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Nr. »»7 — Lft. Jahrgang Donnerstag deu 5. Oktober IV1L «schein! «S,li» na»«, mit «luSnahme der Sonn- und Festtage. «»»«nabe I mit .Die 8-U >n Wort und Bild" vierteljährlich »,IO X. In Dresden durch Boten »,4<» ^ In ganz Deulschland ftet Hau» ir.Sik in Oesterreich 4,4» w »»««abe » ohne illullrierte Beilage vierteltäbrlich In Dresden durch Bolen »,IV In ganz Deulschland frei Hau» «,»« ^k-, in Oesterreich 4,«7 L - Linzel-Nr. I« ^ Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Ngelpaltene Peiiizeile oder deren Raum mtl 15 ^ Reklame» mit 50 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Bachdrullerei, Redaktion und StefchitftSftellei TreSdeu, Ptlloitzer Straste 4». — Fernsprecher I»«» FürRSitgabe unverlangt. SchriststiiikekeilleVerdindlichketl RedalitonS.Sprechstunde: II biS IS Uhr. Die Düsseldorfer Probewahl. Man schreibt uns: Für die gesamte politische Loge ist die Stichwahl in Düsseldorf hochbedentsoin. Nachwahlen sind immer unan genehm, da alte gegnerischen Parteien sich ans den Kreis werfen und die das Mandat verteidigende Partei keine Gegenleistung bieten kann. Allgemeine Wahlen finden stets unter anderen Gesichtspunkten statt. Aber die Düsseldorfer Probewahl war doch gut zur Beleuchtung des sich sicher an bahnenden Grossblocks', denn für die liberale Unterstützung in Düsseldorf hat der Grofsblockdirektor Frank in Konstanz am letzten Sonntag schon gedankt, indem er nur gegen das Zentrum wetterte. Aber die Probe in Konstanz wird an ders ansfallen, als in Düsseldorf. Wir geben gern zu, daß viele liberale Kreise mit der .Haltung ihrer Partei in Düsseldorf gar nicht einverstanden sind, daß sie sich darob schämen. So sagt recht zutreffend die Magdeb. Zeitung": „Das Beschämendste, was dem Nationalstolz eines Vol kes passieren kann, hat uns die Sozialdemokratie angetan. Sie hat ihre Anhänger dazu anfgefordert, im Ernstfälle nicht nur zu versagen, sondern durch den Generalstreik die Wehrmacht des eigenen Landes lahmznlegen. Wir kommen nicht darum herum, die sozialdemokratische Partei hat in ihrem Verhalten Landesverrat an der deutschen Sache ge übt. Gegenüber solcher Infamie dürfte kein national füh lender Mensch die Hand dazu bieten, daß ein neuer Ver treter einer so entarteten Partei in den Reichstag einzöge. Mögen die Pessimisten recht haben, die da behaupten, das Zentrum habe sich jetzt nur national gegeben ans selbstsüch tigen Gründen; das kann uns gleich sein. Wir müssen mit den Tatsachen rechnen und die liegen so, daß sich das Zen trum mit dein gegenwärtigen Kriegszustände in feinen Reden und in seiner Presie durchaus national und opfer bereit gezeigt hat. Dem Anslande gegenüber war das sicherlich eine anßerordcntlich wertvolle Erscheinung. Wie aber muß das Ausland unsere Parteizcrrissenheit, unsere kleinliche Parteigcdankenenge beurteilen, wenn es sieht, daß noch unter der Spannung des großen Konfliktes, daß noch unter dem Drucke der Möglichkeit eines Losschlagens natio nale Männer die Hand dazu bieten, daß ein Gegner dieses nationalen Hochgefühles, dieser nationalen Kraftäußeruug in den Reichstag gewählt wird. Wir wollen sicher bei der großen Wahl den schwarz-blauen Block niederringen, aber mit solchen Mitteln kommen wir ebenso sicher nicht zum Ziele. Solche Politik verstimmt eine Unzahl national den kender Männer, weil sie schließlich des Glaubens leben müssen, daß die nationale Politik doch nicht so bei uns über altes gestellt würde, wie sonst immer behauptet wird. So treiben wir sicherlich keine nationale Politik." Darum handelt es sich bei den Liberalen auch gar nicht, denn Dr. Beltzer sagt uns: „Am letzten Ende soll ja, das sagt wenigstens die frei sinnig-sozialdemokratische Generalidee, auf eine Mehrheit dieser beiden Gruppen im Reichstage hingearbeitet werden, damit demnächst unsere Wirtschaftspolitik und unser politi sches System im Reiche in einen anderen Kurs geleitet wer den. Diese theoretische Möglichkeit würde nur dann in die Wirklichkeit heranrücken, wenn die Sozialdemokratie 110 bis 100 und die Fortschrittliche Volkspartei 00 bis KO Man date bei den nächsten Wahlen erobern würden, also ihren Status vom letzten großen Wahltage, 25. Januar 1007, und von den Nachwahlen bis 5. Februar 1007 um 07 bis 87 bezw. nm 14 bis 34 Neichstagssitze verbessern könnten. Tie Erwartungen der Sozialdemokratie sind ja gewiß unbe grenzt, die Rechnung der Freisinnigen kann jedoch schon deswegen nicht stimmen, weil die Sozialdemokraten in den größeren Städten nicht daran denken, dem Freisinn das Feld zu räumen, und weil sie ihnen rücksichtslos die Erpansions- möglichkeit von etwa Olt neuen Mandaten abschneiden. Mir- den sie vielleicht dem Freisinn das Opfer bringen, so wür den sie ihre eigene Erpansiopskraft in Fesseln legen, also selbst nicht den erwarteten Zuwachs erreichen können. Es ist demnach die Wahlparole der freisinnig-sozialistischen Koalition zum Zwecke des Sturzes des herrschenden Wirt schaftssystems ein Luftschloß, ein Kartenhaus, worauf sie keine Hypothek erhalte» wird, und ist das als richtig aner kannt, dann erhält jene Koalition nur den Wert einer Freundschaft, die dem Freisinn ini Neichsparlamente das Leben erhalten soll, wofür andererseits der Sozialdemo kratie möglichst viele Mitläufer in den Städten geliefert werden müssen, um die vier Millionen Wählerstimmen der Roten vollznmachen. Vielleicht sagt der enttäuschte Wähler hierzu' Und darum Räuber und Mörder. Darum das auf regende Gerede von der großen neuen Zeit, die anbrechcn soll, wenn erst der letzte Pfaffe am Darme des letzten Jun kers aufgehängt werden sein würde. Voraussichtlich werden bei der Preisgabe der freisinnigen Grundsätze an die sozia listische Freundschaft außer der Sozialdemokratie auch noch Klerus und Junkertum auf ihre Kosten kommen, also das in der freisinnigen Presse mit lockenden Farben ausstaffierte Ziel nicht erreicht werden." Ganz unsere Ansicht. Aber eben darum ist die Ersatz wahl in Konstanz so bedeutungsvoll! dort soll der Libera lismus die Gegenprobe erhalten und wenn er siegen würde, wäre die „Generalidee" um einen Schritt vorangekommen. Also purer Maudatshunger legt dem Liberalismus nahe, auf alle seine Grundsätze zu verzichten und mit den Noten zu gehen, selbst wenn er weiß, daß er dabei mit Haut und Haaren aufgefressen wird. Diese „Probewahl" wird sich immer mehr betätigen, der Liberalismus aber, falls er noch einige solcher Leistungen vollbringt, für die bürger lichen Parteien gar nicht mehr bündnisfähig sein. Der italienisch-türkische Krieg. Dresden, den 4. Oktober 1911. Die ganze Welt steht unter dem Eindrücke der Nach richten. die auS Tripolis kommen und die, ob sie nun für Italien oder für die Türkei sprechen, die ganze Schwere der Situation erkennen lassen. Italien hat, wenn die neuesten Meldungen richtig sind, bereits die Hauptstadt von Tripolis besetzt, während sich die türkischen Truppen in das Innere des Landes zurückziehen. Allgemein ist man der Ansicht, daß die Türken zur See gegen ihren Feind nicht viel auSrichten dürsten, daß aber eine vollständige Eroberung von Tripolis den Italienern die schwersten Verluste bringen kann. Natürlich sind die beiden Dreibundmächte Deutschland und Oesterreich. Ungarn an dem Kriege sehr interessiert. Ihre streng neutrale Haltung läßt die Vermutung auskommen, daß man den dritten Bundesgenossen als Entschädigung für seine angeblich verletzten Rechte bei der Annexion von Bosnien so halb und halb die Zustimmung zur Einsackung von Tripolis gegeben hat. ES war vorauszusehen, daß die beiden Reiche durch den Streich ihres Bundesgenossen wirtschaftlich und politisch schwer geschädigt werden, was ihre Position in der Türkei anbelangt. Die Türken er warteten von Oesterreich und Deutschland Hilfe in der Not. Eine korrekte neutrale Haltung vermag vielleicht der türkische Staatsmann zu begreifen, die große Mehrheit deS MoSiimS wird sich jedoch mit seinen bisherigen Sympathien von Oesterreich und Deutschland zurückziehen und auch wirtschaftlich einem lachenden Dritten zu verdienen geben, nämlich dem stets schlauen Engländer. Daß Italien gerade jetzt loSging, ist sicherlich ein Werk der britischen Diplomaten, die dadurch daS ihnen verhaßte deutschfreundliche Ministerium in Konstantinopel stürzen und die klingende Freundschaft der Türket ganz für sich allein in Anspruch nehmen wollten. Ersteres ist ihnen gelungen, das Zweite dürfte ihnen gelingen, falls nicht die beiden Verbündeten zwischen der jungen Türkei und dem ohnedies stets zu Extratouren geneigten dritten Verbündeten Frieden stiften. O » » Rom. 3. Oktober. (Meldung der „Agenzia Stesani".) Die Vorbereitungen für die Zusammenstellung des Ex- peditionskorpS schreiten in normaler Weise vorwärts. In den verschiedenen Einschiffungshäfev wird eifrig an der Instandsetzung der für den Truppentransport bestimmten Schiffe gearbeitet. Die Einschiffungen werden nicht nur in den größeren, sondern auch in den kleineren Häsen der Ost- und Westküste vorgenommen. So wird man von den Einschiffungen in den Häfen der Inseln und in Süditalien absehen können, wo die Truppen Gefahr laufen könnten, durch das plötzliche Erscheinen irgend welcher feindlicher Streitkräste beunruhigt zu werden. Das Adriatische Meer muß von feindlichen Schiffen freigehalten werden, damit unsere Transportschiffe im geeigneten Augenblicke ihre Ueberfahrt ruhig bewerkstelligen können. Nom, 8. Oktober. Der „Tribuna" wird aus Malta gemeldet: Die in Tripolis ansässigen Arbeiter bemächtigten sich der von den Flüchtigen zurückgelassenen Vorräte. Scharen von Trtpolitancrn machten sich an die Getreide-, Mehl- und Zuckerspeicher, vor allem aber an die Brot- Verkaufsstelle der italienischen Untertanen. ES kam auch zu Angriffen aus das Zollmagazin, aber Soldaten ver hinderten die Plünderung, da sich in den Speichern außer italienischen Waren auch französische, deutsche und englische befinden. Rom. 3. Oktober. Wie „Corriere d'Jtalia" aus Bari meldet, wurde der italienische Dampfer „Molsetta", der gestern nacht den Hafen von Durazzo verlassen hatte, plötzlich von fünf türkischen Torpedobooten umzingelt. Sie versuchten den Dampfer zu kapern. Es gelang der „Molsetta", die alle Lichter auSlöschte und Volldampf gab, zu entkommen. Die türkischen Torpedoboote mußten die Verfolgung schließlich wegen hohen Seeganges aufgebcn. Konstantinopel, 3. Oktober. Kiemil und Hilmi Pascha sind zu einer Besprechung der Tripolisfrage zum Großwesir berufen worden. Kiemil hat der Einladung nicht Folge geleistet. In der Ministerkrists ist noch keine Entscheidung erfolgt. Die Jungtürken verlangen die Auf nahme DschavidS als Finanzmintster. Rom, 8. Oktober. (9 Uhr 25 Min. abends.) Die „Agenzia Stesani gibt folgendes bekannt: Ein Telegramm des Vizeadmiral» Faravelli, da» heute früh von Tripolis ausgegeben und heute abend aus Viktoria (Sizilien) hier eingetroffen ist, besagt, daß aus die gestrige Anforderung zur Ergebung und Auslieferung der Stadt Trivoli» der türkische Kommandant mit der Bitte um Aufschub ge- antwertet habe, der zugestanden wurde und heute mittag ablaufen sollte. Saloniki. 4. Oktober. Dem hiesigen jungtürkischen Komitee telegraphiert das Komitee aus Benghasi, daß die Mohammedaner beschlossen hätten, die Provinz bis zum lctzten Blutstropfen zu verteidigen. Wie aus Prevesa be richtet wird, erichienen abermals italienische Kriegsschiffe vor Prevesa. gaben Salven ab, ohne jedoch das Fort an zugreifen, und verschwanden dann wieder. Ihr Vorgehen wird alS'Demonstratton auigelegt. Die Regierung hat den Verkauf von Kohlen und aller Artikel für den Schiffsbedarf an fremde Schiffe und fiemde Staatsangehörige verboten. Politische Rundschau. Dresden, den 4. Oktober tvll. — Der portugiesische Geschäftsträger besuchte gestern mittag, wie die Nordd. Allg. Ztg. mitteilt, den Staats sekretär des Auswärtigen Amtes v. Kiüerlen-Wächter, um den Dank seiner Regierung für die Anerkennung der Republik Portugal auszusprechcn. Zugleich überreichte er das Schreiben, wodurch er als Geschäftsträger der Republik Portugal bei der kaiserlichen Regierung beglaubigt wird. — Els«ß - lothringische BuudeSratSbcvollmächtigte. StaatSsekrelär v. Bulach, der Unterstaatssekretär Köhler und wahrscheinlich auch dessen Kollege Mandel sind zu elsaß-lothringischen Bundesratsbevollmächtigten auLersehen. Stellvertreter soll der bisherige reichSländische Vertreter beim Bundesrate Dr. Sieveking werden. Dagegen bleibt die Ernennung des Ministerialdirektors Nobis abzuwarten, da Elsaß-Lothringen, dem Beispiele Hessens folgend, sich eventuell mit einem ständigen Stellvertreter begnügt. — Zu deu Marokkovrrhaudluugr». Anscheinend ist die Tripolisaffäre aus die Marokkoverhandlungen nicht ohne Einfluß geblieben. Wenigstens sind die beiderseitigen Regierungen in der letzten Woche nicht viel weiter gekommen. Es handelt sich um eine Stockung, die man nicht gerade tragisch zu nehmen braucht, die aber noch, wenn man sie zu den übrigen Schwierigkeiten hinzuzählt, die Gesamtlage nicht eben günstig beeinflussen kann. Soviel ist jedenfalls durch die immer wiederholten Verzögerungen erreicht worden, daß sich die Oeffentlichkeit etwas näher mit der Kongo kolonie beschäftigen konnte, von der uns Frankreich einen Teil als Kompensation für unseren politischen Verzicht auf Marokko abtreten will. — Die Kontrolle de» HiuterbliebeueuversicheruugSfoudS ist am 1. Oktober in die Hände deS Reichsschatzamtes übergegangen. Die Reichkschuldenkommisson hat nichts mehr mit diesem Fonds zu tun. — Amtliches Wahlergebnis. Bei der am 29. September im Stadt und Landkreis Düsseldorf erfolgten RetchStagS- stichwahl sind insgesamt 75177 gültige Stimmen abgegeben worden. Davon erhielten Parteisekretär Haberland (Soz.) 39288 und Bankdirektor Dr. Friedrich-Düsseldorf (Zentr.) 35838 Stimmen. Parteisekretär Haberland ist somit gewählt. — Eine andcrwritr Ausbildung der Konsuln strebt Staatssekretär p. Kiderlen an: er hat am letzten Montage davon einem großen Kreise Kenntnis gegeben und führte dabei ans: „Ter Konsul habe zwei Aufgaben. Die erste sei die Wahrnehmung der obrigkeitlichen Geschäfte als Ver treter der Reichsgewalt, für die eine juristische Vorbildung unerläßlich sei und die über den wirtschaftlichen Aufgaben nicht vergessen werden dürfe. Für die zweite heute im Vor dergründe stehende Aufgabe der Förderung der Wirtschaft liehen Interessen Deutschlands sei der Konsul bisher durch eine einjährige Tätigkeit in der Handelsabteilnng des Aus wärtige» Amtes, durch die praktische Arbeit als Vizekonsul unter der Leitung älterer Konsuln ansgebildet worden. Wenn auch diese Einrichtung sich gut bewährt habe und die deutschen Konsuln hinter denen anderer Länder in keiner Weise zurückstehen, wenn auch viele erhobenen Vorwürfe als ungerechtfertigt ausscheiden müssen, so müsse man trotzdem auf Verbesserung bedacht sein. Die Grenzen der Wirksam keit des Konsuls seien darin gegeben, daß er nicht Vertreter der Eiuzelfirma, sondern ein Vertreter der Allgemeinheit sein könne. Damit seien auch die Richtlinien für eine Aus bildung gegeben. Dem Assessor fehle eine nmsassendc Kenntnis des deutschen Wirtschaftslebens. Es wäre ein großer Vorteil, wenn er vor seiner Hiuaussendung von be rufener Stelle über die Bedeutung der größeren Fabrika tions- und Erportzweige unterrichtet würde und einen Blick für das Kaufmännisch-Nützliche erhalte. Dieser Fachunter richt müsse vom Auswärtigen Amte ne» organisiert werden. Dies setze aber voraus, daß ein Teil des Unterrichtes von denjenigen übernommen werde, über deren Interessen und Anschauungen der Konsul unterrichtet sein müsse, nämlich von Handel und Industrie selbst. Das Auswärtige Amt habe sich daher an zahlreiche Firmen um ihre dauernde Mit hilfe gewandt und von allen Seiten Zusagen erhalten. Ebenso hätten sich Vertreter der Wissenschaft bereitwilligst zur Verfügung gestellt. Ties Zusammenwirken von In dustrie, Handel und Wissenschaft werde der Förderung der deutschen Interessen im Auslande zugute kommen." Mit diesen Zielen kann man nur einverstanden sein; der Reichs- tag hat sich wiederholt in ähnlicher Weise ausgesprochen.