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Donnerstag Len 11. September 1018 SiichsNchH Nr. 209. Seite 2 .an" sieht in dem Bündnis kein Verbrechen mehr und emp- nvet ansck>einend diesen „Reiz einer vollständigen Neu- cheinnng ans politischem Gebiet" ganz angenehm. Gleich . t sie auch eine Erklärung dafür ans Lager, nämlich „in in Zusamn.enschluß aller rheini'ch-westfälischen Kreise egen die Losreißnngsbeslrebungen, als deren Träger das .ientrnm gerade durch dieses Wahlbündnis deutlich bloß- estellt wird." Ach, waS nicht gar! Die Rechnung hat nur em Loch — nämlich, daß es in Westfalen keine ernsthaften Bestrebungen dieser Art gibt und in Hattingen im-beson deren überhaupt nicht. Man kommt dem Kern der Sache wesentlich näher, wenn man daran denkt, daß es stets in '.'jonderem Maße die westfälischen Nationalliberalen ge wesen sind, die die Parole ausgaben: Lieber rot als schwarz I Daran scheint auch die Revolution nichts geändert zu haben, ^ndem wird noch gemeldet, daß die dortige sozialdemvkra- !iiche Presse erklärt, die sozialdemokratischen . v r d e r n n g en zum Sch n l k o mp r o m i ß würden um so eher durchgesetzt n>erden können, je stärker die Ver» netung der Sozialdemokratie im Provinziallandtag sein werde. Um das zu erreichen, muß natürlich vor allem das Zentrum ausgeschaltet werden. Zu diesem „edlen" Zwecke halten die Konservativen und Nationalliberalen im Kreise Hattingen den Sozialdemokraten die Steigbügel, lvas aller dings völlig mit dem Verhalten dieser Parteien in der Schulsrage, zumal bei den Verhandlungen in der sächsischen Volkskammer, übereinstimmt. Im Kampfe gegen den . UltranwntanismuS" und zwecks Durchsetzung der „sozial demokratischen Forderungen zum Schnlkompromiß" haben sich let glücklich diese drei Parteien in Hattingen znsam- meiifleaunden. Daß dabei die Deutschnationalen lediglich deshalb mittnn, um dem Vaterlande zu dienen, wird wohl i iemand bezweifeln, der sie kennt. Alles, was sie tun, ist an und für sich vaterländisch — auch das Bündnis mit l n Sozialdemokraten, wenn es gegen das Zentrum geht. 2.ist jedenfalls ganz gut, wenn ab und zu einmal die Katze ans dem Sacke springt. lull. Arbeitsgemeinschaft Tie ungeheure Notlege unseres Wirtschaftslebens, die durch Krieg und Revolution heranfbeschworen worden ist, verlangt gebieterisch nach Reformen. In falscher Anskojtung der nach dem politischen Umsturz im November vergangenen Wahres geschaffen >n Freiheiten hat ein Teil der Arbeiterschaft sich zu Uebergriffen auf wirtschaftlichem Gebiete verleiten i lassen, die der Gesamtheit des deutschen Volkes nicht allein, landein auch gerade der Arbeiterschaft selber schwersten Scha den zugefügt haben. Radikale Kreise gingen in ihrem Ueber- n it sogar teilweise so weit, daß sie die notwendige Arbeits- aenicinichaft zwischen Unternehmer und Arbeiter zerstörten, die Leiter der Betriebe einfach aus ihren Stellungen ent lehnten und sie durch Leute ersetzten, denen dazu jede Fähig keit mangilte, und we'chen es letzten Endes darum auch allein znzmchreiben ist, daß unsere Industrie mancherorts W schwer daniederliegt Das hat nicht n>enig dazu beigetra gen, allen gutgesinnten Arbeitern die Augen zu öffnen, und so ist auch seit einiger Zeit die erfreuliche Wahrnehmung -u machen, daß das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich wieder bessert. Der Gedanke einer A» i ritsgemeinschaft. der gerade auch durch die Reichsverfasjung und das in ihm verankerte Bctriebsrätesyslem genährt wird, gewinnt immer mehr an Boden. Für ein Wieder'io'en und eine gedeihliche Entwicklung unserer Industrie ist das von großem Werte. Wenn die deutsche Volkswirtschaft vor dem großen Kriege so bewundernswerte Erfolge aufzuweisen hatte, wenn Kutsche Waren und deutsche Erzeugnisse überall Weltruf be- s 'ßen und den Neid der ausländischen Konkurrenten wach Uii der Pächter iSon Jeremias (Ko Nyelf (-12. Fortsetzung.) 13. Kapitel Wieviel inan an einem Tage gewinnen und wieviel man verlieren kann Am Sonntag also mußte Vreneli zu Gevatter stehen; da gab es einen kleinen Streit. Uli sagte: „Nimm das Fuhrwerk; es ist weit, und die Rosse haben nicht viel ge schafft." „Will nicht die vornehme Frau machen," sagte Vreneli, „das würde sich übel schicken für uns." „Bist noch immer böse?" sagte Uli, „das wäre dumm." „Nein," sagte Vreneli, „bin weder böse noch dumm; aber wo du recket hast, da gestehe ich es gern. Ich will nicht über meinen Stand i inaus und nie vergessen, baß wir nichts haben und nichts Und als Arbeitsleute. Wir haben wohl Rosse im Stall, aber sie sind nicht unser; das große Bauernwesen ist wohl da. aber wir sind nicht der Bauer, und den Schein, als ivären wir es, will ich mir nicht geben. Fahren ist für vor- nehme Leute, oder wenigstens für solche, welche eS scheinen möchten." Und was Uli auch sagte, Vreneli blieb auf sei nem Sinn. Als am Morgen in aller Frühe Vreneli zum Gehen fertig stand und noch links und rechts befahl, wie eS gehen solle den Tag üb^r, da wollte Uli dem Vreneli wieder kanzeln. Vreneli war ganz einfach angezogen, I>atte nicht etwa die Hochzeitskleider an, um im Glanze aufzutre- :en, hatte nicht einmal seine schweren silbernen Göllerkette- lein (Kragen mjt Kettchen und Glöckchen) eingehängt und ,zar nicksis von Seide am Leibe und doch derlei Dinge im Schranke. „Wann willst dann dies brauchen?" frug Uli. „Das wäre ein Anlaß gewesen; die Kleider verderben dir, wenn du sie nicht brauchst." „Habe deswegen nicht Kum mer," sagte Vreneli: „dafür laß mich sorgen, und wenn wir mal Bauer und Bäuerin sind, dann sollst du Wunder er leben, wie ich aufziehen will. Bis dahin will ich lieber, die Leute sagen: Di« kommt doch gering daher, sie werden es nicht besser vermögen, als: Die tut nur so, sie wird meinen, man wisse nicht, wer sie ist; der wird es noch anders kommen. Sieh Mannli, vornehm täte ich gern, im Gut rufen mußte, dann ist das ganz allein dem Umstande zu verdanken, daß unsere Industrie von Männern geleitet wurde, die über die notwendigen Kenntnisse verfügten, Unternehmungslust und rastlosen Arbeitseifer besaßen. Männer, die infolge ihres tatendurstigen Wagemutes und ihrer unermüdtick-en Schaffenskraft ihrer Zeit und ihren Werken den Stempel der Persönlichkeit aufdrückten. Heute ist die Schaffung und Erhaltung eines umsichtigen und ent schlossenen Unternehmertums notwendiger noch als vor dem Kriege, unsere Industrie müßte elend verkümmern, wenn sic ihrer Leiter beraubt würde Jeder deutsche Arbeiter weiß auch, daß es nicht nur im Interesse des Betriebes, sondern auch vor allem in seinem eigenen liegt, wenn er sich der be- tvährten Führung seiner Unternehmer überläßt und ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten bedient. Dies« Erkennt nis wir- dazu beitragen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer enger zusammen zu schließen zu gemeinsamem Schaf fen wirtschaftlicher Werte. Wenn nun allgemein die Arbeitsgemeinschaft zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft für unumgänglich not wendig gehalten wird, so darf man sich andererseits auch nicht den Folgerungen verschließen, die -solchem Arbeitsver hältnis entspringen. Muß der Arbeitgeber als Leiter der Betriebe erhallen bleiben, so ist auch unbedingt erforderlich, daß ihm ein ninem Können und seiner Arbeit entsprechen- der Anteil an deiik"Ertrage der Erzeugnisse zugestanden wird. Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, für jeden wird di« Arbellsvergütnng so bemessen, daß er seinen Lebensnnler- halt befiiedsi.cn kann. Das Recht auf ein standesmäßiges Auskommen muß aber auch dem Arbeitgeber zugestanden werden, wenn ihm die Lust am Schaffen erha'ren bleiben soll, und wenn wir selber uns auch ein tatkräftiges Unter nehmertum üchern tvvllen. Was wir hier aussprcchen. ist erst kürzlich auch von den Vertretern der Gewerk chaften, den ck'i'Atiichen nicht nur, sondern auch den freien offen aner kannt worden. Unternehmer und Arbeiter sind aufeinander angcwieien, und darum muß ihnen auch die Wahrung 1er beiderseitigen Rechte in gleicher Weise am Herzen liegen. Nur so laßt sich ein dauerndes, gutes und fruchtversprechen des Z'isammenaibeiten und Nebeneinanderwirkerv möglich machen. Di« «berschlesischen Vorgänge Versailles, 10. September. InVcrsailles ist heute folgende Note überreicht worden: Mit lebhafter Sorge verfolgt die deutsche Regierung die von unverantwortlicher polnischer Seite aus Anlaß der o o e r s chl e s i s cb e n Vor- gänge gegen Deutschland sert nunmehr 11 Tagen mit unverminderter Stärke in Wort und Schrift betriebene Hetze. Sowohl maßlose Artikel und Ausrufe in der Presse, wie die in zahlreichen Volksversammlungen an allen grö ßeren Orten Polens gehaltenen Reden über die Ereignisse und Verhältnisse in Oberick'lesien sind geeignet, die breiten Massen des polnischen Volkes in eine, gefährliche Erregung zu vei letzen und sie zu Gewalttaten aufzureizen. Unvcr- hüllt wird bewaffnetes Einschreiten, also der Krieg, gefo:- dc:i i nd zur Bildung von Freischaien ausgerufcn. Die deutsche Nccherung glaubt der Zustimmung de. Polin.chen Negierung sowie der übngen alliierten und asso- zurrten Negierungen sicher zu sein, wenn sie es ais eine - rucke Pflicht der volnüchen Regierung bezeichnet, diesem Treiben entgegenzutreten »nd mit allen Kräften ans eine Beruhigung der össent'ichen M.nmng rn ihrem Lande b'.>- z. v n'ken. Eine fortg'setzte O.nelle vei Beunruhigung liegt in dem Umstande, daß die in der Nähe der Zechen zum Schlitze der Ortschaften und zahlreichen industriellen Nieder lassungen stehenden dentichen Truppen fortgesetzt den An- g'-sifen polnischer Banden anspesetzt sind. Diese Bauden tätig-, nicht im HoflährUgsein; das ist ein Unterschied, den mußt du noch lernen, er hat viel ans sich. Doch behüte dich Gott und lebe wohl, muß pressieren, es ist ohnehin Wohl spät." Als Uli dem Weibchen nachsah, mußte er sich ge stehen, daß heute, trotz der einfachen Kleidung, wohl kaum ein schmuckeres Weibchen auf Bernerwegen gehen werde, als eben eins von seinem Hause ablief. Es war das erste Mal seit feiner Heirat, daß Vrenelt so weit von feinein .Hanse sich entfernte, mehr als drei Stnn- den weit. Es war ein klarer, aber rauher Frühlingsmor gen; ein stavker Reif lag auf den Feldern; Schnee bedeckte die niederen Höhen. So einmal aus dem Gesurre des täglichen Getriebes herausznkommen, ist äußerst wohltätig. Es ist, als oh die Sinne freier würden, als steige man auf ein Berglein und übersehe nun den Wald, den man sonst vor lauter Bäumen nicht gesehen. So ging es Vreneli. Ihre ganze Lage rollte sich vor ihm auf. .wie eine Landkarte. Bei dem Sinnen und Denken schwand ihm der Weg unter den Füßen, und ehe es daran dachte, stand es am Häuschen, wo das Paten- kind lag. Im Hänschen sah es armselig ans und wehmütig das Hausgerät und die Hausbewohner. Vreneli l-ütte seine Ge- spielin nicht wieder erkannt, hatte Mühe, sich zu überzeugen, daß sie es wirklich sei. Zu einem alten Weibe ivar das lustige Mädchen zusammen gealtert; die blanke Haut war gelb geworden, und matt, sehr niatt waren Gebärden. Schritte, ja selbst das Gangwerk ihrer Rede. Die Kinder glichen Zivetschen, über welche ein- früher Reif gegangen; ! der Kaffee war so dünn, -die Milch so blau, daß sie, als beide zusammen gegossen waren, aussahen, akkurat wie der blaue Himmel, wenn ein leiser Nebel darüber liegt. Der Tisch tvackelte; die Kaffeoeknnne machte ein weinerliches Gesicht; denn sie hatte Spalten; die Tassen waren zusammen-ge- borgt: die Unterlassen kamen hierher, die Obertassen dort her: si esahen ans, wie die Gevatterschaft selbst, welche ans einem kleinen, dummen Bauernföhnchen und einer alten -grauen Frau und also Vreneli bestand. Die Kind- betterin war anfangs xpegen Vreneli schüchtern und dit fremd; es schmerzte Vreneli fast. Zehn Jahre waren zwi- scheu ihnen durchgeflosscn, seit sie ein Herz und eine Seele stoßen unvermutet über die Grenze vor, fügen den dent'chei, Mannschaften Verluste zu und ziehen sich, sobald flüstere deutsche Kräfte erscheinen, ebensoschnell über die Grevze wieder zurück. Es bedarf der ganzen Selbstbeherrschung der deutschen Truppen, daß diese sich nicht in der Verfolgung solcher Banden zu Grenzverletzungen hinreißen lassen, was das zuständige deutsche Generalkommando in einer amt- stellen Mitteilung vom 2. September besonders hervorhob. Hier genügt es nicht, daß die polnischen an der Grenze be findlichen Streitkräfte für eine scharfe Absperrung der Grenze gegen den Uebertritt der Banden sorgen und daß sie verhindern, daß sich diese Banden mit Waffen und Muni- tion versehen. Eine Fortdauer der jetzigen, ans die Tauer sowohl für die Truppen wie für die Grenzbevölierung un erträglichen Zustände würde den Eindruck cnveaen, daß die polnischen Ueberfälle mit Wissen und Tilldung der pol nischen Militärbehörde erfolgen. Tie deutsche Negierung möchte schließlich auch diese Gelegenheit benutze», um mil Nachdruck darauf hinzuweiscn, daß sie in enger Verbindung mit der preußischen Regierung aus Nücksicksien des allge meinen Friedens und des öffentlichen Wöhles mit Erfolg bemüht ist, in Oberschlesien Ruhe und Ordnung und damit die Fortführung der Arbeit und Produktion zu sichern. Die Republik Birkenfeld .Koblenz, 10. September. Die Negierung der Republik Birkenfeld erläßt folgende Kundgebung: 1. Tie bisherige Provinz Birkenfeld des Freistaates Olden burg hat sich von Oldenburg losgesagt und als selbständige Republik im Verbände des Teutsck-eu Reiches erklärt. 2. Tie Negierung der Republik Birkenfeld setzt sich folgendermaßen zusammen: Ludwig Zöller als Präsident, Hubert Eifel und Wilhelm Hauch als Mitglieder der Negierung. 3. Die bis herigen Staatseinrichtungen bleiben bestehen, die Beamten bleiben im Amte und führen die Gejckxifte weiter. 1. Tie Gerichte haben Recht zu sprechen im 'Namen der Republik Bivkenfeld. Aus gewiesen wurden der Bürgermeister Schmidt, Gymnasialdirektor Binneboessl und verschiedene Oberlehrer, weil sie ihre Entlassungsgesuche nicht znrückziehen wollten. Ueber die Zeitungen wurde die Vorzensur verhängt. Eine freiwillige technische HUfstruvpe Da mit der Möglichkeit gerechnet werden muß, daß von den äußersten Radikalen im Spätherbst der Versuch gemacht werden wird, durch einen gleichzeitigen Streik die Elektrizi- täts- und Wasserwerke in allen größeren Städten Deutsch lands zuin Stillstand zu bringen, ist bekanntlich der Plan zu einer Organisation von über das ganze Reich verteilten technischen Hilfstruppen entstanden. Diese Organisation führt den Namen „Werktätiger Arbeitsschutz" und wird von der Zentrale in Berlin. Potsdamer Straße Nr. 23», aus geleitet. Das ganze Reich ist in 19 Kreiß: ein-geteilt. Ter Kreis 12 (Leipzig) umfaßt Leipzig und die Bezirke Zwickau, Planen, Glauchau, Kreis 13 E h emnitz . außerdem die Bezirke Dresden, Frei- be r g, Bautzen, Zittau. In jedem Kreis wird eine be'ondere technische Hilfstruppe gebildet, die sich aus frei- willigen, Technikern, Ingenieuren, Fach- und ungelernten Arbeitern zusammensetzt und die in drei Kategorien einge teilt wird: in solche Freiwilligen, die sich zur Veriveuöung siir das gonze Reich zur Verfügung stellen, in solche, die sich nur im Kreise verwenden lassen, und schließlich in Frei willige, die lediglich an ihrem Wohnort zur Verfügung stehen. Nach einer ungefähren- Schätzung würden im ganzen Deutschen Reiche zur Aufrechtcrhaltimg aller lebenswich tigen Betriebe — also außer den bereits mehrfach genann ten Werken auch Schlachtviehhöfe, Großbäckereien, Molke reien ilsw. — ungefähr 30 000 Freiwillige erforderlich sein. gewesen; diese zehn Jahre, wie weit hatten sie sie ausein andergerissen! Als das arme Weiblein Vreneli vor sich hatte, war es eben demütig und wehmütig; denn der Gnmd seines Gemütes ivar gut und treu. Es sah mit Demnt an Vreneli auf, dem -seine einfache, nette Kleidung so vornehm stand, Respekt einflößte; denn wer eine so einfache Klleidung so zu ordnen und zu tragen wußte, der ivar von Jugend auf in guter Kleidung und hatte daheim noch bessere, als es am Leibe trug, während man -oft scheinbar kostbarer, aber verschlissener Kleidung von weitem ansieht, daß unter derselben ein verlumpt Hemd stellet und daheim nicht drei ganze sich vorfinden würden. Je mehr V-renelis Freund lichkeit aufblühte, desto de- und wehmütiger ward das arme Frauchen: zwischenein kam die Freude, es zu sehen und zu gedenken der vergangenen Zeit ohne Gram und ohne Sorgen. Die Armseligkeit trat erst so recht hervor, als man das Kindlein schmücken n>ollte zur Kirche. Ta waren gelb ge waschene Windeln und keine ganzen Käppchen, gar erbärm lich dünn das DeNlein, in welches man cs legte, und ver schossen und schlecht das Tuch, mit welchem man es deckte. Das arme Frauck)en hatte die Tränen in den Augen, ent schuldigte sich bestmöglichst. Sie hätte besseres leihen wollen; aber fremd hier, hätte man allenthalben Ansroden gehabt; da lchtte sie -gedacht, wegen dem lieben Gott hätten sie sich nicht zu Minen, den Leuten aber nicht mehr nackxzus ragen, als sie ihnen. — Ta hätte sie es ja den Gevattersleuten können sagen lassen, die würden ihretwegen schon dafür ge sorgt haben, zürn(e die graue Alte, die eben auch nicht sehr appetitlich aussah/ Da trat Vreneli ins Mittel, durch diesis nwvürdige Geträksch sehr bemüht. Es wolle das .Kind schon tragen, sagte es, es schäme sich seiner gar nicht; vielleicht sei das Kind, welches Jesus unter die Jünger gestellt und ge sagt: „So ihr nicht werdet wie dieses Kindlein, weidet ihr nicht ins Reich Gottes kommen", nicht besser geschmückt ge wesen als dieses, und allweg wollten sie Gott danken, wenn sie beide Gott so wvhl gefielen als dieses Kindlein, und ein Beispiel hätte man, daß ein Kind, welches nicht einnml ein Deckest gehabt, sondern bloß in Windeln gewickelt g-eivesen sei, groß geworden sei und noch jetzt allen armen Sündern zum Heil.