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Rr. 1S4 — O. Jahrgang 4-titiwoch de» 15. J«nl 101«S Erscheint täglich nachm, mit Nuknaftuie der Sonn- und Zelllage. «»Saab« d.t Mit .Di? Zeit in Wort und Bild' vi-rteijührlich. 2,IO ^t. In Dresden durch Bolen »,40 41. In gan» Deutschland stet Hand 8,S» X AaSaabe v.t Ohne illustrierte Beilage vierteil. 4,80 41. I» Dresden d. Bolen 2,10 41. In ganz Deullchiand frei HauS 2.2« 41 - Sinzel-dlr. »04- LeitungSprciSI. Nr. «8L8. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werde» die Ngelpallene Petitzelle oder deren Raum mit 4k 4, Nellame» mit KO 4 die o.oile dereckutkl. be> Ltcderholunge» entsprechenden Stadntt Biichdruikerei, Redaktion „nd OtetchältSktelle 1 Dresden. Pillnitzcr Strafte 4». — zern'precher 1800 gürRUckgabe nnverlangt. Schrtsistlicke keine iverbindllchleU RedLklionS-Sprecvilunde: II- I» Utr. Ols dsstsn ^yfriseliunZs-Voriboris k^sunck 15 und 20 pfsnnißs, urivotbstn-lleli suf Nslsso und ^usklü^sn, sntisltsn 8is dsl: Herling 8< stoeßstroti, Dreräen. dtlödselsksn In allen Stscltdsllsn. ISIS Der König als Vermittler. Dresden» den 14. Juni 1340. TaS Regierungsorgan „Dresdner Journal" brachte am Montag folgende amtliche Kundgebung: „Se. Majestät der König hat heute die in Lvanxie- lic-iu beauftragten Staatsminister zu sich berufen, um mit ihnen die durch die Borromäus-Enzyklika geschaffene Sachlage zu besprechen. Se. Majestät erklärte seine leb hafte Genugtuung darüber, das; seine Bestrebun gen, den konfessionellen Frieden im Lande zu schützen, bisher immer von Er folg gekrönt gewesen seien. Um so mehr be dauere er, wenn diese seine Bestrebungen gegenwärtig durch so schwere Angriffe ans die der evangelisch-luthei - schen Landeskirche angehörende überwiegende Mehrheit seiner Untertanen durchkreuzt würden. Se. Majestät er- öffnete den Staatsministern, daß er deshalb aus Aller höchsteigener Bewegung in Aussicht genommen habe, ein Handschreiben an den P ap st zu richten. Tie Staatsminister sprachen im Namen der evangeliscl)- lutherischen Landeskirche Sr. Majestät für diese gnädige Entschließung ihren wärmsten Dank aus. „Bereits am Sonnabend den 11. Juni sind die in Nvnnrroliais beauftragten Staatsminister zu einer Sitzung znsammengetreten, um zu der Borromäus-En zyklika Stellung zu nehmen. Sie haben mit tiefem Be dauern von der die Reformation verunglimpfenden und damit die evangelisch-lutherische Kirche schwer verletzen den Kundgebung Kenntnis genommen, teilen die Ent rüstung der evangelischen Volkskreise des Landes hierüber und weisen jene Angriffe auf das schärfste zurück. Von deni lebhaften Äunsche erfüllt, daß der bisherige kon fessionelle Friede zum Segen der Bevölkerung gewahrt bleibe, halten sie sich versicl-ert, daß die Königliche Staats- regiernng eintretendenfalls nach Maßgabe der Landesge setze für den erforderlichen Schutz sorgen werde." < ^ 0 Ter Schritt Sr. Majestät des Königs wird im gan zen Lande mit großer Befriedigung vernommen werden. Er hat als konstitutioneller Monarch eines Landes gehan delt, dessen Staatsbürger in ihrer überwiegenden Mehrheit der evangelisch-lutherischen Kirche angehören. Nachdem das Staatsministerium bereits am II. Juni sich dem Proteste der evangelischen Volkskrcise angeschlossen und auch seiner seits die als Angriffe empfundene Enzyklika zurückgewiesen ha-tte, hätte eine andere Stellungnahme der Krone zur Enzyklika einen Zwiespalt zwischen Ministerium und Mon archen auslösen müssen. Wie Se. Majestät der König in seiner Kundgebung „seine lebhafte Genugtuung erklärte darüber, daß seine Bestrebungen, den konfessionellen Frie- den im Lande zu schützen, bisher immer von Erfolg gekrönt gewesen seien", so hat er auch diesmal mit seinem Schritte der Gefährdung des konfessionellen Friedens einen Riegel vorzuschicben gesucht. Mag die Erregung gegen die Enzyklika von welcher Seite immer ins Volk getragen worden sein, mag der Be weggrund dazu der Haß gegen Rom gewesen sein, Tatsache ist, daß diese sriedenstörenden Bestrebungen von großem Erfolge begleitet waren und selbst die Regierungen zwan gen, dazu Stellung zu nehmen. Eine offene Gefahr er wuchs daraus dem konfessionellen Frieden im Lande. Ob der Wortlaut der Enzyklika Beleidigungen der deutschen Protestanten enthält, ob die protestantische Geschichte die Worte des Papstes rechtfertigt, das läßt der Monarch nach obiger Erklärung dahin gestellt — das ist schließlich Nebensache gegenüber der Tatsache: Die Königliche Sächsische Staatsregierung sah sich durch die tief greifende Bewegung in der protestantischen Bevöl kerung veranlaßt, jene päpstliche Kundgebung auf das schärfste zurückzuweisen, in der die evangelisch-lutherische Bevölkerung eine Verunglimpfung der Reformation er blickt. Der Monarch ist daher nach eigener Entschließung gewillt, durch ein eigenes Handschreiben an den heiligen Vater von der Erregung Kenntnis zu geben, welche jener Passus in seinem Lande und im Deutschen Reiche unter der protestantischen Bevölkerung hcrvorgerufcn habe. Se. Majestät der König erblickt als Katholik in dem Papste das Oberhaupt seiner Kirche. Falsch ist die Behaup- tung, daß der Katholik jede Kundgebung des Papstes als Inspiration oder Dogma aufsassen müsse, wie Herr Pfarrer I». Költzsch auf der Dresdner Protestversammlung sagte: „er- füllt und getrieben vom heiligen Geiste." Inhalt und dog- malische bez. rechtliche Tragweite sind nach dem einzelnen Falle zu beurteilen. Die vorliegende Bulle enthält keiner lei autoritative Entscheidung über Glauben und Sitten. Es steht unter dieser Voraussetzung dem Katholiken eine freie Meinungsäußerung über ein solches Rundschreiben zu. Wenn Se. Majestät von dieser Freiheit der Meinungs äußerung dem heiligen Stuhle gegenüber Gebrauch macht, so bewegt ihn hierzu seine hohe, verantwortungsvolle Stel lung als katholischer König in einem Lande, dessen Be völkerung fast ganz der evangelisch-lutherischen Landeskirche angehört. Als Monarch lastet auf ihn die schwere Ver antwortung für die Anfrechterhaltung des konfessionellen Friedens. Er ist nicht nur Oberhaupt der evangelischen Bevölkerung, sondern auch der katholisck)en Minderheit, die auf seinen väterlichen Schutz rechnet. Die infolge der päpstlichen Enzyklika tief eingreifende Erregung läßt einen Rückschlag ans den bestehenden konfessionellen Frieden be fürchten, der sich auch ans gesetzgeberischem Wege bemerkbar machen könnte. Diese gewichtigen Gründe lassen im» die Kundgebung Sr. Majestät vollständig berechtigt ersck>einen und zeugen von dem hohen staatsmännische» Blick und der kraftvollen Energie, womit er allen ernstlichen Weiterungen und gefährlichen Jntriguen der Hetzer ein Ende macht. Es wird auch die väterlick)e Fürsorge für den ruhigen Bestand der katholischen .Kirche in Sachsen warme Gefühle d e s D a n k e s a u s l ö s c n, w o m i t w i r d e ii S ch r i t t Sr. Majestät begrüßen. Wir haben gestern bereits an leitender Stelle die Mit teilung des Herrn Pfarrer B l a n ck m e i st e r: „Die sächsisch-katholische Geistlichkeit mit Bischof Dr. Scharfer an der Spitze habe in ihrer Presse ihrer außerordentlichen Ge nugtuung über die päpstliche Enzyklika Ausdruck gegeben" als Unwahrheit erklärt. Der „Dresdner Anzeiger" bestätigt heute diese Tatsache, indem er schreibt: „Aus katholischer Seite ist in Sachsen alles geschehen, lim jede Gefährdung des konfessionellen Friedens zu ver meiden. Denn zu der öffentlich ausgesprochenen Be hauptung. die katholische Geistlichkeit Sachsens mit dem Bischof Tr. Schaefer an der Spitze habe ihrer Genug tuung über die päpstliche Enzyklika Ausdruck gegeben, er fahren wir von zuständiger Seite, daß diese Behauptung eine Unwahrheit ist. Für die Artikel der „Sächsi schen Volkszeitung", die vielleicht gemeint seien, trage die Redaktion dieses Blattes allein die Verantwortung. Preß- äilßerinigen des Bischofs ergingen ausnahmslos nur unter voller Namenszeichnung. Die Stellung des Bi schofs Dr. Schaefer und sein Wunsch nach konfessionellem Frieden gehe klar ans seinem letzten Hirtenbriefe hervor. Es besteht auch aller Grund zu der Annahme, daß die er forderliche Genehmigung der Regierung zur Veröffent lichung der Enzyklika in Sachsen vom Bischof Dr. Schaefer gar nicht nachgesucht werden wir d." Damit ist die in der sächsischen Presse gebrachte tenden ziöse Ankündigung hinfällig, wonach in den katholischen Kirchen des Landes die Enzyklika verlesen werden würde; wir betonten bereits, daß in Sachsen eine amtliche Kund gebung der kirchlichen Behörde nur nach eingeholter Erlaub nis des Kultusministeriums erfolgen darf und daß die Enzyklika nirgends im Deutschen Reiche von der Kanzel verkündet worden ist. Es ist weiter die Unwahrheit der Mitteilung des Herrn Pfarrer Dr. Blanckmeister bestätigt. Auch mit der Stellungnahme der „Sächs. Dolkszeitg." beschäftigt sich obige Notiz des „Dresdn. Anzeigers". Wir betonen wiederholt, daß die Veröffentlichung der En zyklika als Aufklärung gegenüber der gefälschten Ueber- setzung der „Evangelischen Korrespondenz" notwendig war. Wenn alle Blätter Sachsens jene Veröffentlichung des Evangelischen Bundes ohne Ausnahme abdruckten, so muß es doch der einzigen katholischen Tageszeitung Sachsens auch erlaubt sein, dem gefärbten und entstellten Texte die richtige Uebersetzung entgegenzuhalten. Wir haben nie mals die Enzyklika „gerühmt", wie Herr Pfarrer Dr. Költzsch auf der Protestversammlung behauptete, sondern nur fortgesetzt darauf hingewiesen, daß keinerlei Grund zu der Erregung gegeben sei, weil ja das Urteil der Enzyklika nicht die gegenwärtige Generation treffe, sondern die Ur heber der Kirchenspaltungen in verschiedenen Ländern vor 400 Jahren. Bezeichnenderweise hat man sich namentlich in Deutschland aufgeregt, während in England, Ame rika, Holland. Schweden und Dänemark die Enzyklika kalt ließ. Wir wiesen nach — nochmals sei es betont — daß die protestantische Geschichte dies Urteil des Papstes als richtig bestätigt. Mit keiner Silbe aber sprachen wir unsere Mei nung über die Opportunität oder unzeitgemäße Ver öffentlichung aus; eine solche Kritik wäre nicht nur post kostnm recht unnütz, sondern hätte durch die von gewisser Seite erregte Bewegung, die nicht voranszusehen war. als Opportunitätspolitik angesehen werden müssen. Wir gehören nicht zu den Utilitätsmenschen, die sich stets feige nach jener Seite schlagen, wo der leichte Erfolg winkt. Unsere Richtschnur ist die Wahrheit. Schutz der kirchlichen und weltlichen Autorität und Schutz der Interessen des Vol kes. Wir traten leise auf, ohne zu verletzen und waren von der Absicht geleitet, Aufklärung in das Tohuwabohu zu bringen. Aber wir sagten die Wahrheit und machten auS unserem Herzen keine Mördergrube und drehten der Welt geschichte keine wächserne Nase: das besorgen schon andere Leute. Und endlich zeigten wir in dem Artikel „Hnonngiio lunckom", welche unerhörten Beschimpfungen der Evange lische Bund in seine» Flugschriften fortgesetzt gegen die Katholiken, die katholische Kirche, gegen Papst und Geistliche der Gegenwart schlendert — die sogenannten Beschimpfun gen des Zeitalters der Reformation in der Enzyklika» worüber man so erregt ist, sind nichts dagegen. Wir wie derholen unsere damalige Ansicht, daß die Erregung in kei nem Verhältnisse zur Bedeutung der päpstlichen Enzyklika steht und tiefere politische Bedeutung hat. DaS ist auch der „Kreuzzeitg." nickst entgangen, die in ihrer Wochenrillidschaii vom 12. Juni 1910 darüber schreibt: „In der evangelischen Bevölkerung wird msn aber rinn endlich wohl den liberalen Pferdefuß ent decken, den diese „ b e k e n n t n i s t r e u e n " und kampfesfreudigen Verse chter der evange« tischen Interessen sorgfältig zu verber gen trachten. Mit „tönenden Worten" suchen diese Kämpen den knrar ;>rot<-»tiintieu8 zu erwecken, aber nicht , um die evangelische Kirche zu stär ken und zu befestigen, sonder» um diese K a m p f b e w e g n n g dem Liberalismus dienst- ba zu machen. Wenn die Liberalen den „Kampf gegen N o m " mit größtem Schwünge führen und da-^ mit vielleicht maiichcm treue» evangelischen Mann Gs- nngtnniig bereite», so möge sich dieser darüber klar sein, daß es nickst allein die katholische Kirche ist, die der Libe ralismus bedroht. Auch die evangelische Kirche hat vor dem Liberalismus einen schweren Stand. Das Wirken deS liberalen Geistes auf den Kathedern der theologischen Fakultäten und auf den Kanzeln der evangelischen Kirck>en kennzeichnet besser die Bestrebungen der liberalen Vertreter evangelischer Interessen als dis „Zuverlässigkeit" des Liberalismus im Kampfe gegen Rom. Und die F r ü cht e d e s l i b e r a l e ii W i r k e n Z innerhalb der evangelischen Kirche hat matt gerade in der jüngsten Zeit heranreisen sehen: diejenigen Pastoren und Professoren des Evangelisch-so zialen Kongresses, die die Klassenkampfideen von Karl Marx als durchaus christliche bezeichneten »nd zwischen christlicher Religion und sozial« demokratischer Weltanschauung einL „ethische Verwandschaft" fanden. An diesen Früchten, denen sich die Moni st e n und die Leugner der Gottheit (5 hristi würdig an die Seite stellen^ möge man den Liberalismus erkennen." Diese Worte werden durch die Dresdner Protestver« janiinlttng bestätigt. Der nationalliberale Neichstagsab- geordnete Tr. S t r e s e »i a n n machte offen für seine Par tei Propaganda »nd erklärte die jetzige Politik des Deut schen Reiches für minderwertig, Hab dagegen die Blockpoli tik des Fürsten Bülow zu den Sternen. Der nationallibe- rnle Herr Pfarrer Dr. Költzsch besprach „Dernburgs Rücktritt". Er behauptete, im Auswärtigen Amte herrsck)L „Spahns Zylinderhnt" und „Hintertreppenpolitik des Zen trums", tadelte die Neichsfinanzreforni. die di>> Zündhölz chen besteuerte und die Millioiieiierbschaften freiließ, be hauptete, das Zentrum habe den Block gesprengt, den „gro ßen Bernhard" »nd jetzt den „kleinen Bernhard" z»i» Rück tritte gezwungen - alles Dinge, die zum Protest gegen! die Enzyklika nur insofern gehören, als die Nationallibe- ralen für ihre Politik krebsen gehen. Daß unter solchen Ausbrüchen liberaler Taktik die Protestkundgebungen den Eindruck verlieren, hat die „Kreuzzeitg." oben betont. Einen merkwürdigen Eindruck hinterläßt das Bewußtsein: Die Protestanten, die an der Spitze jener Kuiidgebniigen gehen, die nicht nur einen würdevollen Protest gegen die angeb lichen Veriinglimpfnngen erheben, sondern Papst »nd Kirche dafür wieder in maßloser Weise beschimpfen, sind Leute, die mit dem Glauben an die Lehre ihrer Kirche längst ge brochen habe» und religiös indifferent geworden sind. Soll das etwa uns Katholiken besonders iniponiereii? Die Rede deS konservativen Herrn Rechtsanwalt Kohlmann toar dagegen eine erfrischende Oase zwischen den öden Phrasen der übrigen Redner. Seine Worte kamen aus gläubigem, aber auch ticfbetrübtem Herzen über die Lauheit in dev evangelisch-lutherischen Landeskirche, seine Worte seien da her hierher gesetzt: „Mit Schmerzen und Schrecken müssen wir sehen, wie auch in unserem sächsischen Vaterland» der Abfall von der Reformation immer stärker geworden ist, daß es ein Dresdner Blatt (die sozialdemokratische Dresdner Volks zeitung) wagen darf, die Protestversnminlniig im preußi schen Abgeordnetenhaus«: als Burleske und groteske Ko mödie zu bezeichnen (Pfui-Rnse!) Wir miissen anfgerüttelt werden ans unserer Schlaffheit und Lauheit, wir müssen Bekenner werden. Wir müssen uns dessen wie der bewußt werden, daß das deutsche Volk das. was es ge worden ist, aus deutschem Geiste heraus geworden ist. Das gemeinsame christliche Bewußtsein muß unS mit unseren katholischen Volksgenossen der- buchen. Wir achten und ehren sie. verlangen aber von ihnen dasselbe. Wir hoffen, daß ans dieser Versammlung eine neue Saat hervorgehen möge, eine Reformation an Haupt und Gliedern auch in unserer Stadt." Das sind mannhafte Worte eines Laien, welche den liberalen Pastoren einen Fingerzeig geben, wo ihre Arbeit im Weinberge des Herrn nottut.