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Sächsische Volkszeitung
- Erscheinungsdatum
- 1925-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192506143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250614
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250614
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-06
- Tag 1925-06-14
-
Monat
1925-06
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung
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Sonntag, den 14, Juni 1925 Nr. 1S4. Seite IS gedungen, Verzerrtes und Erhabenes. Man l>at dem Juden Mah ler die Seele absprechen und seine Werk« mit dem Schlagwort „geniale Mache" abiun wolle». Aber dem ist nicht so. Wer seine G-Dur-Sinfonie, dieses wunderliche Idyll, das Lied von der Erde und die Auserstehungssinsonie kennt, der weiß, daß sich hier ein Ringender mit den Problemen dieses Lebens aus- einandersetzen will. Wie der nieder»« Mensch wechscinden Stim mungen unterworsen ist, so spiegelt die Mahlersche Musik den Geist der Zeit: neben verzweifeltem Pessimismus religiös-ver zücktes Schwärme'.tum. Nietzsche würde hier ein vortreffliches Beispiel, für die Dekadenz des modernen Europäers erblicken. Das äußere Geivend dieser Kunst ist eminent neuzeitlich: eine eigenartige Vielstimmigkeit, verbunden mit einem Farbensinn, der allein durch die Farbe Stimmungsreize erwecken will. Ein exotischer Dust umwittert diese Seelenanalysen, aber gerade das lockt mit seltsamer Gewalt wie fremdländische Bilder, die den Geist weit hinausführen in fern« Welten. Während sich Mahler in großgeschauten Bildern ausströmt, sinnt Max Reger, ein deutscher Mystiker von dem Stamme Backs, Brahms und Hebbels, den Rätseln seines Ichs nach. Ein Grübler, der aus der Orgelbank in der Welt der alten Konira- punktiker groß geworden ist und mit ernsten Augen in das Ge triebe der Welt blickt. Ucber den gebundenen Stil Bachscher Her kunft kommt Reger zum Experimentieren mit neuen Modu lationen. auch ausländische Einflüsse impressionistischer Natur wirken auf ihn ein. Aber Neger zersprengt niemals die Form. Sie zwingt den Miaus der Themen in ihr Gefüge und ballt widerstrebende Elemente zur Geschlossenheit. Ein Zwiespalt zwi schen Form und Inhalt. Auch in diesem vielfältigen tiespersön- siche» Geiste pessimistische Stimmungen, die sich nicht zum glat ten Hafen der Harmonie retten können. Es scheint, daß nur derjenige ln der modernen Zeit wirk lich hoch kommen kann, der sich allem Ueberlieferten in den Weg wirft und Pfade erhellt, die man früher für unbeschreitbar ge halten hätte. Das Schaffen Richard Strauß' spiegelt in geradezu erschreckend deutlicher Weise den öffentlichen Zeitgeist — man verzeihe mir dieses kühne Wort — wider. Er ist ein Künstler von überragend technischem Können, ein Genie in der Bel-andlung des Orchesters, der größte Künder des Impres sionismus in der Musik. Eigenartig ist seine Entwicklung: er beginnt mit einem gemäßigten Romantizismus, erkennt aber frühzeitig den Widerspruch mit dem Zeitstil und wirst sich mit dionysischem Tatendrang der Moderne in di« Arme. Hatte Liszt poetische Vorwürfe edlen Gehaltes zum Gegenstand seiner sin fonischen Dichtungen gemacht, so wurde der bewegliche Geist Strauße»? von dem Realismus und Naturalismus der 80er und ÜOer Jahrs beherrscht, das Menschentum der Gegenwart fesselte ihn, mag er Alltäglichkeiten realistisch nachbilden (Tod und Ver klärung), romantische Stofse in groteske Beleuchtung rücken fDon Juan, Don Quixote, Till Eulenspiegel), oder seinen eigenen überschäumenden Tatendrang zur Darstellung modernen Uebsr- menschentums erweitern sHelvenseben. Domestika). War er schon früher von heißer Neigung zur Bühne ersaßt, die ihn in Wagnerische Bahnen wies sGuntram), so warf er plötzlich das erborgte Geivand von sich und schlüpfte aus der Verpuppung hervor als schillernder Falter, der in alle Zeiträume fliegt und das Menschentum da belauscht, wo cs sich in abnonner Weife äußert. Die Deutung des Krankhaften reizt ihn, das Hysterische, Perverse (Salome, Elektra). Die bis zum Raffinement zuge spitzte Dekadenz kennt keinen größeren modernen Künstler als Strauß. Und doch kommt er über den Impressionismus nicht hinaus, er haftet am augenblicklichen Eindruck: dem Glanz einer Eilberschüssel, der realistischen Ausmalung eines Wirtshaus- färmes (Nosenkavalier), dem Geblök einer Hammelherbe, um einige drastische Momente hsrauszugreifen. Doch erzeugt die Aneinanderreihung solcher Momente, aufgeputzt durch ein Or chesterfeuerwerk, noch kein Musikdrama, ein Schwinden der in tuitiven Gestaltung erblicken wir auch in seinen letzten sinfoni schen Werken. Da weiß der urdeutsche Meister Hans Pfitzner tiefer die Seelen zu packen. Auch er verfügt über eine außerordent liche differenzierte Harmonik und geht auch in seiner Melodik -eigene Wege. Wer einmal den Weg zu ihm gefunden hat. der «wird immer wieder in das Reich seiner Träume ivandern. Denn -Psitzner ist ein Nachjahr der deutschen Romantik, das Mär chen- und Sagenhafte fesselt ihn, hier iveiß er eine neue Sprache für Traumwelten zu finden, die der Wortdichter nur andeuten kann. Ich kenne keine herrlichere Lenzesmusik als die des ersten Aktes zur „Rose aus dem Liebesgarten", das ist ein Blühen und Schwellen, ein Funkeln von Sonnenperlen, ein Meer von Licht und Glanz, wie es nur die üppigste Phantasie ersinnen kann. Psitzner hat mit dem Straußschen Impressionismus nichts mehr zu tun. Seelenausdruck, klanggewordenes dichterisches Erlebnis ist der Inhalt seiner Kunst. Und somit begegnen ivir dem Expressionismus, diesem jüngsten Stil, der auch in die Musik eingedrungen ist. Musik als reinste Deutung, gleich sam als Idealbild von Seelenvorgängen ist im Grunde immer Expressionismus, d. h. Ausdruckskunst gewesen. Ein Mann für unsere Zeit Von P. Beruh. Seiller (Augsburg). Wir haben Mangel an großen, bedeutenden Persönlichkei ten. Die Zeit der Auflösung und Mechanisierung scheint auch hier ihren Charakter geltend zu macl-en, indem sie große Sam- mcl- und Einigungspunkte in den geistigen Bestrebungen nicht aufkommen läßt. Wir müssen deshalb in die Vergangenheit zurück und dort die großen Männer wieder lebendig machen, die uns heute fehlen. Es war in katholischen Kreisen fast «ine Er lösung und Befreiung, wie der unsterbliche Alban Stolz und der milde Lehrer und Bischof von Regensburg Mich. Sailer in neuen Auflagen ihre Auferstehung feierten. Und setzt ist cs ein die. derer Schweizer, der der Vergessenheit entrissen werden und von icuem kraftvoll zu seinen deutschen Stammesgenossen sprechen soll in einer Zeit der geistigen und sittlichen Versumpfung. Es ist der seinerzeit berühmte Volksschriftsteller Albert Bitzius, be kannt unter dem Pseudonym „Jeremias Gotthelf", der den tiefsten Einfluß auf seine Zeitgenossen ausübt«. An solchen Volksmännern, die die ganze Seele des Volkes erfassen, fehlt es uns in jetziger Zeit. Wir haben allerdings auch kein Volk, das irgendwie geeignet wäre, solche Männer zu erzeugen. Darum ist es ein großes Verdienst, wenn jetzt mehrere Verlage sich die Aufgabe stellten, diesen einzigartigen Mann in einer neuen Aus gabe wieder zum Lebe» zu erwecken und dem deutschen Volke zugänglich zu machen"). Es ist eine Kulturtat ersten Ranges, die zum sittlichen Aufbau unseres armen leidenden Volkes mehr beiträgt als alle möglichen äußeren Veranstaltungen und Or ganisationen. Es muß die Seele wieder gesund werden, sonst hilft alles Aeuhere nichts. Und zur Gesundung der Volksseele ") Besonders hervorzuheben ist der vierbändige „Gotihels" (in Leinwand gebunden je 7 Mark), den dos bekannte Verlags- Haus Herder In Freiburg I. Br. durch die berufene Hand I o. Hannes M umbau ers herausgebracht hat. , Der moderne Expressionismus nun wirft alle Heminün- gen einer unmittelbaren Sprache Uber Bord. So verzichtet der Franzose Debussy auf Melodien und bildet auf Grund einer ganz neuen Harmonik (Ganztonleiter) eigenartige Akkordfol gen, durch die die Stimmungskunst eines Dichters wie Maeter linck in seiner Oper „Pelleas und Melisande" einzigartig ge troffen wird. Er hat aus die jüngste Generation großen Ein fluß gehabt. Sie ist durchaus radikal, Halbtonfolgen genügen 'schon nicht mehr, durch Bierteltöne ivill man das Ausdrucks gebiet eriveitern, um die feinsten Regungen des Seelenlebens nachzubilden. Auch reiht man die unerhörtesten Akkorde an einander. um dadurch Provinzen der Seele zu erhellen, die bisher im Dunkel lagen. Der bedeutendste vielumstrittenste Vertreter dieser Kunst, über den der geinäßigt modern empfindende Musik- Kenner gar ost den Kopf schütteln muß, ist der Wiener Schön berg. Welche Fülle sprudelnden Lebens offenbart sich in der Musik unserer Zeit. Wie reizvoll ist es, zu verfolgen, wie die ätherischste Kunst das Sinnes- und Neroenleben, die Schwingungen des Geistes widerfpiegelt und zum Ausdruck bringt. Wer wollte an ihr vorübergehen, wer wollte sie trotz allem Nebenwerk und allein Gesuchten und Gemachten in Bausch und Bogen ver dammen mit dem Vorurteil, daß sie unverständlich, verworren und stillos sei? Das Alte in Ehren, — aber wir sollen und müssen weiter. Kunslanschauung soll nicht erstarren im wohl- behütcten Garten, der die Schätze aus der Vergangenheit birgt. Es ist bedauerlich, wenn man für moderne Literatur und Kunst „etwas übrig" hat und von moderner Musik weiter nichts kennt als ein paar Schlagivorte. Das ästhetische Empfinden im Men- fciM ist eine selbständige Geisteskraft, und wer sie nicht befruch tet, der läßt einen lebendigen Quell in sich versiegen. Grundgedanken der franzis kanischen Weltanschauung Von Dr. Fanny Imle. In Zeiten des religiösen, sittlichen, politischen und sozialen Zerfalles standen große Männer und Frauen auf, die es ihrem Jahrhundert ins Bewußtsein zurückriefen und dort wach er hielten, bevor es ganz vergessen wurde. Auch Franz von Assisi, der alle irdischen Bande zerriß, um nur noch ein Diener des allerhöchsten Königs zu sein, diesem aber in selten dagewesener Manneslreue Hcercsfolge im Lebensfeldzuge zu leisten, gehört zu jenen ganz Großen und HochLerufenen. Seine Größe lag im Dienen, seine Macht in der Demut und seine Frömmigkeit in tiefster Ehrfurcht vor dem Absoluten. Er ivar kein gelehrter Theologe und lief eilends davon, wenn Kühle Verstandesmenschen ihren Gottesbegrisf zergliederten: trotzdem aber ivar die Art und Weise, ivie er sich seinen Gott dachte, wie er ihn verehrte und ihm diente, richtunggebend für eine bedeutende Strömung der Theologie und durch diese, die sogen. Franziskanerschulen rück wirkend auf die gesamte Scholastik. Damit soll aber nicht ge sagt sein, der Heilige habe einen mit ihm oder gar in ihm ge borenen neuen Gottesbegriff in die Kirche getragen: im Gegen teil, er wies dieise nur hin auf die Worte und das Vorbild Jesu, der als frommer Iahoveknecht seine Speise darin fand, den Wil len seines Vaters im Himmel zu erfüllen Auf dem Boden dieser dienstbereiten Ehrfurcht und Er gebenheit wuchs die erhabene Idee der absoluten Welterhaben heit und Machtvollkommenheit der Gottheit, die uns die Offen barung geschenkt l)at, majestätisch empor. Leute wie Franz und seine Brüder aus allen Jahrhunderten können noch andeten, staunen, verehren. Und dabei halten sie sich nicht allzulang mit sich, nicht einmal mit der eigenen Kleinheit und Armseligkeit auf: sie vergessen, was unzulänglich ist, und bewundern, was vollkommen ist. Ihre ganze Freiheit raffen sie zu der Großtat der Selbsthingabe an die Gottheit zusammen, alles, was ihnen natureigen ist. opfert sich hin und entfaltet sich doch auch wieder um in diesem Sinnen, Streben uird Dienen. Ist aber diese franziskanische Gottesidee nicht zu erden- tern und welterhaben? Erdrückt sie nicht ähnlich wie die welt lich politischen Monarchen Souveränität, Freiheit^ Eigenart und Vertrauen des Untergebenen? Ja liefert sie diesen nicht einer mehr furchtbaren als beruhigenden Willkürherrschaft aus? Hier auf würde dos fromme Naturkind von Assisi ganz treuherzig antworten: Der absolute Herr des Himmels und der Erde, der Souverän meines Denkens und Tuns, ist ja mein lieber Him melsvater, der mich durch seines eingeborenen Sohnes Meusch- wcrdung als sein Kind in Gnaden angenommen hat. Nicht nur mächtig, nein mich gütig ist Gott, Allmacht und Allerbarmen zu gleich. An seiner Höhe kann kein Gefchö;^ hinaufschauen, aber er neigt sich väterlich zum Werke seiner Hände herab. Vater- liebe atmet die ganze Schöpfung, darum sind alle Kreaturen verbrüdert und verschwistert vom Stäublein am Wegvande bis zum Engel, von Bruder Sonne bis zum ärmsten, kränksten, trübseligsten Menschenkinde. Gins sind sie in der Abhängigkeit beizutragen, ist nicht leicht einer so geeignet wie Jeremias Gott helf. Er hat mit unserem unübertrefflichen Alban Stolz vieles gemeinsam. Es sind Volksführer, wie sie nicht so leicht wieder auftreten. Beide haben mit dom volkstümlichen Kalender ihr segensreiches Wirken eröffnet. Würden uns doch auch jetzt wie der so treffliche „Kalendermänner" erstehen! Beide verbinden mit einem lebendigen Christenglauben einen durchdringenden Blick für di« Realitäten des Lebens, namentlich für die tiefsten Bedürfnisse des Volkes. Sie leuchten hinab in di« tiefe Tragik menschlichen Wollens und menschlicher Unzulänglichkeit und be wahren uns vor Illusionen. Wie schön ist damals der gläubige Protestantismus Hand in Hand gegangen mit den katholischen Männern, wenn cs sich handelte um die Grundlagen des CDi- stentums, die wichtigsten Stützen der sozialen und staatlichen Ordnung! Wäre nicht auch heute ein solches Zusammenwirken der beiden christlichen Konfessionen von großem Segen? Müs se n es immer die trennenden Punkte sein, die in den Vor dergrund gestellt werden? Haben wir nicht unschätzbare reli giöse Werte gemeinsam? Ich möchte hier durchaus nicht einer^ religiösen Verschwommenheit das Wort reden oder dem so oft gewollten, ganz unmöglichen Koinpromih. Charakter «nutz sein, sonst kann kein« religiöse Gemeinschaft bestehen, aber es sollte und müßte sich doch der gemeinsame Boden der Liebe gewinnen lassen. Dies wäre jedenfalls dem so notwendigen Ausbau unseres zerrütteten Volksleben» förderlicher als gegen seitige Hetzereien. lieber den reichen, gediegenen Inhalt der Werke Gotthelfs lass« ich lieber einen Berufeneren sprechen. F. W. Förster sagt von Gotthelf: „Er ist von allen unfern Meistern der weitaus größte, ein wahrer Shakespeare der Charakterzeichnung, ein tief dringender Kenner der menschlichen Natur, «in Führer zum We sentlichen des Lebens, ein Volkserzieher, der den schärfsten Realismus mit einer das ganz« Leben erfassenden und erleuch tenden Gläubigkeit vereinigt." Und von dem prächtigen Buch „Käthi die Großmutter" sagt er: „Hier wird rin« Seel« ge- zeigt, die die tiefst religiös« Antwort auf den ganzen schmerzen- von Gott, ihrem Urheber, aber auch in der Anteilnahme seiner schöpferischen und erl-altendcn Liebeswirksamkeit. Eine Groß tat väterlicher Liebe ist ganz besonders für die sündigen Erden- Pilger die Erhebung unserer Natur in den Gnadenstand, die Er weckung übernatürlichen Lebens in unseren Seelen. Ein Gott, der sich dies aller großmütigste, heiligste Werk, die Menschwer dung und das blutige Kreuzopser seines Sohnes kosten läßt, ist fürwahr nicht nur majestätisch gerecht, sondern auch göttlich barmherzig. Und anstatt sich in frostiges Schweigen zu hüllen, sein leuchtendes Antlitz aber fremd von denen abzuwcnden, die ihm widersprochen und von ihm weg auf die Götzen geschaut haben, läßt er uns durch den Heiland Worte des Friedens sagen und zeigt uns in Christi Werken hinieden sein Bild voll unend licher Schönheit und Freundlichkeit. Er lächelt uns gleichsam gütig zu, und wir blicken durch Tränen von Scham und Reue schmerz lächelnd zu ihm hinauf Also nicht verzagen, sondern vertrauen, nicht nur Buße und Gerechtigkeit, sondern auch Liebe und Freude predigen, ruft Franziskus sich und den Seinen, diese aber der gairzen Christenheit aller Jahrhunderte zu. Die Ge- meinschastsidee vom Lichte des Glaubensschatzes der Gotteskind schaft bestrahlen lassen, dos ist seraphische Sozialweisheit. Mit Verstand und Willen aber, den beiden Seelenarmen, zum Ange sicht des Vaters emporstreben, auch wenn zeitweise das harte, blutige Kreriz umklammert werden muß, das ist seraphische Fröimnigkeit, Daseinsfroh sucht der heilige Franziskus seines Schöpfers Spuren in Natur und Geist, sein Herz jubelt über alles Gute, Liebe, Schöne auf Erden, aber es nistet sich nicht ein hinieden, steigt vielmehr unaufhaltsam stufenweise über das Kreatürliche zum Absoluten hinauf und läßt alle Guter zurück im Seelendauerlaufe nach dem höchsten Gute. Da aber, wo eine göttliche Person den Böden unserer Natur berührt, in ihm Wur zel schlägt und sich menschlich betätigt, macht er mit den Seinen in sprachloser Ergriffenheit der Andacht Halt. Wer dächte hier nicht der gestaltungskräftigen Religiosität, mit der der Heilige ivie seine Söhne und Töchter die Ereignisse und Geheimnisse der Heilsgeschichte davgestellt l-aben, Krippenseiern und Kreuz, wegandacht usw.? So wenig aber, wie die Menschheit des Herrn dauernd im Lande des Werdens verweilte, vielmehr flüchtigen Fußes zum Reiche der Vollendung hinüberpilgerle, stellt die franziskanische Religiosität das Erlösungsiverk über den Erlösungszmeck oder gar die Menschheit Jesu über ewige Gottheit." Gewiß, sie hat in Bethlehem und mehr noch auf Gol gatha ein Nest gefunden, sie nistet, wie St. Bonaventura tagt, m der Sei-tenwunde des Heilands: aber von diesem irdischen Nuhepunkte aus schwingt sie sich in zielsicherem Höhenflüge aus ins Geistesreich der Unendlichkeit. Ganz vergeistigt war bei all ihrer Fähigkeit zu versinnlichen und zu veranschaulichen der Kult und die Ascese der Minderbrüder und iverden sie bleiben bis ans Ende der Zeit. Im Geiste Christi und des Vaters alles begreifen, alles ergreifen und dorthin tragen, woher es kam. Wie der Heilige Geist, der von Ewigkeit her von Vater und Sohn ausgehend in der Zeit über die Jünger Herabstieg und am ersten Pfingstmorgen sein Edelwerk der Weltvollendung be gonnen hat, so geht auch die Franziskusseele suchend durch dies Leben, wen und was sie wohl als Gehilfin dieses Geistes der Heiligkeit erhaschen und heimbringen könnte, dorthin, wohin sie selbst in heißer Pilgersehnsucht zieht. Erdenfrch, aber weit- überfliegend ist der Geist dieser Religiosität Er bejaht die Na tur, um sie übernatürlich zu verklären, er liebt den Mitmenschen, um ihn zu Gott zu führen. Missionseifrig, aber im Ewigen ge sammelt und konzentriert auf das eine Notwendige durchwan- dert der Franziskaner ohne festen Wohnsitz und strenge .Klau sur den Erdenkreis Ueberal! und nirgends daheim führt er viele zum ewigen Baterhause, indem er sich auf allen Gebieten der Wissenschaft, Kultur, Kunst und vor allem der Seelsorge entfaltet und doch nur alle im Vorüberfliegen streift. Nichts Menschliches ist ihm fremd, weil er Gott kennt und liebt, aber keine Evdenmacht, sie sei auch noch so stark und vornehm, ver mag den Flüchtigen festzubannen und aufzuhalten. Er ißt, was ihm vorgesetzt wird ohne ängstliche Bindung an äußere, äugen- fällige Hebungen der Sinnestötung: aber er bleibt auch in Man gel und Not hevzensfroh und geistesregsam und seine Speise ist, den Willen seines Vaters zu tun, der im Himmel ist, bis sein ewiges Erbteil ihm zitfallen wirb, „die Gottsättigung seiner Seele" . . . fusZbZÜKeiötzmg I. 6I.KLKI. k 6 <7 7 7 L fs l-auenZi-Zbeii 10 ^embsdiecloei' 1078 reichen Inhalt des Menschenschicksals gibt. Angesichts des Bei spiels eines solchen heroischen Lebensganges sieht man. wie hohl der Anspruch einer gewissen Philosophie ist, sich an die Stelle der Religion zu setzen und als die reifere Stufe der Weisheit zu gelten. Wahrlich eine Lehre, die zahllosen armen und schwer arbeitenden Menschen ermöglicht, inmitten vielfältiger Ver suchungen, Entbehrungen und Enttäuschungen unbefleckt zu blei ben, häßliche und niedrig« Empfindungen zu überwinden, den freudlosesten Alltag stets im Lichte einer andern Welt zu be trachten und in Innern Gewinn zu verwandeln — solche Lehre spendet nicht nur weit mehr lebendige Kraft, sondern enthält auch weit mehr und tiefere Erkenntnis des Lebens und seiner Geheimnisse als die erhabenste Philosophie." Ich habe den treff lichen Worten des große» Pädagogen nichts hinzuzufügen. Ganze Bücher sprechen aus diesen wenigen Worten. Förster spricht hier aus den tiefsten Lebenserfahrungen. So kann nur aus den lebendigen Kräften des Christen tums heraus unsere todkranke Zeit genesen. Und darum brau chen wir Männer, die diesen lebendigen christlichen Glauben ver körpern. Zu diesen Erscheinungen gehört Jeremias Gotth-rlf. geradezu ein Seher seiner Zeit. Immer ausgehend vom Zen- tralpunkt christlichen Lebens, hat er die Probleme seiner Zeit angegriffen und in lebendigen christlichen Gestalten aus dem Volke feiner Zeit die wahren Quellen des Heils eröffnet. In dem er von den Einzelerscheinungen immer ins Allgemeine geht. l>at er ein« Lebensphilosophie geschaffen, die wirklich lebt und die Menschen heutzutage noch ebenso ergreift wie seine Zeitge nossen. So ist Gotthelf auch der begnadet« Volkspädagoge und Seelsorger, wie man sie selten findet. Möge daher Gotthels von neuem recht weit hinausdrtngen in alle Kreise zum Nutzen und zum Heil unseres seelisch verarmten Volkes. Möge es die Dinge wieder sehen lernen im Schimmer des Ewigen, worin allein die Wurzel seiner Kraft und seines innersten Lebens liegt. Das deutsche Volk ist entweder aufs Ewige eingestellt oder es ist ver loren. Lin bloßes Wirtschafte- und Krämervolk kann «» nun einmal nie und nimmer sein.
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