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Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15» Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 1 A 6 tk. NV. 148. Katholiken: Leo II. ToNNta^, dtz'N 28. JlMl 1903. Protestanten: Leo. 2. JtthvHMlg. Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- u. Festtage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. SO Ps. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 68S8. Bei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. Sucdsmckerei. IKHalttion uns üerekäftrrieller Dresden, Pillnitzer Strafte 4Z. Ter neue Reichstag. Tie neue Vertretung des deutschen Volkes ist gewählt. Es ziemt sich daher, deren Znsaininensetznng mit Rücksicht M Volkswünsche nnd Regierung etwas näher zu betrachten. Wie wir schon erwähnten, sind Zentrum, Konservative und Natioiialliberale ziemlich nngcschwächt ans dem Wahl- , kompf hervorgegangen. Die ausschlaggebende Stellung des -jeutrnins bleibt unverändert. Es ist vor wie nach in der pgge, mit den rechtsstehenden Parteien und den meisten Pole» und Elsässern, wozu noch ein großer Teil der Nationalliberalen sich hinzngesellen wird, eine ausreichende Mehrheit von wenigstens 2:',0 «gegen l<>7) znm Schuhe der Landwirtschaft und des getverblichen Mittelstandes zu Hilden. Andererseits wird das Zentrum in Verbindung mit den Elsässern, Polen, den freisinnigen Parteien und ! de» Sozialdemokraten auch ferner in der Hage sein, jeden Argrin ans die Volksrechte, das Reichslagswahlrecht nsw. abzuwehren, was um so wichtiger ist, als die Zunahme der 7ü;raldemokratie natürlich auch die Scharfmacher wieder m>s die Beine bringt. Und wenn die Regierung wünscht, ikire Forderungen für Militär und Marine erfüllt zu sehen, ,'e wird sie auch fernerhin mit den: Zentrum rechnen müssen, das gewillt lind völlig in der Hage ist, jede Mehrbelastung j der breiten Massen des Volkes ans dem Wege indirekter Steuern zu verhindern. Ohne das Zentrum bringt die Regierung für militärische Forderungen im neuen Reichstag nicht mehr als höchstens 1 >70 Stimmen ans gegen etwa l«.0 im alten. Auch in der nächsten entscheidenden Frage, derjenigen der Handelsverträge, ist die Mitwirkung des Zentrums nicht zu entbehren. Handelsverträge, welche die Interessen der Landwirtschaft den Großhandelswünschen preisgeben, werden zwar die Zustimmung der kl Sozialdemokraten »»den, aber nicht diejenige des Zentrums und der in dieser Fruge mit ihm gehenden Polen und Elsässer. Die gesamte hinke mit Einschluß der Sozialdemokraten und — »voran - im Ernstfälle hier gar nicht zu denken — sämtlicher National liberalen kann höchstens 177 Stimmen für die Handels verträge stellen, während wenigstens Iw» zur Mehrheit er- ! sorderlich sind. Handelsverträge aber, welche ans die heimische Landwirtschaft jenes Mindestmaß von Rücksicht nehme», das von» Zentrum in den Zolltarifdebatten deutlich bezeichnet wnrde, können auch gegen die Sozialdemokratie dmchM'ht werden, und zwar durch eine Mehrheit, die ans bei» 'jenlrmn, den Elsässern, Welfen, Polen, den National Nach geschiedener Lhe. Ein Sittenbild ans dein heutigen Frankreich. Pc» Eomtesse de Beanrepaire. — Deutsch von Helene streiiibs goilsetzmig.» winchdrukk vellwN'U.» M-otz aller seiner Beteuerungen war Herr Bertinet viel weniger mutig, als er sich den Anschein zu geben beliebte. Nichts war ihm augenblicklich nnangenehmer, als ein Anfent- halt in la Borderie, wo seine erste Fra» von allen geehrt »»d geliebt wnrde, und »vo er selbst als Vorkämpfer der christlichen Fdecn ausgetreten. Wie gern hätte er es ver mieden. sich da zu zeigen! Aber die Menschen, so hoch mütig sie auch sind, können das Schicksal nicht nach ihren Hannen lenken. Fn der Hand Gottes sind sie wie ein Strohhalm. Noch etwas anderes lag ihm hartnäckig im Sinn, »änilich die erste heilige Knnnnnnion seiner Tochter, das Vild Herminens im weißen Kleide und Schleier, den Aus druck süßen Friedens und frommer Andacht im unschuldigen «liudcrantlitz, stand ihm lebendig vor Angen. Und Abscheu mußte ihn beim Gedanken an die Pläne, welche er zur Ackämpsnng der Religion gemacht. Nichtsdestoweniger gab cr seine häßlichen Vorsätze nicht ans. Wer den Fuß ans einen gefährlichen Abhang setzt, gleitet »nanfhaltsam weiter bis ans den Boden des Abgrundes. V. Während Herr Bertinet sich ans der Fahrt nach seinem haudM' befand, genoß Nolande die erste glückliche Stunde lest langer Zeit, »venu auch die Freude nicht ganz »»getrübt war. Hermine hatte in den letzten Wochen anssallende Fortschritte in allem Guten gemacht; sie war fleißiger und bedächtiger, dabei ganz gehorsam und aufmerksam gegen die Alnller geworden. Der Zug von Schwermut, der ihr seit kurzen» eigen, gab dem reinen kindlichen Antlitz etwas Aührendes. Sie war sehr groß für ihr Alter und schlank gewachsen; schon merklich vollzog sich die Umwandlung des reizenden Kindes in eine schöne liebenswerte Fnngfra». Am Abende vor ihrer ersten Kommunion kam sie »ach guter alter Sitte zur Mutter, um Verzeihung zu erbitten für die begangenen Fehler und zu danken für die ihrer Kindheit gespendeten Wohlthateu. Kuiend empfing sie den Segen, der das Glück in sich birgt. Diese Stunde war süß und bitter zugleich für die arme Nolande. Ach. wie gern hätte sie die kindliche Hiebe liberalen und den freisinnigen Parteien besteht; höchstwahr scheinlich werden aber auch die Neichspartei und ein be Nächtlicher Teil der Konservativen für solche Handelsver träge stimmen. Daraus ergeben sich die Folgerungen für die Negierung von selbst. Sie »miß nach wie vor daraus bedacht nehmen, eine Politik zu treiben, bei der sie das Zentrum nicht gegen sich hat, während sie die Sozialdemokraten, trotz ihrer starken Zunahme nicht mehr als bisher zu berück sichtigen braucht. Nur insofern bedeutet das Wachstum der Sozialdemokratie eine nnmittelbare Gefahr, als die Neigung zu obstruklionistischer Vergewaltigung des Reichstages dadurch gewiß eher vermehrt als vermindert wird. Auch wird es sehr viel schwieriger sein, eine Obstruktion von dieser Seite zu überwinden, »venu nicht durch Diäten dafür gesorgt wird, daß auch die rechtsstehenden und Mittel Parteien ebenso zahlreich in Berlin ansharren tonnen, wie die mit Parteidiäten gesegneten Sozialdemokraten. Vor Allem aber wird die Regierung, wenn sie ihren Blick über die nächsten Jahre hinansrichtet, dafür sorgen müssen, daß sie durch eine volkstümliche Politik, dnrct, soziale Reformen, wirtschaftliche Verbesserungen und durch Abiveisnng jeder Scharsmacherei der weiteren Erregung von Unzufriedenheit entgegenwirkt nnd dadurch den Boden bereitet für die kommenden Wahlen, damit die Bäume der Sozialdemokratie nicht in den Himmel wachsen. Das Zentrum bildet ja. wie auch diese Wahlen zeigten, einen starken Damm gegen die sozialistische Hochflut, aber es kann nicht hindern, daß die protestantische Volksmehrheit sich immermehr der Um stnrzpartei znwendet. Es kann auch nickt verhindern, daß knltnrkämpferische Hetzer »ms eine Unterstützung bedrohter liberaler Kandidaten vielfach unmöglich machen. Die liberalen haben durch empfinbliche Verluste in München, Karlsruhe nsw. erfahren müssen, daß der Knltnrkampf eine sehr zweischneidige Waffe für sie bildet. Hoffentlich ist diese Hehre nicht umsonst. Die Herren vom Evangelischen Bund, welche das Fesnitengesetz zur Wahlparole machten, werden mm ja auch einsehen müssen, daß diese Parole sehr günstig mir für »ms war: die Mehrheit für Aufhebung des Ans- nahmegesetzes ist im nenen Reichstag erheblich größer als im alten! Alles in allem tonnen die Katholiken mit Befriedigung ans das Endresultat Hinblicken. Die treffliche Organisation des Zentrums hat sich bewährt nnd die Znnahme der Stnnmenzahl. welche von ca. l:;iO«»>«> ans rund I 7«»oo«»o stieg, muß sehr überraschen. Denn es war eher ans einen Herminens mit demjenigen geteilt, der ja eben so viel An recht darauf halte, als sie selbst! Aber dieser hatte sein Heim treulos verlassen, um in der Ferne der Stimme der Verräterin zu folgen, die ihn den Seinen abwendig ge macht. Daß er niemals wiederkäme, war das Beste, was sie unter diesen Umständen wünschen konnte. Trostlose Hoffnung! Hermine war von den Andachtsübnngen dos Tages ermüdet nnd abgespannt i» der Erwartnng des morgigen Glückes. Sie ging deshalb früh zur Ruhe. Als Frau Bertinet ihr Töchterchen nnte» dem Schutze der unbefleckt Empfangenen, deren Statue das Kopsende des Bettes überragte, einschlafen sah. begab sie sich wieder in ihr Gemach. Es war nenn Uhr. Plötzlich hörte sie die Haus glocke länlen. „Wer kann z» solcher Stunde noch Einlaß begehrenV" innrmelte sie. „Ich habe wenig Freunde, die das Recht beanspruche», mich in meiner Einsamkeit anfznsnchen." Scho» erschien der Diener und meldete Fra» Morande. Rolande war über die Maßen erfreut. „Hassen sie die Dame eintreten", sprach sie. Und einen Augenblick später lagen sich die beiden Frauen in den Armen. Frau Morande »vor die Fngendfrenndin )')olandens, eine fein gebildete und verständige, fromme Dame. Sie hatte eine» Diplomaten geheiratet, mit welchem sie sich bisher in Süd Amerika nnfgehalten. Obschon die beiden Freundinnen in regem Briefwechsel standen, hatte Fra» Bertinet es nicht über sich vermocht, ihren Gatten anznklagen und über die traurigen Vorgänge in ihre»» Hanse z» berichte». Frau Morande hatte die Schlnßkataslrophe durch ihre eigenen Verwandte» erfahren »nd zwar zu der Zeit, als sie sich anschickte, mit ihren, Gemahl in die Heimat, wohin dieser wiederbernfen, zurück- znkehren. Sie vermeinte, nnd mit Recht, daß ihr Besnch Rolanden lieber sei. als ein Trostbrief, nnd so war sie so fort nach ihrer Ankunft herbeigeeilt. „Rolande, teure Nolande!" „Hiebste Martha, welch freudige Ueberraschnng!" Das »vor alles, was die Beiden in dem seligen Auge» blick des Wiederfindenö hervorznbringeu vermochten. Martha gewann zuerst die Fassung wieder. „Armes Herz!" sagte sie. „Warum hast Du mir Dein Unglück nicht mitgcteilt? D» weißt, ich fühle mit Dir." „Konnte ich den Vater meiner Kinder verurteile» ?" seufzte Rolande. Niedergang zu rechnen, nachdem dnrct) die Abtrennung der Banernbündler in Bayern, der Radikalpolen in Lberichlesien nnd im rheinisch westfälischen Fndnstriebezirk viele tausend katholische Stimmen verloren gegangen sind. Auch die noch junge Organisation nnseres engeren Heimatlandes hat sich erprobt. Besonders erfreulich ist die stramme Disziplin, welche sich bei diesem Wahlkampf als schöne Tugend der malst kleinen, aber tüchtigen Zentrnmstrnppe bewährt hat. Nach Wahlen pflegt man gewöhnlich eine üknhepaiise in der Agitationsarbeit eintreten zu lassen; das ist vollkommen verfehlt. Wenn Offiziere und Soldaten kriegstüchtig bleiben wollen, so müssen sie fortgesetzt geübt werden; das gilt auch hier. Speziell für Sachsen steht bald die Handtagswahl bevor, Grund genug, die Hände nickt in den Schoß zu legen, sondern rastlos an der Organisation, besonders durch Verbreitung des V o l ks ve rei ns. »veiler zu arbeiten nnd namentlich auch unsere Presse, deren Notwendigkeit sich beim Wahlkampfe in hervorragender Weise ergab, immer mehr zu fördern. -— Das soll die Nutzanwendung dieser Wahlen sein, die »vir keinen Tag vergessen dürfen. Weitere Stichwahlen. Zciitruni. Hockst». Flschert uiickit Brnhiie, Soz i. Mültzei»» o. Rl>.. de Witt. Plcß-Rybnik. Fultin. .«kviiscrvnlivc. Evlberg, Multewitz. — Schwerin - Wismar, Dröscher. Ilsedmn-Wvlli», v. Bötzlendvrss. Reichspiirtei. Danzig Vaud, Dörstsen. Tcls, »ardorss. Roltzeiibmg-Hoherswerdu, «straf Arnim. Schweiz, Haltz. Zanch- Belzig, v. Oertzen. Refiirliicr. Hersseld, Werner. NlNioimlliberiUc. paulerbacki, Wallan. Maltese, Faeuecke. — Bahreultz, Hagen. Eelle, Wetzl. — Fvrckitzeii». Nenner. — Har- lmrg, Depplen. Hof, Miinch-Fcrber. — stena. Petzmann, ckeeslemnnde, Böttcher. pimlmrg, Bnckileb. Sozialdemokraten. Bochum, Him «nicht Franken, uallib». — Weimar-Apolda. Bändert. Frcis. Vvlkspnrtci. Bingen, Schmidt. pöwentzcrg, Eopsch. — Mindern, peontzart. Frcis. Vereinigung. Eöslin, Barttz. (stlogau, Hossmeister. — Parchim. Pachnicke. Wild. Ferichow. v. Bismarck. Welfe. Uelzen, «straf Bernslvrst. Antiscinit. Schlochau Flatolv, Böeller. Pole. Ttzorn, Brcisli. In den Stichwatzlen wurden gewätzlt.- 20 .«»onservalioe, 12 Reichsparlei, k Antisemiten. 12 Zenirnm, -bl Nativnalliöerale, 20 freisinnige Boltsparlei, <> deutsche Bvllspartei, !> freisinnige Ber einigung, 27 Sozialdemokraten. >'! Elsässer, 2 Polen, 1 Welsen, 7 Bauernbund bczlv. pandwirlelmiid, <» Wilde. Bier Resultate Hetzen noch ans, ferner finden zwei Stichwatzlen am 27. Fuui stall. „Fmmer großmütig!" antwortete Martha. „Aber Hiebe, deine Großmut ist hier doch übe» flüssig! sie dient keineswegs dazu, 'Bertinet die Achtung der recht schaffenen Heute zu bewahren. Erzähle mir den ganzen Hergang, das wird Deiner gegnälten Seele eine Erleichte rung sein." Nolande berichtete über die bedauerlichen Vorkommnisse. Martha war empört, sie fand nicht Ausdrücke des Abschenes genug, um das 'Betragen Bertinets zu brand marken. „Unbegreiflich ist es", rief sie endlich, „wie dieser Mann i» seiner Verblendnng ein so nnbedenlendes Geschöpf, eine Puppe ohne Herz nnd Gemüt, Dir vorziehen konnte, die Du dasiehst in der Volleutivicklnng der Schönheit Deiner dreißig Fahre, ihm ebenbürtig au «steift und Erialirnng. erprobt in Freud nnd Heid. Schändlich in es. aber auch Tn bist leider milschnldig. liebe Nolande. Tn hättest die Scheidung nicht annehmen dürfen, sondern Dich Ins znm äußersten wehren und Tein gutes Recht verteidigen müssen." „Feh suhlte von vornherein, daß ick» miterliegen würde." „Vor dem Tribunal Deines Mannes, vielleicht! Und dennoch! Hätte er mehr Zeit gehabt, sich den Fall zu überlegen, wäre ihm der Ausdruck der össenllichen Meinung deutlicher zu Obren gekommen, wer weiß, wer weiß ob er ain Ende nichl in sich gegangenV Ans jeden Fall würde dann Fiänlein Hebaron, in ihren Erwartungen getäuscht, ihre ehrgeizigen Pläne auf ein anderes Gebiet gebracht haben." „Hätte Marzel sie dann wmiiger geliebt!" „Das würde sich in der Folge gezeigt haben. Aber es handelte sich in erster Hinie nicht um die Hiebe oder Heidenschast Deines «statte», sondern m» Deine nnd Deiner Kinder gesellschaftliche Stellung, uni Eine Ziikunit." „Ach. leider hat mich der Gedanke. Marzels Znneigmig für immer zu verliere», so schwach gemacht. Fch hatte ihn so treu geliebt, ich liebe ihn noch . . . und mm zu sehen, wie er mich freiwillig nnd leichten Herzens ausgab .... Martha, es war zu viel, da habe ich »nick» znrückgezogen." „Und das war Dein Unrecht! Du hättest am Ende über die achtzehn Fahre Deiner Nebenbuhlerin gesiegt. Und wenn nicht, mm, so traue ich Dir soviel Ehrgefühl zu. daß Du Herr»' 'Bertinet »ach seinen Verdiensten behandelt hättest." (Fortsetzung folgt.) Wegen des hohen Feiertages Peter nnd Panl erscheint die nächste Nnmmer erst Dienstag nachmittag zu gewohnter Stunde.