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zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer tobt, scheinen end lich Einigungsverhandlungen zum Frieden zu führen. Dele gierte der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter dem Vor sitze von unparteiischeu Sachverständigen sind zur Regelung der Streitfragen im Reichstagsgebäude zu Berlin seit bei läufig einer Wocl>e versammelt. Als Unparteiische wirken Geheimrat Tr. Wied seid, Gewerbegerichtsdirektor Tr. Brenner-München n. Oberbürgermstr. Tr. Beutler- Dresden. Um nicht den Schein zu erwecken, als ob eine der beiden Streitparteien die Vermittelung der deutschen Negierung angerufen, konstatierten die unparteiiscl-en Sach verständigen, das; die Bauarbeiter ebensowenig wie die Arbeitgeber ans Wiederaufnahme der Einigungsverhand- lungen gedrängt Hütten. Gleich beim ersten Punkte der Verhandlungen, dem zentralen Abschlüsse des Tarifver trages, klafften die alten Gegensätze deutlich auf und das gleiche Scl-anspiel sah man bei fast allen anderen Streit fragen. Bei der Arbeitszeit lehnten die Arbeiter die Be stimmung, das; unter den zehnstündigen Arbeitstag nicht heruntergegangen werden dürfe, entschieden ab. Ebenso blieb die Ueberstnndenregelung bestritten. In der Lohn frage näherte man sich ein wenig hinsichtlich der Forderung angemessener Gegenleistungen, während bei der Akkord- löhnnng trotz längerer Tiskussion nur soviel heranskam, das; die Unparteiischen Einignngsvorjchläge ausarbeiten werden, lieber die Auszahlung wurde eine Verständigung dahin erzielt, das; l ltägige Lohnzahlungsabschnitte nebst wöchentlichen beibehalten werden dürfen. Auch über die Schlichtungen von Streitigkeiten wurden Vereinbarungen erzielt. Behufs endgültiger Entschließung über die Vor schläge der Unparteiischen hatte der Zentrnlvorstand des Deutschen Arbeitgeberbnndes für das Baugewerbe eine außerordentliche Generalversaninililng der Vertreter der Arbeitgeberverbände für Montag nach dem „Zoologischen Garten" zu Leipzig -.unberufen. Wie wir bereits gestern mitteilten, wurden die Verniittelnngsvorichläge der Un parteiischen angenommen unter der ausdrücklichen Voraus setzung, daß sie auch von den Arbeitnehmer» bedingungslos angenommen werden. Mit der Annahme der Resolution ist von den Arbeitgebern für die Beilegung der Differenzen bezw. der Aushebung der Aussperrung im gesamten Tentschen Reiche der wichtigste Schritt getan. Allerdings ist weiter noch das Zustandekommen der örtlichen Verträge erforderlich, die bis zum Ul. Juni abgeschlossen werden müsse», In Orten, in denen Verträge nicht zustande kom men, muß bis zum ID Juni eine Entscheidung seitens des Zentralschiedsgerichtes gefällt werden. Diesem gehören !'. Unparteiische, !! Arbeitnehmer und !1 Arbeitgeber an Erst nach Annahme aller Verträge wird die Sperre allge mein am lä. Juni aufgehoben werden können. Tie Ver bände der A r b e itne h m e r des Baugewerbes traten ebenfalls ran Montag in Berlin zur Beratung der von der unparteiischen >!ommission unter dem Vorsitz des Geh. Regiernngsrates Wiedfeldt vom Reichsamte deS Innern gemachten Vorschläge zur Einigung im Baugewerbe zu sammen. Tie Beschlüsse der Gewerkschaften ergaben An nahme der Vorschläge. Ter Beschluß erfolgte gegen eine verschwindend kleine Minorität. Tic Erhöhung der Zivillistc. Gleich uns macht auch das führende Berliner ZentrnmSorgan auf eine Kon sequenz der Erweiterung des neuen Gesetzes aufmerksam: die „Germania" schreibt nämlich: „linier den Gründen für die Erhöhung der Zivilliste führt die „A'orddd. Allgeni. Zeilg." an erster Stelle an, daß. die Rente, die die ztrone für die vor 90 Jahren an den Staat abgetretenen Tomänen und Forsten beziehe, nicht mehr dem heutigen Ertrage dieser Tomänen und Forsten entspreche, sondern die Wert- und Ertragserhöbnng allein dem Staate zugute komme. Wir möchten die Negierung aufmerksam machen auf einen Vertrag, den die preußische Negierung vor ebenfalls 90 Jahren mit dem heil. Stuhle abgeschlossen hat und der in der Bulle I><- milnt«- n»i- NNNNINI filiert ist. In diesem Vertrage, der die Kraft eines Staatsgesetzes erhallen hat. verpflichtet sich die Ne gierung, die Bistümer zum Ersatz für die säkularisierten .stirchengüter i» Grund und Boden zu dotieren. Sie ist aber der Verpflichtung nicht nachgekommen, sondern hat der Kirche Vorbezahlung gewährt, die von Anfang an einen recht geringen Ersatz für die ihr vorenthaltenen Einnahmen aus Grund und Bode» waren, von Ersatz der säkularisierten Kirchengiiter gar nicht zu rede». Inzwischen sind die Bodenerträge fortgesetzt gestiegen, die Staatsdotation an die Bistümer ist aber niemals erhöht worden. Tie Ne gierung hat ans Mahnungen hi» vielmehr erklärt, mit der einmaligen Festsetzung der Dotation in Geld sei die Sache für sie erledigt. Wenn nun der steigende Ertrag der To mänen und Forsten, die die Krone dem Staate überlassen hat, als Grund für die Erhöhung der Zivilliste angegeben wird, wäre da nicht auch eine weit höhere Dotierung der Bistümer als Ersatz für die Einnahmen ans denen ihnen vom Staate vorenthaltenen Gütern angezeigt?" Ganz unsere Ansicht. lieber dc» Sturz Tcrnburgs sind die Tüdwest- asrikaner am meisten erfreut; Tr. Rohrbach schreibt darüber: „Ans jeden Versuch einer Rechtfertigung Tern- bnrgS hagelte es Zitate ans seinen Reden im Reichstage, in der Bndgetkvmmission, in Windhuk und bei sonstigen Gelegenheiten. Zitate, die von scharfen Angriffen auf die Ehrlichkeit, den guten Willen und das Verständnis der Diamanteninteressenten, der Bevölkerung und der Beamten schaft voll waren. Ternbnrg hat schon bei seiner Anwesen heit i» Windhuk 1908 die politischen Wünsche angesehener Persönlichkeiten unter Verwendung von Ausdrücken wie - „Esel", „sandnmm" und dergleichen znrückgewiesen. Nun kam als weiterer Zündstoff »och dazu, daß die unglückselige Nachverzollnng dem Landesrate gleichfalls vorlag. lieber die Frage der inneren Berechtigung dieser Maßregel kann verschieden geurteilt werden; jedenfalls protestierten die Kauflente heftig, und nachdem ein Schiedsgericht bereits zn ihren llngnnsten geurteilt hatte, ergab unvermutcter- weise eine Entscheidung des Windhnker Bezirksgerichtes, die vom Obergerichte bestätigt wurde, die formelle Nechts- ungültigkeit der ganzen Verordnung über die Nachvcr- zollung. Daraufhin dekreditierte der Staatssekretär — wozu er vom formal juristischen Standpunkte, aus befugt ist — auf nunmehr rechtsgültige Weise die Nachverzollung von neuem und zwar in rückwirkender Kraft! Vom poli tischen Standpunkte aus betrachtet muß diese Maßregel, trotz einiger Gründe, die sonst für sie angeführt werden könnten, als ein schwerer Fehler bezeichnet werden. Sie wurde im Landesrate natürlich in bitterster Form an dem Prinzip des „kaufmännischen Anstandes" gemessen, das der Staatssekretär zugunsten der von ihm beliebten Begünsti gung der Kolonialgesellschaft und des übrigen Groß kapitals immer wieder ins Feld führt, und einstimmig wurde die Nachverzollung mit der Motivierung abgelehnt: Wir wissen zwar, daß unser Protest nichts hilft und der Zoll trotzdem dekretiert wird, aber wir wollen wenigstens den Finger darauf legen, daß Dernburg hier, wo es sich um uns „kleine Leute" handelt, mit einem Federstrich das Urteil des höchsten Gerichtes im Lande zunichte macht und uns zahlen läßt, während er den Großen Zuwendungen macht. Mit dieser bitteren und nicht unbegründeten Klage über das durch Dernburg herbeigeführte Gefühl der Rechts- nnsicherheit endeten die eigentlichen Verhandlungen des Landesrates." Die neue Revisionsbcgründung. Gemäß den neuen am l. Juni in Kraft getretenen reichsgesetzlichen Bestim mungen muß die Nevisionsbegründung enthalten 1. die Er klärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Auf hebung beantragt werde (Revisionsanträge); 2. die Angabe der Nevisionsgründe, und zwar: n) die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; v) insoweit die Revision darauf ge stützt wird, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren ver letzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, welche den Mangel ergeben. Sofern nicht dem Revisionskläger das Armen- recht bewilligt ist oder Gebührenfreiheit zusteht, hat dec Vorsitzende eine Frist zu bestimmen, innerhalb deren der Nevisionskläger den Nachweis zu erbringen hat, daß er den für die Revisionsinstanz von ihm erforderten Gebühren- vorschns; gezahlt hat. Wird der Nachweis nicht vor dem Ablauf der Frist erbracht, so gilt die Revision als nicht in gesetzlicher Form begründet. Hat der Revisionskläger die Bewilligung des Armenrechtes vor Ablauf der Frist bean tragt, so wird der Lauf der Frist bis zur Zustellung des auf dieses Gesuch ergehenden Beschlusses gehemmt. Der Beurteilung des Nevisionsgerichtes unterliegt nur das jenige mündliche Parteivorbringen, welches aus dem Tat bestände des Bernfnngsnrteiles oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Oefterretch-U»H«r». — Der Sieg der ungarische» Regierung bei den jüngsten Wahlen nimmt sich bei einer nüchternen Betrachtung der Dinge durchaus nicht so großartig aus. als die liberale Presse glauben machen möchte. In Ungarn ist jeder Regierung, wenn sie entsprechend skrupellos vorgeht, der Sieg bei Wahlen sicher. Wäre zufällig Justh oder ein anderer der jetzt unterlegenen Parteiführer bei der Aus schreibung der Neuwahlen an dec Spitze der Regierung gestanden, er hätte ebenso gewiß das Wahlschlachtfeld als Sieger verlassen. Denn der Sieg wird nicht erwählt, sondern zum Teile dekretiert, zum Teile erkaust. Es gilt nicht, die Sympathie der Wähler zu gewinnen, sondern sich die Mithilfe der Stuhlrichter, der Wahlvorsteher, der Gendarmen, des Militärs und — das nötige Kleingeld zu sichern. Der Wähler und seine Meinung sind bei ungarischen Wahlen das Nebensächlichste der Welt. Sind in einem Wahlbezirke die Wähler besonders bockbeinig und versteifen sich auf einen oppositionellen Kandidaten, so läßt mau einfach nur jene Wähler zur Urne, deren Stimmen man sicher hat. falls man ans die Eroberung gerade di.s.s Bezirkes besonderen Wert legt. Da die Wahl eine öffent liche ist, und die Wähler sich schon vor der Abstimmung nach ihrer politischen Gesinnung gruppieren, hat das weiter keine Schwierigkeiten. Auf solche Weise hat auch Gras Khuen „gesiegt". Er siegte, wie alle seine Vorgänger in Ungarn gesiegt haben. Zu den Machtmitteln, die in Ungarn jeder Regierung zu Gebote stehen, fügten sich die zwölf Millionen Mahlsands, die ihm die des unfruchtbaren Koalitionsrcgiments überdrüssigen Banken und die Indu striellen zur Verfügung gestellt hatten, als ein besonders feines Geschenk. Also nicht der Sieg KhuenS ist daS Wunderbare, sondern daß die Parteien der verflossenen Koalition nicht imstande waren, die Wurzeln ihrer Macht mehr zn vertiefen. Der Kossuthismus war ebenso Mache, wie der Liberalismus, ohne Förderung durch die Regierung unfähig zu lebe». Das Volk in Ungarn ist ebensowenig kossuthistisch, als es liberal ist. das Volk hat bei den Wahlen nichts zn sagen, daher „siegt" im Wahlkampfe, wer gerade an der Krippe sitzt und die Wahlen „machen" kann. Das ist die Wahrheit über die letzte Wahl in Ungarn. Khuen wird nun zu zeigen haben, ob er imstande ist, nstt seiner Mehrheit parlamentarisch zu regieren. Die Opposition ist noch immer stark genug, um ihm die Freude an seinem Siege zu vergällen. Es ist auf dem ungarischen Globus viel mehr Komödie, als auf der übrigen Welt. Belgien. Ein liberaler Sieg. Bei den letzten Kannncrwahlen in Belgien haben die Liberalen den Katholiken nur ein einziges Mandat entrissen und auch dieses wird wegen der ungeheuerlichen Wahlkorruption, der der Liberale May seine Wahl verdankt, kassiert werden. Auch die liberale und sozialistische Presse muß bereits zugeben, daß May seine Wahl nicht seinem Liberalismus, sondern seiner Liberalität zn verdanken habe. 100 Wähler haben bereits erklärt, daß ihre Stimme von Herrn May direkt gekauft worden sei. Tie sozialdemokratische „Leipziger Volkszeitung" vom 3. Juni 1910 bemerkt hierzu: „Der Fall gewinnt dadurch an Bedeutung für die sozia listische Arbeiterpartei, daß in Nivelles ein Kartellbündnis zwischen Liberalen und Sozialisten geschlossen worden war, also der biedere Herr May, übrigens einst ein reicher i n d u st r i e I l c r Unternehmer, mit den Sozialisten auf einer Kandidatenliste stand, so daß nach dem belgischen System der Listenwahl mit Proportionalvertretung die für ihn „abgegebenen" Stimmen auch den sozialistischen Kandi daten zugute kamen. Die Affäre wird jedenfalls nicht dazu beitragen, das Prestige des Blockgedankens in den Augen des aufgeklärten Teiles der belgischen Arbeiterschaft zu er höhen." Marokko. — Die Lage Muley HafidS. Die Situation des Prätendenten Muley Kebir hat sich erheblich durch die Desertion von zwei Detachements der Mahalla Muley HafidS gestärkt. DaS Beispiel desertierender Stämme fand bei den Bent Messara Nachahmung. Ter Prätendent wird im Vor- Marsche nach FeS nur noch durch die Mahalla von Buchta Bagdad! aufgehalten, deren Zuverlässigkeit nicht über allem Zweifel steht. Die Lage Muley HafidS soll heute gleich kritisch sein wie die von Abdul Asts vor zwei Jahren. Aus Stadl und Land. Dresden, den 8. Juni 1910. —* „Ein Opfer de» schwarz blauen Blocks" soll nach den „Dresdner Neuesten Nachrichten" der Staatssekretär Dernburg sein; das Blatt schreibt unter obiger lieber- schrist am Schlüsse eines Wahres und Falsches über die Verdienste DernburgS enthaltenden Artikels: „Mehr noch als der Verlust des einzigen Kaufmanns in der Reichsverwaltung trifft das Volk der Nachweis, daß die Macht der Ultramontanen und der mit ihnen verbün deten Agrarier nie größer war. als in den Tagen, da der Papst die Väter der Reformation mit Hilfe deutscher Blättcr, mit Hilfe der Zentrumspresse öffentlich in fana tischer und verletzendster Art beschimpfen durfte. Das Symp tomatische dieses Ministersturzes ist: ein Sieg der Ultra montanen mit Beihilfe von deutschen konservativen Männern. Und das ist — mag Dernburg durch den tüchtigen Linde- quist ersetzt werden— das Bleibende in diesem Vorgänge." Für die denkfaulen Leser ist das eine Offenbarung. Nach den Beweisen wird ja nicht gefragt. Und doch muß man über diese Behauptungen herzlich lachen. Wir lassen die Tatsachen sprechen: Als Dernburg aus Afrika nach Berlin zurückgekehrt war, ergab eS sich, daß seine Kolonial politik fast nur bet dem Zentrum Unterstützung fand, denn er führte aus, was er seinerzeit vertreten hatte; das war 1908 noch in der Blockära, dann kam der Krach in den Block wegen der Finanzreform. Wiederum war Dernburg am Zustandekommen wesentlich beteiligt, gab Ratschläge und förderte das Zustandekommen der Reichbfiuanzreform durch Konservative und Zentrum; so geschehen im Jahre 1909. Dernburg blieb dann noch 11 Monate im Amte, nachdem der Block in Trümmer gegangen war. Erst seine falsche großkapitalistische Politik brachte das Zentrum in Gegensatz zum Staatssekretär. Durch den TippelktrchSvertrag kam er ins Amt. durch den Dtamantenvertrag brach er sich das Genick. So stehen die Sachen in Wirklichkeit und es ist gut, daß gezeigt wurde, daß man eine Politik des Verschenkend des StaatSvermögens im Reichenicht duldet. Die Lobsprüche seiner Freunde gönnen wir ihm gern; so meint sein „Berliner Tageblatt": „So scheidet aus der Regierung das einzige Mit glied, das glanzvolle Leistungen aufzuweisen hatte und den Durchschnitt überragte, die einzige wirklich im Leben stehende und populäre Persönlichkeit. Wie Dernburg in kurzer Frist das deutsche Kolonialreich, das nur eine große Sandwüste schien, zu unerwarteter Blüte gebracht, wie er in unermüdlicher Agitation das' Interesse der skeptischen Handelswelt geweckt, das haben wir alle überrascht und bewundernd mtterlebt." In den „Dresdner Neuesten Nachrichten" ist zwar kein Papa Dernburgs beschäftigt, aber der Instinkt für großkapitalistische Stege ist der gleiche, daher auch die Lobeshymne zum Abschied Dernburgs ebenso begeistert klingt. —* Tie Monatsblättcr für die Mitglieder des Evan gelischen Bundes berichten in ihrer Nr. 6 (Mai 1910) eine herzzerreißende Geschichte von einer Frau aus Unter- Tannowitz bei Nikolsburg (Mähren), die aus eigener Ueberzeugung zur evangelischen Kirche übcrgetreten war und seitdem, als die einzige Evangelische ini Orte, auf das schlimmste verfolgt werden soll. Man habe sie — so er zählen die Monatsblätter — auf dem Kirchgänge in empö render Weise und mit Steinwürfen bedroht. Um sie der katholischen Kirche wiederzugewinnen, habe man es dann in Güte versucht, ihr ein Häuschen zum Geschenke angeboten und sie während ihrer Krankheit von den sie pflegenden Barmherzigen Schwestern bearbeiten lassen. Als auch das nichts fruchtete, soll man im geheimen gegen sie gehetzt und ihr sogar eines schönen Tages ihre nicht unbeträcht lichen Vorräte an Haarnetzarbeiten verbrannt haben, so daß sic gezwungen war, ihr Schwein, Korn und Nüsse usw. zu verkaufen, um den Schaden zu ersetzen. Als sie dadurch an den Bettelstab gekommen sei, habe ihre Schwiegertochter sie von sich gewiesen und ihren Kindern erzählt, sie seien von Gott gestraft um der lutherischen Großmutter willen. Wie die E.-A. erfährt, sind das lauter tolle Mätzchen, die die Frau — Apollonia Holzer — erfunden hat, um von ihren nunmehrigen evangelischen Glaubensgenossen leichter Unterstützung zu bekommen. In Unter-Tannowitz küm mert sich keiner um die Frau, man hat sie weder mit Stein- Würfen bedroht, noch ihr ein Häuschen versprochen, weil niemand Häuschen zu verschenken hat. Man weiß nichts davon, daß sie von Barmherzigen Schwestern, die in Unter- Tannowitz gar nicht existieren, gepflegt wurde. Die Ge schichte mit dem Verbrennen ihrer Vorräte ist unwahr, ebenso unwahr, daß ihre Schwiegertochter sie verflucht hat, denn sie hat gar keine Schwiegertochter. —«Wetterprognose der König!. Eächs. Lanbr»- Wetterwarte zu Dr«»d»n flir den 9 Juni! Nördliche Winde, wolkig bis beiter, elwos knller, keine erbebl'iben Niederschläge. —* Der Protektor und Vorsitzende des Deutschen S ch u l s ch i f f v c r e i n s Se. König!. Ho- heit der Großhcrzog von Oldenburg traf gestern in Dresden ein, nin mit den Mitgliedern der sächsischen Vereinigung des Tentschen Schulschiffvereins zusammen sein zu können. Aus diesem Anlasse hatte der Vorsitzende des Vorstandes dieser Vereinigung, Herr Geh. Kommerzien rat Lingner, auf seiner Besitzung Villa Albrcchtsberg in Loschwitz eine Festlichkeit veranstaltet, an der zahlreiche bekannte und hervorragende Persönlichkeiten aus Dresden und ganz Sachsen teilnahmen. Die Stadt Dresden war durch die Herren Bürgermeister Dr. Kretzschmar und Dr. May sowie Stadtrat Baurat Adam, und das Stadtverord- netcnkollegium durch Herrn Vizevorsteher Obermeister Un rasch vertreten. Außerdem war die Großindustrie und die