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Im März 1909 wurde zwar in der Reichstagskommission eingehend über den .-oanLIungsgehilsenschutz verhandelt und auch eine Reihe von Anträgen in bezug auf Handelsinspektoren, Achtuhr- «adenschluß, Arbeitszeit in den Kontoren usw. angenommen. An das Plenum käme» die Beschlüsse aber nicht. Schon 1909 waren es fast ausnahmslos Zentrumsanträge, die zur Beschlußfassung gelangten. Jetzt hat das Zentrum im Reichstage wiederum einen Antrag eingebracht, der auf aas Privatbeamtenprogramm des Zentrums aus dem Jabre 1903 zurückgreift und die wesentlichsten Forderungen der Privatbeamten enthält. Das Zentrum wünscht zunächst Ausdehnung der Er hebungen des Beirates für Arbeiterstatistik auf die Ver hältnisse aller Privatbeamten. Durch schriftliche Er hebungen und mündliche Verhandlung schafft der Beirat für Arpeilerstatistik unter Berücksichtigung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Material herbei, das dann als Unter sagt und Orientierung für neu zu schaffende soziale Maß nahmen dient. Weil unparteiisch, erfreut sich das Material eingehender Beachtung. Tie Ausdehnung der Erhebungen anm auf die. Privatbeamten dürfte für diese von großem Werre sein. Der Antrag verlangt sodann eine gesetzlich an erkannte Standesvertretung der Privatbeamten. Bei dem Vorhandensein der Handels-, Handwerks- und Landwirt- sckastskammern als Sprachrohr der selbständigen Berufe, wird man die Berechtigung einer solchen Forderung nicht verkennen können. Allerdings sind die Meinungen über die For m der Standesvertretung verschieden. Zum Teil wird der Anschluß an die zu errichtenden Arbeitskanimern verlangt, zum Teil spricht man sich für Handlungsgehilfen- kannnern aus, andere verlangen paritätische Kaufmanns- kümmern. In Bayern hat man es mit der Bildung von Privatbeamtenausschüssen bei den Handelskammern ver sucht. sedoch ohne besonderen Erfolg. Es ist Aufgabe der verbündeten Regierungen, unter Prüfung des vorliegenden Materials der Privatbeamtenorganisationen entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. Die Sicherung der Koalitionsfreiheit der Privat- beannen, die eine weitere Forderung des Antrages dar- stellt, ist nach den Vorstößen der Augsburger und Nüra- beracr Maschinenfabriken sowie der Vorkommnisse in Stcrkrade eine Notwendigkeit. In dem Zeitalter der Orga- nisaiion, in dein die Berufsvereinigung nach gar mancher Hinsicht das Einzelindividuum zurückdrängt, kommt der Privatbeauite ohne Organisation nicht inehr ans. Durch gesetzliche Strafbestimmungen, durch Aufnahme der Lohn klausel in die staatlichen und gemeindlichen Submissions bestimmungen läßt sich das Vereinigungsrecht auch der Privatbeamten sicherstellen. Daß man damit nicht die radi kalen einseitigen Bestrebungen der Privatbeamtenschaft gut heißen mutz, ist selbstverständlich. Das Verlangen nach einer weitergehendcn Einschränkung der Konkurrenzklausel, die in dem Anträge verlangt wird, bringt zwar große Schwierigkeiten mit. die sich aber lösen lassen. Die Vor schläge des Verbandes katholischer kaufmännischer Vereine geben die richtigen Direktiven, so daß auch das Interesse des Chefs gewahrt bleibt. Die alte Forderung nach einer Rege lung der Arbeitszeit in den Kontoren ist wieder in den Antrag des Zentrums ausgenommen. 1909 hatte man sich auf eine höchstens neunstündige Arbeitszeit in der Kom mission auf Antrag des Zentrums festgelegt. Als Mittags pause war 11/4 Stunde vorgesehen. Die Arbeitsstunden konnten entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen des Be triebes festgelegt werden. In diesem Sinne könnte die Neuregelung erfolgen. Der Antrag verlangt dann weiter noch die Errichtung von Ausschüssen der Privatbcamten in den größeren Betrieben, ivaS sehr im Interesse des sozialen Friedens liegt, sowie eine Sicherung der Dicnstkaiitionen der Privatbeamten im Konkurs des Arbeitgebers. Das Zentrum zeigt mit seinen Anträgen, wie sehr es ihm am Herzen liegt, auch den Interessen der neuen Er- werbsschichten in moderner Weise Rechnung zu tragen. Die speziellen Anträge für Handlungsgehilfen, technische Ange stellte und Bureaubeamtc miteingerechnet, stellt der skizzierte Antrag eine weitgehende Fürsorge für den soge nannten neuen Mittelstand dar. WaS das Zentrum in der Wahlbewcgung für die Privatbeamten versprochen hat cs jetzt getreulich gehalten. Die neuen Wehrvorlagen. Kriegsministcrium und Neichsmarineamt sind nun mehr mit ihren Vorarbeiten fertig und haben diese dem Reichskanzler unterbreitet. Der Reichskanzler prüft derzeit diese und überreicht sic dann dem Reichsschatzamte, das die finanzielle Seite der Angelegenheit nachzuprüfen hat und die Vorschläge über die Deckung ausarbeiten muß. Da bis her über diese noch keinerlei Entscheidung gefallen ist, muß man damit rechnen, daß es mindestens Mitte März wird, ehe dies Ressort mit seiner Arbeit zu Ende ist. Dann kommt die gesamte Vorlage an das preußische Staatsministerium, welches nunmehr diese zu beraten hat. Erst dann wird dieser Entwurf als Antrag Preußens dem Bundesrate unterbreitet. Hier geht er zunächst an den zuständigen Ausschuß, ehe das Plenum beratet. So ist vor der zweiten Hälfte deS Monats März kaum daran zu denken, daß der Reichstag die Wehrvorlagen erhält. Die Meldungen über den Inhalt derselben gehen sehr auseinander, es sind fast nur Vermutungen, die auftanchen, gestützt auf nicht weitliegende Kombinationen. Aber etwas Sicheres kann niemand behaupten. Beim Militär spricht man von zwei neuen Armeekorps, für welche schon einzelne Divisionen vorhanden sind: nach dem Osten soll das eine kommen, das andere nach Süddeutschland. Wenn diese Meldung sich bewahrheitet, so sind die langen Vorarbeiten zu verstehen: denn eS muß ein ungeheueres Stück Arbeit geleistet werden. Der Laie hat gar keine Ahnung, was ein Armeekorps erheischt mit allen Vorbereitungen bis zur Mobilmachung. Wo der Nekrutierungsbezirk ei» ge schlossener ist, geht es; aber für die neuen Korps muß überall herum gesorgt werden, da man nicht den ganzen Aufmarsch über'den Haufen werfen kann und alles zu klappen hat. Zudem muß das schon beschlossene Ouin- gnennat erst auSgeführt werden, man wollte es ursprünglich in fünf Jahren durchsetzen. Aber jetzt soll es in diesem Jahre schon mit einem Ruck vollendet werden. Dazu kommt > dann die neue Vorlage hinzu. Solche tiefgreifende Ge setze sind ungemein gut und sorgfältig vorzubereiten, zumal unser Heer stets marschbereit sein muß: ein Rad hat ins andere zu greifen, und darum ist es töricht, wenn alldeutsche Blätter nach sofortiger Publikation der Vorlagen rufen, diese werden zudem noch genug lleberraschungen für das Inland wie das Ausland bringen. Wir können es abwarten bis der Bundesrat gesprochen hat. Von der neuen Flottenvorlage weiß man weit mehr als von dem Militärgesetz: den» hier geschieht die Agitation ganz offen. Ter Flottenverein fing im Mai an und for derte sechs neue Panzerkreuzer. Aber damit hatte er kein Glück: man lehnte allseitig diese Forderung ab und auch daS Marineaint ließ sich nicht darauf ein. Erst Marokko gab der Agitation neue Zugkraft. Aber auch hier griff der Flottenverein ganz daneben. Aus allen Publikationen ist nämlich ersichtlich, daß der Kern der Vorlage in der Jn- diensthaltung eines dritten Geschwaders besteht; die meisten Schiffe hierfür sind schon vorlmnden; es fehlen uns hierzu nur drei Stück. Ob diese nun gefordert werden, oder erst später, wird die Vorlage zeigen. Aber ein drittes Ge schwader im Dienste zu halten, ist eine Forderung, die schon vor Jahresfrist der Zentrumsredner aufgestellt hat. Schiffe, die im Hafen liegen, haben keinen Wert, es gehören Mann schaften, Ingenieure und Offiziere darauf, und das um so mehr, als der moderne Seekrieg sehr schnell ausbrechea wird. Da ist „bereit sein, alles". Wenn wir 25 Linien schiffe in der Nordsee im Dienst haben, sind wir gut gesichert gegen jeden Feind. Heute stehen nur 17 Linienschiffe im Dienst. Aber wenn wir drei Geschwader haben, sind auch zwei Geschwader stets niit ausgcbildeten Leuten besetzt und sofort verwendnngsfähig; das dritte Geschwader erhält dann ini Herbst stets die Jungmannschaft. Heute sind wir im Herbste sehr übel daran, wo in jedem Geschwader neue Matrosen stehen. Die Wehrvorlagen sollen durchschnittlich im Jahre 115 Millionen Mark mehr kosten; aber dabei ist ent scheidend, wieviel dauernd und wieviel einmalig. Dann kann man erst an die sehr wichtige Deckungsfrage Heran gehen und untersuchen, ob nicht die vorhandenen Mittel ausreichend sind. Deutscher Reichstag. Berlin, den 27. Februar 1912. Kleinere Vorlagen. Die Konvention über den Mädchenhandel wurde heute in 3. Lesung angenommen. Der Berliner Hochschullehrer v. L i s z t. der der Volkspartei angehört, machte in dankenswerter Weise auf eine Reihe von Mängeln aufmerksam, welche sich i» unserer Strafgesetzgebung auf diesem Gebiete finden. Leider fand er nur wenig Aufmerksamkeit. — Tann wandt-- sich die Debatte dem Staatsaugehörigkeitsgesetze zu. Die alldeutsche Auffassung brachte der Abgeordnete v. Liebert zum Vertrage, ebenso Herzog. die namentlich Bedenken äußerten, daß zuviel fremde Juden Aufnahme finden könnten. Der Däne Hanssen brachte die Wünsche Nordschleswigs vor. Nun kam die Die Ersten Kammern. Bon Dr. Ottomar Schucharvt. <ForijeVi,n„.> (Abdruck nicht gestaltet.) Muß also der Versuch, die Ersten Kammern zur Stütze und Vertreterin der gerade am Ruder befindlichen Regie rung machen zu wollen, aufs rücksichtsloseste zurückgewie- icn werden, so muß es gleichfalls als eine sehr mechanische, dem Gegenstand sehr wenig gerecht werdende Auffassung bezeichnet werden, wenn man meint, die Aufgabe der Ersten Kammern bestünde lediglich darin, den vorwärts drängen den Veränderungen heischenden Gliedern der Zweiten Kammern, gegenüber das konservative, beharrende Ele ment zu bilden, die hindernde Macht im Staate, die, wenn sie in der Tat nicht mehr als dieses wäre, mit Recht reaktio när gescholten würde. Je nach der Stellung, die beide fortschrittliche Gruppen cinnehmeu, sind die Forderungen mehr oder weniger radi- kal gehalten: die ganz links Stehenden, die nie hoffen dür fen, Sitz und Stimme in den Ersten Kammern zu er obern, fordern eine vollständige Beseitigung derselben, die Gemäßigteren aber, die heute schon in den Ersten Kammern vertreten sind, verlangen nur eine Umgestaltung dieser Kör perschaft, d. h. wenn wir ihre Forderung aus dem Kauder welsch ihres Phrasenschwalles in gutes Deutsch übertragen: sic möchten die Macht, die die Herrschaft in der Ersten Kammer verleiht, der Macht hinzufügen, die sie schon gegen- wärtig besitzen. ' Wenn diese liberalen Politiker nur wenigstens zielbe- wutzt und gerecht genug wären, auch den anderen Parteien eine 'verhältnismäßige Dertzretung zuzugestehen. Davon aber ist gar nicht die Rede. Sie verlangen die Herrschaft für sich und so läuft denn ihre Reform darauf hinaus, aus der Ersten Kammer eine verschlechterte Zweite Kammer zu machen. In deni Kampfe, den die Zweiten Kammern in so ein seitiger Weise gegen die Ersten Kammern führen, tritt vor allem auch das eine zutage, daß vielleicht mehr als die Ersten Kammern die Zweiten Kammern selbst reformbedürftig sind. Die Weise, in der der Kanipf gegen das Herrenhaus geführt wird und die Mittel, die man anweudet, zeigen aufs deutlichste, daß sich das Volkshaus durchaus nicht auf der Höhe befindet. Dazu kommt noch ein anderes: Die Mitglieder dieses Hauses sind wohl die gewählten Vertreter der breiten Volksmasse und sie gebärden sich auch als die be rufenen Förderer des Volkswohles, als die Hüter des Volks vermögens. Allein, wer die Finanzgeschichte der neuesten Zeit näher kennt, sagt treffend ein sehr liberal gesinnter und durchaus dem modernen Fortschritte huldigender Staatsrechtslehre!: *), der weiß, daß cs eine längst anti quierte Vorstellung ist wenn man behauptet, daß die Volks« kammern ökonomischer zu wirtschaften geneigt seien als dir aristokratischen, ja daß überhaupt demokratische Parlamente die besten Hüter des Volksvermögens und der wirtschaft lichen Kraft der Bürger gegenüber der Negierung seien. Heute sind vielmehr die Klagen über leichtfertige Finanz politik der Zweiten Kammern weit verbreitet. In Eng land ist die Kontrolle des Unterhauses über die staatlichen Ausgaben nur mehr in der Theorie vorhanden. Ungeheure Summen werden heute ohne nähere Unter suchung bewilligt. Im Jahre 1904 wurden gegen SessionS- schluß 28 Millionen Pfund Sterling ohne Debatte an blae bewilligt und am 19. Juni 1900 votierte das Haus sogar nahezu 42 Millionen Pfund in weniger als fünf Stunden. *) Aeorg Jelinek. Der Anteil der Listen Sammern an der Mnanzgrsetzgebung. Tübingen 1908. In Frankreich wird auf die leichtsinnige Art hingewiesen mit der von den Abgeordneten die Gunst der Wähler durch Bewilligungen rege gehalten wird. StaatSausgabcn und Staatsschuld haben daher unter der dritten Republik eine ungeheure Vermehrung erfahren. In Italien ist es der Senat, der sich dem verschwenderischen Vorgehen der Depu tiertenkammer mehr als einmal energisch widersetzt hat. In Belgien kommen parlamentarische Abänderungen des Budgets selten vor. Wenn dort ein Minister sein Budget vor den Kammern berichtigt, so geschieht es wesentlich durch Erhöhung der von ihm geforderten Kredite. Die Kon trolle des Senates über das Budget ist tatsächlich gar nicht vorhanden, da er, wie er erwähnt, von seineni Amen- dicrungsrecht keinen Gebrauch macht. Aristokratische Kam mern hingegen sind mehr zur Sparsamkeit geneigt als demokratische. Demokratische Kammern sind leicht bereit, zur Bedeckung der Ausgaben die bemittelten und sozial höher stehenden Bevölkerungsschichten i»> Verhältnis stärker z» den staatlichen Lasten heranzuziehen als die unbe mittelten. Die heutige gleiche Steuerpflicht, verbunden mit der Existenz progressiver Steuern, hält die großen Steuernträger davon ab, eine leichtfertige Budgetpolitik niitzumachcn. Volkskammern haben überall die Tendenz, populäre Ausgaben zu bewilligen oder zu erhöhen. Da der Druck von unten auf die Volkskammern naturgemäß sehr stark ist. so haben sie. und zwar um so stärker, je domo- kratischer sie gestaltet sind, die Neigung, neuen Ausgaben mit günstiger Stimmung entgegenzukommen, so daß es den Negierungen oft sehr schwer gemacht wird, in demokratisch organisierten Staaten das Gleichgewicht im Staatshaus halt aufrecht zu erhalten. Kammern hingegen, die von Wählern ganz oder teilweise unabhängig sind, werden heute viel eher die künftig erforderliche Bedeckung neu heran-