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Nr. L8. Dienstag den 4. Februar 1V08. 7. Jahrgang. -»§«««« »«den die 6 re Reltainen W VrMjeUe od. deren Raum Le berechn , betWtederh. bedeut «uchbrnckeeet, -tevaktt«» und «rschäftbftrH«, De vtlluttze* «t»a«r» 4L. — Fernsprecher Rr. lSS«. I »MM.»»«« » »» LMÄIWS-N-ZZMAZ M Lombsrtur ^uncj-V/a55er:: lafm- —^ dreme :: Pulver trei von 5slol, 5slicyl unck ctergl. rctiäckliclien ^ntireptik. l'leilil'icii Immpei' ltünlgl. 8oilirlrrsnt Vre5cjen-61tr1acjt 5porer- koke 5ctiÜ55ergs55« 5ctiuibücsier Vrieipapier Poesie- uncj Isgebaclier 5»t>UM5 l. pkotogi'. U.?05ll<. ^rstulationslcarten iür alle Gelegenheiten 8 /^5ikZljen allek 8 fkuhelten in 5slon-, lanr- unct I_ieäer-^Ibum5, ffumori5t»ks, 5aiten, kiotenpapiere etc. empfiehlt kleml'icli k^055eli, /^ol-i^ts.Z »Letut Xüniz-^ohann-5tf.:: Iel.6310:: Katalog grstü u.staLt» Der Königsmord in Portugal. Lissabon, 2. Februar. König Carlos und der Thronfolger wurden gestern nach der Rückkehr aus Villa Bicosa von einer Gruppe Bewaffneter erschossen. Jnfant Manuel wurde leicht verletzt. Die Königin blieb un- verletzt. Der Telsgraph trägt gewöhnlich jedes kleinere Un- glück mit pünktlicher Promptheit über den europäischen Kontingent. Obige schwerwiegende Depesche brauchte mehr als 12 Stunden, bevor sie aus Portugals Hauptstadt nach Berlin gelangte. Daraus kann man aus die Verwirrung schließen, welche die Ermordung des Königs und des Thron folgers im ersten Moment hervorrief. Man hatte es hier offenbar mit dem Versuch zu tun, die herrschende Linie aus- zurotten. Denn auch dem nächsten Anwärter auf den Thron, dem jetzigen König Manuel galt das tödliche Blei der Meuchelmörder. Wäre auch dieser als Opfer gefallen, dann frände das Regiment des Hauses Coburg auf den zwei Augen des Königsbruders, des Jnfanten Alfonso, und könnte durch eine Wiederholung des mörderischen Angriffes mit einem einzigen Schlage vernichtet werden; er ist der letzte Repräsentant des regierenden .Hauses. Die nächste Anwart schaft auf den Thron Portugals hat die österreichische Linie Braganza. Wenn wir nach den Ursachen suchen, welche die Mord waffen gegen den König und den Thronfolger erheben liehen, so sind diese nicht auf dem politischen Gebiete zu suchen. Wenngleich das Land in der letzten Zeit erregt war, weil die Regierung die verfassungsmäßigen Rechte nicht genügend respektiert hatte, indem sie nach Auflösung ves Parlamentes die Ausschreibung der Neuwahlen unter ließ, so war der Grund der Erregung bereits vor einem Monat hinn>eggeräumt, tveil Minister Franco die Neuwahlen für das Frühjahr anberaumt hatte. Man mag auch über die Herrsck-ertätigkeit des Königs Carlos verschiedener An sicht im Lande gewesen sein, trotzdem wird der Königsmord im ganzen Lande mit größter Einmütigkeit verurteilt werden. Die letzte Zeit brachte eine mehr absolutistische Negierungstätigkeit, die gegen die republikanische Be wegung gerichtet war. Aber trotzdem war Carlos kein Tyrann und die politischen Parteien hatten ganz andere Mittel in der Hand, um das Parlamentarische Regime im Lande wieder herzustellen; die Ermordung des Königs nnrd im Gegenteil alle patriotisch gesinnten Volksteile zur schärfsten Reaktion gegen die anarchistisch-republikanische Bc- n>sgung ausbringen. Die Opposition hat in der letzten Zeit viel von der Korruption im Negierungslager gesprochen und suchte sich damit die Sympathien im Volke zu erringen. Aber dieses Programm war nur auf Täuschung berechnet. Denn gerade daS Ministerium Franco ist es gewesen, das mit zäher Aus dauer die offenkundigsten Schäden der Korruption, die Vetternwirtschaft und den Aemterscl>acher zu beseitigen be müht war. Der Sturmlauf der Opposition in Parlament und Presse, in Volksversammlungen und in geheimen Kon- ventikeln galt keinem anderen Ziele als dem Ringen um die besten Plätze an der Staatskrippe Ote-toi, gne jo m'.v motto, wie fast immer bei revolutionären Bewegungen in romanischen Ländern, wo der ehrliche Fanatiker der Frei heitsidee nur eine seltene Erscheinung ist. Die zu Amt und Würden gelangte Revolution pflegt sich im ßsegenteil eben so gut die Taschen aus den Staatskassen vollzustopfen wie diejenigen, die man mit der Freiheitsfahne in der Hand von der Festtafel Vortrieben hatte. Der Anarchist oder Sozialist, der durch die „Propaganda der Tat" sein repu blikanisches Paradies cinrichtet, ist ein noch größerer Volks- ausbeuter, als er überhaupt in einem monarchisch regierten Lande möglich ist. Hinter den Aushängeschildern für die revolutionären Parteien in Spanien und Portugal steht der Machthunger, und ihre Anhänger meinen die Versorgung mit Aemtern und Würden als verlockenden Lohn einzuheimsen. Von einer sozialen Politik hat man in Portugal noch nichts ver- nommen. Um das Wohl der Volksmassen kümmert man sich blutwenig. Einmal schwimmt die liberale, ein andermal die konservative Richtung obenan und sorgt für sich an der Staatskrippe. Mit der materiellen Hebung des Volks- »vohles haben diese Parteikämpfe nichts zu tun. Diesmal hat man das Haupt des Königs nicht geschont. Es handelt sich offenbar um keine patriotische Partei im Vaterlande, sondern um eine anarchistisch-republikanische Tat, die mit einem Schlage das ganze Königsgeschlecht der Dynastie Nraganza vernichten wollte. Der Anschlag ist nur teilweise gelungen, aber er hat immerhin die portugiesische Monar chie in ihren Grundfesten erschüttert. Werden die ruchlosen Mörder Erfolg haben? Wird die republikanische Partei, aus deren Kreise sich zunächst der Verdacht der Urheber schaft lenkt, die günstige Gelegenheit benützen, um in der allgemeinen Bestürzung die Verwirklichung ihres Ideals zu versuchen? Die nächsten Tage und Wochen werden uns die Antwort darauf geben. König Dom Carlos, am 28. September 1863 ge boren, regierte seit dem 19. Oktober 1889. Er war seit 1886 mit Amalie, Prinzessin von Orleans, verheiratet, die ihm zwei Söhne gebar, den Kronprinzen Dom Lud wig Philipp, geboren am 21. März 1887, und den Prinzen Manuel, geb. ani 15. tllovember 1889. Dom Carlos hat sich im allgemeinen stets als konstitutioneller Monarch gezeigt, und erst im Mai vorigen Jahres brach er mit dem Parlament. Minister Franco bekämpfte die schweren Schäden im Parlament in rücksichtsloser Weise. Seit vielen Jahrzehnten herrschen in Portugal nämlich zwei Parteien: die Negenerados (Konservative) und die Pro- gressisten (Fortschrittler). Sie lösten sich in ziemlicher Regelmäßigkeit ab und suchten möglichst vielen Anhängern eine schöne Sinekure an der Staatskrippe zu verschaff m. Da kam die Finanzkrise. Nun griff der König zum Radikal mittel der Diktatur, der Negierung ohne Parlament. Das ivar natürlich ein Griff ins Wespennest und die Gegen aktion wurde allmählich immer stärker, obwohl dem Diktator Franco nachgerühmt werden muß, daß er das bisher chro nische Defizit von etwa 30 Millionen Francs auf 10 Millio nen jährlich herabgemindert hat. Die republikanische Par tei schürte die revolutionäre, antidynastische Strömung im Volke. Diese schwoll zuletzt derartig an, daß Diktator Franco die schärfsten Gegenmaßregeln ergriff: die gegne rische Presse wurde unterdrückt, strengste Depeschenzensur eingeführt, alle politischen Vergehen dem Anarchistengeseh unterstellt und am Tage der Ermordung des Königs auch die Deportation verdächtiger Personen nach den Kolonien verfügt. So hat der König in der besten Absicht Ordnung zum Besten des Volkes zu schaffen gesucht. Der Lohn war seine Ermordung. Gerechte Entrüstung und ehrliches Mitleid mit der schinergeprüften portugiesischen Königsfamilie muß diese verdammungswürdige Tat in ganz Europa Hervor rufen. Auch das sächsische Königshaus ist durch das Un glück in neue Trauer versetzt worden. Beide Könige waren durch vernxmdtsckiastliche Bande miteinander verknüpft, denn der Vater des ermordeten Herrschers und die Mutter Sc. Majestät unseres Königs waren Geschwister. Ueber die Ermordung des Königs und des Kronprinzen werden folgende Einzelheiten bekannt: Eine große Volks menge hatte sich angesammelt, um die Vorbeifahrt des Königs zu sehen, der mit der Königin und den beiden Prin zen von der Villa Dicosa ins Schloß fuhr. Als der offene Wagen in gewöhnlichem Tempo am Finanzministerium in der Praca do Commercio vorbeifuhr, drängte sich aus der Menge ein Mann im Sportanzug vor und gab mit einem Revolver einen Schliß auf den König ab, der diesen an der linken Seite verwundete. Die Königin und der Kronprinz stießen Schreie aus. Die Königin erhob sich, indem sie mit einem in der rechten Hand gehaltenen Blumensträuße ans den Angreifer hinwies, der alsbald einen zuzeiten Schuß abgab, der den König in den Rücken traf. Der König fuhr mit der Hand nach dem Kopfe und fiel auf die rechte Seite. Mehrere Personen stürzten sich auf den Mörder, der, indem er zu Boden gerissen wurde, noch einen dritteil Schuß abgab, der in die Lnft ging. Inzwischen lvar ein zweiter, in einen großen Mantel gehüllter schlvarz- bärtiger Mann an den Wagen herangetreten und batte znx?i Schüsse auf den Kronprinzen abgegeben, die diesen im Ge sicht und an der Brust trafen. Als er zum dritten Male schießen wollte, schlug ihm ein Polizeibeamter die Waffe aus der Hand und tötete ihn durch einen Säbelhieb. In diewm Augenblicke allgemeiner Panik erschien der -Herzog von Oporto im Automobil, zog einen Revolver aus der Tasche und folgte mit der Waffe in der .Hand dem könig lichen Wagen, der in das Marinearscnal einfuhr. Die Ver wirrung war eine allgemeine. Der Tod des Königs trat sofort ein. Der Kronprinz lebte noch fünf Minuten. Die Leichen wurden auf die ärztlick-e Station des Marine arsenals gebracht. Hier stellten die Aerzte fest, daß der Köllig zwei Kugeln erhalten hatte von denen die eine die Wirbelsäule getroffen hatte. Bei dem Kronprinzen Nxir die eine Kugel durch die rechte Wange in die Nase gegangen, während die andere, die das Brustbein durchdrungen batte, die Lunge durchbohrte. Inzwischen befanden sich die Königin und der leichtverletzte Jnfant Manuel, dein ein Verband an gelegt wurde, in einem anderen Raume de? Arsenals, wo sie erst den Tod de? Königs und de? Kronprinzen erfuhren. Auch die Königin-Mutter Pia war dort eingetroffen. Der Minister des Aeußeren dagegen macht in einer Mit- teilung andere Angaben. Danach waren die Mörder des Königs sechs mit Karabinern und Revolvern bewaffnete Personen und die von politischen der Regierung feind lichen Agitatoren bezahlt wurden. Unter den Getöteten sei ein Franzose, der den für die Beteiligung an dem Ver brechen gezahlten Preis in einem Beutel bei sich trug. Lissabon, 2. Februar. Das Befinden des Königs Manuel ist befriedigend. Seine Verwundung hatte bisher keine Komplikationen im Gefolge. Im Schlosse fanden sch zahlreiche Personen ein, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Auch aus allen Teilen des Landes laufen Beleidsäußerungen ein. Ten Behörden gehen allenthalben Ergebenheitskund gebungen zu. Lissabon, 2. Februar. Das Amtsblatt veröffent licht eine Königliche Botschaft, durch die auf vier Monate allgemeine Trauer angeordnet wird. Alle öffentlichen Lust barkeiten fallen auf die Dauer von acht Tagen aus. Der Staatsrat wird heute zusammentreten, um Manuel II. als König zu proklamieren. Königin Amalie empfing gestern abend die Führer der Konservativen Pinto und General Pimentel, sowie den Führer der Nationalisten Grafen Brentiandos und hatte noch eine längere Besprechung mit dem Ministerpräsidenten Franco. — Die Leichen des Königs und des Kronprinzen sind einbalsamiert und in demselben Zimmer des Schlosses aufgebahrt. Ueber den Tag der Bei setzung ist noch nichts bestimmt. König Manuel trägt einen Arm in der Binde und erklärte, daß er keine Schmerzen habe. Tie Polizei beobachtet das strengste Schweigen über die Persönlichkeiten der Mörder und die von ihr eingeleitete Untersuchung. Lissabon, 2. Februar. Eine Sonderausgabe des „Diario do Governo" veröffentlicht folgende Proklamation des Königs Manuel: „Portugiesen! Ein verabscheuungs würdiger Anschlag hat inein Herz mit tiefstem Krimmer als Sohn und Bruder erfüllt. Ich weiß, daß die Nation meinen Schmerz teilt und mit Unwillen dieses entsetzliche und in der Geschichte noch nie dagewesene Verbrechen ver dammt. Durch die Verfassung bin ich berufen, die Ge- schicke des Königsreicl>es zu leiten. Demgemäß werde ich alle meine Kräfte anstrengen znm Wohle des Vater landes und uni die Liebe des portugiesischen Volkes zu gewinnen. Ich werde für die katholische Religion und den unantastbaren Bestand des Königreiches eintreten und die politische Verfassung des Volkes zu erhalten trachten. Auch erkläre ich, daß ich gesonnen bin, die gegenwärtigen Mini ster in ihren Stellungen zn belassen. Gez. Manuel II." Die Proklamation ist von allen Ministern gegen gezeichnet Lissabon, 3. Februar. Einer der Königsmörder heißt Manuel Buica, ist 30 Jahre alt, war früher Sergeant im 7. Kavallerieregiment, dann Schilllehrer in Vinhcws und seit acht Jahren Schullehrer in Lissabon. Die beiden anderen sollen ebenfalls Portugiesen und Handlungsgehil fen sein. Lissabon, 2. Februar. In einem unter dem Vor sitze des Königs stattgehabten Ministerrate boten die Füh «rer der monarchischen Parteien Franco, Luciano Castro und Dilhene dem Könige ihre Unterstützung für eine Politik der monarchistischen Konzentration an. Der König hat das Anerbieten angenommen. Das gesamte Ministerium hat seine Entlassung eingereicht. Mit der Bildung des neuen Ministeriums, das ein Ministerium der monarchistischen Konzentration sein soll, ist dem Vernehmen nach Admiral Ferrciro beauftragt worden. In der Sitzung des Staats rates, der auch die Königinnen Amalie und Maria Pia, sowie der Herzog von Oporto beiwohnten, gab Luciano Castro den: Schmerze und dem Abscheu über die Mordtat Ausdruck und wünschte dem Könige eine glückliche und geseg nete Negierung. Nach dem Staatsrate konferierten der König und die Königin Amalie mit den drei Parteiführern. Deutsche Neiltrstag. Der Reichstag vollzog am Sonnabend zunächst die Abstimmung über den Kommissionsanlroa der Budget- kommissicm. betr. die Berücksichtigung der Bestimmungen der Tarifverträge auf Lieferungen für die Marineverwaliung und die Anhörung und Mitwirkung der Arbeite?ousschüsse bei der Regelung der Arbeitsverhältnisse in den reichscigenen Marinebetrieben. Der sozialdemokratische Antrag, auch die Arbeiterorganisationen zn hören, wurde mit 166 gegen 114 Stimmen des Zentrums, der Wirtschaftlichen Ber einigung. der Polen und Sozialdemokraten abgelehnt. der Kommissionsantrag mit 2l3 gegen 67 Stimmen der Kon servativen und Nationalliberalen angenommen. Dann der Nachtragsetat. bcti. die Entschädigung für den Grafen Zeppelin ohne erhebliche Debatte angenommen und der Etat des Reichseisenbahnamts erledigt, bei letzterem fragt der ZentrumSobgeordnete Jäger über die Verstaatlichung der Gotthardbahn an, ohne Antwort zu erhalten. Eine Anzahl von Petitionen wurde erledigt, wichtigere Petitionen jedoch von der Tagesordnung abgesetzt, dar unter leider auch die betreffend Aushebung des 8 175 des Strafgesetz- buche«. Am Montag beginnt die Beratung des MilitäretS.