Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 19.07.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192207190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220719
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220719
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-07
- Tag 1922-07-19
-
Monat
1922-07
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.07.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
L«Oiln»xy, den 1V. Juli sv22 Nr. 164, Seite 2 Unsere Steuerpolitik Bon Dr. H e r s ch e l, M. d. R. Ein altes Scherzwort sagt: „Es gibt nur eine gerechte Steuer. TaS ist die, welche andere bezahlen." Darin liegt viel Wahres. Nirgends kündet sich der Unterschied der Einzel- und Gksamtmteressen, sowie die Manigfaltigkeit der Parteiinteressen in der Gesetzgebung schärfer an, als bei der Schaffung neuer Steuern. Man denke nur an die Frage des gemeinen Wertes oder a» die Erfassung der sogenannten Sachwerte bei der letzten Finanzreform. Steuern, die alle befriedigen, zu machen, ist schlechterdings unmöglich. Sie in ausgleichender Gerechtigkeit auf die Bevölkerungsklassen und die staatlichen Notwendigkeiten aizu- sti,»inen, erfordert viel staatsmännische Einsicht, Volkswirtschaft' liche Kenntnisse und vor allem Bolkspsychologte. Fast so schwer wie neue Steuern zu machen, ist ihre Not wendigkeit und ZiveckmSßigkrit den Betroffenen klarzumachen. Das mag wohl auch der wichtigste Grund sein, warum bis jetzt rine eingehende Darstellung der großen Steuerreform des Jahres 1922 fehlte. Nun ist diese Lücke erfreulicherweise durch eine Ver öffentlichung aus Zentrumskreisen auSgefüllt. Drei Abgeordnete, ein städtischer Mittelständler, ein höherer Regierungsbeamter und ein praktischer Landwirt haben eine doppelte Aufgabe trefflich gelöst. Zunächst ist in knapper aber erschöpfender Darstellung eine Uebersicht über die gesamte Tätig keit des Reichstags in der letzten Steuerreform gegeben worden, die eine gute Eiufuhrung in die schwere Materie darstellt. Zweitens aber ist die Haltung der Fraktion in den parlamen tarischen Kämpfen auch vor der strengsten Kritik gerechtfertigt, o lange diele nicht mit bloßen Schlagworten arbeitet, sondern achlich zu bleiben sich bemüht. Es handelt sich um das 4. Heft der „Schriften zur deutschen Politik". (Herder L Co., Freiburg i. Vr.). Die ersten beiden von Herausgeber Professor Dr. Schreiber: „Deutsche Kulturpolitik und der Katholizismus" sind eine allgemein gehaltene Würdigung wichtigster vaterländischer Fragen. Das dritte Heft von dem bekannten Redner und Schriftsteller Dompropst Professor Tr. Mausbach: „Religionsunterricht und Kirche" bieten eine znsammcn- stellende Uebersicht der Beratungen des Weimarer Versassungs- ausschusseS und ihres Ergebnisses in dieser wichtigen Sondcr- srage nebst einem Anhänge über die Grundschulen. Die Samm lung schreitet, wie das 4. Heft zeigt, erfreulich fort. Die drei. Berfasser haben sich sämtlich an den Arbeiten der Stenerausschnsss beteiligt. Es sind also berufene Federn, die unter dem Titel geschrieben haben: „Die große Steuerreform des Jahres 1922". Es hat eine weise Arbeitsteilung unter ihnen obgcwaltet. Tie Besitz- und Verkehrsstenern, welche der 11. Ausschuß des Reichs tags erledigte, hat der dort wirkende Abg. Lange-Hegermann, ein bekannter Vorkämpfer des Mittelstandes und Stenerschreiber, be« arbeitet und mit einem einleitenden Vorworte über die Entwick lung der deutschen Finanzpolitik versehen. Im 35. Ausschuß war Abg. Geheimer und Oberregicrungsrat v. Gnerard tätig, der demgemäß die Verbrauchssteuern bearbeitet hat. Er schickt ihnen eine Darstellung dcS geschichtlichen Werdeganges des viel erörtertet«:» und umstrittenen Steuerkompromisses voraus. End lich behandelt Abg. Schulz-Gahmer, praktischer Landwirt und Brennereibesitzer, als Mitglied des 36. Ausschusses das Bräunt- weinmonopolgesctz, dem er geschichtliche und volkswirtschaftliche Erörterungen vorausschickt. Es ist möglich, den ganzen Inhalt des Buches in einer kurzen Besprechung auch nur auszugsweise iviedeizugeben. Man muß es eben lesen, um eS recht zu würdigen. Nur ein paar allgemeine Bemerkungen darüber seien hier ge stattet, die der Leser durch eigene Lektüre und Beurteilung des Heftes nachprüfcn möge und dann als begründet erachten wird. Leichte Verständlichkeit, Hervorhebung des Wesentlichen und Flüssigkeit der Darstellung, zeichnen alle drei Anssätze ans. Lange- Hegermann kritisiert schars und sachverständig die Finanzpolitik der KriegSzcit. Er würdigt die Ziele, die Schwierigkeiten und die Ergebnisse der Finanzresorm von 1919 20, dabei den Kommunen besonders Rechnung tragend. Er geht den Gründen der heutigen Valutaentwcrtung nach. Mit Recht hebt er ihren gewaltigen Einfluß auf die Steuerreform hervor und zeigt, wie bas Zentrum ihn! Rechnung getragen hat. v. Glwrnrd schickt einen geschicht liche«« Rückblick über Verbrauchssteuer«« der Darlegung voraus, daß cs einfach hente nicht möglich war, ein ganz nenes System ansznbancn. Interessant ist die Schilderung der Wandlungen der Mchrheitssozialdeinokratie in der Frage der indirekte» Stenern seit ihren« Eintritt in die Regierung. Sehr richtig ist die Be merkung, daß nicht nur das Fortbestehen, sondern auch die Fortentwicklung unserer Wirtschaft durch die Gesetzgebung ge währleistet werden nuißte. Schulz-Gahmen gibt einen Ueber- blick über die Entwicklung der Branntweingesehgebung von Bis marcks Plänen über die Liebesgabe bis zn den beiden letzten Monopolen. Nebcrall tritt dem Leser das Bestreben entgegen unter Ausschluß jeder agitatorischen Wendung, rein sachlich und von hohen vaterländischen Gesichtspunkten aus die gesetzgebe rischen Gründe der Einzelheiten der Reform wie ihrer Gesamt tendenz darzulegen. Wie «in roter Faden zieht sich unausge sprochen der Satz durch die Ausführungen der drei Verfasser: Staatspolitik, nicht Parteipolitikl Das Buch ist ein treffliches Hilfsmittel für jeden, der Angrisfe von Gegnern abwehren, für irden, der literarisch in Steuerfragen arbeiten will. ES liegt im vaterländischen wie im Partetinteresse, daß das äußerlich ansprechend« Buch in möglichst viele Hände kommh nicht nur in solche von Zentruinsanhängrrn. Unsere Partei braucht keine sachliche Kritik zu scheuen, auch nicht in der Steuerreform. Sie wird bei aufmerksamer Lesung des Buches finden, daß das Zentrum bas Vaterland und seine Not wendigkeiten vor das Parteitnteresse gestellt hat. Deutscher Reichstag Die Tagesordnung der MoniogSsitznng wie» zwei Punkte auf. die von großer Wichtigkeit für unser Wirtschaftsleben sind: der Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen gegen die wirtschaftliche Notlage der Presse und die Beratung des Gesetzes über die Zwangsanleihe. Zu Beginn der Sitzung wurde ein Antrag zum Gesetz erhoben, der dem Notgeld endgültig das Todesurteil sprach. Bei der Aussprache über das Gesetz gegen die wirtschaftliche Rot der Presse war es der ReichswirtschastLminister Schmidt selber, der an der erhofften günstigen finanziellen Wirkung für die Presse zweifelte. Mit Recht hatte daher der Wirtschaftsausschuß Ve Regierungsvorlage als ein Mindestmaß dessen bezeichnet, was zur Unterstützung der Presse geschehen ist. Ter Ausschuß hatte daher gefordert, daß die gesamte Ausfuhr mit 1)4 pro Mille belastet würde, deren Erträgnis für die notleidende Presse bestimmt sein soll. Der Reichsminister Köster war damit einverstanden. Auch die Geltungsdauer des Gesetzes war im Ausschuß um ei» Jahr verlängert worden. Nach Annahme einiger Abänderungsanträge., u. a. des Abg. Dr. Fortmann und Bruhn, die forderten, daß Zeitungen mit geringerem Papierverbrauch bei der Rückvergütung verhältnismäßig besser bedacht werden sollen, wurden die Aus- schußbeschlüsse in zweiter Lesung bestätigt. Merkwürdigerweise erhob der deutschnationale Großindustrielle Hilgenberg gegen die sofortige dritte Lesung Einspruch, so daß sie auf -ine andere Sitzung verschoben werden mußte. Bei der zweiten Beratung über die Zwangsanleihe war wie gewöhnlich Sprecher der Deutsch nationalen der Abg. Dr. Helfferich. Er bekannte sich als prinzi pieller Gegner der Zwangsanleihe schon aus den« Grunde, weil in der Industrie große Geldknappheit herrsche. Wenn er eine Aendernng des Versailler Vertrages forderte, so war das keine besondere Leistung von ihm, denn wo wäre ein echter Deutscher, der eine solche Forderung nicht schon längst ausgestellt hätte. Die Antwort, die ihm der Unabhängige Dr. Geyer gab, daß nämlich die außenpolitische Situation Deutschlands am me-sten durch die Art geschädigt werde, mit der die „nationale Opp-sttiso" de? Akg. Helfferich gegen den Bestand der Republik anitürmr kann man nur billigen. Die krausen und wirren Gedanken des kommunisti sche» Dauerredners Höllcin wicdeczugeben, ereil«-:.«.! sich. Tenn diese Art von Leuten machen nur Opposition der Opposit.cn wegen und wenn man sie ernst nehmen wolle, täte man ihnen zu Mel Ehre an. Lösung der Krise Nachdem noch am Montag vormittag der Ankgang der krisenhaften Lage, in der wir uns seit geraumer Zeit dauernd befinden, völlig ungewiß war, ist im Laufe des Tages eine Ent spannung eingetreten. Die mehrheitssozialdemokratische Fraktion, bei der der Schlüssel für künftige Entwicklungen lag. faßte in ihrer FraktionSsitzung den Beschluß, die Entscheidung über die brennenden Fragen den Unabhängigen zuzuschicben. Sie stellte an die USPD drei ganz präzise Fragen, um deren Beantwortung sie bat. Zunächst handelte es sich um den Gedanken einer direkten Verschmelzung zwischen beider Gruppen. Tie Frage ging dahin, ob dir Unabhängigen bereit seien, in eine solche Verschmelzung einznwilligen. Die Antwort der Unab- hängign lautete dahin, das, die Entscheidung hierüber dem nachstc.r Parteitag überlassen bleiben müsse und damit auch die Entschei dung über die zweite Frage, ob z. Zt. auf der Hinzuziehung eines Unabhängigen in die Negierung bestanden würde. Mit diesem Beschluß der Unabhängigen, alle brennenden Fragen bis auf den Parteitag zu verschieben, sind auch die grgenivärtigen Versuche einer Regierungsumbildung ans der Debatte auSgrschiedrn und vis zum Herbst vertagt. WaS die Verabschiedung der Schl.tz- gesetze angeht, so haben die Unabhängigen mit 40 zu 17 Stimmen beschlossen, den Gesetzen zuzustimmen, so daß die Zweidrittelmehr, heit als gesichert gelten kann und damit die Gefahr der Reichs» tagsauflösung als beseitigt angesehen werden darf. Also alles in allein: viel Lärm am nichts. Geistliches Konzert im Münchener Liebsrauendom München hat in kirchenmusikalischen Kreisen die letzten 60 Fahre nicht viel gegolten. Schuld daran war sein barockes Mu sizieren. Obwohl vor etwa 190 Fahren die Wiedererweckung der Klassiker des 16. Jahrhunderts von München ansgegangen war — Elt und Aiblinger waren die Vorlärnpfer dieser Romantik — tat München später nur wenig mit bei diesen Bestrebungen, die sich in den« deutschen Cäcilienverein verdichten. Nunmehr hat der Cäcilienverein seine mehr reinigende Mission erfüllt und seine Ziele erreicht — nunmehr hat auch München wieder ein Recht, beachtet und geschäht zu werden. Zudem haben die finan ziellen Verhältnisse dafür gesorgt, daß die Orchester in den Kir chen mehr und mehr verschwinden und die reine Vokalmusik zu Ehren lammt. Das Konzert in« Dom anläßlich des Katholiken tages wird ein Bokalkonzert sein. Der Damchor, der in seiner jetzigen Zusammensetzung erst drei Jahre alt ist, hat sich wieder»' IE schon »nt alter und neuer Vokalmusik in die Konzertsäle ge- ivagt lind wird auch diesmal eine Auslese schönster Pokalwerke biete». Er wird beginnen mit einer Palestrina-Mcsse, die abge sehen von einer Aufführung in Eichstätt, kaum eine Wiedergabe >» Deutschland erlebt haben dürfte: ..Jllumina sccnlos meoS". Das Werk gehört mit der Papae Marcelli-Mcsse zu den soge nannte» drei Konzilsmesscn. Der Psalmcnstclle entsprechend,- die an die Spitze gestellt ist. bedeutet dos Werk eine eigentümliche Mischung von elegisckwr Düsterkeit und sieghaftem Ringen zu Golt. Ter äußere Anlaß zur Komposition könnte jener Moment im Leben des Meisters sein, da er von der päpstlichen Kapelle anSgestaßen wurde. Warum sollte der Austakt znm Münchner Katholikentag nicht ein so ernster sein dürfen? Ist doch auch Teulschland ansgestoßcn ans dem Völkcrkonzert. Einer festlichen Stiinniling sollen Rechnung tragen die glänze,«den vielstimmigen Motette» von Sweelinck »nd Giovanni Olabrieli. Speziell die letztere mit ihren Segenswünschen mag noch gedeutet werden anf einen glücklichen Verlauf der Tagung war sie ja nrsprüiiglich gedacht für eine glänzende Krönungsfestlichkeit in Venedig. Wenn schon Giovanni Gabriel! ein Komponist ist, der auch in München einige Jahre gewirkt hat, so wevden weiterhin zwei typische Münckmer Meister dcS 16. Jahrhunderts zn Worte kommen: Ludwig Scnfi und Orlando die Lasso. Die Violette von Senfl: Ave rosa sine spinis ist ein Musterbeispiel für ein tropiertes, d. b, iertlick« ansgcwciteteS Ave Maria. Inhaltlich wetteifert es mit dein prächtigen „Maria im Roscnhag" an Schönheit. Da inan in dieser Zeit noch kaum wagte, in der Liturgie mehrstimmig z» mnsizicrcn, ohne eine alte traditionelle Melodie miterklingcn zu lassen, so ist i» das Werk ein sogenannter Cantus firniuS hineingcwoben. dessen Art der Wiedergabe interessieren dürste. Zwiscko'n hinein wird eine erste Solistin stilentsprechend das Programm ergänzen. Nunmehr wird die Aufführung zu der Modernen übergehen und Teile ans Christus von Liszt bringen. Eine Motetie von Bruckner wird überleiten zu der großen Orgel fuge von Klose über ein Thema von Bruckner, dessen grandiose Schlußsteigerung ein Aufgebot von vier Tro-inpeten und vier Posaunen benötigt. Hammerschmidts sechsstimmige Motette: Machet die Tore weit, in Begleitung von Orgel und 3 Posaunen, wird den Abend in ein jubelndes Hosianna ausklingen lassen. Berberich Ludwig, Doiiikapellineister und Lehrer an der Akademie der Tonkunst. Literatur Eltgelhorn-Verlag. Die neuen Erscheinungen de« rührigen Stuttgarter Verlags sind sämtlich größter Beachtung wert. Wir möchte» aus den uns vorliegenden und von uns geprüften Büchern nur auf einige Hinweisen, die wir den Lesern zn Geschenkzwecke» empfehlen können. Etwas ganz besonders Feines ist die Anthologie aus TrineS Werken »Alle Tage Sonne", in der auf jeden Lag de« JabreS ein gewählter Abschnitt, der Sonne verbreitet, dem Leser zugrteilt wird. Ralph Waldo Trine ist ein Optimist, wie ihn die heutige Zeit gebrauchen kann. — Von Sophie Hoechstetter ist ein neuer Roman „Der Scheinwerfer" erschienen, der einen Fortschritt im Schaffen der beliebte», freilich manchmal etwas nach Sensationen strebenden Autorin bedeutet. Sie schildert mit Psycho- logischer Vertiefung und feinem Gefühl für ihre Answirkung die Greuel der Berliner Revolution zu dem Zwecke, eine gedeihliche Zukunft aus alleni Trüben heruuSzukristallisiere». — Inhaltlich sehr spannend, in der Darstellung nicht ganz befriedigend ist der „Trutz- mauerhof" von Helene Raff, das Schicksal der Deutschen in Südtirol schildernd. Von Skowronnek gibt es einen natürlich span nenden, diesmal aber schon ein bißchen demokratischer angehauchte« Roman „Das bißchen Erde", der offenbar wieder verschlungen werden wird. Freilich sind die Hauptfiguren nicht besonders neu, aber der flotte Stil besticht imnrer wieder. — Man muß es einfach bewundern, daß Engelhor» heute noch einverstanden ist, seine Roman- bibliothek zum Preise von etwa 18 Mark pro einfachen Band zu liefern. Er hat mit diesem Unternehmen schon vieles Gute geschaffen »nd niauche anerkennenswerte Kulturarbeit geleistet. 2oL. Vermischtes Zeitgemäß. In einer Thüringer Volksschule sollte kürzlich das Lied .Wem Gott will rechte Gunst erweisen" gesungen wer de». Ter Lehrer bemerkte, daß einige Knaben erst bei dem Wort „will" in den Gesang einstimmten. Anf die Frage des Gesang- lchrcrö, warum sic nicht von Anfang an das Lied mitsängen, antworteten sie kurz entschlossen: „Wir sind Freidenker und glau ben an keinen Golt! Darum können wir auch nicht das Wort „Gott" mitsingen!" Soweit geht also die Verhetzung der Jugend durch die gegnerische Seite, die von Tag zu Tag einen größeren Umfang annimmt. O du schönes Thüringenl Arbeitsgemeinschaft oder Koalitionszerfall Zu dem obenbenannten schwerwiegenden Problem wird uns noch von unserem parlamentarischen Vertreter im Reichstag ge schrieben: . Die politische parlamentarische Situation hat zu Beginn die ser Woche eine weitere Verschärfung erfahren. Die an den beiden Vvrangegangenen Tagen mit dem von seinem Erholungsurlaub zurückgckehrten Reichspräsidenten geführten Verhandlungen der Parteiführer haben zu einem bestimmten Ergebnis nicht geführt. Es sei übrigens bemerkt, daß sie eine offizielle Form gckr nicht hatten. Die Vorsitzenden der einzelnen Fraktionen wurden vom Reichspräsidenten persönlich zu den Besprechungen gebeten, nicht etwa in ihrer Eigenschaft al» Führer ihrer Fraktionen. Jnzwi- schcn haben sich aber Dinge ereignet, die die gesamte Situation von neuem so gefahrdrohend zu erschweren scheinen, daß man wieder einmal, wie schon mehrfach in diesen Tagen, vor der Mög, lichkeit einer unmitelbarcn Reichstagöauflösung stand. Der Zusammenschluß der beiden sozialistischen Fraktionen zu einer ,.Arbeitsgen«einschaft der sozialdemokratische» Reichstags- fraltion" hatte ganz von selbst eine Gegenbewegung bei den bür gerlichen Parteien aufgelöst. Es war nur selbstverständlich, daß, da die Sozialdemokraten Anschluß nach links suchten, die Bürger lichen andererseits die Annäherung nach rechts herbeizuführcn strebten. Nach dieser Richtung hin waren schon vielfältige Versuche seit langem im Gange. Immer wieder waren es poli tische Schwierigkeiten, die das Werk verhinderter!. Nun aber standen die Bürgerlichen und insbesondere die Koalitioiiöparieien vor einer ganz neuen Situation. Sie mußien die Frage entscheiden, ob es sich überhaupt noch um die alte Koa lition handele, wenn bei der Sozialdemokratie eine Gruppe in die Erscheinung trete, die bisher dieser Koalition nicht zugehöct hat. Die Sozialdeinokraten wählen zunächst die Form einer Arbeits gemeinschaft, das- ist noch keine Verschmelzung der Parteien, viel mehr ist eine Arbeitsgemeinschaft die lediglich taktische Ziisammcn- schließung zweier Parteien, die ihre Selbständigkeit behalten und nur in bestimmten Fragen miteinander gemeinschaftlich Vorgehen zur Erreichung eines gemeinschaftlichen Zieles. Schon unter Be rücksichtigung der Tatsache, daß das ganze Kräfteverhältnis sich durch diese Arbeitsgemeinschaft in der Koalition wesentlich ver ändert. mußten die bürgerlichen Parteien zn einer Verstärkung ihres Einflusses als Gegengewicht aufrufen. Bisher standen die Zahle,»Verhältnisse so: Die Mehrheitssozialdemokraten standen mit 108 Mandaten dem Zentrum und den Demokraten gegenüber, die zusammen über 112 Mandate verfügen. Das bürgerliche Ele ment hatte also trotz allem das liebergewicht und konnte sich auch immer verhältnismäßig gut durchsetzen. Nun aber verfügt die Arbeitsgemeinschaft durch den Zusammenschluß über 170 Sitze, denen aber nur die 112 vom Zentrum und Deinokrateil gegen über gestellt werden konnten. Das ist für die bürgerlichen Koa- litionsparteien ein untragbarer und unerträglicher Zustand. Auch ans diesem Grunde heraus ist das Bestreben nach einer An bahnung nach rechts durchaus verständlich. Nun hatte der Zusammenschluß der bürgerlichen Parteien zn einer Arbeitsgemeinschaft unter Einbeziehung der Denlschcn Volkspartei auf die Sozialdemokraten die Wirkung, daß sie sich vor die Frage gestellt sahen, ob sie nun die beiden sozialistischen Gruppen zu einer gemeinsamen Fraktion znsammenschließen sollten, daß also eine Fusion, eine Verschmelzung, dieser beiden Fraktionen Platz greifen und eine vereinigte Sozialdemokratische Partei in die Erscheinung treten würde. Dann wäre wieder eine neue Lage geschaffen gewesen. Denn nun bätten die Sozialdemokraten gelten machen können, daß ein von ihnen für das ihnen seinerzeit frei gehaltene Wiederaufbau- Ministerium voryeschlagener Politiker niicrvyängiger Färbung ein Mitglieder der einheitlichen Sozialdemokratische» Partei sei, in folgedessen auch von den übrigen Koalitionsparteien anerkannt werden müsse. Diesen Standpunkt teilten die bürgerlichen KvalitionS- parteien nun keineswegs. Sie erklärten es ohnehin für einen un gewöhnlichen Vorgang, daß die Sozialdemokraten ohne Fühlung nahme mit den Bürgerlichen diese Vereinigungsattion unternah men und damit die Koalition in ihrem Grundcharatter ganz wesentlich veränderte». Das Uebergewicht, das diese vereinigten Sozialdemokraten dadurch erlangten, machte sic ja ohne weiteres geltend in ihrem Widerstand gegen die Bemühungen der bürger lichen Koalitionsparteien, nun auch die Deutsche Volkspartei zu gewinnen und als Gegengewicht in das Ministerium eine Persön lichkeit aus deutschvolksparteilichem Lager zu stellen. Die ver einigte Sozialdemokratie stellte sich in diesem Moment der Ver handlungen anf den Standpunkt, daß der Eintritt einer volks- varteilichen Persönlichkeiten in die Regierung eine Durchbrechung der Koalition sei, da die Deutsche Volkspartei der Koalition nicht angehöre. Andererseits wären die Unabhängigen im Reichstag verschwunden, es gäbe nur noch vereinigte Sozialdemokraten. Es war klar, daß die Bürgerlichen diese Beweisführung nickst mit machen konnten. Damit aber war das Koalitionsproble», mit einemmale «n seinen tiefsten Tiefen wieder anfgerührt. Die Sozialdemokraten drohten ganz offen mit einem Austritt ans der Koalition, wenn die bürgerlichen Koalitionsparteien ihrer Auffassung sich nicht beugten und diese bürgerlichen Parteien hinwiederum warfen den durchaus berechtigten Gegeneinwand ein, daß durch die Vorgänge auf sozialdemokratischer Seite diese Koalition erschüttert sei. Die Koalition als solche aufzugeben, haben die bürgerlichen Parteien absolut nicht gewünscht. So trat mit einem Male wieder ganz unmittelbar die Frage der ReichStagsauflösung in die Erscheinung, Außerdem hatten sich die Widerstände in den unabhängigen Par teiorganisationen im Lande gegen da? Zusammengehen mit den MehrhcitSsvzialdciiiokraten anßcrordcnrlich verschärft und der ganze Zusammenschluß würde wieder fraglich. Dieser Zustaüd der Verwirrung, der sich da aufzeigt, könnte das beste Beweisstück dafür abgeben, wie notwendig es ist, daß die bürgerlichen Ele mente zu einer festen und einheitlichen Gruppe sich zusammen, finden. Die Zwangsanleihe beschlossen Berlin, 17. Jnll. Ter Reichstag nahm heute i» dritter Lesung die Gesetzentwürfe zur Aenderung der Einkommensteuer und der Erb schaftssteuer sowie die Vorlage über die ZwanaSanleihc mit großer Mehrheit an. Die Zwangsanleihe ist damit auf siebzig Million«» Mark festgesetzt worden- Der sozialdemokratische Parteitag ist auf den 17. September nach Augsburg einberusen. Die Tages ordnung des Parteitage» umfaßt den Bericht des Parteivorstandes, den der RelchstagSsraktion und enthält außerdem Vorträge über den Kampf um die soziale Stellung der Frauen, über die Justiz, reform und ferner einen Bericht der Kommission für das Gesund» hritSprogramm der Pattei. Parteifreunde denkt an den Parteifonds! Batteinoiopfer wcrdeii erbeten auf dar Konto der Säch sischen Zentrumsvartei bei der Dresdner Bank. Depo- fitenkaffe 0. DreSden-N., Bautzner Straße.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)