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Nr. LV5 — v. Jahrgang Sonnabend den Ä7. August Ivtv SiWHeMksreituntz Orlchelnt tSgltch uach«. mit Ausnahme der Sonn- und Jesttage. NuSaabe L., MU .Die Zeit in Wort und Bild" vierteljährlich- 2,10 /e. In Dresden durch Boten iS,SU In gans Deutschland stet Hau» 2,SB Unabhängiges Tageblatt Inserate werden die llaesvaltene Pelitzeile oder deren Raum mtl LS Siellamcn mit SU 4 die geile berechnet, bei Wicdcrholun-ea entsprechenden Rabatt Di st^r Wahrheit, Recht und Freiheit «uchdruikeret, Dresden, Pillatqer Redaktion nnd Geschäftsstelle, r Strafte 4». — gcrnsprecher lüSS ^.t. «chrtftstUcke keine iv.rbindltchkeU RedaltionS-sprechilunde: II —12 Uhr, LrOisolisnä uncl labenc! O>'6cj0-^i8d66s'6N ^ pfnncl 18 Pfennigs. Gerling 8- stockstrosi, O-eräen. dilvctsi'IklkriN in kliisn Sdsctttsiisn, ui» AMalon In »ll«n 8t»Stt«IIan ^Ssckerei re- '" —f«rn»pr«olior Sir. 2S4t, 3832, 4820, 24SK, 887«, 4783, KSS. Für den Monat September abonniert man auf die „Sächsische Boltszeitung" mit der täglichen Roman- beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feirrabtkd" zum Preise von NV Pfg. (ohne Bestellgeld), durch den Bolen ins Haus 70 Psg. Bezugspreis auf die Ausgabe ^ mit Ver illustrierten Unterhaltungsbeilage „Die Zeit in Wort 57. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands in Augsburg. (Nachdruck verbaten., 6po. Aug Sb u rg. den 25. August 1910. Vierter Tag. Donnerstag. Vierte geschlossene Versammlung. Der erste Vizepräsident Graf von Schönburg- 'G l a^ ch a u eröffnet die Versammlung mit dem katholischen Gruße. Zur Beratung stehen die Anträge des Ausschusses 4 (Christliche Bildung). Der erste Antrag tritt für die Er haltung und Einrichtung der konfessionellen Schule und Lehrerbildungsanstalten «in. Er spricht all den katholischen Lehrern dankbare Anerkennung aus. die sich in katholischen Lehrervereinen zur gemeinsamen Betätigung in der Ver teidigung und Fortentwickelung der christlichen Grundlagen vereinigt haben. Der Antrag regt endlich die Gründung einer besonderen, die Schnlfrage behandelnden Organisation für die Katholiken Deutschlands an und bittet das Zentral komitee, die erforderlichen Schritte zur Bildung einer sol chen Organisation zu tun. Ter Vorsitzende des Ausschusses Direktor Berg mann-Dresden spricht eingehend über die Verhandlun gen des Ausschusses und bittet um Annahme des Antrages. Prälat Tr. Pichler führt ans, daß der Kampf gegen Gott und die Kirche immer heftiger geführt werde. Die Freidenker hätten sogar während der Tagung der General versammlung der Katholiken eine Versammlung abgchalten, in der sie sich bezeichnenderweise besonders an die Arbeiter gewandt bätten. Der Kampf gegen die Kirche sei ein wohl- organisierter. Gegen diesen Kanipf müsse nicht nur in der Gegenwart gekämpft werden, sondern es müsse auch für die Zukunft alles zur Verteidigung vorbereitet werden. Die Jugend müsse durch eine religiöse Erziehung zur siegreichen Abwehr der Angriffe befähigt werden. Das sei die wich tigste Aufgabe der deutschen Katholiken. (Beifall.) Rektor Q u a d f l i e g - Aachen spricht der Generalversammlung den Dank des deutschen Lehrervereins für ihre Unterstützung nnd die Förderung seiner Bestrebungen aus. (Beifall.) Hauptlehrer Petri sagt, bei den Differenzen, die im bayrischen Lehrerverein zutage getreten seien, habe es sich nicht »in Willcnsverschiedenheiten, sondern um kleine Mei» iiungsvcrschiedenlieiten gehandelt. — Der Antrag wird an genommen. Ein Antrag (gute Literatur) lenkt die Aufmerksamkeit auf die nnermeßlickM Scljäden, die durch die Schund- und Schmutzliteratur «„gestiftet werden. Er for dert eine noch kräftigere Betätigung der deutschen Katho liken auf dem Gebiete der Verbreitung guter Bücher und Schriften »nd empfiehlt speziell die Einrichtung von Haus-, Volks und Wanderbüchcreien. Als besonders leistungsfähige Organisation, auf deren Grundlage diese Büchereien einge richtet „nd aufgebaut werden köimen, empfiehlt der An- trag schließlich den Borromäusverein. Braun-Bonn: Der bayrische Kultusminister hat in hoch anerkcnnSwcrter Weise die Behörden angewiesen, den Kampf gegen die Schmutzliteratur energisch aufzunehmen. Dem Beispiele Bayerns folgten Preußen, Württemberg, Baden, Rcuß und die Magistrate großer Städte wie Hamburg, Göttingen, München ustv. Als sehr wirksam hat sich der Boykott der jenigen Geschäfte erwiesen, die SclMnhsttoratnr führen. Der Antrag wird angenommen. Ein weiterer Antrag empfiehlt den Alb recht Dürer-Verein. Nack) dem Muster des an der Akadc- mie der bildenden Künste zu München nun schon seit 20 Jah ren bestehenden Vereins sollten nunmehr auch an anderen Kunstzentren, vor allem in Düsseldorf, Albrech-t Dürer-Ver eine gegründet werden. (Beifall.) — Der Antrag wird ein stimmig angenommen, desgleichen debattelos ein Antrag, der den Beitritt zur Gesellschaft für christliche Kunst emp fiehlt nnd ein lveiterer Antrag, der die Bestrebungen unter der Devise „Die Kunst im Volke" -der Beachtung und Un terstützung der Katholiken Deutschlands empfiehlt. Ein weiterer Antrag empfiehlt die Unterstützung des Katholischen! Pressevereists ins Bayern. Der Antrag spricht ferner den Wunsch aus, daß auch außerhalb Bayerns, wo ein Bedürfnis dazu vorhanden sei, derartige PkesseveiüiüL gegründet werden möchten. Generalsekretär Tr. Müller begründet den Antrag. Tölii-apiiular K o h l bittet die Geistlick-en dringend, durch Beitritt die Be strebungen des Pressevereins zu fördern. Nicht jeder Pfar rer habe einen Kaplan, aber eine gute Presse sei der Kaplan für jeden Pfarrer. (Lebhafter Beifall.) — Hierauf wird der Antrag einstimmig angenommen, desgleichen ein Antrag ans Unterstützung des A l b e r t n s - M a g n u s - V e r- ei ns. Ebenso gelangt zur Annahme in Ergänzung hierzu ein Antrag auf Unterstützung des Hildegat'disvereins. (Un terstützung studierender Frauen.) Ter Vorsitzende teilt mit, daß von dem übe? 10 000 Mitglieder zählenden österreichischen Schulver ein ein Begrüßungstelegramm eingelanfen sei. Die letz ten drei Anträge des Ausschusses 4 beschäftigten sich mit der Bekämpfung der öffentlichen Unsitt lichkeit. Der erste dieser Anträge empfiehlt allgemein den Beitritt zu den Vereine», die sich die Bekämpfung der immer mehr um sich greifenden Unsittlichkeit zur Aufgabe gestellt haben und durch Veranlassung polizeilicher und ge richtlicher Anzeigen, durch Verwarnung und nötigenfalls durch Boykottierung der betreffenden Geschäfte, insbesondere aber durch Aufklärung des Publikums, die ungeheuren Gc'- fahren einzndämmen versuchen. Nach Wahl und Ergänzung des Zentralkomitees schließt der erste Vizepräsident Graf Sch ö n b » r g - G l a n ch a n die Versammlung um 10 Uhr mit dem katholischen Gruße. Vierte und letzte öffentliche Versammlung. Unter starker Beteiligung des Publikums eröffnet Präsident Marr die Versammlung um 10 Uhr. Die bereits erwähnten Bischöfe sind wiederum erschienen. Erster Red ner ist Landgerichtsdirektor Abgeordneter Gröber-Heil- bronn. der über den sozialen Klassenkampf spricht. Im Vordergründe der heutigen Kämpfe stehen die wirtschaft- !icl)en. Streik nnd Aussperrung sind die charakteristischen Formen derselben. Für die Beteiligten sind die Folgen oft schlimmster Art, aber auch Unbeteiligte lverden von ihnen getroffen. Daher ist es eine schwere Sorge für alle Staats männer, solchen Klassenkämpfen nach Möglichkeit vorzn- bxugcn. Auf der Seite muß im Interesse der Menschheit das öffentliche Leben nach dem Grundsätze der Brüderlich keit, nach dem Grundsätze der christlichen Weltanschauung geordnet werden, welcher besagt, wir haben alle einen ge- meinsamen Vater im Himmel, einen gemeinsamen Erlöser, ein gemeinsames Ziel. Hiermit ist die Stellung im Klassen kampfe gegeben, hier scheiden sich die Geister und ich sage das nicht aus politischen Gründen, sondern zur Feststellung von Tatsachen. Ich weise hin auf den klaffenden Gegen satz, der zwischen dem Programm der Zentrumspartei von 1871 und dem der Sozialdemokratie besteht. Jenes will einen Ausgleich, dieses den Kanipf. (Lebhafte Zustimmung.) Nach der Sozialdemokratie sollen die kleinen Betriebe zu gunsten der großen untergeben. Die Sozialdemokratie will die Eiterung im Volksleben, nicht die Heilung. (Erneute Zustimmung.) Gottlob haben die kleinen Betriebe trotz- dem auf dem Lande zugenommen und auch die Handwerk Es entstehen neue Kreise des Mittelstandes, zum B" die zahlreichen Angestellten. Selbst unter der Arbei entstehen neue Klassen nnd Schichten. (Lcbhast mung.) Einsichtige Arbeiter werden sich ihre' be wußt. Das sozialdemokratische Programm ist i »antasie ohne Grund und Boden. So ist ein Teil des sozialdemokra tischen Programms bereits widerlegt, wie die Sozialdemo, traten selbst eingestehen, und somit ist ein grundsätzlicher Teil ihres Programms gefallen. Berechtigt ist nur die Kritik an der liberalen Freiwirtschaft, aber diese ist nichts Naturnotwendiges, sondern sie ist ein Fehler, von Menschen begangen. (Großer Beifall.) Der Klassenkampf ist auch nichts Naturnotwendiges, er ist etwas Krankhaftes nach der christlichen Auffassung. Eine Krankheit des sozialen Lebens, die nach Heilung ruft. (Beifall.) AuS der christlichen Auffassung ergibt sich daö Gesetz der Solidarität, wonach die einzelnen Mitglieder auf gegenseitige Hilfe und Unter stützung angewiesen sind. Der ganze Organismus muß lei den, wenn auch nur ein Glied der Gesellschaft krank ist, daher muß die Gesellschaft zusammen helfen, um die Krankheit zu heilen. Man muß die Klassen einander näher bringen. Nur die Versöhnung kann, wie Papst Leo Xlll. gesagt hat, die Gesellschaft retten. (Beifall.) Was müssen wir tun, diese Versöhnung herbeizuführen? In erster Linie die Selbst hilfe. Tie Gesellscliaft »niß das Volk zu sozialer Gesinnung erziehen, die im Nebenmensclien ein Glied des gesellschaft lichen 'Organismus erblickt und brüderliches Entgegen kommen verlangt. Das gilt für Arbeitgeber und Arbeit nehmer. Nichts ist schädlicher für die Arbeiter selbst, als die sozialdemokratisclje Verhetzung: sie mag die Sozialdemo kratie zusammenhalten, aber sie kann nicht zur Ueberwin- dung des KlassenkampfeS führen. Sie verbittert nur die besitzenden Klassen nnd es gibt zablreicl>e Arbeitgeber, die ein gutes Herz für die Arbeiter haben. (Beifall.) Manch? Arbeitgeber —ich könnte Namen nennen — haben zu Zeiten schlechter Konjunktur die Arbeiter nur weiter arbeiten lassen, weil sie es für ihre sittliche Pflicht hielten. (Stür mischer Beifall.) Aber auch sie verlieren schließlich die Lust dazu, wenn von der anderen Seite alles in den Staub gezogen wird. (Sehr richtig!) Es ist auch nicht richtig, daß dl". Machtmittel der besitzenden Klassen durch den Klassen- kampf geschwächt seien, ini Gegenteil, die Arbeitgeber haben sich fest organisiert. Schließlich muß die Aufstachelung der Leidenschaften auch auf den Arbeiter selbst korrumpierend wirken. Glaubt man, wenn man ^?77niim7!^!!' will (Heiterkeit.), daß nach dem Kladeradatsch plötzlich all gemeine Friedfertigkeit herrscht? Will eine Klasse die an dere in der Führung der Gesellschaft ablösen, so hat sie zu nächst darauf z» achten, daß sie selbst dessen wlirnIL ist. solche Stimmen werden auch ans den sozialdemokrcüischen Kreisen anderer Länder laut und aus den Gewerkschaften Englands. Nur bei den deutschen Sozialdemokraten hören wir sie nicht. (Sehr richtig!) Die Klagen der Angestellten in sozialdemokratischen Betrieben wollen kein Ende nehmen und damit geht ein unerhörter Terrorismus, der die eige nen Leute auf die Straße setzt, Hand in Hand. Das ist eine Sclienßlichkeit, wenn man verlangt, daß die Leute aus der Kirche anstreten, falls sie nicht auf die Straße stiegen Wol ken. (Pfuirufe und stürmischer Beifall.) Eine schlimmere Brutalität gibt es in der Geschichte der Arbeiterbewegung nicht (erneuter stürmischer Beifall), und ich halte es sti eme heilige Pflicht, unseren christlichen Gewerkschaften, die in schwerein Kampfe stehen, unseren Dank anszusprechen und unsere Unterstützung zuteil werden zu lassen. (Stür mischer Beifall.) Wer selbst an so schweren Schäden leidet, wie die Sozialdemokratie, ist nicht berufen, Schäden zu heilen, sie nimml keine Rücksicht ans Menschenwürde und Menschenarbeit. In der Leitung ihres Geschäftes müssen die Arbeitgeber Herren bleiben, aber in der Feststellung der Arbeits- nnd Lohiibediiignngen müssen die Arbeiter ein Mitbestimmimgsrecht haben. Die soziale Gesinnung des Arbeitgebers muß sich vor allem zeigen in dem Abschlüsse von Tarifverträgen. (Lebhafter Beifall.) Die Jugend muß sozial schon früh herangebildet werden und mit Liebe gegen alle Stände erfüllt werden. Die höheren Bildungsanstalten müsse» eine zeitgemäße Ausgestaltung erfahren, sie müssen sich mit den Fragen der Gegenwart befassen. Ferner muß die akademische Jugend sozial erzogen werde». Die akade mischen Kreise müssen führend vorangehen. Der Staat hat alle Kreise gleichmäßig zu behandeln und keine Klasse zu bevorzugen. Hier hat die deutsche Gesetzgebung sich schwer versündigt, sie hat die soziale Fürsorge lange vernachlässigt und auch heute ist die Umkehr von der liberalen Wirtschafts politik noch nicht ganz vollzogen. Das Arbeiterrecht ist ver nachlässigt worden. Dies ist die Grundlage des sozialen Kampfes und die Forderung ist die Anerkennung des Ar beiters als gleichberechtigten Bürger. Ein zweiter Fehler war die Vernachlässigung des Mittelstandes Die Mittel- standsfrage ist eine soziale Frage allerersten Ranges. Nur Gerechtigkeit und Nächstenliebe können sozialen Frieden bringen. Sie liegen in der Religion, daher ist die Kirche berufen, in dieser Frage ein bedeutsames Wort mitzu- sprechen. (Lebhafter Beifall.) Wenn die Kirche nicht mit Gewalt daran gehindert wird, so wird sic die Arbeiterschaft zur Gleichberechtigung mit den anderen Stände» führen. (Stürmischer Beifall.) In den Kämpfen des Lebens wird die Kirche den Weg zum sozialen Frieden zeigen und in die ser Zuversicht sagen wir: Herr, zu uns komme dein Reich! (Stürmischer, langanhaltender Beifall.) Sodann sprach der Lehrer am Realgymnasium i» Köln- Nippes. Bornewasser. über die Fürsorge für die schul- entlassene Jugend. Seinen Vortrag tragen wir in einer späteren Nummer nach. Das Schlußwort ergreift sodann der Präsident. Er gibt einen Ueberblick über die Verhandlungen des Katho- likentages und wünscht, daß ein jeder in die Tat umsctzen niögc, was hier gesprochen wurde. — Hierauf spricht noch Bischof Dr. v. Lingg einige begrüßende Worte und er- teilt im Verein mit den übrigen Kirchenfürsten der katho- lischcn Versammlung den bischöflichen Segen. Mit einem Dankeswort des Präsidenten schließt die Versammlung unter dem Geläute der Glocken mit dein ambrosianischcn Lobgesang um 1 Uhr. Daö Festmahl. In dem altehrwürdigen goldenen Saale des Rathauses fand heute nachmittag um 3 Uhr das Festmahl statt, mit