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Nr. 17V. Sonnabend den 27. Juli lvv?. 6. Jahrgang. I NNdhimgigks Tageblatt für Wahrheit, Recht u.Freiheit j Für die Monate liugurt «na September abonniert man auf die „Sächsische Bvlkszeitung" mit der täglichc-n Noman- beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 1.2V R1K. sahne Bestellgeld) durch den Boten ins Haus L.4N Uli. Ein neuer Kampf gegen Rom. Das letzte Jahrzehnt war an Kämpfen verschiedener Art so reich, daß es schwer fällt, einen Ueberblick in ge- drängter Kürze zu geben. Der Kampf gegen Nom nahm fast jedes Jahr eine neue Form an; der Zweck war aber stets, die deutschen Katholiken von Nom loszureißen oder sie im Glauben schwankend zu machen. Ein österreichischer Student ivar es, der den Nus „Los von Rom!" prägte und damit im Nachbarlande Oesterreich eine Bewegung einlei tete, die von Deutschland aus durch Geld und Agitatoren unterstützt wurde. Welche Hoffnungen setzte man nicht auf diese Strömung? Und heute? Nun, das alte Wort ha: sich wieder einmal bestätigt: „Der Papst jätet seinen Gar- ten und wirft das Unkraut über die Mauer." Die neuen protestantischen Gemeinden können sich kaum halten und von einem inneren Glaubcnsleben ist keine Spur vorhanden. Wohl zur Unterstützung dieser Bewegung tauchte in dersel- den Zeit ein förmliches System von Verleumdungen der ka- tholischcn Geistlichkeit auf; von gewissenlosen Leuten und Schmutzfinken wurde in jeder Woche eine Anzahl von an- geblichen sittliches Verfehlungen katholischer Priester ver breitet; wir erinnern uns sehr gut, daß damals viel von einer Liste von 176 Geistlichen die Rede war, diese sollten in kürzester Frist in Italien allein wegen Sittlichkeitsver brechen bestraft worden sein. Ms man im Justizministe rium zu Nom anfragte, erhielt man die Antwort, daß anch nicht ein Geistlicher in der genannten Zeit wegen solchen Vergehens bestraft worden sei. Der Verbreiter dieser Ver leumdung aber war ein früherer deutscher Katholik, der einstens von Geistlichen viele Wohltaten genossen, heute es jedoch nicht wagen kann, den deutschen Boden zn betreten, ohne verhaftet zu werden. Wir wollen es gar nicht in Ab- rede stellen, daß auch unter den Geistlichen Verfehlungen Vorkommen können, war doch schon unter zwölf Aposteln ein Judas. Deutschland hat 20 000 katholische Geistliche und da weist die Kriminalstatistik nach, daß kein Stand so wenig Verfehlungen begeht, wie unser Klerus; tvenn alle Schichten des Volkes sich so führen würden, könnten wir sehr viele Gefängnisse und Zuchthäuser schließen. Dieser Verleum dungsfeldzug sollte im Herzen des katholischen Volkes die Liebe zum Seelsorger ertöten, aber der Schlag ging da neben. Dann wurde die Hetze gegen das Bußsakrament be- gönnen; wer hat nicht noch den Namen Graßmann in Er innerung? In allen theologischen Lehrbüchern ist herum- geschnüffelt worden, ob sich nicht eine Waffe finden lasse; hatte man keine, so schwindelte man einfach, wie Graßmann es tat, der das Wort „quäritur" einfach übersetzte: „Es wird gefragt" (im Beichtstühle nämlich) statt: „Es fragt sich". Und so baute er ein ganzes System von Lügen auf. Mehr als eine Viertel-Milliarde Stücke seiner Schmäh- und Schmutzschriften wurden verbreitet. Tie deutschen Katho liken hielten riesige Protestversammlungen ab und wehrten sich gegen diese Hetze. Man glaubte ein paar Jahre Ruhe zu haben; jetzt geht es von neuem los. Hatte man bisher meist äußere Formen und Einrich- tungen der Kirche bekämpft, so soll diesmal der Stoß ins Herz geführt werden; man will den Lebensnerv der Kirche unterbinden. Wer sind die Angreifer? In erster Linie protestantische Blätter, die sich jetzt über den neuen Syllabus hermachcn. Der Papst hat eine Anzahl von Sätzen zusam- menstellen lassen und verwirft diese als Jrrtümer; die mei sten dieser Jrrtümer nruß auch der gläubige Protestant unterschreiben, namentlich, soweit es sich um die Verteidi gung der heiligen Schrift handelt. Wie eine feste Mauer steht da Rom und läßt da kein Tüpfelchen sich abstreiten; der Protestantismus nennt sonst die heilige Schrift seine alleinige Glaubensquelle und da sollte er es begrüßen, daß Rom diese so kräftig schützt. Aber der alte Katholikenhaß macht blind. Obwohl cs sich um eine inncrkirchliche Ange legenheit handelt, besprechen doch protestantische Blätter die Sache, als sei sie eine politische Frage und legen hier eine Unkenntnis zur Schau, die lächerlich wirkt; so schreibt ein sehr gelehrtes Blatt von dem „geweihten Degen des Feld marschalls Daun", der eine Geschichtsliige ersten Ranges ist. Wann aber hat die katholische Presse sich in das innere Leben des Protestantismus eingemischt? Nie; sie hat es unterlassen, obwohl es an Betrachtungsstoff doch keinen Tag fehlt. Die protestantische Presse beachtet diese Zurückhal tung nicht, sie sucht sich wohl deshalb so viel mit Nom zu befassen, um ihre eigene Hohlheit und Halbheit in Glau benssachen vertuschen zu können. Da ist es zunächst die „Kreuzzeitg.", die gegen den neuen Syllabus zu Felde zieht mit der Scheinbegründung: „Der gebildete Laie und der wissenschaftliche Vertreter der katholischen Theologie aber muß im stände sein, auch dem Nichtkatholiken und Nichtchristen Rechenschaft zu geben von seinem Glauben, sonst verliert seine Persönlichkeit an Wert vor der Gesellschaft, in der er verkehrt, sobald er den enge ren Kreis der Glaubensgenossen verläßt. Wie aber soll er seinen Glauben verteidigen, oder gar den Gegner an greifen können, wenn er in der Gedankenwelt der Nicht katholiken fremd bleiben muß? Und welchen Wert darf der Gegner seinen Schriften beimessen, wenn er jederzeit durch eine kirchlick>e Behörde in einem fremden Lande ge zwungen lverden kann, zn widerrufen, lvas er eben erst als seine heiligste Ueberzengung.kund getan hat?" Diese Ein wendung tonnte auf den ersten Anblick bestehend sein und dock) ist es nur eine Phrase, wie das tägliche Leben dies be weist. Wir haben noch nie einen Katholiken gefunden, der nicht über den Protestantismus unterrichtet gewesen lväre; er kennt dessen Grundsätze und Einrichtungen sehr gut, je nach dem Stande seiner Bildung ist er auch mit den Streit fragen und der Geschichte des Protestantismus mehr oder weniger vertraut. Wie aber ist es umgekehrt? Es ist keine Uebertrcibung, wenn wir sagen, daß jedes katholisck)e Schulkind von 14 Jahren über den Katholizismus besser unterrichtet ist, als 99,9 Prozent aller Protestanten es sind. Man findet bei Protestanten, ob gebildet oder nicht, eine geradezu entsetzliche Unkenntnis des Katholizismus und eine Verdrehung und Entstellung von unseren Lehren und Ein richtungen, die man nicht für möglich halten sollte. Der Protestant aber kann doch alles lesen; er hat keinen Sylla bus; aber er liest katholische Werke nicht. Diese tägliche Erscheinung ist die beste Widerlegung der Fragen der „Kreuzzeitg.". Der orthodoxe „Neichsbote" ist wenigstens so logisch, daß er dem Syllabus Beachtung zuschreibt, wo er sich gegen Irrlehren wendet; er meint: „Hier könnte man den Syllabus kaum tadeln, sobald es ihm nur um die bib lische Wahrheit zu tun wäre, daß er sich gegen diese modern- kirchliche, skeptische Entwicklungstheologie und -Philosophie wendet, die alle ewige Wahrheit negiert und alle absoluten Maßstäbe religiös-sittlicher Natur relativiert, die das Suchen nach der Wahrheit für ettvas größeres hält als den Besitz der Wahrheit, und die deshalb anch über ihrem Wahr heitssuchen die ewige Wahrheit verliert. Auch mit der Ver urteilung mancher anderer Sätze, deren Spitze gegen theolo gische Asterkritik und moderne Voreingenommenheit gerich tet ist, könnte man, wenn sie rein wissenschaftlich lväre, ein verstanden sein und wird doch sagen müssen, daß die Ten denz des Syllabus im ganzen durchaus wissensck>aftsfeind- lich ist, wenn auch der neue Syllabus das natürlich in kei ner Weise Wort haben will." Am gehässigsten benimmt sich natürlich wieder die libe rale protestantische Presse; so zieht die „Nat.-Zeitg." ins Feld mit dem Worte: „Ein Schlag ins Gesicht" und dann geht es gegen Nom in geradezu pöbelhafter Weise los: „Der starke Ndönch von Wittenberg lvarf des Papstes Bannbulle ins Feuer und ihn schützte ein deutscher Fürst vor dem Ver branntwerden! Das hat die gute Folge gehabt, daß un abhängige Deutsche heute den Syllabus gelassen bei Seite legen können. Nur unterschätzen sollen wir den Vorstoß der Ecclesia militans anch nicht. Vor 150 Jahren sandte der Papst dem österreichischen FeldniarsckM Daun, dem Sieger von Kollin, eineil geweihten Degen. Viel genützt hat er ihn ja lischt, das letzte Wort behielt dennoch der Krück stock des Philosophen von Sanssouci. Immerhin, solch eine Art geweihten Degens ist der neue Syllabus auch, eine Waffe im Kampfe gegen jeglichen Kulturfortschritt. Fehlt nur noch ein schneidiger Kämpfer dazu, daun haben wir in Deutschland den Kulturkampf, wonach das Zentrum sich, seit der letzten Auflösung des Reichstages, so inbrünstig sehnt." Andere liberale Blätter sind noch gehässiger. Wir sehen, es gibt nun einen neuen Kampf gegen de.i Katholizismus, denn wer so gegen Nom kämpft, kämpft auch gegen den Katholizismus; da gibt es keinen Unterschied mehr. Dieser Kampf wird heftig werden lind unter Um ständen einen neuen Kulturkampf entfachen. Gerade so ging es 1869 zu und schon 1872 begann der Kampf. Wir befürchten, daß es ähnlich werden wird; die politische Kon stellation ist ganz dazu angetan. Aber die deutschen Katho- likeu sind gewarnt. Es dürfte sich empfehlen, daß, so weit es-nicht von der Kanzel geschieht, im kommenden Herbst in allen katholischen Vereineil, namentlich auch im Volks- verein, aufklärcnde Vorträge über Inder und Syllabus ge halten werden. PsliMche Rimdscha»». Dresden, den 26. Juli 1907. — Der Kaiser machte vormittags bei schönem Wetter einen Spaziergang ans Land, besuchte daun den Prinzen Heinrich an Bord des Schiffe« „Deutschland" und lud Um. ! sowie den Prinzen Adalbert zum Frühstück ein. Zur Abcnd- tafel sind die Kommandanten.der anwesenden Kriegsschiff', sowie Prinz Heinrich geladen. Morgen früh erfolgt die Abfahrt von Molde nach Bergen mit kurzem Aufenthalt . in Merok. — Die Begegnung des Kaisers mit dem König von England. Die Londoner „Tribüne" schreibt, sie sei in der Lage, die Meldung, König Eduard werde mit dem Kaiser anläßlich seiner Reise nach Marienbad in Wilhelmshöhe zusammentreffen, zu bestätigen. Es sei jetzt endgültig be stimmt worden, daß der König am Morgen des 14. August eintreffen und bis zum Abend bleiben tverde, um sich dann nach Oesterreich zu begeben. — Seinen 19 VrburtStag bepppt am 27. Juli der fünfte Sohn Sr. Majestät des Kaisers, Se. Königliche Hoheit, Prinz Ositar non Prower, Ihm zum heutigen Tage auch untere ehrelvucklgNeu Glückwünsche. — Der Gesetzentwurf über die Erhöhung der preußi schen Beamtcngehiilter wird mit dem Etat dem Landtage vorg-ckegt werden. Man nimmt au. daß die Einberufung des preußischen Landtags wegen der Fülle der zu erledigenden Arbeiten bereits vor Weibnachten erfolgen wild. Der Etat wird wie gewöhnlich etwa Mitte Januar eingebracht werden. — Preußische Eiscnbahnardeitcr als Erntearbeiter. Wie die LaildwirtschafLskammer für die Provinz Branden burg bekannt gibt, hat der preußische Minister der öffent lichen Arbeiten dis Eisenbahndirektionen angewiesen, Eisen- babnaibeiter zu Erntearbeiten zu beurlaubkn. soweit die Sicherheit des Eiseilbabnbetriebes die Beurlaubung znläßt. — Die deutsche Regierung stellt nach wie Var auf dem Standpunkte, daß sie die Kosten für die Eivspcrrung flüchtiger Hereros im'Kaplande nicht zu tragen habe. Die seinerzcit von dem jetzigen Unterstaatss. krctär v. Lindequist in London geführten Unterhandlungen hatten kein Ergebnis in dieser Beziehung. Sie gelten indessen nicht als abge brochen, sondern als vertagt. — Das Neichsamt der Innern hat neuerdings Anlaß genommen, die bei den militärärztlichen Untersuchungen gemachteu Wahrnehmungen über den Gesundheitszustand einzelner Gestellungspflichtiger und zum Truppendienst Einberufener für die Durchführung der vorbeugenden Krankenpflege und der Heilbehandlung mehr als bisher zu verwerteil und sich zn diesem Zwecke mit den Bundes regierungen zur Erzielung einheitlicher Maßnahmen in Verbindung gesetzt. Infolgedessen werden jetzt militärischer- seits solche Personeil, für die nach Wahrnehmungen bei dev militärischen Untersuchung ein Eingreifen zur Verhütung von Krankheiten oder eine Heilbehandlung in Frage kommt, den zur Einleitung der geeigneten Maßnahmen berufenen Stellen namhaft gewacht werden. Die Mitteilungen sollen sich ans alle Krankheiten beziehen, die nach Ansicht des untersuchenden Militärarztes die Einleitung eines Heilver fahrens ailgezeigt erscheinen lassen. An dieser Maßnahme beteiligen sich sämtliche Bundesregierungen mit Ausnahme der sächsischen, die sich zunächst abwartend verhalten will. — Jil der württembergischrn Abgeordnetenkammer teilte der Ministerpräsident v. Weizsäcker mit, daß die Nelchspostveru>altililg die Ausarbeitung eines Postscheck- gesetzentwurfes ernstlich ins Auge gefaßt habe. Er konnte seiner Mitteilung weiter hinznfügen, daß der Entwurf nach dem Muster des österreichischeil Gesetzes und unter Berück sichtigung des neuen schweizerischen Gesetzes ausgestellt wer den soll. Diese Mitteilung wird in allen Kreisen der Industrie und des Handels gewiß mit Befriedigung ge hört werden. Ihre Verwirklichung würde den Scheckver kehr erst zu seiner ganzen Bedeutung gelangen lassen. Wenn die Neichspostverwaltnng diesen ersten Schritt macht, ist nicht daran zn zweifeln, daß anch die bayerische und württembergische Postverwaltung diesem Vorgehen sich so fort an schließen werden. Mit Interesse darf man also den weiteren Schritten ans diesem Olebiete entgegensehen. — Ein preußischer Erlaß gegen die Fcnerbcstattung. Das Schreiben, in weichem, wie bereits gemeldet, dem Ver ein für Feilerhestattiing in Hagen in Westfalen die Be nutzung des dort errichteteil Kreniatoriiillls regiernngs- seitig verboten wurde, liegt jetzt seinem Wortlaut nach vor. Es lautet nach der „Allg. Ztg.": „Die Benutzung des von dem Verein für Feuerbestattung errichteten und nunmehr fertiggestellten Krematoriums zur Verbrennung mensch licher Leichname wird auf Grund des 8 10 Teil ll Titel 17 des Allgemeinen Landrechtes hiermit untersagt. Den mehrfach ausgetretenen Bestrebungen, die obrigkeitliche Zn- lassnng zur Bestattung menschlicher Leichname im Wege der Verbrennung zn erlangen, ist die königliche Staats- regiernng sowohl ans Rücksicht ans die vorherrschenden ent- gegenstehenden religiösen Anschauungen und die in lveiten Kreiseil sich kiindgebenden, in dem Gemüt beruhenden Ge fühle der Pietät, wie namentlich auch unter dein Gesichts punkt der nachstehenden rechtlick)en Erwägungen entgegen- getreten. Nach den das Leichenwesen betreffenden Gesetzes- Vorschriften sollen die Leichen ans den öffentlichen oder mit besonderer Genehmigung privateil Begräbnisplätzen be erdigt Norden. Die bestehenden Anordnungen lassen sich weder ohne weiteres der Feuerbestattung anpasscn, noch sichert hinsichtlich dieser die Beachtung aller auf die bis herige Bestattung bezüglichen Vorschriften in ausreichender Weise gegen eine Verletzung der erlvähnten berechtigten staatlichen, religiösen und sanitären Interessen. Tie Ver brennung der Leick)cn würde vielmehr eine Reibe von An forderungen erforderlich machen, die den bestehenden Rechts- zuständen gegenüber ebenso wie die Einführung der Feuer bestattung selbst nur im Wege der Gesetzgebung getroffen lverden können. So lange eine solche gesetzliche Regelung