost, wenn sich niemand um sie bekümmert. In allererster Linie berufen, sich der ländlichen Jugend anzunehmen, ist die christliche Charitas! Auf dem Charitastage in München 1002 ist zum ersten Male die Gründung von bäuerlichen Burschenvereinen an geregt worden. In Bayern sind bereits derartige Burschen- vereine gegründet worden und diese haben sich bisher gut bewährt. In Württemberg, Baden und Elsaß-Lothringen ist man dem bayerischen Beispiel gefolgt. In Norddeutsch land dagegen hat man den Jünglingskongregationen den Vorzug gegeben. Auch auf protestantischer Seite hat man die Notwendigkeit eingesehen, daß für die bäuerliche Jugend etwas geschehen müsse. Und so hat man in Ost preußen einen evangelischen Jünglingsbund begründet. Es muß aber noch viel mehr geschehen, denn schon beginnt die Sozialdemokratie auch in das flache Land einzudringcn. Darum tut Eile not, »venu nicht viel verloren gehen soll. Noch ist ja die Mehrzahl unserer ländlichen Bevölkerung durchaus christlich gesinnt: aber das darf uns nicht veran lassen, sorglos zu sein. Denn leichter ist es, vorzubeugen, als bereits geschehenes Unheil wieder wcttznmachen. Die Sozialdemokratie beginnt ein Netz sozialistischer Jugend vereine über ganz Deutschland zu spinnen. Gerade jetzt stehen wir in sozialer Hochbeweguug. In absehbarer Zeit wird Deutschland geteilt sein in zwei Lager, in ein christ liches und in ein sozialdemokratisches, d. h. atheistisches. Wer jetzt chnritativ und sozial am meisten arbeitet, der wird dein kommenden Kampf, der kommen wird, am besten ge wappnet entgegensetzen können. 1000 ist die Organi sation der katholischen Jugend s r e » n d e be gründet. in welchem die bisherigen Diözesenvereine zu einem Zentralverbande zniammengeschlossen werden. Die Geschäftsstelle ist in Köln. Zum Verbände gehören 1 MO Vereine mit MO 000 Mitgliedern. Unser Ziel mnß sein, das; in jedem Dorf Ortsgruppen von Jnngendfrennden ins Leben gerufen werden. Zn diesem Zwecke müssen Geistliche, Lehrer, Bürgermeister und Wirte gemeinsam wirken. (Sehr richtig') Wenn diese Personen znsammenwirken, dann isr auch der Bnrschenverein beinahe fertig. Solche Vereine sind ein außerordentliches Werk der Seelsorge: aber auch die ländlichen Bauernvereine und Genossenschaften. Ge meinden, Eltern, Vormünder und Waisenräte haben die Pflicht, mitznwirken an der Organisation der ländlichen Jugend, zur Erhaltung des Glaubens, der Einfachheit der Sitten und der Nüchternheit. Noch ist es Zeit, unfern Bauernstand zu erhalten. Aber es mnß nun auch alles ge tan werden, was in unseren Kräften steht, ihn uns zu er halten. Tenn der Bauernstand ist nicht nur der Nährstand und der Wehrstand unseres Vaterlandes, sondern auch der Lehrstand, denn nicht weniger als 75, Prozent unserer Geist lichen und Lehrer entstammt dem Bauernstände. (Leb hafter. stürmischer Beifall.) Ter Vorsitzende spricht dem Redner den Dank der Versammlung aus. Sodann spricht Superior G o e s e r - Heiligenbronn über „F ürsorg e f ü r B l i n d e n n d T a u b st n m m e". Die Taubstummen und Blinden gehören wohl zu den Be dauernswerten, aber sie sind doch nicht die Aermsten unter den Armen, denn sie können selbständig und erwerbsfähig gemacht werden Zur Erreichung dieses Zieles mnß eine zweckentsprechende Erziehung möglichst frühzeitig einsetzen. An solchen Orten, wo Kinderschnlen oder Kindergärten vorhanden sind, sollen diese möglichst bei der Erziehung blinder oder taubstummer Kinder hcrangezogen werde». Selbstverständlich kann die Erziehung einsinniger Kinder nicht ausschließlich diesen Anstalten anvertrant werden. Denn die Anstalt wird, selbst wenn sie auch vom redlichsten Wollen beseelt ist, das Ziel nicht erreichen können, blinde bezw. taubstumme Kinder möglichst selbständig, d. h. von fremder Hilfe unabhängig zu machen. Ganz besonders wünschenswert wäre es, wenn man die Errichtung von be sonderen Kindergärten und Vorschulen für taubstumme oder blinde Kinder erreichen könnte. Die Fürsorge für solche arme Kinder soll sich aber nicht nur auf die Schuljahre be schränken. Ebenso wichtiger, wenn nicht weit wichtiger, ist die Fürsorge nach der Schulentlassung. Tenn dann tritt das Leben mit all seinen Forderungen an diese armen Kinder heran und gerade jetzt ist der Augenblick, wo die Charitas in verstärkten! Maße helfend eingreifen sollte. Besonders die Blinden bedürfen der Hilfe in wirtschaftlicher köniyl. klailielssnt ?orre>Ian Majolika Beziehung. Bei dem einen handelt es sich nur um eine mehr oder weniger ausgedehnte Unterstützung, bei anderen, ganz besonders bei Blinden weiblichen Geschlechtes, handelt es sich aber um vollständige Versorgung. Selbstverständlich darf neben dem weltlichen Wohl die geistige und sittlich religiöse Hebung der Blinden nicht außer acht gelassen werden. Bezüglich ihrer wirtschaftlichen Lage sind die Taub stummen günstiger gestellt als die Blinden. Geichwohl aber können auch sie nach ihrer Schulentlassung der weiteren Fiirsorge nicht ganz entbehren. Das gilt besonders von ihrer geistigen und sittlich-religiösen Weiterbildung. Zwar bestehen schon jetzt in den verschiedenen Ländern besondere Fürsorgevereine für Blinde und Taubstumme: aber es bleibt doch noch viel zu tun übrig, und darum muß die Be gründung solcher Vereine in großer Zahl möglichst äuge- strebt werden. Und hierbei sollte der Charitasverband seine Hilfe leisten. (Lebhafter Beifall.) Der Vorsitzende, Monsgr. Werthmann, dankt dem Redner für seine vorzüglichen Ausführungen. Letzter Redner des Abends ist Herr Superior Pfaff- Neute. Er behandelt das Thema: „Fürsorge für unheilbare Geisteskranke und Epileptische." Redner stellt die Forde rung, daß diese Kranken so früh wir möglich einer Anstalt überwiesen werden, denn die Anstaltssürsorge sei der Familienfürsorge vorzuziehen, weil jene besser in der Lage seien, die Kranken sachgemäß zu behandeln. Viel Erfolg verspricht sich Redner auch von einer Belehrung der Ehe leute über die Ursachen und die Entstehung des Idiotismus und der Epilepsie. Vor allen Dingen muß darauf ge achtet werden, daß Geistesschwachen und Epileptikern der Genuß von Alkohol verwehrt wird, denn der Alkohol ist einer der ärgsten Feinde des Idiotismus und der Epilepsie. Bezüglich der Beschäftigung solcher Kranken empfiehlt Redner in erster Linie landwirtschaftliche und Garten arbeit. Handwerkerarbeiten können zwar auch zngelassen werden, aber doch nur in beschränktem Maße. In der An stalt soll den Kranken möglichst Gelegenheit gegeben wer den, dem Gottesdienste beizuwohnen. Im Schul- und Religionsunterrichte mnß in erster Linie der AnschauanngS- nnterricht Platz greisen. Tenn mit seiner Hilfe wird man am besten das Verständnis der Geistesschwachen und Cpi- ! leptiker wecken können. Vorzüglich kommen in Betracht ! etwas Gymnastik, einfache Spiele, Gesang, Lichtbilder. ! Besonders große Geduld und Liebe mnß von dem Pflege- ^ personal dieser armen Kranken gefordert werden. Am ! besten eignen sich für die Pflege Ordensschwestern. Doch soll man ihnen, wenigstens in den größeren Anstalten, einige männliche Wärter beigeben. Liebe und Geduld, das sage ich nochmals, mnß aber allen Pfleglingen die Nichtschüur allen Handelns sein. (Lebhafter Beifall.) Der Vorsitzender spricht dem Redner den Dank der Ver sammlung für seine Ausführungen aus. (Beifall.) * * * cP«. Ravensburg, 14. Oktober 1908. Nach voraufgegangenen Sektlonsberatnngen begann am Mittwo (. vormittag die z weite berat e n d e E h a r i t a s v e r s a m m l n n g. Monsgr. Werthmann eröffnete die Versammlung mit dem katholische» Grus; und teilte mit, das, vom Heiligen Vater ein Danktelegramm ans die ihm überiandte Huldigung eingelanfen sei. Ter Vor sitzende fordert die Versammlung auf, znm Zeichen der Er gebenheit ein Hoch ans den Heiligen Vater ansznbringen. Die Versammlung stimmt begeistert in das Hoch ein. Sodann sprach Herr W e y d m a n n - Straßbnrg über .Armenpflege". Soll die Armenpflege von wirklichem Er folge tzegleitet sein, dann mnß öffentliche Armenpflege und private Wohltätigkeit zusammenwirken. Ohne ein Zu sammenarbeiten beider Faktoren ist eine systematische Be kämpfung der Armut und ihrer Ursachen so gut wie un möglich. Grundbedingung für ein harmonisches Zusammen wirken ist eine konsegnent durctzgeführte Arbeitsteilung. Tie öffentliche Armenpflege hat unter allen Umständen den Armen das zum Leben Notwendige zu geben, wenn er es verlangt. Der privaten Wohltätigkeit kommt in erster Linie eine vorbeugende, und in zweiter Linie eine die öffentliche Armenpflege ergänzende Tätigkeit zu. Vor allem ist gerade ihr auch die Sorge für das geistige und sittliche Wohl der Armen Vorbehalten. Die private Wohl tätigkeit muß aber in die richtigen Bahnen gelenkt werden, wenn sie dauernden Nutzen bringen soll. Vor allem muh darauf geachtet werden, daß die Privatwohltätigkeit nicht durch ihr Geben die Erlangung des Unterstützungswohn, sitzes ermöglichte für bereits verarmte Zuziehende. Tritt aber erst im Verlauf der Fürsorgetätigkeit Verarmung ein, dann soll die Privatwohltätigkeit sofort durch die öffent liche Armenpflege erseht werden. Die öffentliche Armen pflege darf aber die freiwilligen Gaben nicht von ihren Leistungen in Abzug bringen. Für ein geordnetes Zu- sammenarbeiten von öffentlicher und privater Armenpflege wäre es von nicht zu unterschätzendem Nutzen, wenn die Privatwohltätigkeit in Vereinen und Verbänden organi ßert würde. Diesen Vereinen würde alsdann die Aufgabe znfallen, sozusagen das Bindeglied zu sein zwischen öffent licher und privater Armenpflege. Eine Organisation der privaten Wohltätigkeit würde auch eine Garantie dafür ge nähren, daß diese neben der öffentlichen Armenpflege eine unabhängige Stellung einnimmt. Vor allem muß auch aus die aktive Mitarbeit der privaten Wohltäter — ganz be sonders der Frauen - hingewirkt werden. Und auch dieser Aufgabe kann durch eine Organisation am besten genabt werden. (Lebhafter Beifall.) Nach einigen geschäftlichen Mitteilungen des Vor sitzenden spricht Monsigr. Prof. Dr. W a i tz - Brixen über „die Gefahren des Alkoholismus". Versuche, angebliche Resultate der wissenschaftlichen Forschung in der Alkohol- s,age zur Bekämpfung der katholischen Religion zu ver wenden, zwingen uns zu ernster und entschiedener Stellung nahme auf diesem Gebiete. Erfreulicherweise macht sich in der katholischen Antialkoholbewegung das Bedürfnis nach einem einheitlichen Vorgehen bemerkbar. Es muß unser Bestreben sein, der katholischen Kirche jene führende Stellung zu gewinnen, die ihr in einer sozial und religiös so bedeutungsvollen Angelegenheit znkommt. Diese Ziele können erreicht werden, wenn in alle Kreise des katholischen Volkes Kenntnis und Einsicht getragen wird über die Ge fahren des Alkoholismus und über die wirklichen Ziele der Antialkoholbewegnng. Diese letztere selbst wird gefördert durch frühzeitigen Schutz der Jugend und Beschaffung von billigen und gesunden Ersatzgetränken usw., dann natürlich auch durch nnmittelbare Bekämpfung des Nebels. Redner empfiehlt die Annahme einer Resolution, in welcher die Organisation der Antialkoholbewegnng der Diözese Rotten- bnrg als vorbildlich bezeichnet und der Wunsch ausge sprochen wird, daß die einzelnen Vereine immer größere Verbreitung finden. Namentlich wird die Einführung des Schntzengeltnmes in jede Pfarrei gefordert. Tie Versamm lung beschließt dementsprechend. Der Vorsitzende spricht den beiden Rednern seinen Tank ans und schließt dann die Versammlung. Politische Hiondschau. Dresden, den 15. Oktober 1908. - Tie verstorbene Herzogin Witwe von Anhalt, Antvi nette, war eine Prinzessin von Sachsen-Altenbnrg, die au 22. April 1851. erst 10 Jahre alt, dem damaligen Erb Prinzen Friedrich von Anhalt vermählt wurde. Tie junge Fürstin war eine der schönsten jugendlichen Erscheinungen an den deutschen Höfen, eine „von Anmut und Lieblichkeit nniglänzte Blondine". Ein schöneres fürstliches Paar hat kann, je vor dem Altar gestanden und fünfzig Jahre war das anhaitische Volk stolz auf sein schönes und gütiges Herzogspaar. Die Herzogin-Witwe, welche 71 Jahre all wurde, starb in Berchtesgaden an den Nachwehen eines Nierenleidens. Sie hinterließ drei Söhne und zwei Töchter, den jetzigen 'legierenden Herzog Friedrich, die Prinzen Cdnrard und Aribert, die Prinzessin Elisabeth, die jetzige Großherzogin von Mecklenbnrg-Strelitz und Prinzessin Alerandra, die Gemahlin des Prinzen Sizzo von Schwarz barg, deS anerkannten Thronfolgers der beiden zu ver einigenden schwarzbnrgischen Staaten. abr. Ter Reichskanzler empfing im Lause des gestrigen Tages die Botschafter der Türkei, Japans und Englands und konferierte mit ihnen über die politischen Tages fragen. Cmpsänge auch anderer Vertreter der auswärtigen Mächte werde» sich diesen Besprechungen anschlicßen. Die vorgestrige Unterredung des Fürste» Bülow mit dem öfter reichisch-nngarischen Botschafter ergab im wesentlichen das volle Einvernehmen der beiden Staatsmänner in allen Fragen der auswärtigen Politik. Tie „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" erklärt in einem offiziösen Artikel zur Rcichsfinnnzrcsvrln, daß die von konservativer Seite neuerdings empfohlene Ans bringnng eine>- Besitzsteuer für das Reich durch Erhöhung der Matriknlarbeiträge in mäßigen Grenzen Wohl möglich ß'i, daß die Regierung aber außerdem an dem Plan einer allgemeinen Nachlaßsteuer festhalten müsse. — Bischof Bcnzlrr von Met, erhält in der „Täglichen Rundschau" die Bestätigung, daß er ihr Vertrauen voll ständig verloren habe. Wir gratulieren dem Metzer Ober- Hirten. - Die Generalversammlung der GörrcS Gesellschaft tagte in Limburg vom 12—14. Oktober. Die eiste allge- meine Sitzung wurde am Dienstag von dem Vorsitzenden. Exzellenz Freiherr v. Hertling dmch eine Ansprache eröffnet. Danach nahm der hochw. Herr Bischof von Limburg Dr. Willi das Mort. Der Bericht wurde vom Generalsekretär Dr. Cardauns erstattet. Sodann begannen die wissenschaft lichen Vorträge, auf die wir znrückkommen werden. Enlenburg-Moltkr.Harden. Wie die „Allg. Berl. Korr." meldet, soll von seiten des Beklagten ein völlig neues, geradezu erdrückendes Material gesammelt worden sein, durch dessen Anfrollnng in der etwa bevorstehende» Verhandlung weitere Kreise der von Hardens bisherigen Veröffentlichungen betroffenen Gesetzschaftsklasse angeblich schwer kompromittiert sein werden. Es wird daran ge- zweiselt, daß der Prozeß gegen Harden ohne vorange gangene Verurteilung oder Freisprechung deS Fürsten Eulenbnrg überhaupt zu Ende geführt werden könne. Der ..