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Nr. 243 — A. Jahrgang Sonntag den 23. Oktober IVLV MchsislheUolksMum Orlchemt täolich nachm, mit RuSnahme der Sonn- und Festtage. AuSaabe 4. > Mit „Di- Zeit in Wort und Mid" dierteljShrlich- 2.IV In Dresden durch Boten 2,4« In gani Deutschland frei HauS 8,82 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit IS Reklame» mit S« 4 die Zeile berechne!, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt Buchdruck«»»«, Redaktion und tSeschästSftclle: Dresden, Pillnitzer «tratze 4». - Fernsprecher 1»«« gürRiiikgabe unverlangt. Schriftstück« kein« iverbtnd»tchk«t1 RedailionS-Sprechstunde: l >12 Uhr, :: pulsen 8^8^88^ 30 ^nsülokd- unct ^dsilsb-^us'nakmvn Vsegnällseungsn Xlnctsudlictsn Spont o peolov rnälliß 1'si.-^nmolctun8l037 Litte ssi-obiereri 3ie tmsereli lioelitemen fcimilien-^Zsfee per Lirmcl 1,35. loecÜNZ 8- stockstcosi, »cesäen. ktisrssi'Isß^n >e> alisri Sdactttsilsei. FnrdieMouateNovemberu.Dezember abonniert man aus die „Sächsische Bolkszeitung" mit der täglichen Roman betlage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 1.2V M. (ohne Bestellgeld), durch den Bolen ins HouS 1.40 Nt. Bezugspreis auf die Ausgabe mit der illustrierten Unterhaltungsbeilage „Die Zeit in Wort Arbetterversicherung und Armenpflege in Deutschland. Bei den Betrachtungen, die anläßlich des Jubiläums der deutschen Arbeitsrversicherung über deren bisherige Wirksamkeit angestellt werden, spielen auch die Beziehungen zwischen Arbeiterversicherung und Armenpflege eine immer wiederkehrende Rolle. Zwei Fragen sind es, die hierbei vor nehmlich interessieren: 1. Hat die Arbeiterversicherung aus die Armenpflege entlastend gewirkt? 2. Steht die Arbeiter versicherung in Beziehung zu dem Ansteigen der deutschen Armenetats? Die deutsche Arbeiterversichcrung hat tatsächlich — ent sprechend der ursprünglichen Absicht der Legislative — die Armenpflege entlastet. Diese Wirkung mußte nach der ganzen Organisation unserer Armenpflege und Arbeiter versicherung notgedrungen eintreten. Sie zeigt sich denn auch, wenn man die Versicherungsleistungen nach der Art des damit bedachten Personenkreises, sowie nach ihrer be sonderen Beschaffenheit analysiert. Es sind jetzt rund 13 Millionen Personen gegen Krank heit, 18 Millionen gegen Invalidität und Alter, 23 Millio nen gegen Unfall versichert. Jeder weiß, daß diese Ver sicherten Schichten angehören, die nicht etwa nur die Elite der Arbeiterschaft, sondern auch die breiten Massen der Lohnarbeiter und damit einen namhaften Teil der früheren Klientel der Armenpflege umschließen. 7,6 Milliarden Mk. wurden in der Zeit von 1888—1903 für die Arbeiter-Versicherung aufgewendet-, 2 Millionen Mark kommen durchschnittlich täglich den Versicherten zu gute. Was geschieht mit diesen respektablen Summen? ES erfolgen Leistungen bei Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter — bekanntlich den Hauptsächlichsten Verarmungssachen —, Leistungen, die sich nicht auf Versicherte beschränken, vielmehr in mannigfachster Form auch der Familie zuteil werden, ferner Leistungen keineswegs nur vorübergehender Art, sondern auf Monate, Jahre und Lebenszeit, Leistungen, deren Umfang schon jetzt vielfach zur Behebung der Notlage ausreicht, sich aber, wie die Invalidenrente — noch erheblich steigern wird. Und keineswegs nur Hilfe bei eingetretener Notlage, vielmehr energische Bekämpfung der Ursachen, die zu Störungen des Erwerbslebens Anlaß geben, und darum eine umfassende prophylaktische Tätigkeit der Arbciterver- sicherungsorgane. so daß die Arbeiterversicherung geradezu Grund- und Eckstein für unsere vorbeugende Sozialhygiene geworden istl Durch all dies wird jetzt eine Fülle von Un- terstühungsfällen von vornherein der Armenpflege abge nommen und zum Teil von vornherein gänzlich verhütet. Am meisten tritt der entlastende Einfluß der Arbeiter- Versicherung in kleinen, ärmlichen Gemeinden zutage, wo die Armenpflege sich mit ihrer Hilfe aufs notwendigste be schränken muß; da spürt man in den Armenetats jede neue in die Gemeinde fließende Rente. Die Großstädte können wegen ihrer in der Regel günstigeren Finanzen weitherzi gere Armenpflege üben, sie widmen die durch die Arbeiter versicherung freigewordenen Mittel neuen, bisher unberück sichtigt gelassenen Unterstützungsfällen und neuer intensiver Unterstützung des Einzelfalles. Doch geben auch sie ebenso wie die Praxis der Arbeiterversicherung, den entlastenden Einfluß der Arbeiterversicherung auf die Armenpflege un umwunden zu und gerade darum, wegen dieses ihres soli darischen Interesses, arbeiten beide — Versicherungsorgane und Armenvcrwaltung — eifrigst zusammen, damit die Ar beiterversicherung richtig, vollständig durchgeführt wird, da mit alle Dersicherungspflichtigen und -Berechtigten von die ser Einrichtung tatsächlich Gebrauch machen. Aber — wendet man ein — die Armenunterstützüngen . nehmen in vielen Gemeinden Loch zu, die Anyenetats wer. den daselbst immer größer! Nur oberflächliche Kenner un serer heimischen Verhältnisse, die, soweit Ausländer, na türlich entsprechende Nachsicht verdienen, können dies zum Gegenbeweise des Gesagten geltend machen. Läßt denn jenes Anwachsen den Umfang der erfreulicherweise fort schreitenden Hilfstätigkeit bezw. der hierfür vorhandenen Mittel erkennen? Allein jenes Anwachsen hängt niit der Arbeiterversicherung überhaupt nur sehr teilweile zusam men. Andere Faktoren spielen eine viel entscheiden dere Rolle. Unser Volk hat sich in 28 Jahren (1882 bis 1907) von 48 Millionen auf 62 Millionen vermehrt. An dieser Ver mehrung sind überwiegend die minderbemittelten Schichten beteiligt wie Ministerialrat Dr. Zahn-München sowohl in seinem Referate wie in einer anderen Abhandlung „Deutsch lands wirtschaftliche Entwickelung, unter besonderer Be rücksichtigung der Volkszählung 1903, sowie der Berufs- nnd Betriebszählung 1907" — „Annalen des Deutschen Reiches" 1910, Nr. 7) ziffernmäßig dargetan hat. Und dann unser gewaltiger, rascher Verstadtlichungs prozeß: er ließ in 23 Jahren die Zahl der Großstädte von 18 auf 42, ihre Insassen von 7,6 auf 19 Prozent der Gcsaint- bevölkerung ansteigen und in Gemeinden mit über 2000 Einwohnern jetzt 60 Prozent der Gesamtheit wohnen! Na türlich befinden sich unter den Zugewanderten viele hilfs bedürftige Elemente, sie kommen in die Stadt mit der Er wartung besserer Erwerbsgelegenheit oder wenigstens aus giebiger Unterstützung bei Verarmung, sie bedenken leider zu wenig, daß init der Größe der Wohlhabenheit der Städte auch die Gefahr der Verarmung wächst. So stellen denn die Zugezogenen häufig ein größeres Kontingent zu den Nr- menunterstützungen als die Einheimischen. Allerdings ist die höhere Unterstützungsziffer in den Städten auch zum Teil Folge der besseren und reichlicheren Armenfürsorge, dis sich für Gegenden mit dürftiger Erwerbsgelegenheit und schwachen Finanzen von selbst verbietet. In der Folge wird die von der Arbeiterversicherung be wirkte Entlastung der Armenpflege noch wesentlich fühl barer werden — sowohl durch die weitere Wirksamkeit der geltenden Versicherungsgesehgebung wie durch ihre bevor stehende Neuordnung (Witwen- und Waisenversicherung, Einbeziehung der Dienstboten und der land- und forstwirt schaftlichen Arbeiter, der Hausindustrielleil in die Kranken versicherung). Was die Armenetats anlangt, so werden sie aus deir angeführten Gründen fernerhin anschwellen, indessen wäre ohne die Arbeiterversicherung und ohne die von ihr neu be legte freiwillige Wohlfahrtspflege jenes Anwachsen wohl noch größer. Andererseits zeigte sich auch hier, daß mit denl Fortschritt unserer Kultur gleichzeitig immer neue Aufgaben erzeugt werden, so hat auch die Armenpflege mit ihren freiaewordenen Mitteln sich alsbald neuen Aufgaben zugewandt. Dabei ist eine innere Umgestaltung der Armen pflege bemerkenswert. Die eigentliche Armenpflege, die notdürftige Fürsorge für Notleidende, wurde in ihrem Auf gabenkreis durch die Urbeiterversicherung verengert. Hin gegen hat sich der Bereich der Armenpflege auf dem Gebiete der modernen Sozialhygiene erweitert, gleichzeitig wurde diese Art Armenpflege erst im Wege der reinen Praxis, dann ausdrücklich durch die Reichs- und entsprechende Lan- desgesetzgebnng (vergl. Neichsgesetz vom 13. März 1909) deS bisherigen politisch nachteiligen, des schändenden Charakters der Armenuiiterstütznng entkleidet, sie ist auf bestem Wege, aus der Armenpflege im juristischen Sinne auszuscheiden und als selbständige Fürsorge zwischen Arbeiterversichernng und Armenpflege zu treten. „Auf der Höhe staatsmännischen Horizontes erscheint be kanntlich als oberstes Ziel nicht Reichtum und Tüchtigkeit weniger, sondern größte physische, materielle, moralische Kraft der Massen, des ganzen Volkes. Ein Resümee dessen, was die heutigen Beziehungen zwischen Arbeiterversicherung und Armenpflege bekunden, ergibt, wie sehr im Sinne des oben genannten Zieles unsere, die breiten Massen der Ar beiterschaft umfassende Arbeiterversicherung wirkt. Vom Standpunkte der Bettelhastigkeit leitet sie diese durch die sozial gehobene Armenpflege hindurch zum Bewußtsein staatsmäßig solidarischer Selbstfürsorge. Erfolgreich zielt sie ab — auch im Wege der sozialen Durchdringung und Um gestaltung der Armenpflege — auf Schaffung höchster so zialer Gesamtkraft und damit auf Hebung des Gesamt niveaus. auf Steigerung der wirtschaftlichen Gesamtleistung der deutschen Nation." So schließt Ministerialrat Dr. Zahn und damit gibt er auch die treffende Antwort auf die An klage der Sozialdemokratie, daß eS sich nur um Armen» suppen handle, die der Staat den Arbeitern gebe. ^ 1 "1,^2 Politische Rundschau. Dre-Hen, den 22 Oktober 19 tv. — Tic Kaiserin Augnstc Viktoria begeht heute am 22. Oktober ihren 82. Geburtstag. Es ist unmöglich, wollten wir all die Armut anfzähle», die ihre milde Hand gelindert, und all die Tränen nennen, die ihre Güte und Nächsten liebe getrocknet hat. In ihrem Fühlen und Denken und in allen ihren Handlungen ist sie eins mit den Gedanken und Taten des deutschen Volkes. Das schafft jene hohe Sym pathie, wie wir sie nur selten zwischen Fürstenhaus und Volk zu beobachten Gelegenheit haben. In diesem vorbild lichen Verhältnisse zu einander wurzelt die Kraft und die Fülle des Gefühlsreichtnms, der die Kaiserin so sehr vor vielen anderen Frauen auszeichnet. Sie ist ein leuchtendes Vorbild für alle guten Handlungen, für Treue und Gottes furcht, für Liebe und Güte. Ein solches Vorbild tut immer gut, wo auch immer es erscheint, ob im Palast oder in der Hütte. Dankbar können wir der Vorsehung sein, die Tcntschland in der Person der Kaiserin ein solches Vorbild gegeben. Möge Gott der Herr die Fülle seiner Gnade über sie und ihr Haus ausschütten! — Die englische Regierung hat den Mächten vor- geschlagen, bezüglich der Anerkennung der neuen Regierung in Portugal gleichmäßig vorzugehen. Dieser englische Schritt dürfte allerseits eine günstige Aufnahme finden. Wie wir hören, hat die deutsche Regierung bereits ihr prinzipielles Einverständnis erklärt. — Ei« Reichsschulmuseu«. Die Brüsseler Ausstellung geht ihrem Ende entgegen. Einen wertvollen Teil davon, die deutsche Unterrichts-Ausstellung, vor Auflösung zu be wahren, ist der lebhafte Wunsch aller derer, die ein Inter esse für die Schule haben. Im Kultusministerium hat man deshalb nach der „Tägl. Rundschau" den Gedanken, der als Richtlinie bei allen Vorarbeiten für diese Aus stellung gedient hat. festgehalten, die UnterrichtS-AuSstellung möglichst als Ganzes für ein zukünftiges Reichsschulmuseum so zu erhalten, wie es in Brüssel sich darstellt und wie es dort allgemein Anerkennung und allgemeines Interesse ge funden hat. Der Berliner Gymnasiallehrerverein hat dieser Tage einen Ausschuß gewählt, welcher dafür tätig sein soll, daß die deutsche Unterrichtsausstellung, so wie sie ist, nach Berlin überführt werde. Es ist lebhaft zu wünschen, daß die Arbeit dieses Ausschusses von gutem Erfolge be gleitet sein möge. Es wäre sehr zu bedauern, wenn die wertvollen AuSstellungs-Gegenstände zerstückelt und zerstreut würden. Es darf nicht wieder so gehen, wie nach der Ausstellung von Lhikago und St. Louis, daß die Arbeit vieler tüchtiger Männer und reichlich aufgewandte Mittel spurlos verloren gehen. Erhält man die Brüsseler Unter- richts-AuSstellung, so ist damit ein Grundstock gesichert, der zu einem Reichsschulmuseum anwachsen kann. — Der fünfte Parteitag der Schlesischen Zentrnmspar- tci fand ani 17. und 18. d. M. in Glatz statt. Vertreter aller Wahlkreise der Provinz waren hierzu erschienen. Der Vor sitzende der Schlesischen Zentrumspartei, Geheimrat Dr. Porsch, hieß die Anwesenden willkommen. Es ist gut, sagte er, daß Sie so zahlreich erschienen sind, denn die Zei ten sind nicht leicht. Weit mehr als dreißig Jahre diene ich der Zentrumspartei. Wir haben viele schwere Zeiten durchgemacht und überstanden. Oft schien es, als sei nun der Gipfel der Schwierigkeiten erklommen, und doch kamen immer wieder neue. Ich erinnere mich aber nicht, schwerere und unangenehmere Zeiten erlebt zu haben, als die gegen wärtigen. Mit größerer Feindschaft, als je, stürmen Geg ner von außen auf das Zentrum los. Ich erinnere an den jüngsten Parteitag der schlesischen Freisinnigen Dolkspartek mit dem famosen Schlachtrufe: „Gegen Junker und' Pfaffen", ich erinnere an die Generalversammlung des Evangelischen Bundes, ich erinnere an den natio nalliberalen Parteitag oder richtiger an die große Rede des Abgeordneten Basse rmann, der in der revolutio nären Partei keinen solchen unbedingten Feind sieht wie in dem Zentrum, den, starken Vorkämpfer für Thron und Altar. Redner appelliert sodann an die Einigkeit, damit den kommenden schweren Reichstagswahlen ein festes und einiges Zentrumshesr entgegenrückt. ein starkes Korps in der festen und einigen deutschen Zentrumspartei! Exzellenz, Graf Franz Ballestrem hatte ein Begrüßungstelegramm geschickt. Unter allseitiger Zustimmung wurde beschlossen, ein Antworttelegramm an Exzellenz Graf Ballestrem zu> senden. Sodann wurde in die Tagesordnung eingetreten. Die Vorsitzenden der Bezirksausschüsse erstatteten Bericht über die Organisation in den drei Regierungsbezirken. An tie einzelnen Referate der Bezirksvorsitzenden schloß sich eine lebhafte Debatte. Dabei kam u. a. das Verhältnis des Zentrums zu den übrigen Parteien zur. AtzraHe. Zs wurde