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Nr. LSI. Dienstag, den Lv. Mai LVO«. 6. Jahrgang. Sächsische PolksMung »r1ch«n» tit.l«ch ,«ch». «U A»»nnd«« der »onn- » HrMa-e« „ . . „ . — . . ^ m «E»«i-er c,geblan l.wadkdrit, «ecdl «.Neides werde» die «gespalt. UetitzeUe ob« der«, Raum »U Reklame m. SO ^ dir Zeile, berechn.,». »iedeich. dedeul.Rabatt v,chd»»«k«wi, StedRkli«« „d GekchSfOfteL«, «re»den Titlntde» SO. — Rermdreidev Rr.'!«« Der drohende Aufstand Ln Natal. Der aufmerksame Verfolger der englischen Presse hat schon seit einigen Wochen bemerkt, daß in Natal die Dinge nicht so stehen, wie es England wünscht; aber man hat nichts Genaues erfahren können. Nunmehr muh auch die englische Presse deutlicher reden und sie sagt auch bereits ziemlich offen, daß die Lage in Natal sehr ernst ist und daß dort mit einem Riesenaufstande gegen die englische Herrschaft ge- rechnet werden inuh. Die Unruhe, die jetzt solch gefährlichen Umfang ange nommen hat, wurde in ihrer Wesensart von den englischen und kolonialen Behörden erst vor einigen Monaten einiger- maßen erkannt. Sie wurde damals und wird offenbar auch heute noch in ihrer ganzen Tragweite nur von einigen ge nauen Kennern der Verhältnisse gewürdigt. Solche wirkliche Kenner der Verhältnisse existieren merkwürdigerweise selbst in der Kolonie Natal nur sehr wenige. Sie teilten mit den Kolonialexpcrten anderer Länder das Schicksal, daß man sie erst zu spät hörte. Wie fast überall sonst haben^die Eng länder auch in Natal sich darum herumgedrückt, dem Ein geborenenproblem energisch zu Leibe zu gehen. In Pieter- maritzburg wie in Durban, in Pretoria wie in Kapstadt sind Eingeborenenprobleme ein noli me trrnxara. Die Natal behörden warm seit langem gewarnt. Seit bald acht Jahren sind in Pietermaritzburg in immer kürzeren Intervallen Berichte darüber eingelaufen, daß an der Zululandgrenze sich etwas vorbereite. Im Jahre 1898 bereits erzählte in Dundee ein Offizier, der gerade aus Mahlabatani zurück.;:- kehrt tvar, daß er den Eindruck empfangen habe, als schreite, unter dem Einfluß einer geschickten gegen die Weißen ge- richteten Profnganda, die Einigung unter den größeren Chiefs, die sich früher in unendlichen Stammesfehden zer fleischten, stetig fort: „Nicht heute, nicht morgen, aber iiber Jahr und Tag werden wir da böse Ueberraschungen er leben," schloß er seinen Bericht. Als alle fragten, warum er von seinen Beobachtungen nicht in Pietermaritzburg offizielle Mitteilung mache, meinte er resigniert, dort sei man ziemlich genau unterrichtet, aber man denke nicht nur nicht daran, ernste Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, son- dern man nehme sogar jede Warnung direkt übel. Außer dem britischen Kolonialminister ist sich heute über die Gefahreil des Aethiopianismus wohl jedermann in England und den Kolonien klar. Daß man noch immer Vogelstraußpolitik treibt, liegt in der seltsamen Zwitter stellung der kolonialen Behörden begründet, die sich einer seits nicht gerne von der Homeregierung Hineinreden lassen wollen, andererseits aber selbst auf viel zu schwachen Füßen stehen, um in irgend einem Falle ein Machtwort sprechen zu können. So wird „fortgewurstelt" — aus Leichtsinn und Großmannssucht. Unter dem Rufe: Afrika den Afrikanern! haben sich namentlich in Natal die Zulu zusammengefunden, die Rüstungen iil ihren Dörfern gehen bereits seit einigen Jahren darauf heraus, für die Zeit des Aufstandes Ge wehre und Pulver zu haben und englische Kaufleute liefern beide sehr gern. Nun sind die Unruhen auch scholl da. Der Premierminister hat es in letzter Woche in Dundee selbst zugestehcn müssen. Er gab nämlich einige Zusagen über die künftige Behandlung der Eingeborenen lind erklärte sodann, daß diese Frage erst dann entschieden werden könne, wenn die gegenwärtigen Unruhen unterdrückt seien. Diese Un ruhen haben bereits eine fürchterliche Aehnlichkeit mit einer Eingcborenenrevolution großen Stils, und dieser Nevo- I lution steht die Kolonie Natal hilflos gegenüber. Es muß jetzt schon als feststehend betrachtet werden, daß die Kolonie Natal nicht imstande sein wird, aus eigener Kraft den Aufstand niederznwerfen, und Unterstützung durch Neichstruppen in Anspruch nehmen müssen wird. Das Hauptquartier in Pretoria arbeitet, so besagen die neuesten Berichte, bereits Pläne für die schnelle Mobilisierung regu lärer Truppen aus. die sofort nach Eintreffen der Befehle aus London nach Zululand abgehen werden. Die männliche Bevölkerung Natals wird zum Schaden des Wirtschafts lebens des Landes stark zum Dienst in der Miliz und bei den irregulären Truppen herangezogcn, infolgedessen wer- den vielfach schon Stimmen laut, die Reichstruppen ver langen, damit die Farmer und Gewerbetreibenden zu ihrer Arbeit zurückkehren können. General Hildyard hat einen Feldzugsplan entworfen, wonach zwei Heeresabteilungen, aus Kavallerie, Artillerie und Infanterie bestehend, gegen die Aufständischen operieren sollen. Trotz der militärischen Maßnahmen in Natal greift die Unruhe unter den Einge borenen in ganz Südafrika eher um sich, als daß sic zurück- geht. Ucberall halten sie in den Kraalen Versammlungen ab, und die Sendboten der „äthiopischen Bewegung" tun ihr Möglichstes, um die Erregung der Gemüter auf den Siede- Punkt zu steigern. Auch auf die Buren scheint sich die Re- gierung nicht fest verlassen zu können, denn es ist erwiesene Tatsache, daß eine Anzahl von ihnen der Stvazikönigin bei der Erhebung gegen die Regierung Beistand geleistet hat; indes ist die Königin auch von Feindschaft gegen die Buren selber erfüllt. Was die militärische Lage betrifft, so steht Bambaata, dessen Erhebung den ganzen Aufstand einleitete, gegenwärtig mit 800 Mann beim Mackala-Berg, von wo er Nkandhla anzugreifen droht. Die von dem Häuptling Kula geführten Rebellen marschieren gleichfalls auf Nkandhla. In Pieter- maritzburg setzt man einstweilen alle Hoffnung auf eine kombinierte Aktion, in deren Verlauf sich drei Kolonnen bei Cetewayos Grab vereinigen sollen. Zu diesem Zweck ist Oberst Mc. Kenzie von Nkandhla, Oberst Mansel vom Fort Aolland und Oberst Barker von Ntingwe nach dem Nkandhla-Bergen aufgebrochen. Die zwei ersten Kolonnen sind bereits mit Eingeborenentrupps ins Gefecht gekommen. Die Verluste der Eingeborenen waren dabei aber sehr ge ring. Sie wußten das äußerst schwierige Gelände glänzend auszunutzen. Der Busch ist ihr bester Helfer. Dazu kommt, daß die Zulus äußerst behende und gute Läufer sind, die sich zu Fuß rascher vorwärts bewegen als die Kavallerie patrouillen. Der gegenwärtige Aufruhrbezirk läßt sich nach Norden und Nordosten hin natürlich überhaupt nicht be grenzen. Im Süden wird am Tugela bereits gefachten. Bei Hot Springs traf Oberst Leuchars auf Eingeborenen trupps, deren Stärke er mit 150 Mann bezifferte. Im Westen scheint Dundee vorläufig noch nicht bedroht. Alle Telegramme aus Natal stimmen aber darin überein, daß, wenn die Aktion der drei Kolonnen scheitere, und das ist durchaus wahrscheinlich, da man schon jetzt von der Ko lonne Mc. Kenzie nichts mehr hört — man sich darauf ge faßt machen muß, den Aufstand sich rapide ausbreiten zu sehen. Gegenwärtig dürften mehr als 5000 Zulus bereits auf den Beinen sein. In dieser höchst gefährlichen Situation nimmt sich nun der Ruf des „praktischen Engländers" mehr als seltsam aus, wenn er sich vor Augen hält, daß auch in einem solchen Augenblick noch die Kompetenzfragen zwischen Kolonien und Reichsregicrung ihre verhängnisvolle Rolle spielen können. Das britische Reichskriegsamt könnte der Kolonie wichtige materielle Hilfe leisten, wenn der Kolonie gestattet würde, die militärischen Depots der Reichsregierung in Südafrika in Anspruch zu nehmen. Der Kolonie fehlt cs an mili tärischem Ausrüstungsmaterial jeder Art. Fast alles Er forderliche ist nun für den Bedarf der Reichstrnppen in deren Depots aufgestapelt, aber die „roll tnpe rc-xnlrrtiaim" verbieten, daß es an die kolonialen Behörden abgegeben wird. So muß, um ein Beispiel herauszugreifen, die Natal- rcgiernng jetzt auf das Eintreffen der in England bestellten Bekleidungsstücke warten, während diese in großen Massen im Depct der Reichsregierung in Pietermaritzburg aus- gestapelt sind. Aehnlich verhält es sich mit anderen dringend notwendigen Dingen. Natal will gern jeden Preis zahlen, nur um eine verhängnisvolle Verzögerung der militärischen Operationen um volle fünf Wochen zu verhindern. Nack» diesen fünf Wochen würden die Vorräte in den Depots wieder völlig ergänzt sein. Gleichen diese Zustände nicht aufs Haar denen, die der Ire Bernhard Shaw in seinem „Teufelskerl" so treffend verspottet hat? Der drohende Aufstand in Natal berührt uns zunächst nicht, da Südwestafrika sehr weit hiervon entfernt ist. Wenn aber England größere Truppenmassen nach Natal werfen muß, braucht es alle Lebensmittel für diese und wird dann die Grenze gegen uns sperren. Unsere Soldaten sind dann am Verhungern; da ist es das beste, sie jetzt sofort zurück zuziehen und so auch dem Reiche viele Millionen zu er sparen. Die Demonstratisn gener, die Kovsrm- vereine in Wien. Im Anschlüsse an den allgemeinen österreichischen Tele- giertentag der Handels- und Gewerbetreibenden fand am 25. d. M. nachmittags, da sich die Volkshalle als viel zu klein erwiesen liatte, vor dem Rathause in Wien ein Massen meeting von etwa 30 000 bis 40 000 Gewerbetreibenden statt. Während in der dichtgefüllten Volkshalle die ord nungsmäßige Versammlung tagte, sprachen im Freien von verschiedenen Stellen aus mehrere Redner, die Bedeutung des Tages würdigend. In der Volkshalle hatten sich zahl- reiche Abgeordnete eingefunden, die christlich-sozialen waren fast alle erschienen. Unter brausendem Beifall sprach hier Abg. Bürgermeister Dr. Lueger, ferner Abg. Prochazka und Genossenschaftsvorsteher Hollaus. Nach Schluß der Massen versammlung wurde eine schwarzgelbe, mit Wiener Far ben drapierte Doppelstandarte vor dem Mittelportale des Rathauses gehißt, auf welcher die Inschrift prangte: „Nieder niit den Konsumvereinen! — Schutz dem Handel und Ge werbe! Mit dieser Fahne in der Mitte zogen die Dcmon- stranten gegen das Parlament. Die Polizei wollte dies hindern, entriß die schwarz-gelbe Fahne dem Träger und konfiszierte sie. Die Erbitterung der Menge über dieses Vorgehen der Polizei tvar eine furchtbare. Im Sturm schritt ging cs aufs Parlament los, um die Fahne zurück- zuerobern. Die Polizei schlug mit der blanken Waffe in die Menge hinein. Dr. Lueger und andere Abgeordnete suchten die Polizei und die Menge zu beruhigen. Dieser Vorfall beleuchtet besser als hundert Reden die Zustände, unter denen Oesterreichs Bevölkerung seufzt. Viele Tausende von Steuerzahlern, Getverbctreibenden, Bürgern, Patrioten, die sich in ihrer Existenz durch die Zunahme der Konsumvereine bedroht sehen, marschierten nach einer Massenversammlung vor dem Rathaus in geordnetem Zuge zum Parlament, um auf -je gesetzgebenden Faktoren durch die Demonstration Eindruck zu machen. Den ruhigen, aus allen Teilen des Reiches herbeigeströmten Gewerbe treibenden wäre sicher niemals der Gedanke zu einer solchen Demonstration gekommen, hätten sie es nicht erlebt, daß eine ähnliche sozialdemokratische Kundgebung am 28. No vember 1905 auf die Negierung wenigstens scheinbar einen solchen nachhaltigen Druck ausübte, daß geradezu ein poli tischer Systemwechsel erfolgte. Am 25. d. M. konfiszierte dagegen die Polizei eine schwarz-gelbe Fahne, die dem Demonstrationszuge vorangctragen wurde. Tie rote Re- volutionsfahne durste im vorigen Herbst, ohne daß die Polizei dagegen Einsprache erhob, vor dem Parlament am großen Flaggenmast aufgezogen und gehißt werden, die schwarz-gelbe Fahne aber wurde am 25. d. M. für staats- gcfährlich erklärt und beschlagnahmt. Könnte die öster reichische Regierungsmethode ärger verhöhnt werden? In Ungarn wird die schwarz-gelbe Fahne den magyarischen Chauvinisten preisgegeben, in Wien, im Herzen des Reiches, wo die rote Fahne die Duldung der Polizei genießt, wird die schwarz-gelbe Fahne konfisziert! Man will den Leuten offenbar den Patriotismus von amtswegen und mit Gewalt aus dem Herzen reißen. Wenn Oesterreichs Völker mit stei gender Kraft auseinanderstreben, daß man zeitweilig schon am Fortbestände dieses ehrwürdigen Reiches verzweifeln möchte — fürtvahr, nicht das Volk ist schuld daran, schuld sind die Negierungen. Deutscher Reichstag. Ic. Berlin. 111. Sitzung am 26 Mai 1906. Der Reichstag hielt am Sonnabend nicht weniger als 3 Sitzungen ab. In der 1. und 2. wurde zunächst der Schwedische Handelsvertrag «verändert angenommen. Von den Kolonialetats wurden nahezu alle Mehrausgaben gestrichen, und von 16 Mill. Mk. nur 90 000 Mk. ge- nehmigt. Besonders wurde abgelehnt die Rate für den Bahnbau in Südwestafrika und die Entschädigung für die Ansiedler. Während schon eine ganze Reihe sachlicher Gründe gegen die Summe sprachen, blieb es besonders dem Eintreten des Oberst v. Deimling Vorbehalten, die Forderung vollends in Grund und Boden zu stampfen indem er mit seinem militärischen Draufgängertum dem Reichstag in der denkbar schärfsten Weise vor den Kopf stieß, was stürmische Unterbrechungen und sehr scharfe Zurückweisungen hervorrief. Erst in später Abendstunde wurde der Etat angenommen. Politische Rrrn-schan. Dresden, den 33. Mai 1906. — Die Budgctkommissson des Reichstages setzte am 26. dS die Beratung des Ergänzungsetats fort; es handelte sich zunächst um die Entschädigungsfrage für die Ansiedler. Berichterstatter Erzberger hält es für einen Reichstags- abgcordneten für unverantwortlich, 11 Millionen Mark zu bewilligen, das unseren Bürgern abgenommrn werden müsse. Wohin führe diese Position'? Die Konsequenzen seien unabsehbar. Das Reich könne das Risiko der Farmer nicht übernehmen. Dr. Semmler (Natl) tritt für seinen Antrag auf Bewilligung von 7,5 Millionen Mark ein. Das Zentrum wolle eben nichts bewilligen. Müller-Fulda (Ztr.): 40"/g des Schadens habe der Reichstag schon be willigt; im Jnlande würden nie solche hohe Entschädi- gungen gegeben. Das deutsche Volk will keine Entschädi gung gewähren. Erst müsse voller Aufschluß über die Art der Verwendung der bewilligten Gelder gegeben werden; dann könnte man an eine Unterstützung denken. Staats sekretär Graf Posadowsky: Wir sind engagiert, auch in Südwcstafrika und müssen hierfür sorgen, daß Deutsche hier Werte schaffen können. Die Ansiedler müssen gehalten werden: die deutsche Ehre ist hier im Spiele; namens deS Reichskanzlers bitte ich um Annahme der Forderung. Gröber (Ztr.): Der Reichstag muß wissrn, was mit dem Gelde angefangen worden ist; deshalb muß eine sehr ge- nane Aufstellung darüber dem Reichstage zugehen. So lange dieses Material nicht vorliegt, können wir nicht ent scheiden. Dagegen sind wir bereit, für ausgediente Ange hörige der Schutztruppen 500 000 Mark AnsiedlungSbei- Hilfe zu genehmigen, soweit sie sich im Damaraland nieder lassen. Erbprinz v. Hohenlohe: Wir konnten die Akten nicht hierher kommen lassen, da die Entschädigungskom mission sie für ihre Arbeiten nötig hat. Der Antrag Gröber wurde angenommen; auch die Freisinnigen stimmten hierfür. Die Summe für Entschädigung dcr Ansiedler wurde abgelehnt. Der Ergänznngsetat ist damit erledigt. — DaS preußische Herrenhaus erledigte am 26. d. M. die Novelle zum Einkommensleuergesitz. — DaS preußische Abgeordnetenhaus hat am 26. d. M. daS SchulunterhaltungSgesetz in allen Teilen nach den Be schlüssen der Kommission angenommen. — Dir Wüttembcrgcr Kammer der Standeshcrrcn er ledigte am 26. d. M. die Beratung der Vvrfassungsrevision und lehnte das von der Kammer der Abgeordneten be schlossene Erfordernis der Wohnsitze der Standesherren im Lande ab. — Unter der Ueberschrift „Nachklänge vom diesjährigen Kaiserbesuch in Lothringen" erhalten wir von unserem -kn,- Mitarbeiter folgende wohlverbürgte liebenswürdige Ge- schichtchen, entnommen der „Metzer Zeitung": Als Seine Majestät sich am Dienstag nachmittags nach dem Früh stück beim Bezirkspräsidenten im Hofe der Präfektur die antiken Geschütze vorführen und durch ihren Erbauer. Oberst-