Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 5. Oktober 14411 Nr. 16. Hauptversammlung des Sächsischen Lehrervereins. In der zweiten Hauptversammlung am Dienstag wurde in die Debatte über die Frage der allgemeinen Volks schule eingetreten. Die Abstimmung ergab die einstimmige Annahme des ersten Leitsatzes des Herrn Direktor Jochen, der von der allgemeinen Volksschule spricht; er lautet: „Die sächsische Lehrerschaft erwartet, daß das neue Schulgesetz in Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gegen wart und der Forderungen der Sozialpädagogik die ein heitliche allgemeine Volksschule zur Einführung bringen wird." Vom Bezirksverein Ehemnitz-Stadt war eine Ein ladung eiugcqangen, die 17. Hauptversammlung des Säch sischen Lchrervereius in Ehcmnitz abzuhalten. Die Ein ladung wurde angenommen. In der Debatte über die all gemeine Volksschule ergriff Herr Ponitz-Leipzig das Wort. Er führte aus, bas; die allgemeine Volksschule eine unbe dingte pädagogis he Forderung sei, und forderte zu einer nachdrücklichen Vertretung der Idee der allgemeinen Volks schule nach austen hin ans. Er zeigte, wie man weitverbrei teten Jrrtümern in der Oeffentlichkeit in wirksamer Weise entgegentreten könne. Weiler wurde folgende Forderung einstimmig angenommen: „Die sächsische Lehrerschaft erwartet, das; das neue Schulgesetz in Berück'ichtignng der Bedürfnisse der Gegen- warr und der Forderungen der Sozialpädngogik die einheit liche allgemeine Volksschule zur Einführung bringen wird. Dieser sind alle schulpflichtig werdenden Kinder auf wenig stens vier Jahre zuznfnhren: sie ist so zu organisieren, das; sie bei mindestens gleicher Stundenzahl dasselbe Mas; von Bildung vermittelt, wie die gegenwärtige mittlere Volks schule.' Herr Dr. Sick'.nger. der Vertreter des Mannheimer Systems, erklärte seine allgemeine Zustimmung zur allge meinen Volksschule in dem Sinne, das; jede Gliederung nach Konseßston und nach dem Stande der Eltern abzulchne» sei. Herr Di. Seyfert wies auf die Härten hin, zu denen kon- stanenle Dnr.hstihrnng des Mannheimer Systems führt. Man soll sich »ich; sestlegen ans das Mannheimer System, aber die Mög'ichteit gewähren, nach dieser Richtung hin Vorname anznste'le». Einstimmig wurde angenommen: .. Zur Frage des Mannheimer Systems die Sätze ans der Denkschrift des Sächsischen Lehrervereins zur Reform des Volksschnlgesetzes: „'Unbedingt mns; die Möglichkeit ge- sckxifscii werden, außer den verwahrlosten, blödsinnige», nicht volllinnigen und blwachsinnigen auch die schwach be gatten od-r schwer e^ie! baren Kinder in besonderen Schn- len oder Abteilungen m terzum-i gen. Die Errichtung von Förderkla'scn in der Ait des Mannheimer Systems kann hierbei Wehl in Erwägung ge.cgen werden; sie bietet ja auch zugleich den besonders befähigten Kindern wesentliche Vorteile. Eine Gliederung nach Befähigung hebt das Prin- zip der allgemeinen Volksschule keineswegs ans." 3. Zur Frage der Arbeitsschule folgende Resolution: „Die Sächsische Lehrerversaimnlnng spricht sich einmütig für die Arbeitsschule ans. Sie erstrebt damit die Heran bildung des .Kindes zum tätigen, handelnden Gliede der Kultnrgeineinschaft. Zur Erreichung dieses Zieles ist es notwendig, das; die Schule mehr die Form des produktiven, alle Kräfte bildenden Arbeitens pflegt (des geistigen wie auch des körperlichen), das Lernen möglichst in Verbindung mit dieser Arbeit bringt und die Anschauungs- und Kultur- stosse entsprechend der jeweiligen EntwickelungSstnfe des .Kindes answählt. Die Lehrerschaft ersucht darum die Ne gierung und die Gemeindebehörde», sic bei der Durchfüh rung der neuen Schnlsorm tatkräftig zu unterstützen. Die rechtliche Stellung des Lehrers in Staat und Gcincinde. Es wnrde in der Versammlung nusgeführt: Vorerst mns; man sich mit der Frage beschäftigen, ob der Lehrer Beamter, ob er Staatsbeamter, und zwar unmittelbarer oder mittelbarer Staatsbeamter ist. Nach den Merkmale», die das Strafgesetzbuch für den Beamtenbegriss gibt, dürste der Lehrer Beamter im Sinne des Strafrechtes sei». Auch »ach der in der Rechtsprechung des Reichsgerichtes aufge stellten Begriffsbestimmung für das Zivilrecht ist der säch sische Volksschnllehrer als Beamter anznsehe». Schließlich wird er auch für das öffentliche Recht Beamter sein, wie es anscheinend auch die Auffassung des Oberverwnltimgsge- richtes ist. Die Beschränkung des Lehrers in seiner außer- amtlichen Tätigkeit darf nur so weit gehen, als es die un gestörte Ausübung des Amtes erfordert. Eine Beseitigung der bestehenden gesetzlichen Beschränkung i» der Ausübung von Nebenbeschäslignngen kann aber nicht befürwortet wer de», da solche Beschränkungen für alle Beamten bestehen und angebracht sind. T»s wichtigste .Kapitel bei der Er- strebmig einer Gesundung der rechtlichen Verhältnisse der Lehrer bilden die Disziplinnrbestimmnngen. Nach dem jetzigen Gesetze kann die Dienstentlassung von der obersten Behörde verfügt werden. Das sogenannte „BessernngSver- sahren" ist sowohl nach dem Gange seines Verfahrens als nach dem Inhalte seiner Strafbestimmungen völlig z» ver werfen Sowohl für Ttaalsdiener, als für Richter und No tare sind bereits TiSziplinarbestinimnngen mit modernen Grundsätzen eingeführt. Ter Nachteil und Mangel des jetzi gen Verfahrens wird illustriert durch die Maßregelungen von Lehrern Dresdens, die in sozialdemokratischen Ver sammlungen gesprochen halten, ferner durch diejenige deS Herrn Tr. Wünsche in Leipzig, die ja bekannt ist, und die jenige der Vorsitzenden des Leipziger Lehrervereins wegen eines von Herrn Rechtsanwalt Dr. Schiller in dessen Ver sammlung gehaltenen Vortrages. Ireimaurersprüche. In der „Ballhülle", dem Organ für die Gesamtinler essen der Freimaurerei (Nr. !18 vom 33. September) steht ein Artikel des Br. Dr. Otto Nenman» (Bromberg) unter dem Titel' „Die Gegner und wir." Wer mit diesen Geg ner» gemeint ist, verrät gleich der erste Satz: „Unsere Geg ner haben i» diesen Tage» eine imposante Versammlung in Mainz gehalten." Nun weis; jedes Kind, daß in Mainz eine Generalversammlung der deutschen Katholiken getagt hat; diese meint anch vfsensichtlich der Br. Neu,»an», dann ist es nicht recht ehrlich, wenn er im Handnmdrehen von „Ultrainontanismns" redet! Oder hält er beides, Katho lizismus und Ultramontanismus, für gleich? Dann lasse man doch in Zukunft die unwahre Beteuerung, man wolle gegen den Katholizismus ja gar nichts, nur dem Ultramon- tauiSmus gelte der Kamps' Besonders kränkt es den schreibseligen Br. Neumann, das; in Mainz znm Ansdrucke kam, „das; es nur eine Wahrheit gebe, nämlich die katholisch kirchliche, und das; diese Wahrheit die Onelle wahrer Toleranz sei". Dazu bemerkt der Br.: „Wir wollen mit unserem Erbfeinde, dem UltramontaniömnS, über den Begriff der Toleranz nicht rechten, aber wer sich im Besitz des echten Ringes dünkt, der mns; alle anderen Ringe für unecht halten." Sehr richtig. Herr Br. Nenmann! Denn ans ganz denselben Er- Wägungen heraus ist der Br. Nenmann intolerant gegen den Katholizismus! Er ist näinlich des festen Glaubens, daß es in Sachen der Religion keine feste Wahrheit gibt, und diese Einbildung, dieses feste Glaubensbekenntnis ist dem Herrn Br. die Unterlage, intolerant zu sein gegen alle, die diesen seinen Glauben nicht hinnehmen »vollen. Man höre: Wir Manier, so will nämlich Br. Neiimaiin die Welt annlken, sind keine Feinde der Religio» (fragt sich nur, waS man darunter versteht), und jetzt heißt es wörtlich »veiler: „Wir sind nur Feinde desjenigen speziellen Bekennt nisses, das sich unter Nichtachtung anderer Ansichten für das alleinseligmachende hält. Unser Kampf gilt daher dem Siege der Gewissenosreiheil." Diese Phrase ans einfaches Deutsch gebracht, heißt nichts anderes als: vom sreimaureri- schen Standpnnlle ans kann jedweder jedem Glaubens bekenntnis anhangen, das ist Gewissensfreiheit, aber »venu einer katholisch sein will, dann Krieg ihm! im Namen der Gewissensfreiheit!! Br. Nenmann macht uns mit dieser Enthüllung und Kampfansage nicht bange, »vir fühlen uns vielmehr veran laßt, ilmi für seine Offenheit unseren Tank anszusprechen. ü BaiMcn. Weshalb müssen sich die Bantzener Arbeiter in christlich nationalen Gewerkschaften organisieren? lieber dies Tbrnia referierte am Sonnabend den !!>>. September in einer gnlbesnchlen Versammlung Gewerkschastsjekretär H. P i e k e r t - Zittau. Redner schilderte einleitend den Uebergnng vom Znnstwesen zur Gewcrbefreiheit, sowie die Entstehung des industrielle» Lohnarbciterstandes. Während in früherer Zeit die Gesellenzeit nur eine Uebergangs- periode znm Meislerstande gewesen, sei heute das Gros der gelernten Arbeiter darauf angewiesen, zeitlebens Lohn arbeit zu verrichten. Das persönliche Verhältnis zwiscltzm Meister und Geselle in der gute» alten Zeit, die beide der selbe» sozialen Schicht angehörte», sei im modernen Groß betriebe einem »»persönlichen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewichen, die durch eine breite Kluft von einander getrennt sind. Redner schilderte hierauf, an Hand einiger Beispiele, wie durch die moderne Entwicklnng unser Wirtschaftsleben einen beispiellosen Aufschwung nahm. An den steigenden Erträgnissen habe leider der Arbeiter srand nicht den ihm znfonmienden Anteil erhalten. Die sozialen Ge,p'iisätze zwischen Kapital und Arbeit seien größer geworden. Tie Gewerbordnnng sanktioniere zwar de» freien Arbeitsvertrag, in der Praris jedoch sei der — 48 — Armut ist mir kein Hindernis im VorwärtSkvnmien, im Gegenteil: sie wird mir ein Sporn sein zu stets neuer Tätigkeit. Ich werde mir in Berlin durch irgendeine Nebeiibeschäftignng soviel Mittel zu verschaffen wissen, das; ich mich schon durchschlage. Es heißt nur tapfer sein und Mut haben." „Wwin es dir aber nicht gelingt, die nötigen Mittel zu verschaffen? Wenn du darben müßtest?" „Es wird mir gelingen, glaube mir." „Ich möchte dir aber gerne helfen, ich möchte dir beispringen, dir unter die Arme greife», Erich. Ich bin nicht so arm, wie du glaubst. Ich bin im Gegenteil wohlhabend. Das Erbteil von Gijas Mutter, das sie mir in die Ehe brachte, ist unangetastet; nur die Zinsen habe ich ansgewendet zu Gisas Ausbildung. Und ich selber habe in den zwanzig Jahren trotz meiner Lieb haberei ,edes Jahr ein bißchen was ans die Seite gelegt. Wir haben ja so wenig znm Leben gebraucht. Erich, ich bitte dich, nimm von mir soviel du nötig hast. Tn sollst nicyt darbe». T» sollst deinem Stande gemäß onstreten Gib mir nur die Erlaubnis, dir soviel senden zu dürfen, als du für ein Jahr brauchst, sagen »vir: zweitausend Taler „Nein." sagte Erich. „Ich danke dir herzlich für dein edles Anerbieten, aber ich kann es nicht annehmen. ich müßte mich ja vor mir selber schämen." „Erich," bat anch Gisa. „sei nicht stolz! Nimm es mir zuliebe! Wir gehören ja doch zusammen fürs Leben „Ich kann nicht." sagte Erich fest. „Ich will mir aus eigener Kraft eine Stellung im Lebe» erkämpfen, und eben dieses eigene stolze Lnstgeliihl deS Selbstvertrauens wird mich emporhebe» über alle Widerwärtigkeiten und Hindernisse. Ans eigener Kraft will ich ein Sieger sein." Seine Wange» glühten, sc ine Angen blitzten, und Gisa sah ihn be wundernd an. Ach, was war doch daS für ein herrlicher Mann! So stolz, so edel und groß! Wie glücklich war sie. daß er sie erwählt hatte. Durch tausend- jache Liebe wollte sie ihm dafür danken. Es war spät geworden. Tic- alte Schwarzwälderin hob zum Schlage aus: zehn lange, dröhnende Schläge, die laut durch die Stube snrrt-n. Erich eihob sich. „Es ist Zeit, das; ich gehe," sagte er. „Wie." ries Gisa erschrocken, „du willst uns in dieser Nacht noch ver- lassen?" .Fch muß, Gisa: Teine'.wegen und meinetwegen. Nicht der geringste Flecken so» unsere Ehre trüben, nicht der Schatten eines Zweifels. Ganz rein wollen .vir in unser neues Lebe» hineintreten nur den Reinen blüht das reinste Glückl" Gisa widersprach nicht länger. Aber sie nötigte Erich, wenigstens ein wenig zu essen und ein Glas Wein zu trinken. Ter Weg zur Station »mir »veit und die Nacht war kalt. Ihr zuliebe nahm Erich, was sie ihm bot, und kann rüstete er sich zun» Abschied. Die beiden. Vater und Tochter, begleitete» ihn eine kurze Strecke durch das stille Tal. über dem der Mond stand. Eine weiche, wunderliche Stimmung kam über Erich, als er so neben Gisa dahiiisck ritt; ihm war es. als gehe ein guter Engel an seiner Seite und schwinge die Ariedenspalme über ihm. — 45 — Er s> lgte ihr in die hellerlenchtete Stube, setzte sich neben Gisa an den Tisch, »'ihr sich mit der Hand über die Stirn, und begann dann zu erzählen, wie al.es ckommen war, und daß eS nninöglich sei, länger Offizier zu blei ben. ..Blei» Leben ist vernichtet," schloß er, „der eigene Barer hat es mir zertrümmert. Ich bin gezwungen, de» Abschied zu nehmen — und waS ein verabschied, ler Offizier ist, das weis; jeder: nichts! Unter diesen Umständen Gisa, gebe ich dich frei —" Wie," schrie Gisa ans, „du hast mich nicht mehr lieb?" Ihre Angen starrten ihn erschrocken an. „Mehr als je liebe ich dich, Gisa. Aber kann dir jetzt nichts mehr bieten, gar nichts! Nicht einmal eine sorgensreie Zukunft." „Aber danach Hab' ich doch nie gefragt, Erich! Nicht deine» Rang und leinen Stand Hab' ich lieb gehabt, sondern dich, dich allein! Und wärest du ein Bettb-r und kämest in zerlumpte» Kleider» vor dieses Hans: st' würde dich in die Arme nehmen und dich sesthalten und nicht mehr freig'ben. So iic-b Hab' ich dich Erich!" Dem junge» Manne schossen die Träne» in die Auge». Solch große, nn- crnießücb Liebe, solchen Edelmut und Adel der Gesinnung bätte er bei dein schlichten Mädchen nicht vermutet. Sie wnchs förmlich in seinen Auge». Wahr lich, wenn er diese Perle sein eigen nannte, wnrde eS ihm nicht schwer, die hohle Welt zu verlassen, in der er bisher gelebt hatte. Er faßte GisaS Hände und preßte sie an seine Lippe». Dann wandte er sich ha'b zu dem Förster: ..Aber der Vater WaS wird er dazu sagen? Wird er sein Kind so ins Un gewisse hinanSzieheu lassen?" Ter Förster sah ihn vorwurfsvoll an. „Wie du »nr fragen magst," sagte or. „Wir haben dich lieb und Hallen Iren zu dir in Freud und Leid. Und letzt, ne. hdem der Bruch mil deinem Vater vollständig ist, 'annst du in allein, WaS eure Zukunft betrisst, ans mich zählen." D - Männer drückten sich fest die Hände. Sie gelobten an s'illen, fest zusammen,msti-hen, und dieses Gelöbnis »vor fester als ei» Eidsthwnr. Eis, schmiegle sich an Erich. „Nur eines macht mir Sorge und betrübt msth," sagte sie. „Das; es meinetwegen zu einem Bruch zwischen dir und deinem Vater gekommen ist." „Ter Bruch wäre über kurz oder lang auch ohne dich erfolgt," gab Erich zurück, ..»vir verstanden uns nie, und als Ossizier konnte ich mir nicht länger alles vm meinem Pater diktiere» lassen. Ich bi» kein Knabe mehr, das mußte er wissen." „Abe> ist denn keine Aussöhnung möglich, Erich? Ich will keinen Streit, keine Zimelracht in deine Familie hineintragen. Vielleicht ist es besser, »nenn ich zi>-n"ck>rete, vielleicht wirst du glücklicher .Gistil" rief er vorwurfsvoll. „Wie magst du nur so reden. Eine Aus- 'ähni.ng näre nur dann möglich, wenn ich eine Verbindung mit Ada v. Stern- seld eimunge. Und das »»erde ich niemals tun, es wäre die größte Lüge, eine SchmNein zwiscl>en meinem Vater und mir ist das Taselluch für inmn- zr. schnitten. Den Schlag ins Gesicht kann ich ihm nie vergessen. Der irennl und, solange »vir lebe». Mein Platz ist hier, Gisa, an deiner Seite, und wenn du mich znm Gatten haben und mein armes Los mit mir teilen I MI M sch H >5 j M 'u „Haus Sonncliberg.' 4L