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Beilage zu Nr. der „Sächsischen Volkszeitung". Offener Brief des Herrn Kaplan Hottenrott in Zwickau an den Herrn Pastor (Höcht. Auf der diesjährigen Katholikenversammlung zu Zwickau am 24. Mai war das Wort gesprochen: „Man braucht lein Prophet sein zu wollen; auch ist es heutzutage eine ! büchst bedenkliche und undankbare Sache, im Propheten- ! Mittel aufzutreten; und dennoch können wir wohl mit un schlbarer Gewißheit Voraussagen, daß auch unsere heutige Versammlung vonseiten der Zionswächter mit allerlei „Liebenswürdigkeiten" bedacht werden wird." Wie richtig ich diese Zionswächter eingeschätzt hatte, zeigten nach einiger M die „liebevollen" Besprechungen, mit welchen unsere Versammlung in den verschiedensten Blättern, wie „Das Vaterland", „Leipz. N. Nachr.", „Neues Sächs. Kirchenbl.", „Cyemii. Allg. Ztg.", „Berl. Tagebl." u. a. bedacht wurde. Dazu kommt nun noch eine Strafepistel, welche der Zwickaner Pastor, Herr Gocht, in Nr. 14:i der „Zw. Ztg." vom 24. Juni unter dein Titel: „Ein Wort zu dein Auftreten des Herrn Kaplan Hottenrott in Zwickau" mir hält. Nun, es hat ein wenig lange gedauert, ehe die Zwickaner Herren zu unserer Versammlung Stellung nahmen, sodaß mich schon in beunruhigender Weise die Besorgnis guölte. ich möchte diesmal doch als falscher Prophet für Zwickau aus getreten sein. Doch wie Herr Gocht verschämt andentet und die „Zwickaner Zeitmig" verblümt erklärt, wollte man zunächst im Wahlkampfe die verhaßten Sozialisten töten, um dann zum zweiten Siege zu eilen und die noch ver- ^ härteren Ultramontanen und den Schwärzesten der Schwarzen, dcu Kaplan Hottenrott, mundtot zu machen, beider ist chucn trotz der bis zur vollendeten Erschöpfung getriebenen Luchlagitation schon das Erste nicht gelungen; und doch — j wie aufrichtig hatte ich mich darauf gefreut, mit diesen ffcrreu als Siegern die Klingen kreuzen zu können. Nun die Freude dem Mitleid Platz; und in diesem Mit- i leid versteht man es mm noch mehr, wie die gegnälten ffcrzcn ob solcher Wahlniederlage sich Mist machen möchten IIIIÜ deshalb ihren Zorn an den bösen Ultramontanen ans- i lasse». Dadurch wenden sie zugleich die Augen der Ge , trcueu von der erlittenen Schmach ab und glauben noch dazu im Schreien und Härmen gegen die Ultramontanen cm Mittel zu haben, die ungetreuen Schäflein, die zur sozialdemokratischen Herde retiriert sind, wieder anzn lecke» und unter ihren Hirtenstab zu sammeln. Wie hier, io Nt es überall im deutschen Baterlande, und wie überall so auch hier. »Tic protestantische Theologenwelt," so schrieb noch kürzlich i ci» großes, angesehenes Blatt, „sieht ihr Hans wanken, von 'Billionen lirchenentfremdcten Glaubensgenosse» des „lautern N'oa»geliuins" ganz verlassen. Sie haben sich „andern Göttern" ' zugewandl, der modernen Naturwissenschaft, der naturalistischen Milosophie, der Sozialdemokratie »sw. und im Wirbel der ' Meinungen ist die, Stimme der „evangelischen Kirche" geradezu ansgeschattet. Aber die Vertreter der Theologie wollen noch nicht naben, und weil sie bei den Ihrigen kein Gehör mehr finden, be geben ne sich auf den KriegSpfad gegen die „Papisten": sie hoffe», von der altbekannte Ton des antirömischcn Schlachthornes die ver »reuten Masse» wieder um sie sammeln werde." Tas ist auch hier die Ursache, weshalb der Herr Pootor Gocht mich verschiedenfach bezichtigt, daß ich mnt- ! willigerweise die Gefühle der evangelischen Bürgerschaft beleidigt Hube. Bitte, Herr Pastor, nennen Sie mir ge- gefälligst den genauen Wortlaut jener Stelle oder jener Stellen meiner Rede, in denen ich die Bürgerschaft Zwickaus beleidigt haben soll. So lange Sie das nicht tun, muß ich Ihre Behauptung als dreiste Unwahrheit bezeichnen. Sie wissen wohl, daß es nur einzelne Vorkämpfer des „Evangelischen Bundes" sind, gegen die ich mich in meiner Rede gewandt habe. Wozu also diese Wenigen mit der ganzen Bürgerschaft identifizieren und gar von Beleidigungen sprechen? Nobel ist das gewiß nicht. Nobel ist es auch nicht, wenn «ie unsere Versammlung von gar nicht landes- angehörigen, sondern böhmischen Katholiken, die im Sommer hier ihr Brot suchen, besucht sein lassen, oder wenn gar ein Blatt allen Ernstes behauptet: Da seien nur Polen, Tschechen, Italiener und Böhmen zusammengekommen. Solche Mätzchen rufen bei denen, die unsere Versammlung gesehen haben und die Seelenzahl und Landesangehörig- keil der hiesigen angesessenen Katholiken kennen, nur schallendes Gelächter hervor. Daß man aber sich solcher Mittel bedient, um unsere Versammlung herabsetzen zu wollen, verrät am besten den Eindruck, welchen sie auch auf Andersgläubige gemacht hat. Dieser Eindruck muß aber nun aus jeden Fall und deshalb mit jedem Mittel zerstört werden; denn er könnte ja sonst bei den gut gesinnten Protestanten ungeheuren Schaden anrichten; des halb das krampfhafte Bemühen, unsere glänzende Ver sammlung herabznsetzen. Daß freilich Ihnen selbst, Herr Pastor, und Ihren Gesinnungsgenossen eine solche Katholikenversammlnng im ponieren konnte, das anzunehmen, hieße die eingefleischten Gegner der kathol. Kirche nicht kennen. Das habe ich auch in meiner Red^wenn Sie etwas genauer nachseben wollen, klipp und klaW^ansgesprochen. Sie hätten sich also die Mühe ersparen können, mir eine Vorlesung über das Wort „imponieren" zu halten. Was mir aber an Ihnen imponiert hat, das ist, hören und staunen Tie, daß Sie die von mir gesprochenen Worte: Unwahrheiten, Walirbeitsverdrehnngen, billige Behauptungen, tilgen nsw. so rückhaltlos verurteilt haben. „Nobel", so schreiben Sie, „ist dieser Kaplanston nicht, wie ihn der Vertreter des Zwickaner KaplanismnS anschlägt." Ganz recht, mein lieber Herr Pastor, ich stimme Ihnen voll und ganz bei; mir haben Sie das eine über sehen, diese so edlen Worte und Ausdrücke stammen nicht, wie Sie behaupten, ans meinem Wörterbuch, sondern ans einem ganz andern. Nehmen Sie doch einal das „Zwickaner Wochenblatt", Jahrgang lttol. Nr. lzur Hand! Dort werden Sie die von Ihnen inkriminierten Ausdrücke zmn Teil wiederfinden und andere, die ebenso „schön und nobel" klingen; so z. B. „Gemisch von halben Wahrheiten und unbewiesenen Behauptungen. von billigen Witzen und ge schickten Wahrheitsverdrehnngen«!»"; ferner „das demagogische Getriebe solcher Katholikenversammlnngen", „alles andere, als deutscher Wahrhaftigkettssinn", „Ausgeburten einer er- hitzten Phantasie", „ehrlose und grundlose Verdächtigung"«!». „dem Sprecher an den Puls fühlen", „Mangel anWahrheits- sinn nltramontaner Darstellung". Fürwahr ein „nobles" Wörterbuch, dem diese Worte entstammen; und es ist nicht meins. sondern — mm, Sie merke» es wohl schon? Doch da Sie nun einmal dasselbe aufgeschlagen haben, so erlaube ich mir. noch weiter umzuschlagen und Ihnen noch andere, auf antiultramontaner Seite beliebte „Edellaute" zu zitieren. Da finden Sie, Herr Pastor, Ausdrücke, wie: „blödes Auge", „deutscher Prinz als römischer, wenigstens teilweise innerlich verwelschter Priester", „eröffnet und begründet wurde somit die Versammlung mit einer Lüge"(!); und schlagen Sie noch weiter um, da leuchten Ihnen die so „lieblichen" Worte entgegen: „römische Schlingpflanzen", nltramontaner Pöbel", „Rohlinge", „Horden". „Heuchler", „Ungezogenheit", „niedere Kulturstufe", „ultramontane Barbarei", „schmutzige Waffen", „fanatische Massen", „welsche Hetzer", „welsche Lüge"!! Ja, so etwas ist freilich nicht nobel, und das alles steht zu lesen in dem Wörterbnche Zwickaner Pastoren. Doch noch einmal wollen wir Umschlagen, und wir treffen auf die „edlen" Worte: „das Zentrum mit dein römischeil Bettel sack" l!>, „der alte Mann in Rom"t!!> . . . nnd wer ist nun der „vornehme" Mann, der diese „edle" Sprache führt? Herr Pastor, erschrecken Sie nicht; das sind Tie selbst! Ja, Sie haben ganz Recht, wenn Sie schreiben: „Das sind Worte, mit denen ein Mann der Bildung, ein Bildner der Jugend, ein Erzieher des Voltes, ein Seelsorger der Ge meinde uns bedenkt." Ich danke Ihnen von Herzen für diese unfreiwillige, herzerfrischende Kritik des antinltra- montanen Wörterbuches und glaube — „diesmal habe ich die Lacher ans meiner Seite". Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich für heute dieses famose Lexikon schließe; bin aber gern bereit, wenn Sie es wünschen sollten, es später einmal wieder zu öffnen nnd noch eine zweite Blütenlese „nobler" Ausdrücke, wie „Gekrächze der schwarzen Raben", „personifizierter Satan"«!!>, „Haupt nnd Schntzberr aller Diebe" nsw. ansznwählen, mit denen wir, Ultra- montane. nnd unser hl. Vater ans gewissen Versammlungen, in gewisse» Blättern nnd Zeitschriften und von gewissen BnndeSpastoren und Häuptern der Los von Rom-Bewegung bedacht werden. Vorläufig hat es mir imponiert, daß Sie so schön in die gestellte Falle gegangen sind nnd rückhaltlos sich selbst und den andern antinllramontanen Geisteskämpfern das Urteil gesprochen. Meine Werte waren nur diesen entlehnt nnd sogar ein nur schwaches, unbedeutendes Echo jener „nobelen Kraftansdrücke", die man so gern gegnerischern-itS in unser» Wald hineinschreit. Dock, weiter! Sie verurteilen es ferner, Herr Pastor, „von der reinen Höhe geistigen, wissenschaftlichen Kampfes für eine Sache sich ans die staubige Straße persönlicher Angriffe ans den Gegner herabznbegeben." Auch hierin pslichle ich Ihnen voll und ganz bei; möchte Sie aber auch hierin an das Wort erinnern: „Wozu in die Ferne schweife», denn das Schlechte liegt so nahe." Kehren Sie erst einmal gründlich vor der Türe so mancher Ihrer Frennde, ehe Tie den Berns in sich fühlen, vor meiner Tür fegen zn müssen. Nur ein Beispiel! So brachte eine der letzten Nummern des „Neuen Sächsischen Kirchenblatts" «Leipzig» gar un feine persönliche Angriffe ans Herrn Kaufmann Rack>'-- Mainz und ineine Persönlichkeit. Also nicht immer ist es der Fall, daß man ohne die schöne Zier der 'Bescheidenheit am weitesten kommt. Bescheidenheit scheint freilich nicht gerade die stärkste Schweizer Brief. „Gesegnet sei, der da koinntt nn 'Namen des Herrn!" So war am vorletzten Sonntag am Eingänge der sciilich geschmückten Klarakirche zn lesen. Die Katholiken Lasels hatten an diesem Tage die Freude, ihren geliebten pl'crhirten, den hochw. Bischof Haas ans Solothurn zur Mssvendnng der hl. Firmung an die Erstkommnnikanten i:i ihrer Mitte »veilen zn sehen. Ungefähr ein halbes I Tausend junger Ehristen empfing das Sakrament der Stärkung, immerhin eine bedeutende Anzahl, wenn inan bedenkt, daß hier jedes Jahr die Ansspendnng der hl. Firimmg erfolgt. Die heilige Handlung vollzog sich bei einem gewaltigen Menschenandrange in feierlichster Weise. j Welch einen Kontrast bildete die feierliche Handlung in der Kirche mit dem Leben nnd Treiben vor der Kirche! ! Musik nnd Gesang, wehende Fahnen nnd festlich geputzte Menschen! Dichtgefüllte. Tramwagen führten ungezählte Schuren fröhlicher Sänger hinaus nach Kleinhüningen, einem Dorfe, welches noch zmn Kanton Baselstadt gehört. ! Taielbff war Tängertag, ein Gesangswettkampf, an welchem 24 Gesangvereine ans der Schweiz, dem Elsaß und dem Großherzogtnm Baden teilnahmen. Bemerkens wert war dabei, daß auch 4 Franenchöre nicht ohne s tffiolg an diesem Kampfe sich beteiligten. 2 Wochen vorher wer in Nendorf, einem eljässischem Orte, W/„ Stunden re» Basel entfernt, ein ähnliches Sängerfest. Nendorf hat dudmch eine gewisse Berühmtheit, daß es ganz und gar Gemiisedorf ist, d. h. die gesamte Bewohnerschaft bc- idligt sich mit dem Anbau aller Arten Gemüse, welches ^ iß dann nach Basel zmn Verkauf bringt. Man sieht in ! der diemarknng Nendorfs keine wogenden Getreidefelder, ! sondern nichts als Gemüse, von der plebejischen Kartoffel! bis zum edelsten Spargel und dem feinsten Blumenkohl. Ans dem Markte in Basel bilden die Nendörflerinnen unter den Verkäufern besondere Reihen. Es herrscht in dem ziemlich großen, wohlgebauten Dorfe ein gewisser Woblstand; von Stzinpathie für Frankreich ist nichts mehr zn spüren vielmehr neigen die Nendörfler ans leicht begreiflichen Gründen zur Schweiz. Vor 2 Wochen feierte nun der Gesa»gverein „Orpheon" in Nendorf sein 2',jähriges Inbi läum; er glaubte dies nicht würdiger tun zn können, als durch Abhaltung eines internationalen Sängerfestes. Eü wird jetzt eine wunderschöne.katholische Kirche gebaut, die selbe ist in: Rohbau fertig: sie wnrde als Sängerhalle be nutzt. Ü.K Vereine waren der Einladung zmn Sängerwett- streit gefolgt: ans dem Elsaß, ans dem Baden, ans Basel sladt und Basclland. Die meisten Lorbecrkränze holten sich die Gesangvereine ans Basel. Es ist kein Zweifel, daß hier in Basel, wie überhaupt in der Schweiz, der Männergesang eine sehr gute Pslege findet. Doch ist zn bemerken, daß das, was unser Kaiser jüngst in Frankfurt über die Ans wähl der Gesangstücke sagte, mehr oder weniger auch für die Schweizer Männergesangvercine gilt. Es wird zuviel gekünstelt, man kann sich nicht genug tun in Tonmalerei. Es sind jetzt besonders Schweizer Komponisten, wie z. B. Hegar, die sehr kunstvolle Kompositionen für Männerchor schassten; dem Volksgesang wird aber dadurch nicht gedient. Vom >2. bis mit Ist. Juni hielten die deutschen Tonkünstler ihr Iahresfest in Basel ab. Zn dieser Ge legenheit möchten Kompositionen für Männerchor von Hegar nnd Huber am Platze sein. Es ist das zweite Mal, daß der deutsche Tonkünstlerverein in der Schweiz tagte: das erstemal war er in Zürich. Es scheint fast, als hielten die deutschen Tonknnstler die Schweiz trotz alledem für eine deutsche Provinz, und ich glaube doch: in nmsikalischer Hinsicht werden die Schweizer nichts dagegen einznwenden haben; denn deutsch ist doch die Musik hier durch nnd durch. Oder wollen sie auch in dieser Beziehung von Schweizer Eigenart reden? Dies dürfte denn doch das Gebiet des Lächerlichen streifen. ES ivnrden in den Psingsttagen drei Sinfoniekonzerte, zwei Künstlerkonzerte nnd ein Kirchen konzert gegeben; dabei ivnrden Schweizer Komponisten vor allem berücksichtigt. Ein Männerchor von Ist«» Mann, ein Orchester von über l«><> Mann <70 ans Basel, eine größere Anzahl ans der Meininger Hofkapelle, die übrigen ans Lausanne», ein gemischter Ehor von über :'.<»<> Singenden: das waren die Truppen, welche den musikalischen Kamps ansgefochten haben. Basel hatte sich in jeder Hinsicht vor bereitet, die deutschen illnstren Gäste würdig zn empfange»; es hat seinen alten Ruf als gastfreundliche nnd als Mnsik- stadt aufs neue glänzend gerechtfertigt. Die deutschen Ton künstler haben sich hier einheimisch gefühlt, als wären sie in einer deutschen Stadt. Eö ist gewiß freudig zn begrüße», daß auf diese Weise die frenndnachbarlichen Beziehungen zwischen Lentschland und der Schweiz enger geknüpft werden. Ebenso kann man sich mir darüber freue», »venu schweizerische Männorgesangvereine Sängerfahrten »ach Deutschland nnter- netzmen, wie unlängst die Lnzcrner nach Stuttgart und jetzt die Berner nach dem Rhein von Mainz bis Köln. Die Züricher „Harmonie" wiederum zog nach der schönen Kaiserstadt an der Donau und ließ dort ihre Lieder erschallen. Vor allem sind die Schweizer durch ihre Vaterlands lieber berühmt; so sangen die Züricher den» in Wien n. a. das herrliche Lied: „O mein Heimatland." „Ans Höflich keit" ließen sie die zweite Strophe ansfallen: diese lautet; Vits ich arm, von, froh, Fremdes Pond dmetistriw, .Königsglanz mit Deinen Bergen inoff. Thronensti Iler bald ob Dir vergas,. Äffe war da der Bettler slolz ans DiNi! Wegen dieser Unterlassungssünde sielen mm die in der Wolle gefärbten freisinnigen schweizerischen Zestnngen wütend über die armen Züricher her. In ihrem Männerstolz vor Königsthronen behaupteten sie, daß die Hervorhebung dieser schweizerischen Eigenart den Wienern am meisten imponiert haben würde. Meiner Ansicht nach ließen die Züricher Sänger obige Strophe nicht so sehr ans Höflichkeit, als ans Taktgefühl ansfallen. nnd Taktgefühl muß doch ein echter Sänger auch in dieser Beziehung besitzen. Man kann es begreiflich finden, daß die Schweizer sich ihrer dewokralischen Ttaalsverfassnng srenen: doch es gibt auch in diesem freie» Lande eine große Partei, welche mit dieser Verfassung noch lange nicht zufrieden ist: Umsturz des Bestehenden ist auch hier noch die Losung. Kommen min Mitglieder dieser Partei mit an die Regierung, so zeigt sich so recht augenscheinlich der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Hier in Basel haben die Sozial demokraten einen der Ihrigen im Regiernngsrat. Als beim Basler Manrersireik das Militäranfgebot erlassen wnrde. war auch der soziatdemokratische Regiernngsrat Wnll- schleger so g it wie seine Kollegen ans den bürgerlichen Parteien sofort für das Aufgebot, weil er dessen Notwendig keit zur Ansrecktterhaltimg der Ordnung ohne weiteres ein sah. Darob herrschte Helle Entrüstung bei einem Teile der Genaue»; g, ch,,er Versammlung der Holzarbeitergewerkschast in Basel wurde Herr Wnllschleger „unwürdig" erklärt, fernerhin der sozialdemokratischen Partei anzngehören. Die Parleiteilnng und das hiesige Preßorgan „'Basler Vorwärts" suchten zwar zn vermitteln und Wnllschleger zn hallen, doch der Zwiespalt in der Partei ist unverkennbar. Znm Schluß noch eine Probe ans der letzten Nummer dieses Organs der Sozialdemokraten Basels: Auch dam, nichtk Für die feigen Sllavenseelen '.Nag ein «'»oll an« Platze sein, Taff ne ihre frommen Kehlen Bettelnd können heiser schein. 'Aber wer in stolzen, freien Anschauungen eingelebi. Wird nicht nach dem Himmel schreien, Selbst wen» ilm der Tod »mschwebl. Lebenslust wird jäh erwachen, 'Niederringen wird er sie Stöhne» wird er oder lachen, Aber beten wird er nie. Wahnwitzige Tore»! Doch es bleibt dabei: „Religion ist Privatsache."