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Sächsische Volkszeitung : 06.06.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192106063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210606
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210606
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-06
- Tag 1921-06-06
-
Monat
1921-06
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 06.06.1921
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der Annahme des Ultimatums zu danken. Dadurch, dah man mit der Faust auf den Tisch schlägt, komme» wir nicht vor wärts. Das Ziel des Zentrums r,i die Rettung des Vaterlandes. Der Unabhängige Cr« spien wendet sich gegen die Judenhetze der Rechten, berührt die Stellungnahme seiner Partei zur Frage der Amnestie und zur Sozialisierung. Wenn er behauptet, daß der Eintritt der Unabhängigen in die Regie rung unmöglich sei. weil sie im Interesse des Proletariats nicht mit bürgerlichen Parteien zusammen Politik machen können, so beruht diese Ansicht auf Gegcnseitigkeii. Das Mißtrauensvotum will seine Fraktion ablehnen. Tfte Regierung habe das Ulti matum angenommen, auch bisher dessen Erfüllung ernstlich be trieben, und darum werde die USPD ihre Politik der Anbah nung internationalen Verständnisses unterstützen. Der Demo krat Dr. K ü I z ist der Meinung, daß das geringste Vertrauens votum seitens der Rechten der schwerste Schlag für die Negie rung wäre. Den Schluß inacht der Kommunist Dr. Geher. Er wütet wie ain Vortage sein Genosse Höllein. Endlich schreitet man zur Abstimmung der Anträge. Deren liegen drei vor: einer, ausgehend von den Regierungsparteien, unterzeichnet Müller-Fran ken iSoz.), V c ck e r - Arnsberg (Zentr.), Koch <Dem.) » „Der Rcickcktag nimmt von der Erklärung der NeichSregiernng Kenntnis. Er erklärt sich damit einver standen, daß die Negierung alles daran sehe, um die übernommenen Verpflichtungen gegenüber den Alli ierten zu erfüllen. Der Reichstag billigt die Er klärung der Neichöregierung über O b e r s ch l e s i e n." Damit schließt die Aussprache. Es folgen Erklärungen einzelner Parteien zur Abstimmung. Abg. Dr. Stresemann tD. Vp.): Wir werden daS Mißtrauensvotum der Kommunisten ablehnen, weil es kom munistisch-tendenziös ist. Ein Vertrauensvotum ist nicht angebracht gegenüber den Erklärungen der Regie- rung. Wir werden bei dem ersten Absatz uns der Stimme ent halten. bei dem zweiten Absatz für Oberschlesien werden wir zu- ftimmen. Abg. Er« spien slliiabh.) lehnt den Passus über Ober schlesien ab. Dem Vertrauensvotum werde er zustimmen, wenigstens dem ersten Teil. Abg. Schultz (Bromberg, Dnat. Vp.): Wir werden alle drei Teile de? Vertrauensvotums ablchnen, auch den Passus über Oberschlesien. Der Mißtrauensantrag der Kommunisten wird sodann «n einfacher Abstimmung abge- le h n t. Der Mißtrauensantrag der Deutschnatio nalen wird in namentlicher Abstimmung mit 261 gegen 77 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmten die Deutschnationalen und Kom munisten. Der Antrag der Regierungsparteien wird darauf in seinem ersten Teile mit 213 gegen 77 Stimmen der Deutschnationalen und Kommunisten bei <8 Enthaltungen sDeutsche VolkSparteis angenommen. In einfacher Abstimmung wird darauf der Absatz über Oberschlesien gegen Deutschnationale. Unabhängige und Kommunisten angenommen. Präsident Löbe stellt darauf fest, dah damit nach seiner Ansicht der in allen seinen Teilen angenommene Antrag Müller- Franken erledigt sei. Abg. S ch u I tz-Bromberg sDnat. Vp.) erhebt Einspruch und verlangt noch eine Gesamtabstimmung. Der Präsident erklärt, daß diese nicht notwendig sei, da der zweite Absatz eine besondere Materie behandle und auch von vornherein als besonderer Antrag hätte ringebracht werden können. Das Hans stimmt der Auffassung des Präsidenten gegen die Stimmen der Deutschnationalen Volkspartei und eini ger Deutschvolksvarteiler zu. Die kommunistischen und unabhängigen Anträge auf Beseitigung der Sondergerichte und Aufhebung des Aus nahmezustandes werden abgclehnt. Angenommen wird der Antrag Müller- Franken (Soz.) auf Nachprüfung der Urteile der Sondergerichte unter dem Gesichtspunkte der Begnadigung. Dafür stimmte mit den beiden sozialistischen Gruppen und den Kommunisten auch eine Minderheit des Zentrum« unter Führung des Reichskanzler« Wirth, der feinen Abgeordnetensitz eingenommen hatte. Der Reichstag hat sich entschlossen, sich bi» Mitte Juni zu vertagen. Man will in der Zwischenzeit der Regierung die bisher über die Formulierung ihres Programm« noch nicht hinausgekommen ist, Gelegenheit geben, die Einzelheiten dieses Programms praktisch vorzubereiten. In der Tagung, die von Mitte Juni bi» in die erste Hälfte de» Juli hinein gedacht ist, sollen dann diejenigen Maßnahmen gesetzgeberisch in die Wege geleitet und durchgeführt werden, die geeignet erscheinen, den ersten dringenden finanziellen und wirtschaftlichen Bedürfnissen au» Anlaß der Erfüllung de» Ultimatum» zu genügen. E» wird sich dabei vornehmlich um den Ausbau der schon be stehenden Steuergesetzgebung handeln. In Frage käme hier in erster Linie die Erhöhung der Kohlen, und der KörperschaftSsteuer wie auch noch der Umsatzsteuer. Je doch sind über diese letzteren Punkte die Vorverhandlungen noch nicht abgeschlossen. Nach der Sommerpause, während deren die neuen Steuern und die Finanz- und Wirt- chaftSpläne vorbereitet werden sollen, wird in einer, viel eicht früher als sonst üblich anzusetzenden Herbsttagung der Reichstag mit den eigentlichen Arbeiten zur Ausführung de» Finanz» und Wirtschnitproaramm» sich beschäftigen müssen. Da bei wird man dann eigentlich erst die Cbaneen der gegenwärtigen politisch-parlamentarischen Situation abichätzen können, und dann erst wird es sich entscheiden, ob dieser Reichstag überbauvt fähig ist, die große Aufgabe, die seiner harrt, zum Nutzen für die Gesam'heit und ohne Konflikt nach innen und außen zu lösen. Sehr viele Hoffnungen, daß es dabei einigermaßen glimpflich abgehen wird, kann man nach allem, was man in den letzten Tagen im Reichstag erlebt hat, nicht haben. Man wird vielmehr gut daran tun, sich allseitig auf die ernstesten E-n- wicklungsmöglichkeiten. vor allem auch auf die Not'»endigkeit einer Reichtztaa^aiiflösung und auf die Vorbereituna neuer Wahlen einäustellen. Unflse'che Vrttder I" dem Mißtrauensvotum gegenüber der Negierung Wi th habe» sich dir De> tiibnntio alen und d>e Kommunisten zuiammen- gefunden. ES sind gewiß ungleich» Bruder, aber eine innere Logik zwinnt sie im - er W eber zueinander. Man sollte doch meinen, daß draußen im Lande diese Tatlache manchen d>« Augen öffnen müßte! W>e wenia da« Vorgehen der Dentlchnaitonnlen von Veranlwort» lichleitSgesiibl zeuat gebt daran» derror, daß imter dem parlamen tarischen Svstein bei einem Sturz der Reoiernng diejenigen Pa teien die Nachfolgerschaft aotreten wüßten, die d esen Sturz herbeigesührt haben. Würde also durch den Mißiraue^Snntrag der Deutsch, nationalen »>"d seine Unterslützung durch die Kommunisten der Siurz der Regierung eingrtreten sein, so würd-n w r al» ErökiWger nach der Logst der Dinge die Deutsch iatmna'cn und die Kommunisten aut einer Regierungsbank srben! Nickt» k«nn d e wahnwitzig« Katastrophen Politik der Diuiichnat'onalen grotesker illustrierent Wie sehr die Deulichnationalen auf eine polii sch-pailamentnrische Katostrr>pbe hingearbe tet haben, zeiat mich da» intensive Werben ibrer Presse um die Summen der Deut chen Volkspa,te! für da» Mißtrauensvotum, und dieies Werben kam schon ei ein Betteln um di« Stimmen der Deut,wen Volksparte! a!e ch. Dir Deutsche VolkSpartei bat sich aber doch wenigsten« m ibrem maßgebenden L ite io viel Vernunft bewabit, daß sie sich nicht au' da« Ei» locken ließ. Jetzt w rft die deutschnationale Prelle der Deutschen VolkSpariei vor. daß sic durch ihre Hastuug tatsächlich der vi gw- runa da» Vertrauen anSgelprochen habe, de, n, »o sagt tir „Deutsche Tageszeitung", darüber bestebt nicht der geringste Zweifel, daß die Ablehnung de» Mißtrauensvotum» -atlächlich al« Ausdruck de» verstauen» zum Kabinen Wirth ewplunden werden wird. Und die .Deutsche TagcSzeiinng" ist päpstlicher al» der Papst, wenn sie der Deullchen VolkSpartei dadurch drein zu reden alaubt, daß sie sagt, iiinrrbalb der Fralt on der Leut chen VoUSpartei würde die Ablehnung des Mißtrniiensanuage» ebenso wenig der Ueberzeugung der Fraktion wie der Wählerschaft der Volkspartei enffprechenl So kommen die Dinge darauf hinaus, und dos i» da» Tragikomische an der Gr chichtel — So har sich da» deutz.nnationa e Mrßi nne»S- voinm al» die Kraft rrwiessn, dir da« Böse wollt« und da» Gute schus! Franzöj.sche Glimmen zur Reichstags- abstimmung Varl», 8. Juni. Gustave HrroL bespricht in der Dlelost« die Abstimmung im Rtichttage Er weist darauf h n, daß Krlegsmlnister Bar hou die Entlassung der Iahrerklässe ISIS für End« diese» Monat» in Aussicht gestellt h de. Da» sei «in« in- telsigente Politik. Dies« Gest« werde al» ein« elegante Antwort auf dt« gestrige Abstimmung de» demokratischen Deut chlands von der deut chnatlonalen unv eur»pä»<d«a Gelen« auegeiegt weiden. Her vä tritt auch für dt« Aufhebung der Sanktionen amRhetn «ln. di« gegen da» reaktionäre Deutschland de» Dr. Simon» er- gnsf.n worben seien. Schl«blich macht er den Bo-schlag, auch dem neuen Deutschland in Oderschlrsien «lne Prämie zu ge- währen. Sir müsse nicht in der Zu'prechmg de» gesamten Ober- schltflen, sondern tn der Urbe tragung der Hälft« dr» Industrie- gebiet«» bestehen. De», chiand soll« 20 Millionen Tonne» Kehlen von der 40« Millionen«JahreSfärderung erhalten. Wenn dies« Maßnahme nicht da» alldeutsche Deutschland befriedigen werde, werde ste doch vom demokratilch.n Deutschland al» «>n Entgegen kommen angesehen werden. »Gaulols* säet, die gestrige Abstimmung sei kein S'eg, sie sei »fcht einmal ein Erfolg, sondern ste erhalte da» Ministerium Wirth in einer vre.ä,en Lage dank einer Zufallrmebrdett, die man deshalb erzielt hake, weil überlegte Leute vor der Ge'ahr einer Aenderung der französischen Politik gegenüber Dculichland zuiiick- gelchreckt i.ien. Dieie Haltung rechtsert-ae sich aber darin, daß die augenbÜckbLe Re-ierung denke, Frankreich werde daraus verzichten, die polu scheu Interessen in Oderschlesien zu unterstützen. Es sei klar, daß dies die Karte sei, auf die die Gemäßigten in Deutlchland ge setzt bitten / Genf, b. Juni. Sowohl der Temp« al» auch der Petit Parisien finden plötzlich gegenüber der Regierung Wirth eine Sprache, die sowohl sachlich wie in der Form von einem gewissem Entgegenkommen zeugt. Der Petit Parisien, der bisher durchaus nichts von der Auf hebung der Sanktionen wissen wollte, hat seine Meinung >n dieser Bez ebung vollkommen geändert, und bemerkt heule, daß sich dieser Wunsch Deutschlands sehr wohl erfüllen lassen wilde, da diese Maßnahme lediglich wegen der Haltung deS früheren Ailßennimisiers Simons eifolgt sei. Sobald festgestellt sei, daß die Regierung Wirth die notwendige Krait habe, um gegenüber den Parteien der Rechten ihr Versprechen durchzusetzen, bestehe iür Frank,eich kein Grund mehr, de Aufhebung der Besetzung der Kohlenbäien und der rheinische« Zollmaßnahmen zu verweigern. Hinsichtlich OberschlesirnS sei eine Teilung unumgänglich noiwendig. Der Wunsch Frankreich«, der n>uen demokratischen Reg eru 'g in Deutschland gefällig zu sein, könne aber «icht »in» Unaerechli ikeit auf Kosten ihrer polnischen Freunde zulass««. Jeden falls verkenne niemand in Frankreich, daß di« Festig»«« der demokratischen und republikanische» Aegterungs- sorm in Deutschland den Grund für den Frieden der Zukun t und eine große Sicherung für Europa bedeute« würde. Da» beste M itcl für da« deu sche Volk. da» Mißtrauen zu zerstreue« und die Sympathien im republikanischen Frankreich z» erwerbe», bestünde darin, durch Taten zu beweisen, daß Dentschland tatsächlich «in« Republik geworden sei. Der Temp« wendet sich, ohne allerdings Poincarö und belle» Freunde zu nennen, doch gegen die Bestrebungen der nalionaliftischcn Kresse, die darauf hinausgehen, jeder deutschen Regierung mit dem gleichen Mißtrauen zu begegnen. ES müsse e>n Unterschied g«m>cht werden und Deutschland jedeSmal von Frankreich die notwendigen Krevite erhalten, wenn seine R,g>rrung von Männern gebildet werde, dir ehilich bereit seien, die Verpflichtungen Deutschland« zu erfüllen und den Frieden zu festigen. Vermutlich sind die Bemerkungen de» Temp» wie diejenige« de« Petit Parisien auf den Quai d'Orsay zurückzu« führen. E» würde sich in diesem Falle also um eine Programmerklärung de« Kabinett« vriand Handel«, di« allerding» wohl zum ersten Male öffentlich mit solcher Brstimintheit abgegeben wird. Inwieweit sich diese» Programm praktisch bemerkbar machen wird, ist freilich eine andere Frage. Wie au» den Pariser Blätter« weiterhin hrrdorgrhk. wurden von deutscher Seit« in den letzten Tagen wiedec-olt neue Vorstellungen wegen der Auflösung der Linwobnei wehren unter nommen. ffran'reich beantwortete alle diese Schritte ablehnend mit dem wiederholten Hinweis anf die Annahme de« alliierten lllti- ma nm« nnd aus di« bekannte Not« de» General» Nollrt tn der Enlwasfnungssragr. Bertrageregelnn- «lt dem Saar-ediet Berlin, 4. Juni. Wie bereit» bekannt gegeben, hat sich eine Delegation der Regierunntkoinmilsion für da» Eaargediet, an deren Spitze der Präsident Staatsrat Ra ult stand und der als weitere» Milnlied da» aus dem Saargediete stammend« Mitglied der Re.äerunoskommiision Dr. Hektar angrhört», längere Zeit in Berlin ausgel.alten, um mit einer deutschen Delegation über di« sich au» den Bestimmungen de« Friedrnsvertrage» für da« Saarge- biet ergebenden Fragen zu verhandeln. Die Verhandlungen wurden beiderseit« vom Wunsche geleitet, di« Schwierinkriten im Interesse der Bevölkerung einer Lösung «ntgegenzufübren. lieber einige Punk » ist e» trotzdem zu einer Einigung nicht gekommen. Dagegen ist «» gelungen, über ein« größere Anzahl von Punkten tn großen Zügen Richtlinien für Einzelabkommen festzulegen. Er handelt sich vor allem um die Frage der Bersorgung der Krirgtveschädlgtrn und KriegSyinterbliebenen tm Eaarge diet. Diesen sollen nunmehr olle Vorteile de» NeichSvrrsorgungs- gesrtze» -ugrwandt werden. Di« Regierung »kommission wird sich an der Aufbringung der sich hieran« er, ebenden Lasten zu drei Vierteln betritt,«n. Für die AersorgungSbeöörd» tm Vaargeviet ist ein« Regelung dahin getroffen worden, daß die Verwaltung an da» Saargebiet übergeht, dem Deutschen Reich« aber «in Präs«nlation»recht für di« Besetzung der Beamtenstellen »kngeräumt wird. Auf dem Gebiete der Sozialversicherung beabsichtigt di» Regierungskommission, sämtliche Lrrsichrrungsträger für da» Saar- gebiet zu schaffen. Durch Einsetzung einer gemischten Gerichtsbar keit fft aber Vorsorge getroffen worden, daß die Interessen der deutschen VersicherungStrager hierdurch nicht geschädigt werden. Abgesehen von rein finanziellen und verwaltung»trch»ischen Fragen ist schließlich noch «in Abkommen zur Vermeidung vo« Doppelbesteuerungen getroffen worden. Sächsische Volkszeitung — Nr. 127 — 6. Juni 1921 Der Gänsebub Fränkischer Dorfroman von Dina Ernstbergrr ^Nachdruck verboten.) L6. Fortsetzung.) 7. Kapitel Schon sind mehrere Wochen seit Josephs Abreise wieder dahin. Im Torfe sprach ma» noch immer von dein Ereignis. Viele, die Josephs Besuch in ihrer Häuslichkeit erwartet hatten sagten, dnö diese Geld hätte ihn stolz gemacht; die aber mit ihm in Berührung gekommen Ware», ließen das nicht gelten. Sie meinten, von Hochmut hätte inan gar nichts an ihm gemerkt, er wäre gegen alle recht lieb und freundlich gewesen. Berschte- deue wollte» auch bestimmt wissen, daß das Kommen Josephs zur Hochzeit seines Bruders noch einen ganz besonderen Zweck gehabt hätte. Der alte Gemeindedicner des Dorfes war vom Bürger meister beauftragt worden, fällige Gemcindeumlagen einzukas- sicreli. Tas war immer eine böse Mission. Oft schlug man ihm die Türe vor der Nase zu oder mau gab ihm die derbsten Schimpfworte zu hören. Nie und nirgends aber hieß man ihn willkommen, llin den Zorn der Bauern wenigstens einiger maßen von seinem Haupte abzuwendcn, kam er oft auf die abciikeiierlicbsten Gedanken. Er wußte aus Erfahrung, daß er am eheste» sein Ziel erreichte, wenn er sofort beim Eintritt in «ine Stube mit einer Neuigkeit aufwarten konnte. Dies niiißke i,inner schon geschehen, bevor die Leute den eigentliche» Zweck seines Besuche- ahnten. Josephs Anwesen- beit und die damit verbundene Aufregung im Bürgermeistcrs- hauS gaben ihm nun die gewünschte Gelegenheit. „Leut, ich könnt euch a tüchtige Neuigkeit sagen, wenn ich halt wüßt, daß ihr euer Maul halten könnt." So sagte er un- inilselbar nach dem Gruß i» sedem Hause, das er auf seiner unliebsamen Wanderung mit seinem Besuche beglücken muhte. Sofort erhellte» sich da die mißtrauischen, verdrossenen Mienen. „No, Hanni, so hock dich ner a bißle zu unS. Wie kannst du denn glauben, daß wir was sagen. Was waht denn no? Du bist halt doch a guter Kerl, läßt an andern a was wissen." Mit solchen Redensarten kam man ihm da überall ent- gegen. Und Hanni setzte sich auf die Ofenbank, versichert« noch mal heilig, daß er es sonst nirgend» und gar niemandem sage, und erzählte dann aebeimniSvoll: „ES gibt bald wieder a Hochzeit, Leut. Da Schuster»- Joseph möcht die BürgermeisterS-Kundl zu seiner Fra." Bi» Hanni seine Runde gemacht und die Gelder alle glück lich einkassiert hatte, sprach das ganze Dorf schon von der bevor stehenden Hochzeit. Das war natürlich auch der Frau Bürgermeisterin nicht verborgen geblieben. „Hanni k" sagte sie eines Tage» streng, „du hast ganz ge wiß wieder recht saudumm gered. Wie kämen denn sonst die Leut da drauf, daß der Joseph unser Kundl will." „No, Leut und Kinner, deS hat doch a Blinder gesehen. Der Dümmste müßt das verstanden haben, daß der Joseph es mir auf euer Kundl abgesehen hat. Eher, daß ich da was ver rat. was ich in euer» Haus da hör und sieh, eher laß ich mich köpfen. Ans mi, da könnt ihr euch verlassen, Bürgermeisterin." Damit hatte Hanni das Mißtrauen der Frau Bürger meisterin vollständig widerlegt, denn schmunzelnd schenkte sie ihm gleich nachher ein Gläschen von ihrem berühmten Zwetschen» schnaps ein und sagte geheimnisvoll dazu: „AIS kummt scho mehr »och, Hanni I'' Einige Tage nachher nahm sie ihn einmal mit in die Kam mer. „Du, Hanni," sagte sie dort, „du könnst uns an großen Gefallen tun. Schau, aS iS halt so a Ding, wenn unser Kundl an Schuster-Joseph heiraten söll. Ma weih ja gar net. wer seine Küh und Ochsen sen. Ich man halt, mer sollt doch amol neifahrcn in die Stadt nnd sehn,, obs wirkst so großartig ist mit ihyi. Mei Kundl kriegt a schön Batzen Geld; da will ma Hali a net die Katz im Sack drinna kaufen. Wie manst? Du bist doch als Soldat drei Jahr schon in der Stadt drinn gewest und kennst dich a»S und waßt, wie man des macht; hast Bilding und Manier — wennst einmal neifahren tätst und schaust die Gcschicht drin» an. Gefällt dirS, dann machst beim Joseph gleich an Besuch und richtest ihm an schön Gruß auS und sagst ihm halt — no ja — und sagst ihm halt no, dünner neil — be werft scho selber wißen, des Schaden wcrds net sei." So kam eS, daß der Gemeinde-Hanni zum Erstaunen aller Dörfler plötzlich eine Reise machte. Den Zweck derselben kannte aber niemand, denn Hanni hatte erstens keine Saminlungen zu mache» und zweiten- war sein armes Gehirn so sehr von seinem Neiseplan in Anspruch genommen, daß ihm für nichtssagende Unterhaltungen bei der Wichtigkeit seiner Mission absolut keine Zelt übrig blieb. Josephs Adresse hatte sich Hanni von der Schusterin geben lassen nnd ihr gesagt, daß er äuf seiner Reise vielleicht auch ihren Joseph besuchen werde. Al» er im Festtag»staat mit sei ner ledernen Tasche aut dem Rücke« und dem orossaeblumten Reisesack von der Frau Bürgermeisterin Abschied nahm, drück!« sie ihm «inen großen Beutel voll Geld in die Hand. „AS kumnu scho noch mehr« nach, Hanni," sagte sie mit einem bedeutungr- vollen Blick dazu. Munter und wohlgemut kam Hanni tn der Stadt an. Al« er am Bahnhof ausstieg und die vielen Menschen und Fuhr werke sah, ward «» ihm doch ein wenig beklommen zumute. Eine Zeitlang sah er dem ungewohnten Treiben zu, dann ging er frisch auf de» Nächststehenden zu und faßte ihn kräftig am Arm: „Mag mir der Herr Vetter net sagen, wo ma da a guir Glas Bier kriegt?" fragte er, eifrig bemüht, möglichst hoch deutsch zu sprechen. — Der erstaunte Herr Vetter zeigte ihm die Wirtschaftsraume des Bahnhofs und bald saß der gute Hanni bei einem frischen Maß und legte sich nochmal seine» Plan zurecht. — Frisch gestärkt, trat er sein« Wanderung ,n die Stadt an. Die Adresse Josephs hielt er krampfhaft in de: Hand und laS dazu alle Firmenschilder, ob sich darunter nicht auch der Name von Josephs Hotel finde» ließe. Als er die» so eine Zeitlang vergebens getrieben hatte, schüttelte e« einen Vorübergehenden wieder kräftig am Arm. «Herr Vetter, wo >r denn da des Hotel Belle-vu-e?" Der schaute ihn noch erstaunter an, wie der erste am Bahnhof, lachte und sagte, während er weiter ging, das läge in entgegengesetzter Richtung". AergeEch überlegte Hanni. wa? nun tim; dann machte er Kehrt und schritt in entgegengesehicr Richtung weiter. Nach einer Weile fragte er eine Dame wieder, wo den» da» Hotel „Belle-vu-e" wäre. Sie lächelte zwar auch, sühne ihn aber dann durch mehrere Straßen und auf einmal stand er vor einem großen Gebäude und da stand groß zu lesen: „Hotel Bellevue". Er war so überrascht, daß er e» ganz Vergaß, seiner lie benswürdigen Begleiterin zu danken und sich zu verabschieden. Von außen betrachtete er da» Gebäude von allen Seiten, aber hinemzugehen getraute er sich nicht. Lang« ging er auf und ab in der Erwartung, der Schuster-Joseph würde herauSkom- men. Er spürte allmählich Hunger und Durst und die» Empfin den lieh ihn endlich die Scheu überwinden, durch da» große, mit Blattpflanzen verzierte Tor einzutreten. Tein erster Blick stet auf die Log« de« Portier». „Portier" la» er da angeschrieben, „Por—tier!" flüsterten ängstlich seine Lippen. Scheu drückt» er sich an die Wand, um in möglichst weite« Entfernung von dem Glaskasten de» gefürchteten Por—tier» vorüberzukommen, Da riß dieser aber auch schon die Tür« auf and srug den Hanns ganz heftig, wa»"«L »iaentliL bi«, LL schaWA, Hab«.
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