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BezuiSprrt», Aosaab« t «u a Beiiaaoi dieriellithritch 2,1« Itt Dresden und ganz Deutschland fiel HauS 2.52 In Oesterreich 4,4« L «»«a»de » nur mit Feteradend dtcrtetiLhrlich I,ia«>c. In Dresden und aanr Deutschland srei Hau» 2,22 2t; In Oellerreich 4,«7 L — SInzcl-Nnmmer 1« 4. lettung reAelmStzlg in den ersten ionntagSnummer erscheint spüler. oocheniaz» erscheint die Nachmitia^sstunden: die Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit mit Uirte<chaltr»«rA»beil«rse Die illustrierte Zeit und Sonntagsbeilage Feierabend Unreine», Annahme »on (SeschütlSan,einen di» KO Nhr, von Ftmiiten- anjetaen di» 11 Uhr Preis tiir die Petit-Tvaitzeiie 20 a. im iileklameieil «ro Für undeutlich geschriebene, sowie durch Feiiudrechü aus- gegebene Anzeigen lönnen wir die Aeraniworilichleti sür die Aichtlgtetl des Textes nicht übernehmen. RedaktionS-SdrechsUinde: 10 biS 1t Udr vormittags. Für Rückgabe eingesandier Ichriststücke macht sich die Redaltion lucht verbindlich^ Rücksendung erfolgt, wenn Rückporto bei- gefügt ist. Briefliche» Anfragen ist Aniworlshorio beizufügen. Nr. 88 Geschäftsstelle und Redaktion Dresden»A. 16, Holbeinstrahe 46 Freirag , den 18. April 1913 Fernsprecher 13611 12. Jahrg Rote ^Volksfürsorge" Mir haben schon mehrmals auf die neue Schöpfung der Sozialdemokratie aufmerksani gemacht, die sich „Volksfnr- korge" nennt. Verschiedene Vorkommnisse veranlassen uns sinn, nochmals vor dieser sozialdemokratischen Einrichtung tu warne». Diese „Volksfürsorge" der Genossen ist eine vom Kongreß der „freien" Gewerkschaften 1911 beschlossene sind von einer Konferenz der Vertreter der freigewerkschaft lichen Verbände und Konsumvereine 1912 gegründete Volks lebensversicherung großen Stils, die alle Arten der Volks- siersicherung betreiben soll wie die Privatgesellschaften. Für diese „Volksfürsorge", die in nächster Zeit ihren Betrieb auf- siehmen soll, wird schon heute, namentlich seitens der roten Konsumvereine eine lebhafte Propaganda entfaltet und zum Beitritt anfgefordert, wobei man sich bemüht, den wahren jLharakter und letzten Zweck der „Volksfürsorge" geflissent lich zu verheimlichen. Der neutrale Charakter, der bei dieser Propaganda der ,.Volksfürsorge beigelegt wird, ist nichts anderes als ein Aushängeschild, um Mitglieder zu kapern. Für den wahren iLharakter der „Volksfürsorge" ist aber nichts bezeichnender sils der Umstand, daß ihr ganzes Kapital — die „Volksfür- sorge" ist eine Aktiengesellschaft — ausschließlich in den Gän sen der sozialdemokratischen Gewerkschaften und Konsum- siereine liegt. Aus den Vertretern dieser wird Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft gebildet. Die Aktien der '„Volksfürsorge" können niemals in Privatbesitz gelangen, veil jede Uebertragung einer Aktie ans einen anderen tz'auwn von einem Beschlüsse des Vorstandes und Aussichts- ates abhängig ist. An dieser Organisation der „Volkssür- orae" als Aktiengesellschaft ist der uneingeschränkte Einfluß >er Sozialdemokratie auf Wesen und Charakter der „Volks- nrsorge" gesichert. Bezeichnend nach dieser Richtung ist veiter folgendes Zugeständnis des Vorsitzenden der „Volks- lirsorge", Genossen v. Elm, in der „Sozialen Praris" (!912, 82): „Ach gebe unseren Gegnern ohne weiteres zu, wenn vir die Volksversichcrung in die Hand nehmen, dann tun vir das nicht nur, um sie zu verbilligen und zu verbessern, klein — wenn Gewerkschaften und Genossenschaften gemein- äm die „Volksfürsorge" schaffen, dann geschieht dies auch, mi ihrer Bewegung neue Stützpunkte im Volke zu schaffen, >m immer mehr den Beweis zu erbringen, wie viel Gutes ich durch das solidarische Zusammenwirken von Gewcrk- cbaften und Genossenschaften erringen läßt." Mit anderen Morten: wir wollen durch die „Volksfürsorge nicht nur die Volksversicherung verbessern, sondern auch im Volke neue Stützpunkte für Gewerkschaften und Genossenschaften schaf fen. Das heißt praktisch und im Effekt nichts anderes als die sozialdemokratische Arbeiter- und Parteibewcgung stärken. An dieser Form und mit dieser Tendenz bedeutet die „Volksfürsorge" eine ganz besonders große Gefahr, speziell wuch für den Katholizismus. Durch die „Volksfürsorge" 'erfaßt die Sozialdemokratie nämlich nicht nur die Erwachse nen — Männer und Frauen — sondern jetzt auch das Kind und kettet den natürlichen Nachwuchs materiell zeitlebens an eine ihren Zwecken dienstbare WohlfahrtSeinrichtung. Dabei ist zu beachten, daß durch die Agenten und Ver trauensmänner die Mitglieder der „Volksfürsorge" in stän dige Fühlung mit der Sozialdemokratie gebracht werden. Da die Prämien wie bei anderen Volksversicherungen Wohl abgeholt werden müssen, so wird dadurch der Sozialdemo kratie Gelegenheit zur Beeinflussung indifferenter oder dem Dereinslcben fernstehender Kreise gegeben, wie sie bisher eine solche noch nicht hatte. Ansbesondere wird die „Volks- fürsorgc" ein Mittel sein, den Frauen sich mehr als bisher agitatorisch zu nähern. Mit ihrer .Hilfe wird der sozial demokratische Agitator an Frauen herankommcn, die weder mit einer Gewerkschaft noch niit einem Konsumverein Füh lung haben. Solcher Agenten sind nicht weniger als 17 990 in Aussicht genommen. So wird auch durch ein weites Netz sion sozialdemokratischen Agitatoren das Volk besonders in ländlichen Distrikten eingefangen. AuS Taktik und mit ^Rücksicht auf F 13 des Aufsichtsversicherungsgesetzcs ist end sich die Sozialdemokratie darauf bedacht, den wirtschaftlichen -Zweck der „Volksfürsorge" in den Vordergrund zu stellen, die Nebenzwecke zu bestreiten, aber desto entschiedener im geheimen zu verfolgen. Wegen des scheinbar rein mate riellen Charakters des Unternehmens ist der Sozialdemo kratie der Weg in rein katholische und ländliche Gegenden geöffnet. Die dort vielfach herrschende Unkenntnis in sozia len Dingen kann uns gefährlicher werden als die Agitation der Noten in den Städten. So ließe sich nock, eine Reihe anderer Momente anfüh- Iren; wir glauben aber, das Gesagte genügt, um darzntnn, !daß die „Volksfürsorge" eine ganz eminente Gefahr ist, und !daß wir alle Veranlassung haben, ihr mit allen zur Ver- ifiigung stehenden Mitteln entaegenzuarbeiten. Da gilt es über den wirklichen Charakter und die wahren Ziele der neuen „Volksfürsorge" im Sinne der obigen Ausführungen Aufklärung zu verbreiten. Vor allem ist diese aus dem oben genannten Grunde notwendig auf dem Lande. Dabei ist cs vielleicht zweckmäßig, solche, die sich versichern wollen, auf solche Kassen und Anstalten aufmerksani zu mache», die par teipolitisch neutral, reine Versicherungseinrichtungen sind. Nach der neuren Entwickelung der Dinge sind das die neu- gegründete „Deutsche Volksversicherungsaktiengesellschnft" in Berlin, die von etwa 20 größeren und kleineren Lebens- Versicherungsgesellschaften gegründet worden ist, die „Ver einigung des Verbandes öffentlicher Lebensverncherungs- onstalten in Deutschland", und vor allem die Kasse „Leo ", Köln, zumal diese beabsichtigt in Zukunft die Volksversichc- lung mehr zu forcieren und dementsprechend ihre Organisa tion einzurichten. Was die „Volksfürsorge" als große neue Tot gegenüber den anderen Lebensversickierungen init vie lem Geschrei rühmt, möglichst geringe Verwaltungskosten, weil das gesamte Heer der Agitatoren und Vertrauensper- sonen der Verbände ehrenamtlich die Organisation und Wer bung der „Volksfürsorge" übernimmt, restlose Ueber- weisung der Ueberschüsse nicht an Aktionäre, sondern an die Versicherten selbst usw., das hat die Leokasse schon seit 1893, wo sie gegründet wurde. Wie die „Volksfürsorge", so steht auch die Leokasse unter der Aufsicht des Kaiserlichen Auf sichtsamtes für Privatversicherung in Berlin und genügt darum hinsichtlich der Sicherheit den höchste» Bedingungen. Mit Vorstehendem soll nun nicht gefordert werden, daß sich nun jeder versichern müsse. Eine Versicherung ist ge wiß sehr nützlich, man soll sie aber im allgemeinen nur ein- geben, wenn man glaubt, auch die dazu notwendigen Geld- Prämien auf die Dauer zahlen zu können. Auf jeden Fall soll und darf sich aber niemand versichern bei der neuen „Volksfürsorge", wenn er sich nicht freiwillig in die Arme der Sozialdemokratie begeben will. An diesem Sinne gilt es vor der „Volksfürsorge" zu warnen, wo nur immer Ge legenheit dazu geboten ist. Die Aussichten der großen Vorlagen sind durch die erste Lesung im Reichstage nicht günstiger geworden, als sie vor derselbe» standen. Man kann heute den um Ostern begründeten Optimismus auf Erledigung vor Pfingsten nicht mehr haben; es mehren sich vielmehr die Stimmen, welche schon so weit gehen, ein völliges Fiasko im Monat Juni zu erwarten, von einem Konflikt und einer Reichstagsauflösung sprechen. Selbst wenn man diese An schauung nicht teilt, so muß man doch sagen, daß die erste Lesung manche.Hoffnung begraben hat, falls nicht einzelne Parteien eine wesentliche Aenderung ihrer kundgcgebcnen Absicht vollziehen. Der Wunsch, daß alle bürgerlichen Parteien gemeinsam die beiden Vorlagen annehmen möchten, ist so gut wie vereitelt: diese schnellste und beste Lösung hat gan- geringe Aussichten. Die Sozialdemokratie hat deutlich zu erkennen gegeben, daß sie die Taktik der Bosheitspolitik an wenden will, um nichts zustande kommen zu lassen. Die Redner der V o l k s p a r t e i l e r lehnten die Grundlage eines gemeinsamen bürgerlichen Vorgehens ab: sie wollen nämlich nichts davon wissen, daß dieselben Mehrheiten Militärvorlagen und Steucrvorlagen zu schaffen haben, die Linksmehrheit soll vielmehr letztere diktieren und die Rechts partei und das Zentrum unter das politische Joch zwingen. Dieser Wille der Vvlkspartci aber hat seine Rückwirkungen in nahezu alle Fraktionen hinein, da es in diesen vielfach als eine bestimmte Voraussetzung angenommen wurde, daß die Volksvartei mit den übrigen bürgerlichen Parteien gehen würde. Es kann heute ganz urierörtert bleiben, ob eine Mehrheit der Linken überhaupt die Steuervorlagen er ledigen kann: so viel steht schon heute fest, daß diese? Werk dann am Widerstande des Bundesrntes scheitern würde; denn eine Linksmehrheit könnte die erforderlichen 189 Mil lionen Mark nur durch eine N c i ch s e r b s cb a f t 8 st c u e r und eine N e i ch s v e r in ö g e n s st e u c r ausbringen; siir die vorgeschlagenen Stempelsteuern gibt cs auf der Linken keine Mehrheit, auch nicht für die Wcitererbebung der heutigen Znckerstcuer. Die Linksmehrheit kann 69 bis 80 Millionen Mark genehmigen und dabei ans die Zustim mung des Bundesrates rechnen; aber bei jeder Finanzrcform hat es sich „och gezeigt, daß die erste .Hälfte der Steuern leichter zu schaffen ist als die zweite Hälfte. Was aber dann? Gerade diese Erwägung zeigt, wie richtig die Forde rung ist, daß dieselbe Mehrheit beide Vorlagen zustande bringt. Man müßte cs parteipolitisch bedauern, wenn die Volkspartei sich endgültig aus der bürgerlichen Arbeits gemeinschaft ausschlicßen würde; vielleicht nimmt die Sache in der Konunlssion doch eine andere Wendung. Aber auch nach einer anderen Richtung hin sind die Aussichten nicht günstiger geworden: man weiß nicht, wie sich die Nationalliberalen stellen, und diese sind angesichts der Opposition der Polen und Elsässer zur Mehr- heitsbildung unentbehrlich und zwar als Gesamtfraktion. Dr. Paasche hat in einer diplomatisch klugen Rede den Weg zur Vc^tändigung geebnet, Noland-Lücke forderte aber Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer. Die Nationalliberalen wollen zweifelsohne die Wehrvorlage sichern, der Linksblock kann dies nicht; Rechte, Zen trum und Nationalliberale müssen diese Mehr heit stellen; anders geht es nicht. Den Nationalliberalen ist zu gut bekannt, daß das Spiel mit doppelten Mehrheiten in derselben Sache fast nie zu einem Resultat führt. Wer den guten Zweck der Militärvorlage will, muß auch das er laubte Mittel der Deckung genehmigen. Schon darum ist zu hoffen, daß trotz allein und allem sich hier noch eine Ver ständigung erzielen lassen wird, weil eine solche absolut not wendig ist. Für Staatsnotwendigkeiten aber hat die Zoll- tarifmehrheit stets Verständnis gehabt und darum wird die Budgetkommission doch einen Weg finden müssen, den eine kompakte Mehrheit geschlossen marschieren kann. M. Erzbergcr, M. d. N. Deutscher Reichstag Berlin, den 18. April 181». Weiterlicratiing des Etats des Auswärtigen Amtes Ter Etat des Auswärtigen Amtes hat am Mittwoch noch drei Stundcn in Anspruch genommen. Am Ministe» lische saß wieder Herr v. Jagow, der gleich zu Beginn der Sitzung dem Hause Kenntnis davon gab, daß die fran zösische Negierung im Nancyer Zwischenfall eine streng? Untersuchung eingelcitet habe, deren Ergebnis abgewartet inerden muß. Für anderthalb Stunden stand sodann die Leidensgeschichte zweier armer Schiffsjungen im Vorder gründe des Interesses. Die beiden Jungen waren auf ihren Wunsch von den Eltern auf ein deutsches Handelsschiff ge geben worden und hatten dort seitens einer Anzahl roher Matrosen furchtbare Oualen zu erdulden, so daß sie schließ lich über Bord sprangen und zu unseren deutschen Konsula ten ihre Zuflucht nahmen. Aber auch hier trafen sie nur verschlossene Türen. Tief gerührt saßen die Abgeordneten und auch die Vertreter der Negierung da und lauschten der ergreifenden Schilderung des ganzen Jammers, dem diele beiden jungen Leute ausgesctzt waren. Am .Hause macht«! sich eine allgemeine Empörung über brutale Behandlung bemerkbar und inan hätte von der Negierung eine ondcre Antwort erwarten dürfen, als die, welche gegeben worden ist. Herr v. Jagow batte zur Beantwortung der Angelegen leit einen Herrn vorgcschickt, der sich wie kaum jemals ein anderer vor dem ganzen Reichstage blamierte. Wohl fand er einige Worte der Kritik über das lieblose Verhalten der Mannschaften und der Konsulatsvertrcter, aber die Hanpt- schuld an ihrem Unglück glaubte er den beiden Schiffsjungen zuschreibcn zu müssen. Sic mußten nach seiner Ansicht den Instanzenweg einhalten, sich an den Kapitän wenden und dessen Entscheidung abwarten. Dabei wurden die armen Jungen fast tagtäglich halb zu Tode geprügelt. Das Tollste aber leistete sich der Herr Regierungsvertreter, indem er meinte, daß die beiden bei ihrer Flucht mindestens ihre Adresse hätten hinterlassen müssen. Im ganzen Hause brach ob dieser Weisheit ein schallendes Gelächter aus, während man Herrn v. Jagow die Verlegenheit über die Entgleisun gen dieses Ncgierungsvertreters anmerkte. Berechtigte Klage führte im weiteren Verlaufe der Ver handlungen der Zentrumsabgeordnete Kuck ho ff über die Zurücksetzung der von katholischen OrdenSleuten im AuS- lande geleiteten Schulen. Nicht nur im Anlande, sondern auch draußen im Auslände wird de» deutschen Katholik':» eine schlechtere Behandlung zuteil, wie den Andersgläubi gen. Die protestantischen Schulen im Auslande werden reichlich ausgestattet, die katholischen dagegen mit oft gerade zu lächerlichen Unterstützungen abgefunden. Damit hatte der Etat des Auswärtigen sein Ende er reicht. Herr v. Jagow packte seine Alten zusammen, um dem Herrn Reichskanzler Platz zu machen, deswn Etat mm- mehr zur Beratung stand. Genosse Grad na »er balle zuerst das Wort. Er hatte es offenbar mehr aut die -Heiter keit des Hauses als aus Sachlichkeit und lernünilige Er wägungen abgesehen. Dieses Ziel hat er in vollem Maße erreicht. Schallende Heilerkeit erfüllte den Plenarsaal, als er meinte, daß die Sozialdemokratie die einzige Partei sei, die positive Arbeit leiste. Der Genosse benutzte die Gelegen heit auch zu Ausfällen gegen die Person des Kaisers kin "w- zug auf den Fall Solist) und rief hierdurch den Reichskanz ler auf den Plan, der in einer äußerst geschickten Rede unier dem dröhnenden Beifall deS ganzen .NausiS der Sozialdemo kratie in Bezug auf Vaterlandslosigkeit und Neligionsseind- lichkeit ihr wahres Gesicht zeigte. Wild und lärmend spran gen die Genossen auf und suchten die Ausführungen dsirch ihren Widerspruch zu libertönen. Trotzdem aber bleiben deS Reichskanzlers Ausführungen wahr.