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Mittwoch den 16. Juni 1915 Sächsische BolkSzeitung Nr. 135 — beite S Der Kaiser, der seit 1814 am Magenkrebs litt und keineswegs darüber im Zweifel war. daß die weitaus größte Mehrzahl des französischen Volkes gegen den Krieg prote- stierte, konnte seiner eigenen Stimmung und der Massen nicht Rechnung tragen, wenn er nicht der Herrschaft ent- sagen wollte, die er eben erst wieder erlangt hatte, sondern sah sich gezwungen, es noch einmal zu versuchen, Sieger zu werden. Dabei hing alles für ihn von einem schnellen, ent- schlossencn Handeln ab. Tenn die Verbündeten hatten ver einbart. daß Preußen, Oesterreich und Rußland je 160 000 Mann gegen ihn ins Feld stellen und die Engländer dem- entsprechend mit Geldleistungen den Kampf unterstützen sollten, da den letzteren nur geringe Streitkräste zur Ver- fügung standen. Preußen sandte bereits im April ein Heer von 120 000 Mann unter Blüchers Oberbefehl nach Belgien und der britische Heerführer Wellington sammelte dort 95 000 Mann, von denen 27 MO Engländer, 23 OM Hol länder. 21 Ml Hannoveraner. 72M Nassauer, 6300 Braun- schweiger und 7400 Angehörige der deutschen Legion waren. Mit diesen Armeen sollte ein Vorstoß gegen Frankreich unternommen werden. Aber bevor es dazu kam, rückte Napoleon mit vier Armeekorps (127 000 Mann) am 7. Juni ohne Kriegserklärung gegen Belgien vor, tvo die Heere Blüchers und Wellingtons des Angriff nicht gewärtig waren. Wellingtons Streitkräfte standen, da der Brite „alles decken" wollte, in einer langen Front von Binchen — nordwestlich von Eharleroi — bis nach Andenaarde, und die Preußen hielten das Gebiet von Binchen bis Lüttich besetzt. Napoleon, der am 12. Juni zum Heere gereist war, nahm am 16. Juni ohne besondere Anstrengung Eharleroi, in dessen Nähe die preußische und britische Linie sich berührte, ein und wandte sich dann gegen Blücher, welcher bei Ligny in einer ungün stigen Stellung stehen geblieben ivar, weil Wellington ihm seine energische Hilfe versprochen hatte. Wer indes nicht er schien, war Ser britische Führer, und Blücher wurde am 16. Juni geschlagen. Er selbst stürzte während des Kampfes vom Pferde und wäre beinahe von den Franzosen gefangen genommen worden. Statt seiner übernahm Gneisenau das Kommando, Von ihm wurden die znrückgedrängten Preußen gesammelt und auf Wawre zugeführt, wo Gneisenau in einem Kriegsrate am 17. Juni den Beschluß erwirkte, die Schlacht am folgenden Tage von neuem aufznnehmen. Hierbei wurde vor allem von Gneisenau auf den hartnäckigen Widerstand hingewiesen, den die britischen und deutschen Fnßtruppen den Franzosen zur selben Zeit, als die Preußen bei Ligny geschlagen worden, bei OuatrebaS mit solchem Erfolge ent gegengesetzt hatten, daß in dem heftigen Kampfe, in dem der tapfere Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig den Heldentod fand, die Angriffe der französischen Reiterei voll ständig gescheitert waren. Diese Tatsache belebte den Mut der Führer so, daß sie die Entscheidung im Sinne Gneisenaus trafen. Blücher machte Wellington davon Mitteilung und verabredete mit ihm das Zusammenwirken beider Heere. So kam es am 18. Juni zu der Schlacht, die Napoleons Schicksal besiegeln sollte. Der Kaiser hatte in neuer Zuversicht den Marschall Granchy mit 35 000 Mann zur Verfolgung der Preußen aus- gcsandt. Dieser geriet jedoch mit den letzteren bei Wawre in eine» furchtbaren Kampf und konnte daher Napoleon nicht unterstützen, als die Stunde der Entscheidung nahte. Wel lington erwartete den Angriff bei dein Dorfe Waterloo, 15 Kilometer südlich von Brüssel. Das Schlachtfeld ivar eine Talmulde zwischen zivei Hö henzügen, Auf der nördlichen Hügelkette befand sich Wel lington, aus der südlichen, zwischen Belle Alliance und Rossomnie, Napoleon. Am 18. Juni morgens gegen 10 Uhr rückten die Franzosen in die Schlachtstellung und gegen Mittag gab der Kaiser dem Korps Neille den Befehl zum Angriss ans das Schloß Hougomont. Dieses war stark besetzt, und trotzdem die Franzosen mit Erbitterung kämpften, ge lang es ihnen nicht, ihr Ziel zu erreichen. Um 2 Uhr erhielt Marschall Ney den Befehl, den Hauptangriff gegen daS feindliche Zentrum zu unternehmen. Er schickte den Mar schall Drouet d'Erlon vor, aber dessen Korps wurde bald ge schlagen, In gleicher Weise scheiterten darauf zwei Sturm- angriffe, die Ney von der Kavallerie ausführen ließ. Um 3> „ Uhr erschien eine Abteilung Preußen unter Bülow, die bei Fischermont auS dem Pariser Hölzchen hervorbrach. Na poleon schickte Bülow daS sechste Korps entgegen, aber dieser nahm das Dorf Planchenois, und um dasselbe den Preußen, die ihm die Rückzugsstraße verlegten, wieder zu entreißen, schickte Napoleon einen Teil seiner letzten Reserven: 12 Ba- taillone Garden ins Feuer. Er selbst raffte den Rest, eben falls 12 Bataillone Garden, zusammen und machte damit einen verzweifelten Angriff auf die Wellingtonschen Truppen, die bereits schwer gelitten hatten und nicht mehr lange Stand halten konnten. In diesem kritischen Augenblick er schien der rechte Flügel Blüchers unter Zieten auf dem linken Flügel der Briten, und dem vereinten Ansturm der Preußen und Briten konnten die verzweifelt kämpfenden Franzosen nicht widerstehen: sie wankten und auf die Weichenden warf sich Prinz Wilhelm von Preußen, der Bruder des Königs, mit der gesamten Kavallerie. In wilder Flucht stürzte der rechte Flügel nach Belle Alliance und um 8sH Uhr abends endete auch der furchtbare Kampf um Plachenois mit der Niederlage der Franzosen. Die Garde hatte sich — beson ders in: Kampfe um Mont St. Jean — durch ihre Tapfer keit ausgezeichnet, aber auch sie, von der General Cambronne gesagt haben soll: „Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht!" vermochte anch der Kaiser nicht zu retten. Dieser wollte mit der Garde sterben, doch Marschall Soult rieß ihn gewaltsam mit sich fort und warf Napoleon ohne Hut und Degen aufs Pferd und eilte über Eharleroi, Philippeville und Laon nach Paris, wo er in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni anlangte. Seine Macht war in der Schlacht bei Waterloo, in der die Franzosen mehr als die Hälfte, die Verbündeten rund 22 000 Mann ihrer Trnppene verloren, für immer zusam mengebrochen. Während er flüchtete, begrüßten sich Welling ton und Blücher bei dem Meicrhofe Belle Alliance als Sie- ger. Diese Begegnung hat Daniel Maclise in einem Fresken- gemnlde dargestcllt, das sich im Westminister-Palast au Lon don befindet. 7 Blücher setzte die Verfolgung der Franzosen durch. Die selben wurden nochmals bei Eompidgne und Willers-Cotte- rets geschlagen und elf Tage nach der Niederlage Napoleons stand Marschall Vorwärts vor Paris, das er am 2. Juli zur Kapitulation zwang. Die Stadt mußte eine Kriegs- steuer von zwei Millionen Franks und einen zweimonatigen Sold der Armee, die zum großen Teil in Paris einquartiert wurde, zahlen. ?ür Kri'eAZverlelrle errichtet linckows Hansels- uns Sprackiscliulo von 2eit üu 2ei> — je nscb der IMclitrsM — kostenlose Kurse in Schreiben mit cler linken Hand, in tlsnclelskScbern und in lKnsclunescbreiben, lZteldunxen werden ^Itrnarlct 15 jeder zeit, -zlbertplatr IO vormittsxs und nachmittags 3 dis 5 Ubr entgegengenommen. Kirchlicher Wochenkalender Domtirche: (Feruspr. 4«».) Soun- und Festtag» früh »/«S und S Uhr hl. Messe, vorm. S Uhr Hochamt und Predigt, nachm- 2 Uhr Besper. — Wochentags hl. Meise früh 8, S uud 9 Uhr. Jeden Freitag abends >/,8 Uhr KriegSandacht. Nautze«, Pfarrkirche ». l. Ara». Sonn- uud Festtags früh V-8 Uhr deutscher SchulgotteSdieoft, vorm. 9 llhr Hochamt und wendische Predigt, nachm. >/,t Uhr wendische Besper, abends 6 Uhr abwechselnd deutsche bezw. wendische KriegSandacht. Bischofswerda (FrtedhofSkapelle). Jeden 2. und 4. Sonntag im Monat vorm. '/,9 Uhr hl. Messe und Predigt. -rocholtz. Sonn- und Festtag« früh 6 und 9 Uhr hl. Melle nachm. 2 Uhr Besper. — Wochentags früh 7 Uhr hiel. Melle Dienstag und Freitag vorm. 9 Uhr SchulgotteSdienst. chversliach i. S. Heilige Melle und Predigt jeden zweiten Sonntag im Monat und die zweiten Feiertage von Weihnachten, Ostern und Pfingsten vormittag« 11 Uhr im Saale de» Hotel Stadt Zittau. -au-ig bei Bautzen (Schloßkapelle). Sonn- und Festtags vorm. i/«S Uhr hl. Meste mit Predigt and sakramentalem Segen, abend» 7 Segeuandacht, Sonntag- früh von V«9 Uhr bis nachm. '/,8 Uhr Aussetzung des Allerheiligsten, abends '/,8 llhr Segens« andacht. — Wochentags vorm. '/«9 Uhr heil. Messe, abend« >/,8 Uhr Abendgebet, Freitags Segensandacht. Beichtegelegenhett Sonn» und Festtags vor der hl. Messe, sowie nach dem Abendgebet am Tage vorher. SrohfchS««». Sn Sonn- und Festtagen Gottesdienst um 9 Uhr NachmttiagSandacht um 2 Uhr ; an Wochentagen hl. Messe um 7 Uhr nach«. > au ua I.M« ». */«10 »GL m. 2 llhr SegeaSaqdacht. — Woch»- e, außer Dienstag, Freitag und'«min ie. Tanfgrlegruhett Soulag« nach der Uhr «««Li A«t«i» legeuyeit, 7 i Hochamt uud tag, früh '/.7 Uhr obend früh 7 Uhr . SegeaSandacht, au deü übrige« Tagen nach Vereinbarung. Beicht gelege»a-tt «, i-r-r «-U »aL n-rLM-ta« ««»»»»—>» Soun st. ^ 181.) . '/,7 Uhr hl. . edigt und Hochamt, nachm mit SegeaSandacht. — Mock u-tag «nd Freitag vorm, s Uhr hl. Messe Jeden Sonnabend, sowie au jedem Vov abend« voa V,? bi» 0^8 Uhr veichtgek k Uhr dienst, dorui. 9 abend» S Uhr früh 7 Uhr, D gottesdienst) boteuer deutscher, wendischer, polnischer und tschechischer Spracht 8 yhr Kreuzwegaadacht. Jeden ea vorm. » llhr l '' — An «oä AS»tg»h«i»r «u Soun- uud I Predigt, nachm. 2 llhr Besper mit vorm. 8 Uhr hl. Mess«. ^»«wrsderf bei Berustadt. vorm. >/,10 Uhr Gottesdienst, /»he«. tFeruspr. 890.) Jeden Tonn- uud Festtag 7 Uhr Frühgottesdienst, vorm. » yhr Hochamt mit Predigt, uachm. 2 llhr SegeaSandacht. — wocheotag» hl. Mefse früh '/«ö Uhr, Donners tag 7 Uhr SchulgotteSdienst. Jeden LienStag früh 7 Uhr hl. Messe im Lazarett. W«rie»1h«lr Au Sonn-, Fest- und Wochentage» Frühgottei» teSdieast gegen 9 Uhr, au Souu- Herz »MarrLÄadacht. uud Festtage« Frühmelle ea. >/,7 llhr (nach beendigtem Chorgebet),^ vorm. ea. V«10 Uhr Hochamt, . , lr Au Sonn-, oieust gegen /«7 Uhr. Haup! «nd Festtagen abend» V,7 llhr Marimrfler«. An Sonir» und'Festtagen (nach beendigtem Chorgebet), vorm. ca. ( . jeden »stunde, onvent- hierauf 8. MonaiSsonutag - wochentags ' messe,Abends 7 Uhr KriegSandacht. MeAetfchütz. Soun- und Festtag» Gottesdienst früh S und 8 llhr, wochentags früh '/»6 uud S Uhr. Ke»kenler«oorf. (Keraspr. 688, Amt NeugerSdorf.) Soun» und Festtag« Gottesdienst vorm. 9 Uhr und nachm. 2 Uhr. — Wochentags früh >/,7 Uhr hl. Meste. Fflro. Soun» und Festtag» Gottesdienst vorm. 9 Uhr uud nachm. 2 Uhr. — Wochentag» hl. Meste früh 7 Uhr. Pstritz: An Sonu» uud Festtagen 6 llhr HI. Kommunion >/,7 Uhr Frühmesse, '/.8 Uhr KindergotteSdtenst. 9 Uhr Hochamt uud Predigt, uachm. um 2 Uhr NachmittagSgotteSdienst. An Wochen tagen 6 Uhr (im Winter um 0,7 llhr) und um 9 Uhr Gottesdienst PkSersdorf »ti Aittm». Gottesdienst jeden zweiten Sonntag im Monat, vorm. 0,10 Uhr in der Kapelle, vorher Gelegenheit zur hl. Beichte M«di»orr An Soun» uud Festtagen Gottesdienst um 0,6 und 8. uachm. um 2 Uhr; au Wochentagen hl. Meste um 6 Uhr. IluNtth. Soun» und Festtags 0.6 Uhr Frühmesse, vorm. 8 llhr Hochamt uud Predigt, nachm. 2 Uhr Besper. — Wochentag« hl. Melle trüh 6 Uhr. Neichen««. Jeden Soun- und Festtag vorm. 9 llhr Hoch amt und Predigt, nachm. 2 llhr SegenSaaoacht. — Wochentag« früh 8 llhr hl. Messe, Sonnabend 9 Uhr. Dienstag und Donners tag wird in de» Regel in der Pfarrkirche keine hl. Meste gelesen. M-fe«1h«k. Gottesdienst Soun« und Festtags früh 6 und » Uhr. Wochentags früh 7 Uhr. Sonnabends 8 Uhr. chchtr»i»««k>e. An Soun- und Festtagen 7 llhr Frühmesse 0.8 Uhr Schnlmeste, vorm. 0,10 Uhr Hochamt mit Predigt, uachm. 2 Uhr Andacht. - Wochentag» früh 6 und 7 Uhr hl. Messe. Kdier. Jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat vorm. » Uhr und nachm. 2 Uhr, Wochentag» jeden Mittwoch (mit Aus nahme der Ferien) früh 6 Uhr. im Winter 7 Uhr Gottesdienst. ' " ndork. ^ ' ' ^ " Festtags 6 Uhr Frühmesse, vorm, hm. 2 llhr Besper. — Wochentags Sette»dorf. Soun- und 9 Uhr Hochamt uud Predigt, uad früh 7 und 9 Uhr hl. Messe. Storch«. An Sonn» uud Festtagen Gottesdienst früh '/»7 und 8 llhr uud nachm. 2 Uhr. — Wochentag« früh 0.7 Uhr hl. Messe. Jitt«». (Fernspr. 984.) Sonn- und Festtag» hl. Mellen 6. '/«7. 0,« Uhr mir Predigt, vorm. 9 llhr Predigt. 0,10 Hochamt, uachm. 2 llhr Andacht mit Segen. — Wochentags hl. Messen früh S und 8 llhr. DtenSiao und Freitag 7 Uhr Schul- meste Freitag abends >/,8 Uhr KriegSandacht. Beichtgelegenheit täglich. früh llhr Serrnslretfche». Jeden Sonn- und Feiertag vo):m. 8 llhr hl. Meste, VelO Uhr hl. Messe mit Predigt. Wochentag« früh 0.8 llhr hl. Messe. FtstpPSdorf bei Georgswalde (Böhmen). Wallfahrtskirche. Sonn- und Festtags »rüh 0.6 Uhr hl. Kommunion, hierauf hl. Messe. 6 llhr hl. Messe, 7 Uhr SegeuSmeste, 8 Uhr hl. Meste, '/.io Uhr Predigt und hl. Amt, die hl. Kommunion wird vor und nach jeder bl Resse auSgetetlt, wie auch vor und nach der Predigt und sonst wie er notwendig ist, uachm. 0.2 Uhr kurzer hl. Segen für die Wallfahrer, 0,4 Uhr Predigt oder Christenlehre, hierauf hl. Segen. Die Weihe der Gegenstände ist hauptsächlich vor und nach jedem Gottesdienste. — Wochentag« früh 0,0 und 6 llhr hl. Meste, 7 Uhr Segensmesse und 9 Uhr heil. Meste, abends 0«? Uhr Rosenkrauz andacht in der Guadenkapelle (Sonnabends 6 Uhr in der Kirche). Der Tauchsche Daß der Jcihrmmckt einer Stadt als Volksfest in der Nackibarsladt gefeiert wird, so schreibt Dr. Siegfried Sieber- Aue in den „Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volks kunde", gehört sicher zu den Seltenheiten. Ties geschieht nälnnlich alljährlich im September in Leipzig, wo der Tau- chner Jahrmarkt zu einem großen Kinderfest geworden ist. Ehedem zogen an diesem Tage Leipzigs Bewohner mit Kind und Ziegel hinüber nach dem Städtlein an der preußischen Grenze und zwar unter allerlei Maskeraden »nd Mummen schanz. Heute spielt sich die ganze Lustbarkeit innerhalb der Stadt ab, besonders aber längs der Dresdner Straße im Vororte Reudnitz, während in Taucha selbst nur wenige Bu den stehen. Nahmen früher anch die Großen an den Mum mereien teil, so ist jetzt das Volksfest, wie so viele Festlich keiten zu einem .Kinderfest geworden. Die Kinder halten fest an dem Privileg sich maskieren zu dürfen. Schon wochcn- ja mondelang rüsten sie sich ans das Fest, salnmeln Federn und Zigarrenbänder, erbetteln von den Nanchwarenhändleru ans dem Brühl Reste von Fellen und richten sich Jndianer- kostüme von erschrecklichem Aussehen zu. Gelbe Hosen mit Federn oder Papierschnitzeln benäht, dazu ein Feder- Stirn reif, wie ihn Adlerauge, der große Häuptling, nicht schöner hatte, und flatternde gelbe Bänder an Kopf und Ellenbogen, sowie Katzenfelle auf Brust und Rücken bilden den Jdeal- anzng znm „Tanchschen". Wers verpaßt hat sich vorzube- reitcn, kauft sich wenigstens eine Art papiernen Lenden schurzes mit Fransen und Goldborden beim nächsten Papier händler. wo seit Tagen solche Dinge ausgestellt sind. Cha rakteristisch ist. daß gerade die ärmere Bevölkerung am leb haftesten sich am „Tanchschen" beteiligt. Gleich nach Mittag sieht man die ersten verdächtigen Gestalten nmherschleichen. Sie ziehen Wohl auch durchs ganze Hans, um sich borzustellen. Dann aber hälts den Bil den nicht mehr daheim, der Geist Monitous kommt über ihn und er begibt sich ans den Kriegspfad. Bald rotten sich größere Trupps zusammen und stürmen mit Spießen und Tomahaks bewaffnet unter wahrhaftem Jndianergeheul durch die Straßen. Gegen die an Gesicht und Händen kupfer- braun gefärbten Wilden werden alsbald Schntztruppler oder Trapper mit großen Tropenhiiten und Holzschilden aufge- boten. Seltener sieht man Militär mit Fahnen, Helmen und Säbeln in den Kanrpf eingreifen. Schon bläst einer als wär's mit dem Horn von Uri, gellende Pfiffe geben Signale, Kriegsgeschrei ertönt, die Lanzen schlagen gegen einander, Kriegsbeile krachen auf Holzschilden und die Zündblättchen knattern, sodaß alle Anwohner von dem Schlachtenlärm ans Fenster gelockt werden. Auch die Vorübergehenden bleiben stehen, um die oft wirklich gelungenen Masken zu beschauen, und der Schutzmann an der Straßenkreuzung drückt heute mindestens ein Auge des Gesetzes zu. Auch die Mädchen wollen nicht zurückstehen. Sie ver kleiden sich vielfach mit den Anzügen und Schulhosen ihrer Brüder, wie umgekehrt Buben in Mädchenkleidcrn herum stolzieren. Papiermützen, Notkäppchenkleider, Dirndlkostüme und allerlei Faschingsgewandung wird vorgesucht. Damit auch das zu einem Volksfest unumgänglich notwendige Back- Werk nicht fehle, haben die Bäcker heute Pflaumenkuchen in hohen Bergen übereinander geschichtet. Allerhand Näsche reien werden auf der Dresdner Straße in fliegenden Stän den feilgeboten. Konfetti liegt bereits am Nachmittag auf allen Straßen. Doch mit der Dämmerung beginnt der Haupt spaß: Frösche werden losgelassen, Buntfeuer angcsteckt, und bald zieht alle Welt mit Papierlaternen umher. Die Garten wirtschaften und Ballsäle der Reudnitzer Gegend sind illu miniert und haben Gartenkonzerte und Festbälle angesetzt. Zudem machen Kindertrompeten, Schnorren, Waldteufel ein höllisches Getöse, der Schreckschüsse nicht zu vergessen. Denn der Rat der Stadt hat heute seine Verordnung gegen die Radaublättchen natürlich vergeblich veröffentlicht: e8 wird Kacker geknallt. Leider ereignet sich hin und wieder bei all der Feuerwerkerei ein Unglück dadurch, daß die leicht ent zündbaren Kleider und Papierfetzen der Kinder in Mammen aufgehen. ^ Einige Jndianerherden ziehen Wohl auch hinaus auf die Messe, die da gleichzeitig am andern Stadtende ihre Bu den aufgerichtet hat. Besonders gute Masken dürfen viel- leicht auch mal auf dem Karrusel fahren. Bis zum späten Abend beherrschen die Leute aus Wildwest die Straßen. Geradezu überraschend wirkt es, wenn plötzlich unter den Bogenlampen der Grimmaischen Straße mitten zwischen heimkehrenden Theaterbesuchern eine Schar Rothäute auf taucht. Alles in allem ist der „Tauchsche" ein ganz eigenartiges Volksfest, das man trotz mancher Unzuträglichkeiten in unsrer Zeit mangelnden Volkshumors und eintönig werdender Volksbelustigungen ja bestehen lassen soll. — Ob der „Tauchsche" auch in dem jetzigen KriegSjahre in der bisherigen Lustigkeit und Fröhlichkeit gefeiert Kird, laßt sich jetzt noch nicht absehen, denn dies hängt von dem Stande des Weltkrieges im bevorstehenden September ab. ^ — — >