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Zweites Blatt Sächsische Bolkszetluny vom 14. September Ntti Nr. 1 Sozlaldemotcattscher Parteitag. ««ochdiua«erdo«»n., Opo. Jena, den >2 September Ivtl. Am Dienstagmorgen waren die streitbaren Mannen wieder vollständig zur Stelle, um aufs neue den Partei vorstand zu bekämpfen. Aber zuerst gab es ein lustiges Intermezzo: Genosse Leber teilte mit, daß Jena ein sehr schönes Volksbad habe, wovon die Genossen ausgiebigen Gebrauch machen möchten. Einige hätten es schon benutzt. (Allgemeine große Heiterkeit. Ein besonders witziger Ge nosse machte den Zuruf: „Da muß Rosa rein!" Stür mische Heiterkeit.) Aber Rosa scheint von der Heiterkeit auf ihre Kosten wenig erbaut zu sein. Sie sitzt da, einen blutig roten Schal um die Schultern geworfen, mit finsterer Miene, die nichts Gutes ankündigt: „Und was sie denkt, ist Rarkw — und ivas sie sinnt, ist Blut!" Kaum hat sich die Heiterkeit gelegt, da wird cS ernst. Gleich der erste Diskussionsredner schwingt das Kriegsbeil gegen den Par- reivorstand. Interessant wird die Sackst als Genosse Rickwrd F i s che r - Berlin der Rosa Luxemburg und Ge nossen auf die Finger klopft. Er goß eine vollgcmesscne Schale seines sci>arfen SarkaSmus über sie aus und hatte dabei die Lacher auf seiner Seite, besonders als er meinte, zur Salome mit dem Haupte Molkenbuhrs sei sie gestern nicht geworden. Die Situation verschärft sich und die Ge müter erhitzen sich mehr und mehr. — Lcdcbour schreit manchmal zu den einzelnen Ausführungen Fischers: „Un wahr, lächerlich!" Der Streit absorbiert das ganze Inter esse, eine allgemeine Privatunterhaltung setzt ein. -- Dittmann - Solingen legt dar, wie er sich die Reorgani sation des Partcivorstandes denke. Auch der nun folgende Zehngebote-Hoffmann war gegen seine sonstige Art gerade zu merkwürdig gemäßigt und sachlich. Nun kommt Lieb- knecht, der gefürchtete Dauerredner. Papa Dietz er mahnt ihn unter allgemeiner Heitereit, von der Redezeit nicht allzu ausgiebigen Gebrauch zu mackst,,, sondern zu be denken, daß außer ihm noch andere Redner sprechen wollen. Liebknecht stellt sich auf die Seite Rosa Luxemburgs, aber er ist sehr gemäßigt. Nach der Mittagspause hielt Müller- Berlin namens des Parteivorstaudes ein überaus langweiliges Schluß wort. Dann wurde zur Abstimmung über die einzelnen Anträge betr. Agitation, Organisation, Presse und Lite ratur geschritten. Die Anträge werden durchweg nach kurzer Debatte dem Vorstande zur Erwägung überwiesen. Größere Aufmerksamkeit wurde den Anträgen betr. Jugendagitation entgegengebracht. Man muß es den Genossen lassen, sie entwickeln auf diesem Gebiete eine rege Tätigkeit und man kann nur wünschen, daß die bürgerlichen Parteien sich a» der rührigen Werbearbeit der Sozialdemokratie ein Bei spiel nehmen denn, wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Wie sehr die Sozialdemokratie den Wert der Jugend agitation zu schätzen weiß, zeigten am besten die Rand glossen, die in den Ausführungen der einzelnen Diskussions redner über die Maßnahmen Preußens gegenüber der sozialdemokratischen Jugendbewegung zum Ausdruck kamen. Nachdem die Anträge betr. die Jngendagitation angenommen waren, wurde dem Partcivorstand einstimmig Entlastung erteilt. Gemeinde- und Vereinsnachrichten. ' Ostritz. Die verflossene Woche spendete deS hochw. Herr Bischof in den fünf Pfarrgemeinden des Marienthaler Patronats an mehr als MO Firmlinge das heilige Sakra ment der Firmung. Am 2. September hielt Se. Bischöf- liche Gnaden, begleitet von Herrn Senior Prälat I. Skala, in Ostritz den feierlichen Einzug, um am 3. September 381 jugendlichen Christen die Hände aufzulegen. Der hochw. Herr ließ cs sich nicht nehmen, am Sonntagnachmittag und abends noch die in drei Festversammlungen vereinig ten Vereine zu besuchen, wobei in szenischem Prolog und lebenden Bildern die Vorbilder der Mutter GotteS aus dem Alten Bunde dargcstellt wurden. Montag den -1. Septem ber gab es in sämtlichen Schulen des Pfarrbezirkes Ostritz <13 Klasse») Neligionsprüsung. Ueberall nahm die Be völkerung regsten Anteil, besonders auch bei den Schul prüfungen. Die Gemeindebehörden, sowie die Schulvor stände der Orte Blumberg, Nusdorf und Altstadt mit Klo- sterfreiheit Ware» beim Empfang und allen Veranstaltun- gen zu Ehren des hochw. Herrn Bischofs zahlreich vertreten. Ausgezeichnetes leistete bei diesen Festlichkeiten der hiesige Pfarrcäcilienverein. Dienstag den 5. September spendete der hochwürdigste Herr Bischof in Grünau (160 Firm linge) die heilige Firmung und hielt nachmittags in Grll- nau und Schönfcld Schnlprüfung. Mittwoch und Freitag erfreuten sich Königshain (80 Firmlinge) und Seitendors (205 Firmlinge) des Bischöflichen Besuches; wie üblich wurden in dielen beiden Gemeinden durch einen schmucken Neiterzug Se. Bischöfliche Gnaden eingeholt. Nachdem Sonnabend die Schulprüsungen in Reichenau uud Saiten- dors gehalten, beschloß der hochw. Herr am Sonntag den 10. Septeniber die Visitationsreise mit Spendung der hei ligen Firmung in Reichenau (86 Firmlinge). Wie ist Ostrih, fanden in Königshain, Seitendorf uud Reichenau anläßlich der Anwesenheit des hochw. Herrn Bischofs sei tens der katholischen Vereine herrlich verlaufene Festver- sammlungcn statt. Bei denselben wußte der bochw. Herr, sowie bei den herrlichen Firmungsansprachen aller Herzen durch die so zeitgemäßen begeisternden Worte zu fesseln. In aller Augen las man beim Scheiden des hochw. Herrn: Gott erhalte unseren hochw. Herrn Bischof noch recht lange in solckstr Gesundheit und Geistesfrische! H Drrsdcu. <Kath. Kasino.) Aus vielfachen Wunsch und infolge des herrlichen Herbstwetterü hat der Vorstand für nächsten Sonntag, den 17. d. M. now einen Ausflug angeßyt und soll der Hauptzweck desselben die Bestchiigung von Schloß Weesenstein sein. Die aus der R rubrltterze t stammende Burg birgt viele Kunstschätze und eine Fülle von inleiressanten Sehenswürdigkeiten; es werden darum die lieben Mitglieder und werten Gäste deS Vereins herz- lichst geb-ten, sich an dieser letzten Veranstaltung — inner- halb de» Somrnerprogrammeö — recht zahlr-ich zu be teiligen. Die Fahrt erfolgt bi» Großsedlitz, von hier Wanderung nach Mees nstrin. Alles Nähere w'rd in einem Inserat dieser Zeitung am Freitag bekannt gegeben werden. 8 Bautzen. In der am Sonnabend im AlberlShofe ab- gehaltenen, sehr gut besuchten Versammlung der christ- l i ch - n a t i o n a l e n Gewerkschaften sprachen di« Gewerksckxiftssekretäre Voigt-Dresden und Sparenberg- Forst über das Thema „Wo stehen wir in der deutsckstn Ar beiterbewegung?" Die Redner legten dar, daß es heut« in der deutschen Arbeiterbewegung zwei tzauptfronten gäbe, die sozialistische und die christlich-nationale. Einem christ lich und national gesinnten Arbeiter sei eS geradezu un möglich, sich den sogenannten „freien", in Wahrheit so- zialdemokratischen Verbänden anzuschließen. Es lasse sich leicht beweisen, daß diese „freien" Organisationen von der Gründungsperiode bis zu dem heutigen Tage eine Nekru tenschule der sozialisiisckstn Partei bildeten. Die beamteten Führer der „freien" Verbände seien von jeher fast durchweg waschechte Sozialisten gewesen. Heute würde in den meisten „freien" Zentralverbänden als Bedingung bei der An stellung von Sekretären die Zugehörigkeit zur sozialdemo kratischen Partei gestellt Diesen Verbänden etwa ange hörende nichtsozialistische Arbeiter seien somit von der Lei- lung ausgeschlossen und zum Beiträgezahlen und Maul- Halten verurteilt. Aus Hunderten von Aussprüchen führen der Sozialisten wiesen die Redner nach, daß die „freien" Gewerkschaften ihre ganze Tätigkeit danach einrichteten, öer sozialistischen Umsturzpartei Zutreiberdienste zu leisten. Neutral sei diese Richtung in keiner Weise. Sei dann und wann nur einmal der Mut dazu hervorgetreten, so sei solche Regung von der sozialistischen Partei stets niedergeknüttelt worden. Die Führer der „freien" Gewerkschaften trösteten sich aus diesem Grunde in einer Geheimkonferenz in Berlin über ihr Sklavendasein. Der sozialistische Parteitag in Mannheim 1906 habe den „freies" Gewerkschaften vollends die Hände gebunden. Gegen die dort angenommene Reso lution sei auch nicht ein einziger „freier" Verband ausge treten. Wenn es in der Resolution heißt: Die sozialistische Gesellschaft. ein Ziel, das auch der klassenbewusste Arbeiter der Gewerkschaft erstreben muß," und „beide Organisatio nen (Partei und Gewcrksct>aft. D. V.) sind also in ihren Kämpfen auf gegenseitige Verständigung und Zusanunen- wirken angewiesen", ferner „um aber jene Einheitlichkeit des Denkens und Handelns von Partei und Gewerkschaft zu sichern, die ein unentbehrliches Erfordernis für den sieg reichen Fortgang des proletarischen Klas'enkamvfes bildet, ist es unbedingt notwendig, daß die gewcrksclwstliche Be wegung von dem Geiste der Sozialdemokratie beherrscht Nstrdc", so sei dadurch der ausgeivrochen sozialistische Cha rakter der angeblich „freien" Gewerkschaften bestätigt. DaS heutige Verhältnis zwischen sozialdemokratischer Partei und „freien" Gewerkschaften lasse sich so zusammenfassen: l. Partei und Gewerkschaften sind nur äußerlich (organi satorisch) gesondert. 2. Diese beiderseitigen Organisationen sind aber in wichtigen Fragen nicht selbständg, sondern aus eine Verständigung untereinander angewiesen. 3. Sozial demokratisch Partei und Gewerkschaften sind eine ideelle (geistige) Einheit: „Die (frei!) gewerkschaftliche Bewegung muß vom Geiste der Sozialdemokratie beherrscht werden." Daß die „freien" Gewerkschaften durch ihre Presse und son stige Einrichtungen den Wahtagentcn für die sozialistische — 108 — Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hat, läßt Lorenz sich in einen Arrn- scssel in der Nähe deS Fensters fallen, streckt die Beine von sich und beginnt, einen (tzassenhauer zu pfeifen, um auch den letzten Rest von Unbehagen los zu werden. Er weiß ganz genau, daß Jngeborg die Nacht gut zubringen wird, da die scktzväckstnde Wirkung seiner Tropfen nicht lange vorhält. Des halb macht er gerade jetzt die .Haushälterin auf die Gefahr aufmerksam, in der das Leben ihrer jungen Herrin schwebt. Sie wird dann nicht allzu ver wundert sein, wenn später einmal plötzlich — — Da tritt Jakob ein, in der Hand eine dickbauchige Flasche. Er setzt sie auf den Tisch, versichert sich, daß die Tür fest geschlossen ist und geht rasch a^if Lorenz zu, der vergebens bemüht ist. eine gleichmütige Miene znr Schau zu tragen. „He, Herr! Sie sehen verflixt schlecht aus." knurrt er sarkastisch. „Haben wohl Angst gekriegt, was?" Aergerlich fährt Lorenz empor. „Ich — Angst? Dummer Kerl! Denk' nicht dranl" Hastig steht er auf, nimmt die Flasche vom Tisch, entkorkt sie und füllt nnt »nsichercr Hand zwei Gläser. Inzwischen zieht Jakob ein Medizinfläschchen aus der Tasche. „Da!" grinst er vergnügt „Die ganzen Morphiumrestc und ver schiedenes andere ans all den Flaschen zusainmengegosscn. 's ivird gerade reichen.' Er stürzt ein Glas Brandy hinunter, während Lorenz schweigend vor sich hin starrt. „Hab noch was gemacht, Herr!" führt Jakob Pfiffig fort, nachdem er sich mit der umgekehrten Hand die letzten Tropfen Schnaps von seinem strup pigen Bart weggcwischt hat. „Ich war bei Dr. Seehus." „Blödsinn! Der ist ja eben abgereist." „Eben deshalb! Ich wollte frage», wann er zurückkommt." „So - ? Na, wann denn?" ..Erst in sechs Wochen — 'S geht alles nach Wunsch." Und Jakob stellt sein leeres GlaS auf einen kleinen viereckigen Tisch, dessen Platte ein Schachbrett bildet. Sein stets wachsames Auge bemerkt sofort. daß die Platte, gleich einem Klavierstuhl, auf ihrem geschnörkelten Fuße drei,bar ist. Er zielst einen Stuhl neben das Tischchen und setzt sich. Lorenz immer scharf im Auge behaltend. Kleine Pause. „Haben Sie Frau Wiborg vorbereitet?" fragt Jakob plötzlich „Ja.' „Wann soll's losgehen?" „Hm — wollen wir nicht noch ein paar Tage warten?" Jakob zieht die Stirn krauS. „Wozu? Wollen Sie warten, dis Ihr vor Moral und Edelmut triefen- ler Freund, der Herr Niels, wieder da ist? . . . Wenn Sie Angst haben, will i ch es tun." — >05 er glaubt, au der .Hand meiner Zeichnung, verschiedenes über die Perso nalien des „Idioten" zu wissen, der über mindestens ein Dutzend Masken verfügt. Unsere Aufgabe ist nun, die Spur dieses Bettlers zu finden: sicher buben wir dann auch eine Spur der Entschwundenen. Denn daß der „Idiot" bei der ganzen Geschichte die Hand im Sviele hatte, steht ft ziemlich fest. Ich koffe, in zirka zehn Tagen in Christian,» einzutreffen und neide kort meine Nachforschungen fortsetzen. In steter Verehrung usw." Sigrid ist eS bei dieser Nachricht, als versinke der Erdboden »ntec ihren Füße» Zeit und Geld verloren — um nichts! Das Geld dauert sie weniger. Sie hat genug davon und würde m,r Freuden kic Hälfte ihres ganzen Vermögen-, hingeben, wenn sie sich dadurch ihre Nichte zurückcrkaufen könnte. Aber die Zeit! Die Zeit!! Wieviel Vor sprung lmt in», der Entführer! Wer weiß, an welckstm Ende der Welt er mit seinem armen Opfer bereits weilt! Den» daß Jngeborg allein ent 'loben, nohl gar unter dem Einfluß einer neuen fixen Idee, um ihrem Leben ein Ende zu mackst» daran glaubt die .Herrin von Schloß Sandk- gaard nicht. So denkt und grübelt und brütet Sigrid in der Felseneinsamkeit von Schloß Sandsgaard und wartet in fieberhafter Erregung auf neue Nach richten. Sie km.n den surchtlaieu Gedanke» iiocl nicht fassen, daß Jngeborg für 'iu'ucr für sie verloren sein soll: daß das Opfer, das sic durch Hingabe ihrer herrlichsten Jugcndjahre, ihres „Rechts auf eigenes Glück", das doch schließ lrch jeder Mensch besitzt, umsonst gewesen ist; daß all ihre Fürsorge für daS Wohlergehen der geliebten Nichte ei» solch entsetzlickstS Resultat erzielen soll. Dazwischen mischen sich guälende Zweifel, ob sie ihre Pflicht auch voll ständig erfüllt habe . . . .Hat sic recht getan. Jngeborg allein schlafen zu lassen, ohne jede Auf sicht? Hat sie vor allem reckst getan, daß sie damals Schloß Sandsgaard an/ acht Tage verließ, um nach Christiania zu fahren? . . . Nein' Hunderttansendmgl nein!! .Keine Sekunde durfte sie das de dauernSwerte Gesckftpf aus den Augen lassen! Jeden seiner Schritte mußte sie beivackstn! Dann hätte sie ihre Pflickst in vollem Maße erfüllt! Aber io —? Wie nannte Erik Niels sie einmal im Laufe eines Gesprächs? Eine Heldin der Pflicht! Ein wehmütig bitteres Lächeln kuscht über ihre ernste» Züge. „Heldin der Pflickst!" Welch stolzes Wort! Ach. könnte sie es bean- Ipruckstii! Könnte sie die geliebte Nichte wiedersinden, um sie weiter zu hegen und zu pflegen und sic an ihrem mütterlichen Herzen die kurze Episode deS Verlassenseins vergessen zu macken! . . Könnte Erik ihr daS Kind zurück- öringen! Wie wollte sie ihm danken! Erik NielS! Ist er nicht der eigentlickst „Held der Pflicht"? In weit größerem Maße als sie? * ..