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Sächsische Volkszeitung : 23.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-191002235
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19100223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19100223
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-23
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 23.02.1910
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' Neu. Ter schöne Agitationsstoff ist den Freisinnigen trotz des Opfers ihrer eigenen Grundsätze entgangen. Sie werde» sich damit trösten, das; sie nun wenigstens ans die Unterstützung durch den Evangelischen Bund rechnen können." — Die Sozialdemokratie bettelt um liberale Stimmen. Die Nationallibcralen in Mülheim-Wipperfürth-Gummers- bach haben noch keine Stellung zur Stichwahl genommen und auch die benachbarte Kölner Presse schweigt sich noch aus. Man weiß, daß die Führung der Nationalliberalen in Gummersbach weit rechts steht. Es kommt also dem „Vorwärts" darauf an, „ob die Jungliberalen Entschieden heit und Einstich genug habe», ihrer Partei den Ruck nach links zu geben und zur Stellungnahme gegen das Zentrum zu bewegen. In ihren Neben während des Wahlkampfes haben die nationalliberalen Redner mit besonderem Eifer betont, das; das Zentrum der größere Feind sei; die Stim mung der liberalen Wählerschaft kam wiederholt in Ver sammlungen zum Ausdruck, das; in der Stichwahl unter allen Umständen die Liberalen und Sozialdemokraten Zu sammenhalten müßten. Aber man weiß aus der Erfah rung. daß die Nationalliberalen in der Regel anders han deln, als sie in tönenden Worten, wenn der Mut in der Brust seine Spannkraft übt, verkünden. Im April 1003 nannte die „Köln. Zeitg." das Zentrum den „Erzfeind jeg licher deutschen Volkswohlfahrt". Das Blatt rief ans zur „Scheidung der Geister", schwor Feindschaft allen politischen Gruppe», die sich zu Heloten des Zentrums herabwürdigen, beteuerte, daß „durch aktive oder passive Hilfe der Natio nalliberalen kein Zentrumsmann in den Reichstag ein ziehen" werde und schloß mit dem Appell: „Rütteln wir alle Gesinnungsgenossen, alle freien deutschen Männer ans und schreiten wir in enggeschlossenen Reihen zur Wahlurne, um den bösen Bann zu brechen." Sehr schön, das; der .Vorwärts" den Liberalen dies alles ins Gedächtnis zu- rückrnft. Ob es etwas nützt? Wir sind sehr gespannt darauf. — Tie Wohiiiingsgeldzuschüsse der preußischen Beam ten. Eine Novelle zum Gesetze über die Wohnnngsgeldzu- schüsse für die preußischen Beamten ist im Finanzministe rium fertig gestellt und wird in nächster Zeit an das Abge ordnetenhaus gelangen. Am Freitag fand im Finanzmini sterium eine .Konferenz zwischen dem Finanzininister und den Fraktionssnhrern des Abgeordnetenhauses statt, in der der Finanzininister die Grnndzüge der Novelle mitteilte und an die Fraktionen die Bitte richtete, von Abänderungen ab- znsehen, damit die Novelle bereits am 1. April d. I. in Kraft treten kan». Das Reich hatte im Vorjahre die Wohnnngs- geldznschüsse endgültig geregelt, ohne auf die vorher ge faßten preußischen Beschlüsse, die allerdings nur ei» Pro visorium darstellte», Rücksicht zu nehmen. Tie preußische Novelle will sich jetzt an die Bestimmungen des Neichsge- setzes anlehnen und muß daher eine Reihe von Orten herab setzen, »m diese Unebenheiten zu beseitigen. Wie verlautet, will man aber mit dieser Maßnahme die Beamten, die den höheren Wohnnngsgeldznschnß erhalten, durch die Deklassie rung nicht schädigen und sie im Besitze des augenblicklichen Zuschnsses belassen, solange sie den jetzigen Wohnsitz beibe halten. Selbstverständlich müssen auch die Orte, die in Ptrenßen ungünstiger stehen wie im Reiche, auf eine höhere Stufe gestellt werden. Nach den Mitteilungen der „Deut schen Tageszeilg." soll die Neuregelnng ans folgender Grundlage erfolgen: Ter Landtag darf keine» Versuch machen, durch Beibehaltung der höheren Klassifizierung einiger Orte von der Regelung im Reiche abznweichen. Wen» diese Bedingung nicht vom Landtage angenommen werde und somit eine völlige Einheitlichkeit nicht erreicht werden könne, so müßte die Negierung die Einbringung der Novelle für spätere Zeiten zurückstellen und das Proviso rium bis 1011 weiter bestehen lassen. Ties bedeute aber eine Schädigung der Beamten im Bezüge des Wohnungs geldes für die Dauer eines Jahres. Tie Bezüge der Be amten, die sich bei dem angenblicklichen Provisorium in einer höheren Ortsklasse befinden, dürfe» bekanntlich nicht gekürzt werden, sondern es muß ihnen der höhere Woh- unngsgeldzuschnß belassen werden. Durch Gehaltsregulie- rnnge», »nd auch der Wohnnngsgeldznschnß ist ein Teil deS Gehaltes, darf ein Beamter in seinem Gehalte nicht geschä digt werden. Tiese Beamten erhalte» also, auch wenn der Ort ihrer Tätigkeit deklassiert wird, die erhöhten Woh- unngsgelder weiter gewährt, bis sie versetzt werden. Tiese Maßnahme bedingt eine Mehrausgabe von 0 Millionen Mark. Nach der Novelle sollen etwa 100 preußische Orte, darunter 20 Regiernngsorte, in eine niedrigere Klasse ver setzt werden, 510 Orte, meistens kleinere, müssen heranfge- setzt werden, unter ihnen befindet sich auch Berlin, in dem preußische und Reichsbeamte abweichende Wohnnngsgeldz»- ichüsse erhalten. Die Kosten der Heraufsetznng betragen 0 Millionen Mark, durch die Herabsetzung werden 4 300 MO Mark erspart, es ergibt sich also eine Mehrbelastung von 1,1 Millionen Mark. — Das Ende eines sozialdemokratische» Schwindels. Im Herbste 100l wurde bei den Knappschaftsältestenwahlen im Nubrrevier das bekannte 30 OM-M.-Flugblatt verbreitet, unterzeichnet „Ein Vorstandsmitglied des christlichen Ge- werkvcreins". In demselben war gesagt, der damalige Ge werkvereinsvorsitzende Brust habe sich von den Zechenherren mit 30 MO Mark bestechen lassen. Mit diesem Schmutzblatt wurde zu Gunsten der sozialdemokratischen Kandidaten be sonders Eindruck auf die Unorganisierten gemacht. Erst im vergangenen Jahre konnte vor Gericht die Tatsache aufgedeckt werden, daß das Ganze ein sozialdemokratischer Wahlschwindel allerschlimmster Sorte war, ausgeführt von Beamten des sozialdemokratischen Bergarbeiterverbandes. Weil der „Bergknappe" des christlichen Gewerkvereins auch den Vorstand des Bergarbeiterverbandes der Miturheber schaft geziehen hatte, suchte sich dieser vor Gericht zu reini gen. Doch der Prozeß gegen den „Bergknappen" endete mit einer vollständigen moralischen Niederlage, was beson ders hervorgeht ans der soeben den Parteien zugestcllten Urteilsbegründung. In derselben heißt cs u. a.: „Der Angeklagte (Redakteur Jmbusch) hat den Beweis der Wahr heit für seine Behauptungen augetreten. In dieser Be ziehung ist folgendes festgestellt: Unwahr ist zunächst die in dem Flugblatt aufgestellte Velmuptung, daß Brust 30 000 Mark von den Arbeitgebern zur Bekämpfung des Berg arbeiterverbandes erhalten habe . . . Unrichtig ist ferner die Tatsache, daß ein Mitglied des Gewerkvereins das Flugblatt gedruckt oder verbeitet hat. Vielmehr steht auf Grund der Beweisaufnahme fest, und dieses müssen die Privatkläger auch zugeben, daß das Flugblatt entweder von Götte oder von Spaniol, oder von beiden zusammen, die da mals Angestellte des Bergarbeiterverbandes waren, (Götte ist noch heute Beamter dieses Verbandes. D. R.) verfaßt, auf ihre Veranlassung in der „Rheinischen Zeitung", einem in Köln erscheinenden sozialdemokratischen Organe, gedruckt und von ihnen verbreitet ist. Fest steht ferner, daß zum mindesten der Privatkläger Sachse (Reichstagsabgeordneter Sachse ist Vorsitzender des sozialdemokratischen Verbandes. T. N ), nachdem er von diesem Tatbestände durch den Zeu gen Spaniol unterrichtet war, nicht in der nötigen Weise für die Aufklärung gesorgt hat... Er hat, obgleich er durch Spaniol wußte, daß dieser und Götte, also zwei Mit glieder seines Verbandes, das Flugblatt verfaßt und ver breitet hatten, die Behauptung in seiner Erklärung auf rechterhalten, das Flugblatt sei von einem Vorstandsmit- gliede des christlichen Gewerkvereins versandt worden. Eine derartige Behauptung durfte er, da er das Gegenteil wußte, nicht aufstellen, auch nicht in der Weise, daß, wie dies in den Zetteln geschehen ist, die Tatsache des Versandes durch ein Mitglied des Gewerkvereins als eine „angebliche" hin gestellt wird. Es spricht auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß die übrigen Privatkläger die Handlungsweise ihrer Mitglieder Spaniol und Götte nicht in pflichtmäßiger Weise mißbilligt haben. Sodann sind Götte und Spaniol, was bei der Schwere des Falles das einzige Nichtige ge wesen wäre, nicht entlassen worden." — Wegen Uebernahme eines beleidigenden Zitates aus einer Nummer des „Berg knappen" vom Jahre 1904 ist die Verurteilung des Redak teurs Jmbusch zu einer kleinen Geldstrafe erfolgt. Tie Urteilsbegründung läßt aber keinen Zweifel darüber, daß die moralisch Gerichteten im sozialdemokratischen Berg- arbeiterverbande zu suchen sind. Interessant ist es noch, daß die sozialdemokratische „Rheinische Zeitung", nachdem das Flugblatt seine Wirkung getan hatte, selbst von einer „schmutzigen und ordinären Kampfesweise" des Flugblattes schrieb. Tie Veranlasser desselben müßten „auS den Krei sen der anständigen Menschen ausgeschlossen werden", so forderte das Blatt. Es konnte damals allerdings nicht ahnen, daß die Wahrheit einmal ans Licht kommen würde. Deutlicher wie hier hat sich wohl noch nie gezeigt, zu wel chen schmutzigen Waffen die sozialdemokratische Agitation greift, um die Gegner zu bekämpfen. Nur gelingt es in den wenigsten Fällen, die schuldigen Kreise an den Pranger zu stellen. — Ein Frankcnthal für die Lnftschiffahrt gesucht. Bei der Besprechung der Einnahmen und Ausgaben für 1908 machte der Abgeordnete Erzberger aus eine interessante neue Erscheinung anfmerksam. Bekanntlich erwarb das Reich im Herbste 1907 die auf dem Bodensee verankerte schwimmende Ballonhalle des Grafen Zeppelin, die in der Folge dann als „Reichsballonhalle" bezeichnet wurde. Graf Zeppelin erhielt die Halle vom Reiche mit 600 MO Mark be zahlt. Ter Sturm verwüstete die Halle sofort nach der Uebernahme; die Reparatur kostete 220 000 Mark. Jetzt hat die Erbauerin derselben, die Firma Albert Buß in Wyhlen, die Halle znrückgekauft, angeblich „auf Abbruch". Die Halle wurde nach Lndwigshafen geschleppt und dort de montiert. Wer sich wundert, daß sie in den wenigen Jahren schon unbrauchbar geworden sein sollte, dem sei gesagt, daß dies keineswegs der Fall ist. Tie Firma Bus; will die Halle nämlich in Frankfurt a. M. oder Baden-Baden wieder auf- banen! Ist es schon merkwürdig, daß das Reich, das immer während neue Ballonhallen aufrichtet, für eine noch brauch bare Halle keine Verwendung mehr haben sollte, so wird die Sache noch interessanter (namentlich für den Steuer zahler), wenn man hört, was die Firma Buß beim Zurück kaufe für die Ballonhalle zahlte. Während sie de,» Reiche nämlich 600 000 Mark kostete, erhielt die Baufirma dieselbe für 60 000 Mark zurück! lieber eine halbe Million Mark hat das Reich bei diesem Geschäfte also gewissermaßen in das Wasser des Bodensees geworfen! Frankenthal wird grün und blau werden vor Aerger ob einem solchen Geschäft. — Eine gründliche Abfuhr wird dem sozialdemokra- tischen Führer Kautsly in der letzten Nummer des ..Korre spondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands" zuteil. Der Artikel im Korrespondenzblatt schließt mit folgenden Sätzen: „Soweit die Tatsachen. KautSkyS Versuch, nach träglich diese Tatsachen zu verschieben, beweist nur. wie wenig er den für ihn blamablen Ausgang jener Polemik verschmerzen kann. Erheiternd wirkt, daß' er in diesem Schmerze nun gar die Generalkommission als Schwur- zeugen gegen das „Kor.-Bl." anruft. Seine Methode bleibt immer die gleiche: eine unerreichbare Kunst der Noßtäuscherei, in der er es mindestens so weit gebracht hat, wie die amerikanischen Trustmagnaten in der Lebens- mittelpreistrcibung. Es genügt uns, diese Kunst KautSkyS auch an dem vorliegenden Beispiel unfern Lesern gezeigt zu habm." — Eine kürzlich erschienene Statistik über die Frauen arbeit in Deutschland gibt bekannt, daß in den Jahren 1805 bis 1907 die Zahl der erwerbstätigen Frauen von 4 639 000 auf 7 306 000 gestigen ist. Tie Zunahme be- trägt also 2 669 000, von welcher l 846 000 auf die Land- Wirtschaft, 584 000 auf die Industrie und 210 000 Frauen auf den Handel entfallen. Diese Zahlen der Vermehrung der Frauenarbeit zeigen, daß die wirtschaftlichen Verhält- nisse nicht die besten sind. — Wie das Bureau Herald von zuverlässiger Sette erfährt, wird die Nationalzeitung mit dem 31. März ihr Erscheinen einstellen. Die Nationalliberalen scheinen eine Position nach der anderen ausgeben zu müssen — ein Zeichen des Niederganges. Oestereeich Im Befinden deS Bürgermeisters Tr. Lnegrr ist eine derartige Besse-ring eingetreten, daß er Besuch emp fangen konnte. — Andreas Hofers Todestag wurde am 21. d. M. in ganz Tirol in stillem Gedenken gefeiert. In der Inns brucker Hofkirche, wo Andreas Hofers Gebeiire ruhen, fanl> vormittags ein Gottesdienst statt, an dem der Erzherzog E-igen, der Statthalter, der Landeshauptmann, der Rektor der Innsbrucker Universität, der Bürgermeister und die Spitzen sämtlicher Behörden beiwohnten. In der Mitte der Kirche war ein Katafalk errichtet, auf dem Hofers Hut. sein Gewehr und sein Säbel lagen. Auf dem Grabmale des Sandwirtes, das mit Blattpflanzen geziert war und bei dem Passeirer Schützen Wache hielten, wurden zahlreiche Kränze niedergelegt. In sämtlichen Schulen des Landes fanden Gedächtnisfeiern statt. Italien. — Die Niederlage der Antiklerikalen in Italien. (Von unserem römischen Spczialkorrespondenten.) Was in den letzten Tagen in der italienischen Kammer vorging, ist ein Zeichen großen Aufschwunges für Italien, aber auch für das Ausland von Bedeutung, da es wichtige Richtlinien der auswärtigen Politik enthält. Während nun in den beiden anderen romanischen Neichen, Frankreich und Spanien, die Radikalen immer mehr Oberwasser gewinnen, zeigt sich in Italien nach den letzten Erklärungen Sonninos und den letzten Abstimmungen ein immer stärkeres Vorherrschen der konservativen Parteien. Der Grundgedanke des Pro grammes Sonninos ist die Sorge, den dringendsten Bedürf nissen des Landes Rechnung zu tragen, indem er die unhöf lichen politischen Gemeinplätze aufgibt und ein eminent wirtschaftliches Programm verlangt. Tie Aufnahme des Programms durch die Kammer war sehr kühl, einesteils, weil es zu viel enthält, andererseits, da Sonnino keine feste Mehrheit besitzt. So fürchtete man bereits für das Kabi nett, und die radikalen Sozialisten bereiteten sich bereits vor, sein Erbe anzutreten. Da geschah etwas, das der poli tischen Situation Italiens ihren Charakter aufdrückt. Die Kammer erfaßte sofort die Gefahr, die eine freimaurerische antiklerikale Negierung, die, statt sich mit den Bedürfnissen des Landes zu beschäftigen, in Italien einen Kulturkampf gegen die Kirche entfachen möchte, mit sich bringen würde. Und so entschlossen sich alle konservativen Gruppen, Sonnino ihres Vertrauens zu versichern. So erhielt das Kanbinett ein schönes Vertrauensvotum, das sein Leben verlängert, und die Verwirklichung der radikalen und sozialistischen Be strebungen in weite Zukunft rückt. So scheidet sich die Kammer in zwei große Parteigruppen: in die konstitutio nelle Partei, die konservativ ist, und soziale Reformen gut heißt, und in die freisinnige Linke, an deren Spitze der Er- gouvernenr von Erythrea Martini steht, mit den sozialisti schen radikalen und republikanischen Gruppen. Das Ueber- gewicht der konstitutionellen Partei ist aber groß und unbe stritten. Die italienischen Katholiken sind über diesen Aus gang der Tinge froh und stimmen der Negierung Sonninos auch in den meisten seiner Reformen zu. Die Antikleri kalen wüten, und um sich auf irgend eine Weise bemerkbar zu machen, bereiten sie wieder eine große antiklerikale Kund gebung zu Ehren Giordano Brunos vor. Doch unbeküm mert darum geht die italienische Politik nunmehr einer Zeit der Ruhe und Klärung entgegen, während welcher Zeit die Parteien der politischen und sozialen Ordnung sich weiter kräftigen werde». So scheiterte der Versuch der Frei maurer, ihre französische Politik auch auf italienischen Boden zu verpflanzen. Ter Kampf wird zwar lebhafter als je werden, aber schon das bisherige Ergebnis ist bedeutsam für die Katholiken und bezeichnet einen tatsächlichen Ersatz der ihnen vom heiligen Vater Pius X. geratenen Politik. England. — Tic Eröffnung des englischen Parlamentes fand am 21. d. M. in Gegenwart des Königspaares statt. Tie Thronrede nennt die Beziehungen Englands zu den aus wärtigen Mächten andauernd freundschaftlich. Sie betont weiter die Notwendigkeit einer wesentlichen Erhöhung der Marineausgaben, sowie Anordnungen zur Besserung der gegenwärtigen finanziellen Lage, erwähnt die ernsten, auf wiederholte Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Unter- Hause und dem Oberhanse zurückznführenden Schwierigkei ten und kündigt Vorschläge zur Festsetzung der Beziehungen beider Häuser an. dergestalt, daß dem Unterhause ein un geteilter Einfluß auf die Finanzen und ein Uebergewicht bezüglich der Gesetzgebung znstehe. Span cn. — Der KliegLruinistsr hat einem Berichterstatter des Jmparcial erklärt, er gedenke demnächst den Cortes einen Gesetzentwurf über die allgemeine Dienstpfliwt vorzulegen. Spaniens Heer soll i» neun Armeekorps mit 22 D Visionen eingeteilt werden. Zwei Divisionen sollen in Ceuta und Melilla stationiert werden. Der Entwurf steht 300 000 Mann Linientruppen und 300000 Mann Reservetruppen vor. Rußland — Die unter großem Geschrei der slawischen Presse in Szene gesetzte Konferenz des nenslawischen Komitees hat nach viertägiger Tagung mit einem Fiasko geendet. Einen der Hauptprograinmpnnkte bildet die russisch-polnische An näherung. Doch scheiterte dieser Plan, dessen Hauptver fechter Tr. Kramarz ist. an dem Widerstande der Polen. Tie Polen können den Gesetzentwurf über die Ausscheidung des Cholmer Landes, weiters die Sperrung mehrer katho lischer Kirchen oder Uebergabe derselben an die orthodoxen Russen nicht so leicht vergessen. Die Russen verlangen aber noch außerdem, daß die Polen der freien Entwickelung der Nuthenen in Oesterreich nicht hindernd im Wege stehen sollen. Darüber wäre bald die ganze Konferenz gescheitert, doch gelang es noch im letzten Augenblicke, den Beschluß durchzusetzen, das; der allslawische Kongreß am 3. Juli laufenden Jahres in Sofia stattsinden soll. Von den öster reichischen Slawen beteiligten sich nur Tr. Kramarz an der Konferenz, wobei er sehr redelustig war. Auffallend ist es, daß Kramarz, der in Wien als der zerstörende Faktor auf- tritt, in Petersburg an einem möglichst friedlichen Zu sammenleben der slawischen Völker arbeitet. Es soll noch mehr als ein friedliches Zusammenleben erzielt werden: eine starke Front soll gegen den deutschen Drang nach Osten gescl>afsen werden. So brachte am 14. d. M., also am dritten Tage der Sitzungen des neuslawischen Komitees die „No- woje Wremja" einen scharfen Leitartikel gegen das Deutsch tum und die katholische Kirche. Die Vorgänge im Prager und Grazer Landtage, die Absetzung des Erzbischofs von Zara werden als Herausforderung der Slawen angesehen
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