Volltext Seite (XML)
eile i Nr. SS» Lv. Jahrg. Geschäst-stelle und Aedakttvn: Dresden «A. 16. Holbeinftraße 4« !lpl0!l rckcag id-rea hier« ktober , Er> sgcibt n 11. jkarte sMö? 77 StilklWie Freitag, 8. Oktober 1920 Fernsprecher 21 S«S Postscheckkonto: Le'pjig Nr. 14797 NtzugspreiSi Bierteljührltch in der Geschäftsstelle oder von der Poll abgeholt AnSgabe L mit tllnslr. BeNage IN.3VFI AsSglibe » V.45 In Dresden nnd ganz Deutschland irrt Haus Ausgabe 1 lO.NS^c. AuSgab« U S.Sft — Ti! Sächsische VolkSzeitung erscheint an allen Wochentagen nachm. — Sprechstunde der Rcdallion: 1t bis 13 Uhr vorm. Anzeige», Siimahme von GeschäftSanzeigeu bis 1« Uhr, von Familie,ian,eigen bis II Uhr von». — Prc,S !llr di« Peiit-Spaltzeile 1.10 ^k. >m Reliameteii 8.50 ^amilienanzeigen 1.80^. — Für undeutlich gelchriebene. sowie durch Fernlbrecher ausgegeben« Slnzeigen könne» wir die Beranlworliichkcit iür di« Richtigteit des Textes nicht übernehmen Nnd wieder Gerüchte! Fiebererscheinungen machen sich gegenwärtig wieder in unserem politischen Leben bemerkbar Wenn man diesen Dingen auch keine Brtriebene Bedeutung beimessen soll, so wäre es doch anderseits auch verfehlt, ihnen nicht die gebührenide Beachtung schenken zu wollen. Mr haben es ja nachgerade zur Genüge erfahren, welche Rolle Plötz lichkeiten und Zufälligkeiten gerade in der politischen Gestaltung der Tinge spielen, und wie nicht zuletzt aus anfänglich belanglosen Mo- mcnien bestimmende und en scheidende Faktoren werden können. Die gegenwärtige politische Nervosität ist im wesentlichen aus gewisse Vorgänge im Wirtschaftsleben zurückzuführen. Tie durch die Wirt'chafisverhLltnisse notwendig gewordenen Stillegungen zahlreicher Fabriken und die Auslösung vieler Privatbetriebe hatten eine Arbeits losigkeit zur Folge, die immer die Wurzel für politische Unruhen ist. Die Teilstreiks, die sich jetzt verschiedentlich wieder gezeigt haben, und die in brr NeichShauptstadt zu einer ganz plötzlichen übersallartigcn Hemmung des reichshauptstädtischen StraßenbahnverkehrS und der Strom- und Lichtversorgung mit allen seinen Folgen für Hunderttau. sende führten, vermehren die an sich schon vorhanden« Unruh- Dazu Ibben wir in recht verworv neu politischen Verhältnissen; namentlich unter den Linksparteien wird ein Kamps ausge'ragen, der alle Geister anfwühlt, von dem heute noch niemand sagen kann, wie er schli tzlich enden wird. Politisch klare Linien sind auch sonst nirgend zu sehen. Der BetriebsrSdekongv ß in Berlin, der sich nur mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigen sollt« ging weit darüber hinaus in der Stellung nahme zu politischen Poblcmen. Auch dadurch wurden die Dmge nicht klarer. Sv kommt eS, daß viel« alarmierende Ge-üchte im Lande um gehen, Sie erstrecken sich sowohl auf wirtschaftliche wie auch auf poli- tische Dinge. Die Gerüchte wurzeln allerdings auch in mancherlei Kundgebungen. die recht ernster Natur sind. Unverkennbar sind bei- spielsweifst Vorbereitungen zu einem neuen großen Generalstreik, wie sie in Berlin gegenwärtig betrieben werden. Die Radikalen ander seits glauben in de? Jetztzeit ihren Weizen blühen zu sehen, und sie setzen auch alle Hebel in Bewegung, um die bevorstehenden Parteitage, namentlich den der Unabhängigen, für ihre propagandistischen Zwecke nutzbar zu machen. Die Alarmgerüchte, die sich dann an gewisse De monstrationen, so namentlich an dir jetzt an der Tagesordnung be findlichen ArbeitSlosendemonstrationen in Berlin mit all dem üblichen Radau und Spektakel knüpfen, sind sogar schon so weit gediehen, daß von dem Plane der Ausrufung der Räterepublik, ja selbst von dieser bereits erfolgten Tatsache gesprochen wurde. Nachrichten, die aus dem Lande darüber nach Berlin kamen, lassen keinen Zweifel über die Un ruhe, die durch solche Mitteilungen im Volke verbreitet wurde. Gewiß ist unsere gegenwärtige Situation keine erfreuliche. Die Verhül'niss« sind in keiner Weise befriedigend, sie müssen vielmehr zur äußersten Besorgnis Anlaß geben. Man muß geradezu mit Ent- seieii und Schrecken der Entwicklung der Finanzlage des Reiche« ent- gezenblicken. Wir haben an dieser Stelle das nie verhehlt. Dennoch glcmbcn wir Grund zu der Annahme zu haben, daß die Gerücht« be züglich bevorstehender politischer Unruhen bis zu einer so schroffen Auswirkung, wie es die Ausrufung einer Räterepublik wäre, unbe gründet sind. Gerade «n der jetzigen Zeit kommt alle» darauf an, daß mir unsere Nerven behalten, und uns gegen Alarm- und Sensalions, nackmchten, vor allein gegen die Seelen- nnd Nervenzerrü jungen nnd Nttüchtträgwei wappnen. Die Verhältnisse von heute sind in der Tat fürchterlich. Aber wir können sie meistern, wenn wir einhellig zusam- »umstehen in dem Willen, opferbereit all unsere Kräfte dafür cinzn- sctzc», daß wir vor dem Schlimmsten, dem wirtschaftlichen und damit dem politischen Zusammenbruch, bewahrt bleiben. Zusammenarbeit der Partei Dex Wunsch, daß der Kampf der Parteien gegen- und unter einander doch eingedämmt Wltrden möge, wird von Tag zu Tag stiir- ier im deu'schen Volke. Denn wenn trotz des beendeten Krieges aus dkm Schlachlfclde noch immer ein« Welt v,n Zünden uns umgibt, ist möglichste innere Geschlossenheit für uns -.ine Lebensfrage. Wie soll auch der unumgänglich notwendige Wlede'auibau erfolgen, wenn ktampseSstimmung die Menschen auseinander reiß«? Hsrrscht in di«, ser Beziehung wenigstens bei dem einsichtigen Tail des deutschen Vol kes schon seit längerer Zeit Uebereinstimmi.ng, so kann das nicht in demselben Maße gesagt »»erden, wenn die Frage oeaniworret werben soll, wie denn nun di«s« inner« Geschlossenheit angebahnt werden könnte Beachtenswert sind darum im höchsten Grade Ausführungen, dis OberlandeSgericktsrat Dr. G r o ß m a n n - Marienwerder, ein führendes Mitglied der Demokratischen Partei Westpx:uß<n», >n Nr, LL8 der „Neuen West preußischen Mitteilungen" vom 30. September 1920 machte. Wer sich mit warmem Her,an so führt Dr. Großmann aus. mit den Angelegenheiten deS großen Ganzen be schäftigt, dem er angehört, wird früher oder sväter in saS Fahrwasser einer bestimmten politischen Partei geraten. Es gibt aber auch zahl, reiche Fragen, über welche die Parteiprogramme nicht- sagen, Fragen, bei deren Lösung die Gegensätze der Partien zurücktreten können, weil keine Pavtsi ein Interesse an ihrer einseitigen Lösung hat. und zu- rücktreten müssen, weil nur das Zusammenwirken aller politisch Interessierten die erforderliche allgemeine Anteilnahme sichert. . . . Nei »em Suchen nach dem Wege aber ,der dicsses Zusammenwirken ermöglicht, sin» nach Ansicht Dr. GroßmannS Enttäuschungen nicht ausgeblieben, und zwar hauptsächlich dann nicht, wenn «in Zusam- mbnschluß und ein Zusammenwirken bei zweifellos potitischcn Fragen unter Ausschaltung der politischen Parteien angestrebi wni-s» Be sonders die Geschichte der „Vatxrtandspartei" sei in Viper Beziehung ein warnendes Beispiel Was aber der „Va erlandspaetei" uni) ähnlichen Organisationen t> rsagt geblieben sei, habe jener „Deutsche Ausschuß" zustande gebracht, der vom Zentrums abgsord- neten Dr. Fleischer ins Leben g-o>ussn wurde, um die Ost- provinzcn bei der Abstimmung für 'Deutschland zu retten. „Der „Deutsche Ausschuß" als Zw'ammtnfassuiig der Arbeitsgemeiiischiitea politischer Parteien des Abstimmungsgebietes", schreibt Tr. Groß mann wörtlich, „hat etwas zustande gebracht, was der „Baterlands- partei" und ähnlichen Organisationen ver-agt geblieben ist. Er hat es vermocht, Politiker aller großen deutschen Parteien zu Kmeiu- samem vaterländischen Wirken zu vereinigen und bis zum er-eich en Erfolge bei der Stange zu halten. Wie war daS möglich? Es ge. lang, weil der Ausschuß den Stier bei den Hörnern packte, weil er kurz «ntschlosscn die Paitrien selber ausrief, sich als solche, also unter Aufrechterhaltung ihrer Eigenart und unter For bestehen ihrer ge sonderten Organisationen, zu einer Zw ckgemeinschast zusammen«»- schrießen, in »velcher sie sich auf gemeinschaftlichem Boden aus-prechen, zur Förderung d«r gemeinsamen Sache gemeinsame Beschlüsse fassen and sie je nachdem durch die neue g-wnveie 'Mamtorganisabiou oder auch durch ihre bestehenbleib.ndx» eigenen Organiscuionc'i aussühren konnten. So schwand die Gefahr, daß unter dem Deckmantel dgr Vaterlandsliebe Souderzicle einer einzelnen Par'ev verfolgt u-erien , konnten, und die große Kraft wurde entbunden, die in nein gb-ichsor' migen Streben mehrerer Parteiorganisationen in gleicher Richtung liegt. Aus d«r Grundlage der K-'a'cheit und Aiürich-igkeit emporge- wachisen. die inneren Gegensätze der Partien nicht verhehlend, sondern im Gegenteil voraus setzend, hat der „Deuische Ausschuß" es verstan den, das Zusammensassende um so nachdrücklicher zu beim» ». das Deutschtum als «irren allen Parteien gemeinsamen Besitz kräftig her- au-üpiarbei'en und so die Kraft der Altion zu schaffen, die zu dem stolzen Erfolg« de» 11. Juli ds Js, geführt hat, Dieter „Tonische Ausschuß" wird uns auch künftig erhalten bleiben. Unter Fühnrn.g deS um dir deutsche Sache hochverdienten Reichstagsabgeorduet-m Dr. Fleischer haben die deutschen politischen Par eien vor kurzem be chtos- sen, zusammenzubleiben nnd die w de? Abstimmungszs-it bewährt« Arbeitsgemeinschaft auch weiterhin fortzusetzen. In offener Aussprache werden sie sich auf gemeinsamem Boden zusammenfinden, keine Par tei soll überstimmt werden, aber alle sollen Mitarbeiten, und so sollen die mannigfachen va erländischen Fragen, die gerade in un-erem Weiäisilgau so brennend sind — Grenzftagen, Korridorfragen, Schutz der Minderheiten, Kulturausgaben aller Art — einer glücklichen LS' sung zugeführt werden Die Parteien werden durch diesen Zusam menschluß in ihrer Selbständigkeit in keiner Weile beschränkt, Ihre Bewegungsfreiheit im innerpolitischen Kampfe bleibt ihnen im vollen Umfange erhalten. Aber durch ihre eigene freie Entschließung haben sie in planvoller Ueberlegung die wich igslen Ausgaben vaierländiicher Sslbsterhaltung aus dem gegenseitigen Parteistrcit herausqehobur; wie in der Zeit der Abstimmung steht auch künftig, sobald es sich um die einstimmig als gemeinsam erkannten und anerkannten Interessen handelt, der Deutächnationale Schül er an Schulter neben dem Sozial- demckrnien, der Demokrat »eben dein Angehörigen des Zentrums und der Deutschen Bolkspartei; und »vir hof'en Merlichtbich, daß dieser niiter b in Drucke der Abstimmung geborene Gedanke deutscher Par- teigemeinschast sich dauernd bewähren nnd vielleicht einmal auch nn. seren Brüdern „draußen im Reich" ein Vorbild zweckmäßiger vater ländischer Arbeit sein wird." Zweifellos siird die (bedankenginge Tr, GroßmannS aller Beachtung wert, und was im Abstimmungs gebiet möglich war dürste doch auch sonst nicht unmöglich s-in Eine der noiwendigst-n Voraussctzuugen ist freilich guter W'll: und zwar nicht bloß guter Wille auf einer, sondern auf allen Seilen Das föderalistische Programm der Bayerischen Vvlkspartei interpretiert auf Verlangen von demokratischer Saite der Frak- dionsvorsitzende der Bayerischen Volkspariei Geh. Rat Held in Nr. 279 deS „Bayrischen Kuriers" in folgender Form: „Das föderalistisch« Programm der Baycrisch-n Volkspartei, das der Bamberger Parteitag sestgelegt hat, ist in der Oeffentlichkeit da und dort zum Gegenstand einer mehr oder weniger I bhasten Kritik gemacht worden. Radikal gerichtete politische Gegner der Bayerischen Volksparici haben sich nicht gescheut, dem Programm als Ganv m die Tendenz der ReichSnuflösung und Rcichszsastörung zu unterschieben. Sie haben vom Boden dieser Konstruktion aus gegen die Bayrische Volkspartei die heftigsten Vorwürfe und Anklagen erhoben. Sich mit ihnen über daS Programm und sei» Ziel atuseinkindar zu setzen, hat so lange keinen Zweck, als aus der Art ihrer Stellungnahme gefolgert werde» muß, daß si« an? rein parteipolitisch-agita torischen Gesichtspunkten heraus das Programm zum Gegenstand ihrer Bltrachtnnaen machen. Auch in manchen Kreisen jener Parteien, die mit der Baye rischen Vvlkspartei zur Führung der Regierungsgeschäft-: in Bayern Koaliert sind, hat sich der Widerspruch gegen die «ine nnd andere .Forderung dieses Programms g regt. Die Deutschdemokra tische Partei hat namentlich an zwei Punkten dieses Pro- grammez Anstoß und in ihrer Presse und in Versammlungen eine ab. »versende Stellung zu diesen genommen. Das gibt Veranlassung, sich öffentlich noch einmal zu den beanstandeten Forderungen zu äußern. Falsche Voraussetzungen und die Nichtbeachtung dts Wort lautes haben zu einer durchaus unrichigen Auslegung der angefoch tenen Programmforderungen geführt. Zunächst ist es der Punkt 2 deS Programms der stark beanstandet wurde und dessen Durchsüh- rung man die Wirkung dir Lockerung, ja gar der Auslösung des Rcichsbrlstandes zuschreibcn wollte. Er lautet: „Die Bayerische BolkSpartei fordert: DaS Recht der einzelnen Staaten, ihre Staatsform und Staatsverwaltung selbst zu bestim men. Die beschleunigte Ermöglichung der Bildung von Einzelstaaten auf verfassungsmäßigem Wege." Es kann -»gegeben werden, daß der erste Satz diese» Punkte» in seiner lapidaren Einfachheit bei solchen, die die Stellung der Baye risch n Vvlkspartei zur Reichsidee und zum geschichtlich gewordene» Reich nicht ersaßt haben, zu Mißverständnissen Anlaß zu geben ge eignet ist. Selbstverständlich »rollt« und sollte durch diesen Satz für keinen Einzel st aat des Deutschen Reiches etwa da? Rechst in Anspruch gen »mm er werden, ohne jede Rücksicht aus die Grundlagen der Reichs for in und ReichSversassung seine eigene For in und Verfassung willkürlich zu be stimmen. Darübe«»bestand bei leinen» der Mitarbeiter am sbb> ra- iistisichen Programm der Bayerischen Voltspartei ein Zweifel. Un beschadet der Erhaltung diebr Grundlagen kann aber sehr wohl den Einzetstaa'en in einer langen Reihe von Spezialgebieten des ösfent- lichsn Lebens die voll« Freiheit d«r staatsrechtlichen Gestaltung gegeben werden, tßs widerspricht der Staalspcrsön- lichkeit des einzeln n Staates, ihm bis in di« Einzelhei-en seiner 'Staasform nnd Staatsverkassung bindende Vorschriften zu machen. Bon der Regelung dieser Einzelheiten wird Wesbn und Bestand des Reiches selbst in gar keiner Weise berührt. Die Weimarer Reicbs- ve-sassung Mt. 171 führt zur völligen Vernichtung jed-r Staats- versönlichksit dex Eiinelstaatsn nnd uniformiert das ge-amte VersassnngSleben derselbe» in unerträglicher Weis-, zerreißt alle geschichtlichen Zusammenhänge und macht die Berücksichtigung von Forderungen der eig nen Bc-duDwisie und der Eigenart d-er Staaten unmöglich. Ans der Mannigfaltigkeit des öffent lich«» Lebens der Einz«lstaaten im einzelnen und auf der Einheit im ganzen beruht die Kraft deS Deutschen Reiche» und die Fälligkeit zur Entwick lung nach vorwärts und auswärts Wer die'e Einheit im großen und die^e Mannigfaltigkeit in den Einzelheiten des staat. lichen Lebens ermöglicht und entwickelt, ist lein Reichszeejtörer, son dern ein Reichsförderer, Oder ist «vwa das von Bismarck gegründete Deuische Reich trotz der Verschiei-snartigkeit der Staats- frennen nnd Staatsverlasinngen nicht auch «ine kräftige Einheit ge wesen, in der der Entwicklung ein breiter Spielraum gegeben war? Was den zw.-iten Satz d«s Punktes 2 betrifft, so bezieät er etwas, was die Rcichsverfassung selbst bcrei-s in Aussicht genom men hat. Di« Reichsversassung hat in Art, 18 den Weg zu Ge bietsänderungen der Einzel st aalen und zu Neu bildungen von Staaten innerhalb des Reichls geöffnet. Sie hat aber zugleich durch den Art. 167 ans zwei Jahre diesen Weg gesperrt. Es handelt sich nun im Satze 2 des zweiten Punktes un seres föderalistischen Programms lediglich darum, daß diese Sperrfrist aufgehoben nnd daß der Weg, den die Reichs Verfassung selbst geöffnet hat, auch be schritten werden kann. Di« Entwicklung der Verhältnisse in Obcrschlesien beispielsweise hat doch den Beweis erbracht, daß die beschleunigt« Verwirk'ichnng des An. 18 ermöglicht »»erden muß, wenn das Reich in seinem Bestand nicht schweren Schaden leiden soll. Die Forderung in Sah 2 ist demnach ein Gebot praktischer Au g e n b l i cks p ol i t ik im Interesse des Reiches, der Erhaltung sein.-s GebietSumsanges und seines inne>en Zusammenhaltes. Ich bars demnach angesichts dieser Sachlage seststcllen, daß die Durchführung der Programmforderung in Punkt 2 in eminenter Weise den> Reiche selbst und seiner gesunden Entwicklung dient. Im gleichen Maße ist das auch bei der Fee t-rung der Fall, die in Punkt 6 des Programms niedergiLegt ist. Dieser Punkt kantet: „Das Liecht der einzelnen Staaten, in Angekey.nheiten ihrer eigenen durch die Neichsverfassung gegebenen Zuständigkeit mit answäriigen Staaten Verträge abzuschließen und Vertreter bei auswärtigen Stair- ten zu bestellen." Dr. Hermaim von Jhering Zum 70. Geburtstage dieses in Brasili«» lebenden bedeubuden deutschen Gelehrten schreibt Ni. Lucena (Petrvpolis, Brasilien) in Nr. 41 der „Allgemeinen Rundschau": Am 8 Oktober vollendet ein Mann sein 70. Lebensjahr, dem die beusiche Wissenschaft zu tiesem Dante »«erpstichtet ist: Herma» n von Jheriug, ein Vvriämpfer und Pionier sür deutsche »tuitnr und deutsche Geistesarbeit im Ausland. Geboren am 9. Oktober 1ÜÜ0 zu Kiel als Sohn des bcrühnuen Rechtsgelehrleu Rudolph von Jhering, suhlte sich Hermann von Jye- ring schon früh zur Zoologie hiugezogen. Um sich spater aus dietem Gebi.t« betätigen zu können, berat der Achtzehnjähtige zunächst den Weg des medizinischen Studiums, den ec an den Hochschulen von Gie ße», Leipzig. Berlin und Göilingeu mit Eifer oblag. In öer zuletzt genannten Musenitadt erwarb er schon im Jahrs 1672 den medizini schen Doktorgrad. 1874 und 1875 treffen wir ihn, mit uaürwissen- schastlichen Studien beschäftigt, aus der deutschen zoologischen Station in Neapel. Nachdem «er 1876 auch die philosophischen Toltorwürde erworben hatle, ließ er sich im selben Jahrs als Privaidozcnt der Zoologie in Erlangen und 1879 in gleicher Eigenschaft in Leip zig nieder. Doch das Dozieren vom Katheder herab bot seinem zu persön licher Forschung geneigtem Geiste wenig Befriedigung, weshalb er sich entschloß, die Tropen aufzusuchen. Seine Wahl siel aus Brasilien, dessen reiche Fauna und Flora sckwn so manchen deutschen Natui-sor- scher vor ihm angezogbn hatte. Nach Ausübung der ärztlichen Tätig keit in Taguara do Mundo Novo und Porto Alegre, wo ex nebenbei auch Redakteur der ,.Deutschen Zeitung" war und mit Ko'cbitz sür di: politischen Interessen des Riograndenser Deutschtums eintrat, er hielt er schließlich im Jabre 1889 eine Aust Ilunq am Nativncümus-euin in Rio de Janeiro mit Wohnsitz in Rio Grande do Sul und konnte sich von nun an ganz der Erforschung des Landes widmen. Schon 1894 war sein Rus als Naturforscher so begründet, daß die Regierung des Staates Sao Paulo ihm dis Leitung des eben erst geschaffenen Staatsmuseums aus dein dvirangahügel übertrug, dem er bis November 1916 als Direktor Vorstand. WaS Hermann von Jhering dort in 22 Jahren aelristct hat. davon kann nur der sich einen Begriff machen, der Gelegenheit hatte, die prachtvollen wissen- schastlichen Sammlungen des Museums selbst zu besichtigen. Es ist geradezu erstaunlich, was der Gelehrte dort in wenigen Jahren, mit verhältnismäßig nur wenigen Mitarbeitern, an geschichtlichen, ethno. graphischen und naturwisssnschastlichen Schützen ausgehäust hat, vo» denen noch der größte Teil der wissenschaftlichen Bearbeitung harrt.