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Protest gegen Rom oder Losreißung von Rom fordert der bekannte Schriftsteller K. Jentsch von den deutschen Katholiken, über die er schreibt: „Die vorstehende Rechtfertigung der deutschen Katho liken gilt iin vollen Maße nur für die Zeit bis zum Anfänge des Kampfes, den Pius X. gegen den Modernismus er öffnet hat, allerhöchstens bis zur Borromäus-Enzyklika. Wenn die deutschen Katholiken (die allerdings durch ein Uaeentum orlppinulk durch die Nachgiebigkeit des deutschen Episkopats gegen Pius IX. gebunden sind) noch weiter mit dem Papst durch dick und dünn gehen, sich allen seinen Geboten unterwerfen, alle seine Handlungen gutheißen, dann wird sich der Staat genötigt sehen, die Fakultäten der katholischen Theologie aufzuheben, Maß regel» gegen die Einschleppung von Bigotterie, Fanatismus und Aberglauben in die Schulen zu treffen und die Los - reißung seiner katholischen Untertanen von einem Kirchenoberhaupte anzustreben, das zwei Drittel der deutschen Staatsbürger für verdammnngswürdige Ketzer erklärt. Daß die deutschen Protestanten, unabhängig von der Negierung, dieses Ziel schon seit langem ins Auge gefaßt haben, ist ihnen nach dem im vorigen Artikel Ausgeführten nicht zu ver argen. Den Weg zum Ziele hat Frankreich gewiesen. Ich schwärme nicht für die republikanische Verfassung und habe von der dritten Republik der Franzosen eine sehr geringe Meinung-, aber dieses eine muß man den Pariser Herren lassen: wie leicht ein Staat, wenn er nur ernstlich will, mit dem Papste fertig wird, das haben sie den übrigen Re gierungen gezeigt." Das ist sehr deutlich gesprochen und sagt, um was sich der ganze Streit, seit den Tagen der Borromäus-Enzyklika aber ganz besonders, dreht. Protest gegen Rom oder los ton Nom! Die deutschen Katholiken sollen nur die Wahl zwischen einem dieser Losungsworte haben: protestieren sie gegen Rom nicht, so sollen sie von Nom losgerissen wer den: dieses Ziel hätten die deutschen Protestanten schon längst ins Auge gefaßt, und jetzt sei es Aufgabe des Staates, dieses Ziel auch anzustreben, sofern nicht der Protest gegen Nom einsetze. Wir sind Jentsch für seine Klarheit und Offenheit ungemein dankbar: denn er zeichnet die Losung richtig. Im Reichstage war es im Dezember 1610 der naticnalliberale Abgeordnete Everling, der von den Katholiken einen Protest gegen Rom forderte, und der sich schon die Mühe genommen hat, eine eigene Adresse für diesen Protest zu verfassen. Im preußischen Abgeordneten hause war es der naticnalliberale Abgeordnete Tr. v. Campe, der von den Katholiken ganz dasselbe forderte; jetzt spricht eS Jentsch klar aus, was das „Ziel der deutschen Protestanten" ist. Ist nicht auch die Rede des Reichstags- Präsidenten Grafen v. Schwerin hier zu rubrizieren? Wissen unsere Gegner denn auch, was sie dadurch von den Katho liken fordern, und als was sie uns anschen? Als feige Memmen, die protestieren selten, weil sic sonst Prügel bekommen könnten! In einer Kinderstube mag Jentsch Eindruck erzielen mit seiner Kampfesformulierung, aber das katholische Deutschland ist den Kinderschuhen längst entwachsen und wird seinen Mann zu stellen wissen. Die deutschen Katholiken haben durch die Taten bewiesen, daß sie romtreu sind; ein „romfreicr" Katholizismus ist ihnen eine taube Nuß. Sie sehen auch, daß, wer von Rom ab geht, recht schnell beim Atheismus landet, falls ihn nicht eine Frau auf einer Zwischcnstation aufhält. Darum keine Illusion über die Haltung der deutschen Katholiken, dann gibt es keine Enttäuschung. Die Antwort kann den deutschen Katholiken nicht schwer sein: sie werden mit dem Papste durch dick und dünn gehen, sich allen seinen Geboten unterwerfen. Wie kann man denn auch nur eine Sekunde daran zweifeln? Katholizismus und Papsttum gehören zusammen und können nicht getrennt werden. Schon die Kirchen geschichte lehrt uns, daß es einen gegen Nom protestierenden Katholizismus nicht gibt. Protest mag im Protestantis mus zu Hause sein, wo er geboren wurde: der Katholizis mus hat in Glaubenssachen hierfür das Wort: Autorität! So steht es schon im kleinen Kinderkatechismus. Gerade diese Anhänglichkeit der deutschen Katholiken an Rom ist unerschütterlich. Wie kann man sich auf protestantischer Seite einbilden, daran etwas ändern zu können? Wir verstehen jetzt, warum man in den letzten Jahren so oft und so energisch gegen den Papst protestierte; man suchte die deutschen Katholiken erst einznschüchtern, um sie dann zum Protest mitzureißen: das war das Ziel. Tie Kalkulation lautet: haben deutsche Katholiken einmal gegen Nom protestiert, dann werden sie ganz von selbst Protestanten! Unter dem protestantischen Gesichtswinkel mag diese Rech nung stimmen: aber cs kommt nicht zum erhofften Protest, auch wenn jeden Monat ein anderes Register der Nomhetze erzogen wird. Das wird Herr Jentsch und das werden die deutschen Protestanten nicht erleben. So sieht man sie denn der zweiten Losung folgen: Los- reißung der Kgtholiken von Nom. Wie wollen sie dieses machen? Wohl nur durch einen neuen Kulturkampf: das besagt auch der Hinweis auf das Muster Frankreich. Aber in Frankreich ist der Katholizismus nicht von Rom los gelöst, auch heute nicht. Frankreich ist nicht mit dem Papste fertig geworden, der Kampf ist dort »och lange nicht zu Ende. Der Staat hat durch brutale Gewalt der Kirche viel geschadet: aber wir wollen doch einmal die Wirkungen dieser Politik abwarten. In 20 bis 30 Jahren kann man erst ein Urteil abgeben, die Anhaltspunkte für ein solches finden sich schon in den anarchistischen Winzernnruhen, den groben Ausschreitungen im Heere, der Verrohung der Jugend, die selbst die Umstürzler erschreckt. Frankreich hat schon öfters religionslose Perioden gehabt, aber nie aus die Dauer. Dann noch ein anderes: Der Kamps in Deutschland würde ein ganz anderer werden, als in Frankreich, wo Un einigkeit unter den Katholiken und- die Verschlagenheit der Gegner den Sieg erleichterte. Die deutschen Katholiken sind aber durch die Vergangenheit gewarnt, lind sie sind und bleiben vor allem einig! Der Protestantismus als solcher, der ein Bild der trostlosesten Zerrissenheit und Auf lösung bietet, kann die Losreißung der deutschen Katholiken von Nom gar nicht erreichen: er kann sie nur anstreben, aber auch dies nur mit Hilfe der Sozialdemokratie. Einen solchen Bundesgenossen für einen religiösen Kampf aber werden mindestens die gläubigen Protestanten ablchnen, die liberalen freilich nicht. Ein solcher Kampf würde nicht auf Kosten des Katholizismus geführt werden, sondern hauptsächlich auf Kosten des Protestantismus, wie es schon im Kulturkämpfe der 70er Jahre sich zeigte, und wer am Ende die Kriegskosten zu zahlen hätte, ist noch lange nicht entschiede». Das französische Experiment ist ein Kinder spiel gegen einen ähnlichen Kampf in Deutschland, den man den Katholiken aufnötigen will, sofern sie sich nicht gegen Rom erheben. Aus Stadt und Land. cHortsaxsaq un« dem Hauvtwntt.i —* Infolge der Trockenheit hat die König liche Amtshanptmannschaft Dresden-Altstadt eine Bekannt machung erlassen, in der das Verbot des Rauchens in den Wälde r n, sowie des sonstigen »euergefährlichen Gebarens überhaupt auch schon in der Nähe von Waldun gen erneuert wird. Ebenso werden die Bestimmungen des Forst- und Feldstrasgesetzbiicbes über die Verpstichtnng zu Hilfeleistungen bei Waldbränden anderweit eingeschärft. Zuwiderhandlungen gegen das Rauchverbot werden infolge der bei der bestehenden Witterung hiermit verbundenen schweren Gefährdung der Waldbestände vornehmlich mit Haft bestraft, soweit die Polizeibehörden zur Bestrafung zu ständig sind und nicht von vornherein nach dem Forst- und Feldstrafgesetzbuche gerichtliches Verfahren Platz zu grei fen hat. X Ein Protest der Dresdner Saal- und Gastwirte gegen die Verwendung der ge sammelten Gelder beim Dresdner Marga rete »tage. Das Komitee des Dresdner Margareten tages hatte dem Verein der Dresdner Gast- und Saalwirte derzeit ein Verzeichnis der Verteilung der Erträgnisse des Dresdner Margaretentagcs überreicht, ans dem nicht her vorging, daß auch die Heilsarmee bedacht werden sollte. Hinterher hat dann das Komitee der Heilsarmee 10 000 Mark — 5 Prozent des Gesamtbetrages überwiesen. Hier- gegen erhebt die Wirtevereinigung Protest, indem sie fol gendes erklärt: Mit größter Entrüstung muß es gegeißelt werden, daß das Komitee des Margaretentages so willkür lich von dein ursprünglichen Verteilungs-Plane abweicht, es nicht für angezeigt hielt, schwarz auf weiß gegebene Zusiche rungen cinznhalten. Heute bleibt nur das eine übrig: Be kämpfung aller solcher Wohltätigkeitsunteruehmungen. Chemnitz, 25. Juli. An der Bahnstrecke Berlin- Röderau in der Nähe von Leisnig brach ein Waldbrand aus, durch den rund 150 000 Hektar Waldbestand ver nichtet wurden. Militärmannschaften aus Zeithain löschten das Feuer nach angestrengter Arbeit. Dohna, 25. Juli. Die 10jährige Gertrud Küchler hatte beim Feneranzünden Petroleum verwendet, wodurch hre Kleider in Brand gerieten. Das Kind erlitt so schwere Brandwunden, daß es im Johanniter-Krankenhause verstarb. — 40 — Lenhardt fand kaum Zeit, zu antworten. Unverwandt ruhten seine Augen auf dem fremden gebräunten Gesichte des Indiers. Wo hatte er diele Züge, die dunklen, glänzenden, schwärmerisch sanften Angen gesehen?" „Nun, Lenhardt?" fragte der Freiherr ungeduldig, mit einer leichten Wolke des Unmutes auf der Stirne. „Was soll's? Warum starrst du uns an?" Lenhardt stammelte eine Entschuldigung und eilte dann den Herr schaften voran, um sie in ihre Gemächer zu führen, und dann in den kleinen halbrunden Salon mit der Aussicht auf den Garten, wo das Essen ser viert war. Lenhardt wandelte wie im Traume. Wer n>ar der fremde junge Mann? Ein Bruder des Fräuleins? Ob er wußte, daß seine Schwester hier war und sie hier gehalten wurde? Er glaubte es nicht. Wie hätte er sonst so freund lich und liebenswürdig sein können dem Freiherr» gegenüber! Es mußte ein guter Mensch sein. Er hatte ganz dieselben Augen wie Fräulein Nora. Wer hineinsah, mußte ihm gut sein, er mochte wollen oder nicht. In heiterster Stimmung wurde gegessen und getrunken, dann wurden die Räumlichkeiten in Augenschein genommen und endlich stieg man die Terrasse hinab in den Garten. Lenhardt sah, wie der junge Herr dein gnä digen Fräulein den Arm gereicht hatte. „Herr des Himmels." murmelte er, als er die Gesellschaft in den schattigen Laubwegen verschwinden sah, „da ist etwas nicht in Ordnung. Er spricht unausgesetzt von seiner toten Schwester und er scheint sie so tief und aufrichtig zu betrauern. Ob ich es ihm sagen, ob ich ihn damit bekannt machen soll, was hier vorgcht?" Lenhardt war ratlos. Er fühlte instinktiv, daß der Augenblick zum Handeln gekommen sei, und doch fürchtete er den Freiherr». In seiner Gegenwart konnte er unmöglich sagen, was sein Herz beschwerte. Später kamen sic dann ans dem Garten zurück; der junge Mann war jetzt -ehr schweigsam und in sich gekehrt, und auch die übrige Gesellschaft unter hielt »pi mit halblauter Stimme. Lenliardt war nun fest entschlossen, dem Freu den auf irgend eine Weise Mitteilungen zu machen, mochte daraus ent stehen, was wollte. Wie die Sachen standen, ihm konnte es gleich sein — er w llte kein Unrecht dulden. Und dennoch, es schien, als ob sich ihm durchaus keine Gelegenheit bieten wolle, den Fremden allein zu sprechen. Der Frei herr verließ ihn keinen Augenblick. Es schien, als ob er die Absicht des Dieners chnle und sie vereiteln wollte. Endlich gab der Freiherr den Befehl zum Anspannen. Tie Herrschaften e>heben sich und zogen sich noch einige Augenblicke in ihre Gemächer zurück. Jetzt mußte es sein! Seltsam, war es Bestimmung oder Zufall, daß der Flcinde gerade das Mittelzimmer angewiesen bekam? In demselben be fanden sich zwei Türen, in dem Zimmer des Freiherrn nur eine. Die zweite Ti e erreichte man von dem Korridor aus. Kaum eine Minute später stand Lenhardt vor der bewußten Türe. Er klopfte. Aber niemand rief „Herein". Schnell entschlossen drückte er auf die Feder und — stand dem Frenrden gegenüber. Der Indier sah den Diener überrascht an. Der Mann war ihm überhaupt schon die ganze Zeit hindurch sehr sonderbar vorgekommen. — 37 — „Nicht jetzt, liebe Fra», unter keinen Umständen. Wenn Euch Noras Leben und Wohlergehen lieb ist, dann mäßigt Eure Ungeduld, die Zeit mag. nicht gar zu fern sei», wo Ihr sie Wiedersehen könnt. Aber versprecht mir, daß Ihr unter keinen Umständen selbst ein Wiedersehen hcrbeiführen wollt, das könnte alles verderben." „Ich verspreche es Euch, und was ich verspreche, halte ich auch." Es lag eine überzeugende Wahrheit in den Worten der Frau. „Ihr seid also in der Tat eine Engländerin, Ihr seid mit Walter von Minkwitz hierhcrgekoniincn? Seid wohl gar schon im Elternhanie der ver storbenen gnädigen Frau gewesen?" fragte er mit einem schärferen Tone, auf die Frau blickend. „Lange Jahre," gab sie zur Antwort. „Meine kleine Lady »vor fünf Jahre alt, als ich zu ihr kam." „Und wann heiratete die Lady — wißt Ihr das noch?" Die Alte besann sich. „Sie war noch ein Kind, ach, so jung und schön! Ich glaube, sie war sechszehn Jahre alt." „Scchszehn Jahre alt," wiederholte Lenhardt, „und als sic heiratete, da gab es ein großes Fest im Hause. Nicht so?" „Ach ja.— es waren viele, viele Leute da. Ich weiß noch, cs gab vor her einen Streit zwischen Herrn Walter und dem Vater der kleinen Lady. Herr Walter wollte keine großen Feste und Herr Valesquez wollte eine zahl reiche Gesellschaft cinladen. Und so ist es auch gekommen, Herr Walter gab nach, und da ist es dann ein großes Fest gewesen." „Habt Ihr keinen Pfarrer gesehen, vor dem Herr Walter und die kleine Lady standen?" „Doch, den habe ich gesehen. Herr Valesquez brachte uns alle in den weiten Saal, wo eine große, reichgeputzte Gesellschaft anwesend war. Wir sollten zusehen, wie seine Tochter mit dem Freiherrn Walter von Minkwitz getraut würde, sagte er. Und wie war die Lady so schön mit den vielen blitzenden Diamanten!" Lenhardt forschte noch weiter, bis er glaubte, nun ganz klar zu sehen. Es gehörte nachgerade kein großer Scharfsinn für einen »nt den näheren Um ständen Vertrauten dazu, um die Pläne und Absichten des Freiherrn von Minkwitz zu durchschauen. Und Lenhardt hatte den Freiherr» immer bearg wöhnt, er hatte manches gesehen und manches gehört. >vas nicht gerade für einen strengen Nechtlichkcitssinn des Freiherr» von Minkwitz sprach. So erreichten Lenhardt und die fremde Frau das Forsthaiis. Es war ein kleines, einstöckiges Gebäude, das indessen freundlich und behaglich aus sah. Das Strohdach war kürzlich erneut und Giebel und Fenster hatten einen neuen Anstrich bekommen. Der ziemlich »mfangreicl>e Garten, der das Haus umgab, war sorgfältig gepflegt, und was darin wuchs, gedieh vortrefflich. Ter Förster und die alte Försterin waren nicht wenig durch den uner warteten Besuch überrascht. Aber es bedurfte nur einer kurzen Auseinander- schung von seiten Lenhardts. um die beiden Leute ninzuwandeln. Sie ver sprachen. der fremden Frau ein Unterkommen zu geben, bis Lenhardt wieder eine Stelle gefunden, und auch dafür Sorge zu tragen, daß keine menschliche Seele von der Anwesenheit der Fremden erfuhr. - ' L k Ein Kind des Südens.- f