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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 22. November >"""< Nr. 267 P»littsche R««dscha». (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Material für die Dividendellsteuer liefert uns der sozialdemokratische „Vorwärts" in fast jeder Nummer; fo schreibt er in Nr. 269 vom 16. November 1967 folgendes: „Kleine Stammkapitalien mit hoher Rentabilität finden sich in der Maschinenindustrie ziemlich häufig, während die großen Kapitalien nicht immer eine entsprechend hohe Rente abwerfen, wie dies zum Beispiel im Bergbau der Fall ist. Unter 37^ Aktiengesellschaften der Maschinenindustrie, die ihr Geschäftsjahr mit dem 30. Juni abschließen, zahlt die höchste Dividende mit 25 Prozent eine Gesellschaft, deren Aktienkapital nur 210 000 Mark beträgt. Danach folgt eine Maschinenfabrik mit 24 Prozent Dividende 1906/07, die mit einem Betriebskapitale von 1 350 000 Mk. arbeitet. Dieses Kapital ersctxnnt relativ auch nur niedrig, wenn man erwägt, daß von den 37 Gesellschaften 15 mit einem weit höheren arbeiten. Die höchste Dividende wird nach den bisherigen Abschlüssen von der Maschinenindustrie von folgenden Gesellschaften gezahlt: nklienkapital Dividende in P o,»nt in 1000 .6 1005/06 1006/07 Maschinenfabrik Georg Dorst Oberltnd .... 210 21 25 Maschlabr. Kappel. Chemnitz 1950 1»; 2 t Werlzeugmaschfabr. Vulkan 509 e 19 Mhinaichinenfabr. Karlsruhe 1050 17 17 Wir geben uns der Hoffnung hin, daß die Sozialdemo kratie für eine Dividendenstcuer mit großer Begeisterung eintrcten wird, wenn im Reichstage das Zentrum eine solche vorschlägt. Wir sagen nicht, daß das Zentrum eine solche unter allen Umständen fordern werde, denn vorerst gilt der Satz, den das Zentrum am 19. November 1906 anssprechen ließ, daß es jede Steuer ablehne, wenn nicht die Brannt weinsteuer zuerst geändert werde. Eine gute Reform der Branntweinsteuer bringt mindstens 70 Millionen Mark mehr ein. Dann erhebt sich die Frage, ob nicht diese Gelder ausreichend sind; je mehr man Einnahmen dem Reiche gibt. ; irm so mehr Geld verbraucht es. Reicht aber die Brannt weinsteuer nicht aus, dann dürfte die Dividendensteuer die j nächste sein, die an die Reihe kommt. i — Die Pensionierung der Offiziere ü In Lynar. Ein mal wird behauptet, daß die Betreffenden überhaupt keine Pension erhielten, was total falsch ist; dann heißt es wie der, daß ihr Anspruch auf Pension unbestritten feststehe, was nicht zutreffend ist. Werden Offiziere einfach entlassen, so erhalten sie keine Pension. Das neue Offiziersgcsetz sagt dies klar und deutlich; die in Betracht kommenden Vorschrif ten lauten nämlich: 8 l: »Die Offiziere des Friedensstandes haben Anspruch auf eine lebenslängliche Pension, wenn sie nach einer Dienstzeit von mindestens zehn Jahren zur Fort- setzung des aktiven Militärdienstes dauernd unfähig ge worden sind und deshalb aus dem Dienste ausscheiden müssen." § 2: „Der Anspruch auf Pension muß vor dem Ausscheiden erhoben werden." § 4: „Zum Nachweise der Dienstunfähigkeit eines die Pensionierung nachsuchenden Offiziers, der eine zehnjährige Dienstzeit zurückgelegt hat, ist die mit Gründen versehene Erklärung der zuständigen Vorgesetzten und, falls die Pensionierung auf Grund eines körperlickxm Leidens nachgesucht wird, ein Gutachten der zuständigen Aerzte erforderlich, daß sie nach pflichtmäßigem Ermessen den Offizier zur Fortsetzung des aktiven Militär dienstes für dauernd unfähig halten." — Diese Artikel sind ausreichend, aber wir müssen uns sagen, daß bei der Pensionierung kaum nach ihnen verfahren sein konnte, denn da erhebt sich in erster Linie die Frage, auf welche Gründe die betreffenden Vorgesetzten die nach dem Gesetze erforder liche Erklärung gestützt lxiben mögen, daß beide Offiziere zur Fortsetzung des aktiven Militärdienstes dauernd un fähig seien. Die Notwendigkeit dieser Erklärung trat doch so außerordentlich überraschend an sie heran, sie nxird zudem nicht durch ein Plötzliches Versagen der geistigen und körper- licken Kräfte der Betreffenden im Dienste, sondern durch die etwas ungewöhnliche Anzeige eines Burschen verursacht, daß sein Herr „zu gut" zu ihm sei. Da eine solche Erklä rung der Vorgesetzten, wie das Gesetz verlangt, und Hs der Kriegsminister in der Kommission feierlich betont hat, auf Pflicht und Gewissen und unter dem Drucke der so hocbge- kxfltenen Standesehre abgegeben wird, so liegt hier ein Rätsel vor, daß im Reichstage unbedingt gelöst werden muß. Man hat die lebhaftesten Bedenken gegen die Ausführung der Pensionsgesetze; wenn solckie Vorkommnisse sich einsin- den. Wenn dagegen ein Unteroffizier sich die geringsten Vergehen zu schulden kommen läßt, so erhält er den Zivil versorgungsschein nicht, und wenn er zehn Jahre diente. Eine solche Ungleichheit wurmt tief im Volke und sie darf nicht weiter bestehen. -- „Dernburg, dem Afrikaner", widmet zu seiner Rück kehr aus dem scliwarzen Erdteil die Wochenschrift „Ter Deutsche" einen Begrüßungsartikel, dem wir einige Ab schnitte entnehmen. U. a. wird da gefragt: „Wozu ist Tern- burg nach Afrika gegangen?" Und die Antwort lautet: „Die Ansiedler meinten, um sich zu informieren und ihnen zu helfen. Gott bervalire. denkt der Staatssekretär; ich bin gekommen, um ihnen meine Formel mitzuteilen. Was ist nun Ternburgs Formel? Er meint, die Kolonien seien nicht dazu da, um Farmer oder Plantagenbesitzcr reich zu machen, sondern, um dem Mutterland etwas abzuwerfen — indem sie Rohprodukte liefern und Fertigware kaufen. Also stark produzierende und stark kaufkräftige Kolonien. Dazu gehört eine zahlreiche Bevölkerung. Ta aber die Weißen unter der Tropensonne immer nur eine sporadische Erscheinung bleiben werden, ist also unser eigentlieber Reich tum der schwarze Mann, das Zehnmillionenvolk von der Küste bis zu den Seen. Hinein zu ihnen mit der Eisen bahn! Und dann: Fahret fein säuberlich mit dem Knaben Absalom! Er ist derjenige, der uns später Kautschuk und andere schöne Tinge in Hülle und Fülle liefern soll. Mit Kaffee ist es nichts. Baumwolle noch im Versuckissradiuin. In Sisal gibt es in wenigen Jahren Ueberproduktion. Aber der Kokusbau wirft reichen Segen ab. Fertig, los, einstei- geu, meine Hcrrsckxiften Im Ernst: so darf das Genie sprechen. Wenn Dernburg mit diesen Dingen auch bei scharfer Prüfung durch Fachmänner besteht, io »vollen wir über die Form nicht rechten. Sckiwächliche Aktien müssen zusammengelegt werden. Und darum wollen wir in Ruhe die Prüfung abwarten, die in wenigen Wochen erfolgen wird .... Das ist ein wenig an Beifall, ein wenig «m Nachdenklicheni, das wir in die Debatte werfen. Der Nest mag Fachleuten überlassen bleiben — und allem, »vaS noch aus Afrika Nachkommen mag. Tort brodelt es jetzt im Hexenkessel, dort beißt es: Dernburg ist ein Bluffer und hat sich von dem Zentrumsmann, Gouverneur von Recl-enberg, einwickeln lassen. Ostafrika für die Neger, natürlich). und der deutsche Farmer zum Teufel! Ein Wunder ist es nicht, daß man es so hört, denn Ternburgs Art fordert dazu her aus. Aber auch der gärende Unwille wird abgeschäumt werden, und nachher gibt es klare Kritik. Vielleicht schon jetzt ersckxillt lx-rzlickx's befreiendes — Lacken iu Tanga, in Mombo und Wilhelmstal, Lachen über die eigene Rolle, die man während der Episode Dernburg gespielt hat. Wie j konnte inan sich nur so verblüffen lassen? Und mit der : Stille und dem Nachdenken reift das Urteil. Manches von seiner Formel wird anerkannt »verden — und schließlich kann jede Formel nach der bisk-erigen Zeit des Experimen- tierens einen Fortschritt bedeuten, wenn sie nur den kräfti gen Anstoß dazu gibt, daß überhaupt etnxis geschieht." — Das ist etwas viel Spott auf einmal; wir müssen aber be streiten, daß Gouverneur von Rechenberg ein Zentrums mann ist; er ist zwar ein treuer Katholik, aber parteipoli- tiicb nocb gar nicht Ix'rvorgetreten, da er sein ganzes Leben lang im Auslande tveilte. Uns aber freut es, daß Tern- bürg und Neck^enberg so vernünftige Ansichten haben und die Eingeborenensrage in den Vordergrund stellen; nur auf diesem Wege kann Lstasrika eine gute Zukunft lxiben. Thearer und Musik. Leipzig. Wienerinnen. Lustspiel in drei Akten von Hermann Bahr. In Szene gesetzt von Hanns Schrei ner. Erstausführung im Schau spiel Hause (Direktion Anton Hartmann). Das Stück lxit eine sehr magere Handlung. Zwei Ebekataslrophen werden glücklich vermieden, am Schlüsse sinken sich die zwei auf dem Kriegsfuße stehenden Ebeleute versöhnt in die Arme. Das Lustspiel könnte auch „Münchnerinnen" oder „Leipzigerinnen" heißen; denn eine eigentliche Psychologie der typischen Wienerin wird nicht darin gegeben. Aber trotzdem — und vielleicht gerade des halb gefällt es. Der Titel „Wienerinnen" kann ganz gut das Tempo andeuten, in dem gespielt werden soll: flott, graziös und geuxmdt. Verschiedene Typen, die nur in der Großstadt blühen können, sind außerordentlich scharf be obachtet. Da ist ein frecher Backfisch hier ein Kritiker, der bei den Damen beliebt ist und angeblich selbst die Kunst liebt, da ein biederer Architekt, der auf 'eine ..Tischlerahnen" stolz ist und seine Ruhe in der Arbeit erblickt, und endlich eine verheiratete Frau, die einen Wonnekitzel darüber emp findet, daß der von ihr abgewiesene Freier sie beweint, und die in Entrüstung über das ganze Männergeschlecht gerät, als sich der Herzkranke einstige Freiersmann verlobt. Der Hauptreiz des Stückes liegt in der gewandten Szenenfüh rung und in dem witzigen, seingeschliffenen Dialog. Die l Darstellung Nxir ini allgemeinen temperamentvoll, wenn ! auch zunx'ilen zu laut und schixm. Das Dreigestirn Doisy «Frida Kollendt), Risa (Gusch Ney), Fritzl (Beruh. Wilden- — 40 — „Freilich, das ist Olynthus, er verachtet unsere Gottheiten, er gilt als ein Nazarener." ..O, das müssen ja schreckliche Menschen sein," anftvortete der andere und hielt sich vor Schreck beide Hände über die Ohren. „Soll es wahr sein, daß sie in ihren nächtlichen Zusammenkünften kleine Kinder opfern und von dem Blut trinken?" „WaS weiß ich davon, aber denke dir nur, alle Götter verwerfen sie und wollen nur eine Gottheit, die zudem unsichtbar sein soll. Edler Freund, nw kämen wir armen Leute hin mit unserem Handel, tvenn die Welt keine Götter statuen rnehr kaufen wollte?" „Das ist ja schändlich, diese Leuten ruinieren ja unser ganzes Gewerbe und machen uns brotlos." „Wer weiß, ob sie nicht den Zorn der Götter heraufbeschworen lxiben, welcher das Erdbeben der vergangenen Nacht verursachte. Heißt es nicht auch, daß sie unter Kaiser Nero jene Feucrsbrunst hervorriefen, welche halb Rom in Asche legte?" Olynthus bemerkte, daß er beobachtet wurde und den Gegenstand de? Gespräches der Leute bildete. Seinen weiten Mantel schlug er daher um sich, -cg die Kapuze über sein Haupt und ging davon, in sich hineinsprechend: „Ihr Loren, ist euch das Erdbeben der letzten Nacht noch nicht zur Warnung ge worden. Werdet ihr tvciter leben, wie bisher?" Ter Nazarener, denn ein solcher war er in der Tat, durchschritt die Menge, w.'lche sich scheu nach ihm umblickte und ihm wenig schmeichelhafte Be- merkungcn und Schimpfworte nachrief. Beim Ausgange aus dem Forum stieß er auf einen bleichen jungen Mann, dessen Gesicht in ernste Falten ge legt tvar. „Apäcides, bist du cs?" redete er denselben an. „Wie oft habe ich dich gesucht und immer wieder vergeblich, steht dein Geist noch immer in dem finstcicn. trughaften Banne des Aegypters?" Schon früher hatte der junge Priester der Isis mit Olynthus Unter redungen gehabt, welche ihm den ersten Einblick in die christlichen Wahrheiten x-wäbrten. Dann war er immer wieder von Arbaces in neue Zweifel hinein gezogen worden, bis ihm jetzt der schreckliche Betrug offenbar getvorden »var. Wie ehrlich hatte er es genieint, wie opferbereit hatte er alles hingegeben, an dem die Jugend ihr Herz nur erfreuen kann, und wie gräßlich war die Ent täuschung. wie öde war eS in seinem Innern, wie ekelte ihn alles an. Und nun kam dieser Nazarener mit neuen Lehren, mit neuen, noch größeren Opfern. Wollte man ihn wieder auf Irrwege führen, verdeckte auch hier die anscheinend streng geübte Tugend nur wiederuni den Abgrund der abscheu lichen Laster? Olynthus war ein feiner Menschenkenner, er verstand es vor allem, in den zweifelnden Seelen zu lesen. Was im Herzen des Priesters der Isis vor pch ging, blieb ihm nicht verborgen. Heiter wie die Morgensonne, welche die Nebel der Erde -erteilt, so redete er, den Blick tief in das Auge des jungen ManncS tauchend, denselben an: „Friede sei mit dir!" „Friede?" wiederholte Apäcides, als höre er einen ihm unbekannten Haut: „Ja, gibt es denn Frieden?" „Sprich!" antwortete der Aegypter, „und wenn deine Worte wie zün dende. niederschmetternde Blitze in mein Glück fahren." Eine kleine Pause entstand, dann erhob sich Jone von ihren» Sitze, er rötend. aber in fester Ruhe sagte sie feierlich: .Arbaces, vergib, ich liebe einen Anderen!" „Unmöglich, Jone! Niemanden lerntest du hier genau kennen, daß du zu ihm eine tiefere Neigung hättest fassen können. Sprich, du willst nur Ausflüchte mactxm. Es kam dir überraschend, dein Herz erfordert Bedenkzeit Jone, sage mir die Wahrlwit, ich beschwöre dich!" Das Mädchen prallte zurück vor der Leidenschaftlichkeit, tvelche Arbaces erfaßte. Er griff nach ihrer Hand, sic suchte sich loszureißen und in diesem Ringen entfiel aus den Falten ihres Gewandes der Brief des Glaukus, den sic an ihrem Busen geborgen hatte. Wie ein Habicht stürzte der fiebernde Mann auf das Täfelchen zu und mit wachsender Erregung las der Alte den Brief, während seine Züge sich vor Haß und Zorn entstellten. Jone war machtlos auf ein Ruhebett hingesunken und wagte nicht, den Aegypter anzusehen. „Ha. Glaukus!" rief dieser niit entsetzlicher Stimme aus, als er die Unterschrift des Briefes gelesen. „Glaukus, wie die Tafel wird dein Hoffen ii: Trümmer gehen!" Mit wuchtigem Wurfe schleuderte der Aegypter den Blick zur Erde, daß die Splitter weit umherflogen. „Glaukus, Jone, eher wird das Grab seine Arme um euch schlingen, ehe ihr einander angehören sollt. Glaubst du. törichtes Mädchen, ich habe dich gehegt und gepflegt, damit ein Anderer die reifen Früchte sammle. Nein, mcin bist du, mein bleibst du, zu meinem Eigentume erkläre ich dich hiermit" Arbaces wollte seinen Arm um die zitternde Jone schlingen, aber da er- tva.htcn in ihr alle Kräfte, mit Gewalt stieß sie den Wütenden zurück. Sie eilte auf das Nebcngemach zu und hatte schon die Vorhänge gefaßt, da ergriff der Aegypter sie wiederum. Noch einmal gelang cs ihr, sich ihm zu ent- winden, dann aber sank sie gebrochen mit lautem Schrei zu Füßen einer Bild säule zusammen. Im gleichen Augenblick teilte sich der Vorhang, eine kräftige Faust faßte Arbaces bei der Schulter und er sah in die zornentflammten Augen des Glau- luk-, dem der bleiche Apäcides auf dem Fuße folgte. „.Hat euch die Hölle hierher ausgespiehen, was sucht ihr in meinem Hause!" — „Die Rache für deine Frevel führt uns her," schleuterte ihm Glaukus entgegen und zugleich umschlang er den Aegypter mit seinen nervigen Armen. Apäcides hatte inzwischen seine ohnmächtige Schwester vom Boden aufgehoben und sie zu dem Ruhebette geführt. Mit gespanntem Auge sah er dem Kampfe der Beiden zu. In denselben sich einzumischen, verbot ihm die Sitte des Landes. Aber krampfhaft hatte er seinen Dolch gefaßt, um sich auf Arbaces in dem Augenblicke zu stürzen, da Glaukus unterliegen werde. Es war ein furchtbares Ringen dieser beiden Männer, gleich ausge- stattet mit hervorragenden Körperkräften, alle Muskeln der Anne waren ge spannt, die von Ingrimm erfüllten Augen traten aus den Höhlen hervor, die Stirnadern waren hoch geschwollen, die Zähne gruben sich in die blutenden AuS den letzten Tagen Pompejis.