Volltext Seite (XML)
Nr. 264 — Seite 6 Dienstag den 19. November 1912 Sächsische Volkszeitung die erhebende Feier. Selbst diejenigen Glieder der Ge meinde, die bisher einer solchen Feier neutral gegenüber standen, hatten sich diesmal erfreulicherweise nicht ausge schlossen. Die ganze erhebende Feier, die für den Herrn Präses ganz überraschend kam, ist wieder einmal ein recht erfreulicl>er Beweis der Liebe und Verehrung, die dem Herrn Pfarrer.Hottenrott von seiten seiner Gemeinde ent gegengebracht werden. ?. Vermischtes V Die Rohrpost in Berlin. Unter allen Ber liner Museen verdient keines wegen seiner Eigenart so sehr den Besuch wie das Rcichspostmuseum, das für Kultur- Historiker, Briefmarkensammler und Techniker gleich inter essant ist. Namentlich der letztere kommt auf seine Rechnung, aber auch der Laie. Das 3. Stockwerk enthält die sehens wertesten Modelle. Nehmen wir nur eins heraus: die Rohrpost. Im ersten VetriebSmonat, im Dezember 1876, wurden fast hunderttausend Sendungen durch die Rohr post befördert. Nach einigen Jahren aber fing ihr Ruhm an, allmählich zu erblassen. Der Fernsprecher begann seinen Siegeslanf, und die rasche Verständigung, die er ge währte, konnte die „Pustepost" nicht leisten. Ihr ging zwar die „Puste" nicht aus, sie blieb am Leben, wuchs und ge dieh, aber sie blühte mehr im Verborgenen. Man sprach nicht mehr viel von ihr. Gäbe es keinen Fernsprecher, Steglitz hätte längst Rohrpostverbindung mit Berlin. Wäre der Fernspreclier nicht, so hätte die Berliner Rohrpost eine weit schnellere und auch umfangreichere Vergrößerung er fahren. Ter Fernsvrechsr bewirkte, daß sie nur langsam an Ausdehnung gewann. In den ersten 30 Jahren ihres Bestehens hat sich die Gesamtzahl der von ihr beförderten Gegenstände ungefähr versieben sacht. Was will diese Zu nahme gegen das Wachstum besagen, das auf manchen anderen Verkehrsgcbisten festzustellen ist?! Immerhin kann sich auch die Berliner Rohrpost als Verkehrseinrichtung sehen lassen. Sie ist eine der größten und am besten ans gestatteten Anlagen dieser Art. Noch ist der Fernsprech- anschlnß bei einer Wohnung nicht so selbstverständlich wie der Anschluß an die Wasserleitung. Auch wird man mir dem Fernsprecher auch in Zukunft zwar den Inhalt eines Schriftstückes oder einer Einladung übermitteln können aber nicht das Schriftstück oder die Einladung selbst. Das sichert der Rohrpost trotz des Fernsprechers zahlreiche Kunden. v Folgen eines Vortrages. Der verhaftete Juwelendieb Alfred Löwy aus Wien hat auf dem Berliner Polizeipräsidium ein Geständnis abgelegt. Las nach den Angaben -es jugendlichen Verbrechers zwar die reine Wahr- heit enthalten soll, das aber in seinen Einzelheiten noch ein gehend nachgeprüft werden mutz, weil offenbar vieles darin verschwiegen oder entstellt worden ist. .Löwy hat bis Ende September in Wien bei einer Konfoktionsfirma eine Stel lung als Verkäufer innegehabt. Diesen Posten hat er ohne ersichtlichen Grund aufgegeben und ist dann nach Berlin ge fahren, angeblich, um sich eine neue Stellung zu suchen. In Wirklichkeit hatte er es ztveifellos von vornherein aus Hoteldiebstähle abgesehen. Sein ganzes Gebaren zeigt, daß Löwy trotz seiner Jugend ein überaus routinierter Hotel dieb ist. In Verlauf ganz tveniger Wochen hat er in mehr als einem Dutzend großer und kleiner Berliner Hotels ge wohnt, und wiederholt hat er sich falscher Namen bedient. Während des Verhörs durch Kriminalkommissar Weiß stellte es sich heraus, daß Löwy bereits vor 2 Jahren in Wien wegen Hoteldiebstahls mit 6 Monaten schiveren Ker kers bestraft worden ist. Als man ihn fragte, wie er dazu gekommen sei, Hoteldieb zu werden, erwiderte er mit einigem Stolz, daß er vor etwa 2 Jahren die Berichte über den Vor trug gelesen habe, den der bekannte Krinnnalpsychologr Prof. Dr. Reiß - Lausanne über Hoteldiebe vor einigen Erzherzögen und anderen geladenen Gästen in Wien ge- halten. Löwy merkte sich alle Tricks, die Prof. Reiß als typisch für die Hoteldiebe bezeichnete. So schaffte er sich elegante Meldung an, legte sich seidene Unterkleider zu und bewaffnete sich auch mit einem Monokel, lieber den Dieb stahl inc Elitehotel, bei dem ihm die Juwelen des Bank direktors Biermann in die Hände fielen, machte er folgende Angaben- Er sei um 9 Uhr vormittags in das Hotel ge« gangen, in der Absicht, irgendwelche Juwelen zu stehlen. Nach zweistündigem Promenieren in den verschiedenen Korridoren des Hotels habe er in der ersten Etage ein Zim mer entdeckt, dessen Bewohner nicht da war. Da die Türe offen stand, sei es ihm ein leichtes gewesen, sich rasch darüber zu orientieren, daß dicht an der Tür ein verschlossener Koffer stand. Mit Hilfe eines Schraubenziehers brach er das Schloß auf und fand in dem Koffer eine verschlossene Kassette und eine Aktentascl)e. Beide öffnete er mit seinem Schraubenzieher, nahm aus der Aktentasche mehrere Scheine , schweizerischen Geldes heraus und legte dann alles in die I Kassette, die mit Juwelen gefüllt war. Dann ergriff er j schleunigst die Flucht, toobei er unterwegs die geleerte Kassette in die Spree warf. Bei seiner späteren Verfol gung hat ec, wie er zugab, den Versuch gemacht, sich des ,hn verfolgenden Wachtmeisters mit dem Revolver zu er- wehren. Er konnte aber in der Eile die Waffe nicht ent- sichern. Gelrette- «m« Pr«»»tte«pretse tu ««utzru am IS. November lS13 auf dem Markte an der Börs; Gegenstand von l bt» von b>» -«> 4 4 Wetzen, gelb, alter 1 100 lrg do. do. neuer / >9 — 19 40 19 — i» 40 Roggen . . . . t 100 - — — 16 — — — — — do. neuer . . / 16 2b bb 16 20 16 8o Weizenmehl . . . . KO . 12 - 2>' — — — — Roggenmehl . . Welzenkleie . . . 1 bv . 10 bv 18 bv — — — 6 — — — Roggenklcie . . . so *8 — — 6 80 — ' — — Wetzen-Futtergr e» — — 7 40 — — — — Roggengrte». . . 1 . . — — 7 80 — — — — Gerste, neue . . . i — — — — — — — Hafer, alter . . . . . — — — — — — — — do. neuer. . . , . 17 60 18 80 18 30 19 20 Erbsen lOOK« 2t — 36 — Wicken 24 SN 25 > SO W«-.' :: :: »1 50 84 bO . . 85 — 89 — Kartoffeln, neu . . . 4 60 5 — Butter . 1 *8 2 7i> 8 — Heu. geb . . . . 100 . 4 80 6 do. lose . . . . Ivo . 4 9" b 40 / Fleael-Drusch loo Kg 6tr°h s Mchch.Drusch 100 . Ferkel 786 Stück L Stück . 8 2 1b 50 3 2 26 80 20 . Sine Mandel Eter . . . . I 1 2'"- I 6b !> Landwirtschaftliche Produktenpreife in Zittav am 16 November 1912. (Nach amtlicher Feststellung durch den städtischen ArlSschns.' 50 Ktlogr. netto vou bis SO Kilogr- netto v )N b r 0, Weizen, weitzy. 9 40 10 Weizenmehl. . . 17 40 19 40 Weizen, gelb, n. » 0 U 60 Roggenmehl . . ll bv 12 bO Roggen, neu. . 7 70 8 2 Heu, neu .... 3 — ! s 50 Futtergerste . . 8 — 8 50 Schütlstroh. . . 1 80 2 — Hafer — — — Gebundstroh. . l — l 82 do. neu . . . 7 80 8 70 Butter (1 kg) . 3 — 3 20 Kartoffeln > neue 2 30 2 7" Kochbu ter ... 2 bv > 2 70 1 MWM23 leller 8 — 6 — Jetzt sitzen die beiden, der Franzi und sein Fremder, ein netter Herr, schon weit herunt an der Talseit'n. Die beiden Leut haben in der Berg einsamkeit maiendet und liegen jetzt im Gras, denn das ist auch eine tapfere Kunst, im Gras liegen und den Wolken nachgucken. Mw sie aussehen, die beiden! Um und uni voller Blümel, die reinen Klanzüjimgfrancn! Wo nur eins stecken kann, ein Bergblümel, ist schon eins g'steckt und oft sogar ztvei. „Alsdann. Franzl, Bua, nixnutziger," sagt der Doktor, ein Kustos am Botanischen Museum zu Wien, — „ich bleib noch eine Woch'n. Herrliche Sachen findet inan in euren Bergen, herrliche! Was- wir nur heut alles ge funden haben! Ein ganzen Wald voll Blümeln. Und du allein bist schuld daran, Bua. Ich hätte nicht die Hälfte bekommen." Lwht der Franzl: „Mci, wenn's nit mehr braucht, wia bloß Blnmcl- brocken. nachher wär's lustig, das Leben, nit, Herr Doktor?" Der andere schaut ihm lustig ins frische, braune Gesicht. Da fällt ihm was ein. und ernsthaft beginnt er: „Je mehr ich darüber nachdeuk, Franzl, — du hast mir heut zweimal jiclier das Leben gerettet." Lackt der Bua still vor sich hin. „Ja. so ist'd, Frauzel. Ohne dich läg ich jetzt zerfallen drunt beim Vach." - „So an' Stein bebt ma nit auf. ma kann kei Haus damit bauen," wehrt der Bua ab. „Mir dir ist nit zu reden, Bua, ung'schickter," sagt der Doktor und dabei streckt er ihm seine Hand hin-, herzhaft und ehrlich. „Ah was! Hilst nia doh einer Kuah, weil man muatz, versteht sih, — geschweig erst an' Menschen. Wenn jeder Fremde, den ma von an' dummen Tritt behüt', gleich so a G'schicht machen wollt, wie Sie, Herr Doktor, nach her braucht's für uns kei Tauf mehr, da würden wir frisch g'schwind heilig g'sprochen. noch in der Wieg'n." „Das weiß ich grad nit, Buu." neckt der Doktor. Jst's ein Zeit! still zwischen den Leiden. Endlich fangt der Wiener Herr wieder cm: „Will dir was sagen, Franzl. Die Regierung rüstet nächstes Jahr eine Expedition nack dem Himalaja aus. Ich soll sie leiben. Solche Menschen wie dich brauchen wir da aber. Drum komm mit, hörst, tust mir selber einen Gefallen." Der Franzl schüttelt aber nur den Krauskopf. „Zweitaustndfünshundert Gulden und alles frei. Dazu wird jeder von uns versichert: — daS wäre doch was für dich!" „I kann ja nit. Herr Doktor," redet der Bua. „Warum nit?" fragt der erstaunt. „Mei Muatterl kann i nit allein lassen." ..Tschoppcrl, — das Steueramt zahlt dem Muatterl ja jeden Monat von deinem Gehalt ans, so viel als du schaffst." „Es gebt nit. Herr Doktor, g'wiß nit." . Weßwegen den nit?" fahrt sein Begleiter auf. > ü — 7 — Ter Bua aber zuckt grad nur die Achsel, und jeder kaun's sehen, wie gern er mitging, wie gern. Je mehr der Doktor auf ihn einredet, desto fester aber klingt die Weige rung. Der andere erschöpft sich m allen möglichen Gründen, und wie das alles nie da? Rechte trifft, wie der Franz zu allem nur den Kopf schüttelt, da geht dem Doktor grad mit einmal ein Licht auf, ein großmächtiges Licht. „Holla, mein Lieber — verliebt bist . . .1" ruft er lustig aus. Und itzt wird der Franzl rot. brennrot, daß völlig -ein Diendl davon noch was lernen könnt. Der Doktor gibt jetzt nimmer nach, der Bua muß erzählen. Lang hat das freilich br, ucht, denn unsere Bergler tragen in solchen Sachen die Jung nit st- der Hand. Endlich redet er doch, der Franzl: „Die G'schicht liegt alls anders, Herr Doktor," fangt er an. „Wia i in Schw.z bei die Schützen war, Hab i a Diendl kennen g'lernt, und wir beide sind haydeleins worden. Erst später bin i in das Dorf her'zogen und da lebt mci Diendl, das reichste im ganzen Tal. O mein Gott, Hab i an' Schrecken 'kriagt! In Schwaz, da Hab i von meiner Nanni ja nit mehr g'wußt, wia daß ihr Hausmann Klingler heißt, und Klingler, da gibt's viel Bauern in Tirol. Wenn i das alls g'wußt hätt, so hält i ja alles früher 'tan wia um das Diendl bettelt. Und so Hab i der Nanni glei ehrli g'sagt: Las kann hart was werden mit uns! a reichs Diendl zu mir armen Teufel, das war mir -'schlecht! — Ta aber hat das Diendl ang'fangen heulen, was eS lvohl dafür könirt, daß es reich is. Sie Hab sich das Geld nit ang'schaffen, und wenn i's jetzt gehen laß, nachher war i schlecht, grundschlecht . . . und was halt ein Diendl so sagt. — Dadrauf bin i Bergführer worden, weil ma da doh a bisst schneller verdient, wenn man halt spart. waS freilich nit ganz leicht iS als Bergführer. — Daß iuih der alte Klingler bei sein' Diendl nit leiden will, is zum einsehen. Aber das Elend 'äugt erst an. Der Bauer will sei Hauserin heiraten, und da der Hes der Nanni g'hört, will er sie an an' Buam verheiraten, an' rechten Lüm mel. Aber hat er 'leicht kei andere Wahl, der Bauer, denn der Urasser Wast ist der einzige da im Tal, der an' ledigen Hof hat. Nur auf die Weis kann er das. Diendl los werden. Denn, wissen S' wohl, von sein' Altenteil, das wär der Hauserin doh z' weisttz. So kann i das Diendl itzt nit verlassen, weil's ein' braucht der ratet denn a bisst eine Hitzige is sie ja, die Nanni." Schmucklos und einfach hat der Franzl erzählt und gerade darum ist's dem fremden Herrn nahegegangen. „Wenn man dir nur helfen könnt, Bua," meint er nach langem Nach denken. Aber der Bua tut einen Fahrer durch die Luft, als wär alles ab- g'schnitteu. So sinnieren die beiden die längste Zeit, gucken die Wolken an und schanen überall in. ,.H illo. Bua," meint der Doktor talwärts blickend auf einmal, — „schau grad daS Diendl an, völlig fliegen tut'S den Berg herauf mit seinem großen Pack." — „Wird halt über's Joch nach Schwaz wollen." Im Reden ober schaut er auf, der B»a, und seine Augen werden größer und größer. — „Um Gottes willen, was iS den« da passiert, — die Klingler-Nanni . .