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LSELrTLML I NmWugigks Tageblatt flr WMeit, KrHt A.Keihett IL «e,»«-. L». - F-rniprechcr Nr. lSS». v ^ ' ^ ^ , !>! k'f'obiss'sn Tis: s'tuociiso^ VorrÜAlIobv ^llsvbune, i-sln unct kräftig I EerÜng 8- stocl<5trof>, Orercien ^Isclsrlsgsn In sllsn LtsclttsIIvn Zentrum und Polen. Dresden, den 20 Mai 1008. Die Versöhnung zwischen dem Zentrum und den Polen hat in allen katholischen Kreisen Befriedigung hervorge rufen. Sie ging von Oberschlefien aus und erftreckt sich nun mehr ans alle in Betracht kommenden Gebiete. Dieser Umschwung war notwendig. Das gespannte Verhältnis zwischen Zentrum und katholischen Polen war unnatür lich. Während der Kukturkampfzeit kämpften beide Schulter an Schulter für die Rechte der katholische,; Kirche und jetzt standen sie sich bei den politischen Wahlen als Feinde gegen über. Da es sich sonst beim Zentrum wie bei den Polen hauptsächlich um Katholiken handelt, so ,var dieser Streit ein Gegenstand Heller Freude bei allen Gegnern der Katho liken. Und toährend sich die beiden stritten, machten Prote stant und Jude das politische Gesck-äft. So kam es, daß Wahlkreise mit 70 bis 80 Prozent Katholiken in den Besch der Kultnrkämpser oder Hakatisten gelangten. Dieser Kampf mußte korrumpierend wirken, und das Ende wäre gewesen die völlige Ohnmacht des Katholizismus im Osten, und dann wertste Bahn frei für das letzte Ziel des der preu ßischen Negierung stets umwohnenden Geistes, für die Pro- testantisierung des Ostens. Es ist zeitgemäß, einnml in Nahe die Umstände zu be trachten, die zu dein Streit geführt haben. Der erste Preis hierfür gebührt dem Hatätismus; dieser suchte mit Glück das Verhältnis zwischen den deutschen und polnischen Ka tholiken zu vergiften. So lange beide um die Güter ihrer Religion kämpften, erkannten sie sich als ebenbürtig an. Als aber das Zentrum aus der Oppositionsstellung heranZ- treten konnte, nachdem die Negierung die Kultnrkampfrechte beseitigte, wurde es ausschlaggebende Partei, und viele Ka- tholiken trugen sich mit der Hoffnung, daß es eine Re gierungspartei werde. Leider gingen, tvas die Polenfrage anlangt, beim Abnehmen des Kulturkampfes manche deutscl-e Katholiken weiter, als es die Loyalität gegen die Negierung verlangt hätte, weiter, als es die Gerechtigkeit den Polen gegenüber hätte zulassen sollen. Viele von diesen hatten kein richtiges Verständnis für die Gründe, warum der Kulturkampf gegen die Polen nach einer nur kurzen Unterbrechung um so schärfer wieder ausgenommen wurde, und daß die Polen infolgedessen aus ihrer Oppositions- stiinmnng nicht herauskommen konnten, sondern stets tiefer Hineingetrieben wurden. Sie gingen in der Kritik des Ver- lxlltens der Polen hie und da ebenso über das Ziel hinaus wie die Polen in der Hitze des Gefechtes nicht immer inn-r- halb der richtigen Grenzen blieben. Dabei ist ein psycho logisches Moment nicht zu übersehen. Der polnische Katho lik sah, wie sein deutscher Bruder besser behandelt und höher geachtet wurde als er. Das war ihm schon schmerzlich, aber er glaubte auch sehen zu müssen, daß der angesehenere Bruder ihn nicht mehr mit denselben Angen ansah wie früher, wo sie das gleiche Schicksal erduldeten. Das führte zu Gereiztheiten, die wieder nicht immer ruhig l»antwortet wurden. Katholiken, wie sie die „Deutsche Vereinigung" beher bergt, gab es auch in der Polenfrage. Leute, die früher über ihre Konfession am liebsten schwiegen, meldeten sich plötzlich als Katholiken. So lange die Negierung mit dein Zentrum zufrieden nxir, rührten sie sich nicht. Als aber die Negierung dem Zentrum den Stuhl vor die Türe setzte, tauchten sie ans einmal auf, meldeten sich als Katholiken und suchten mit einem Blick auf die Negierung den Beweis zu erbringen, daß ein Katholik auch ein „Patriot" sein könne, d. h. daß er es ebenso gut versteht, rückgratlos zu sein, wie die Blockanhänger — ans Liebe zu dem Reichs kanzler. Wie die Katholiken der „Deutschen Vereinigung", so kämpften auch Katholiken gegen die Polen, weil sie sich durch Unterstützung der preußischen Politik als „Nationale" zeigen wollten. Sie billigten diese Politik, da sie zivar anti polnisch, aber nicht antikatholisch sei. Man interessierte sich vielfach selbst in der Presse nur dann für die Polenfrage, wenn sie einen religiösen Anstrich hatte und man in der Germanisiernng der Polen die Protestantisiernng erblicken mußte. Man übersah dabei, daß vom christlichen Stand punkte auch gegen den HakatiSmus Stellung zu nehmen llxire, wenn die Polen Protestanten oder Juden wären. Das Zentrum als interkonfessionelle christliche Partei muß die Rechte eines jeden Volksstammes ohne Unterschied der Religion schützen. Zur Ehre des Zentrums sei es gesagt, daß diese Konvenienzpolitik gegen die Regierung nur in ein zelnen Köpfen Platz gegriffen hatte. Aber die Polen be gingen den Fehler, zu verallgemeinern. Sie unterschoben dem Zentrum das falsche Prinzip, eS gewähre nicht ihrer bedrängten Nationalität, sondern nur ihrer Religion wegen den Schutz. Wenn sich die Polen in ihrem nationalen Chau- viniSmuS vom Zentrum abwendcten und sogar seine Gegner wurden, so war das ein großer Fehler, der sich bitter rächte; daß beide Teile ihre Fahler einsahen, beweist der Kom promiß. Der eigentliche Beweggrund des getroffenen Einver nehmens ist die Blockära. Sie soll die Möglichkeit bieten, nicht nur ohne, sondern auch gegen die Katholiken zu re gieren. Diese Erkenntnis hat die deutschen und polnischen Katholiken znsammengetrieben. Aus ihr heraus haben sich die deutschen Katholiken kühl hiMveggesetzt über das heuchle- rische Geschrei von dem „ultramontan-pslnischen Bündnis". Sie Paben sich auf den Standpunkt derjenigen gestellt, die da sagen: Die Polen sind da, und da wir sie nicht totschlagen können, ohne auf das Niveau gewisser Original-Neger staaten zu sinken, müssen wir mit ihnen auskommen. Wenn nun auch unsere Urteutonen und Wodansverehrer alle Ka tholiken für Staatsfcinde erklären, so haben wir doch so gute Papiere und ein so gutes Gewissen, daß wir nicht nur uns selbst im weitesten Maße trauen, sondern uns auch sagen können: So lange die polnischen Katholiken mist uns einig sind, werden sie auch keine Gefahr für den Staat be deuten. Nationalsinn und Rassenhaß sind nicht dasselbe Das Zentrum kann an seinem nationalen Standpunkte feft- halten und darf energisch jede Entrechtung einer anderen Nationalität bekämpfen. Diese klare Erkenntnis der alten christlichen Grundsätze führt Zentrum und Polen znm Aergcr jener zusammen, die im Grunde mehr antichristlich als national sind. Polnische R , DrcSd-n, scn 2N. Mai 100^. — Die Erhöhung der preußischen Zivillistc. Tie „Nordd. Allg. Ztg." hat die bestehende Absicht, „dem Kaiser im Herbste eine Neichsdotation von 10 bis 12 Millionen Mark znznwenden", dementiert. Da das Gerücht, vom Preußischen Landtage werde e:ne Erhöhung der Zivilliste um Isth bis 2 Millionen Mark gefordert werden, nicht mit dementiert wird, wird man es für zutreffend halten dürfen. Die Mehrsorderung wird begründet mit der Notwendig keit, die Gehälter der Hofbcamten aufznbessern. Ans der Zivilliste wird bekanntlich auch die Apanage sämtlicher königlichen Prinzen bestritten. Die heutige Hofhaltung kostet sehr viel Geld. Wilhelm ll hat sechs Söhne und eine Tochter. Kinder kosten Geld. Aul der Zivilliste liegen große Verpflichtungen. Allerdings ist bereits einmal unter dem jetzigen König die Zivilliste um llch? Millionen Mark erhöht worden. In der anslvärtigen Presse wird davon gesprochen, daß beispielsweise die Reise nach Korfu Unsummen ver schlungen habe. Aber man ist nicht in der Lage, diese Be- Häuptlingen zu kontrollieren. Ebenso verhält es sich mir den Gehältern der Hofbeamten, die jetzt anfgcbessert wer den sollen. Man weiß über die Besoldung nichts Näheres. Selbst in den konservativen „Zeitfragen" erheben sich Be denken gegen die Erhöhung; man liest da: „Dieser innere Widerspruch in der Seele des Kaisers erklärt zugleich auch einen Zug ins Mystisch-Romantische, der immer stärker in seinen: Wesen hcrvortrat und in letzter Zeit leider den aus gesprochenen Oiogneru der Krone einen nur zu will kommenen Stoff zi: einer Verspottung geboten hat, der sicherlich übertrieben ist und doch mit nur zu großen: Scheine von Geltung jener Nörgerlsucht den Boden be reitet, die dem Kaiser selbst als eins der schlimmsten Nebel unserer Zeit erscheint. Es vergeht kann: ein Ta.-, ai: den: die Presse nicht von seltsam anmntenden Schwärmereiei: zu j vermelden wüßte. Mit schmerzlichem Bedauern stellen die : aufrichtigen Freunde des Vaterlandes, mit grinsendem Behagei: die NeichSgegner und Reichsnörgler den tiefen Gegensatz fest, der zwischen den romantischen Grund- ansckxuinngen des Kaisers und dein bitteren Ernst der Ost'gennxirt ansklafft. Von der beängstigenden Vielseitig keit und Wandlungsfähigkeit des Trägers der Krone geben allzu deutlich sprechende Bilder uns Woche um Woche Be richt. Bald bewundern wir die anmutig hoheitsvolle Stellung des kaiserlichen Herrn in der seltsame» GeNxu:- dnng des Ehrendoktors einer englischen Universität, bald zeigt ihn uns ein Kirchenfenster der alten Stadt Lüncbnrg mit erhobenen Händen ans einen: Vrokatkissen vor dem Mst- pulte knieend, angetan mit der Rüstung und dem Mantel Kaiser Heinrichs ll., der als „Vater der Mönche" von der dankbaren Kirche dem mystischen Chore der Heiligen einge reiht wurde. Leider ist nur allznnxibr, daß in der g'- schichtlichen Auffassung der Kaiser? der schöne Schein selten der grauen Wirklichkeit entspricht, und daß seine persön liche Vorliebe sich bedauerlich oft an geschichtlick-e Persön lichkeiten heftet, die ihrerseits ans glanzvollen Schimmer höheren Wert gelegt haben als ans die Stillung der Unzu friedenheit der Geister ihrer Zeit " - Znm Schluß wird dann gesagt: „Inzwischen toiM ,.o bnntaewimVeite Schiff der deutschen Prachtliehe gleich Wadderstedts/Priinksach: Friedrichs I. von Spiel zu Spiel anmutig daliin, und als Nachgeschmack aller dieser rauschenden Festlichkeiten bleibt für den ernsthaften Vaterlandsfrennd nur da? h obe Urteil, das über den ersten preußischen König dessen großer Ge schichtsschreiber gefällt hat: „ES irar die Summe seines Lebens, daß die anderen Mächte sich daran gewöhnten, daß man Preußen nicht zn fürchten und nicht zu scheuen brauche, daß man cs mißachten und mißbrauchen dürfe." — DaS unter dem Protektorat der Kaiserin stehende deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Lungenschwind- sucht hielt am 27. d. M. die 12. Hauptversammlung im Sitzungssaale des Reichstages ab. Anwesend ivaren Staats sekretär v. BethmanmHollweg, Generalstabsarzt Dr. Schjer- ning, der Präsident des Ne:chsgesundheitsc.mtes u. a. Staatssekretär Dr. v. Dethmann-Hollweg eröffnete die Ver sammlung und wies aus die großen Fortschritte hin, die das Komitee, namentlich auch im vergangenen Jahre, ge macht >habe. Er gedachte dabei der hohen Verdienste seines Vorgängers, des Grafen Posadcwsky, der auf seinen Vor schlag znm ersten Ehrenmitglied«: ernannt tvurde. Darauf wurde niitgeteilt, daß die Kaiserin an den Grafen Posa- dowsky ein Handschreiben gerichtet habe, worin sie ihm für seine Tätigkeit im Komitee dankt und ihn bittet, sich auch ferner an dem Werke zu beteiligen. — Der Fall Eulenburg. Die Untersuchung des Ber liner Landgerichtsratcs Schmidt in der Eulenburg-Affäre in München und Starnberg nähert sich dem Ende. Es wurden bis zun: 27. d. M. 37 Zeugen, teils aus München, teils aus Sternberg, vernommen. Die Zeugen Ernst und Riedel bleiben bei ihren Aussagen, die durch andere Zeugenbeweise kräftig unterstützt werden. Landgerichtsrat Schmidt hat festgestellt, daß der damalige Graf Eulenburg nicht nur mit Ernst und Riedel, sondern während seines amtlichen und nichtamtlichen Aufenthaltes in München auch zu audereu männliche,: Personen Beziehungen unterhalten hat. Es wurde u. a. festgestellt, daß verschiedene Personen, bayrische und sächsische Adlige, sowie ein Mitglied der da maligen französischen Gesandtschaft, die sämtlich in den Listen der Homosexuellen der Münchner Polizei verzeichnet stehen, mit den: Grafen Enlenbnrg intim verkehrt haben. — Südwrstafrika will Selbstverwaltung, aber nicht dis Kosten der Sclbsterhaltung tragen; das kan: in der letzten Sitzung des Gouvernemeutsrates sehr bestimmt znm Aus druck. Der Vorsitzende der bekannten Farmcrdeputation, Erdmann, forderte, das Prinzip der direkten Wählte: ein- znführen und der Unterschied zwischen amtlichen und außer- aiutlichen Mitgliedern zn beseitigen. Der Wegfall der ge nannten Unterscheidung sei dazu angetan, Gegensätze zwischen der Regierung und der Bevölkerung, die sich etwa bilden könnten, anszugleichen. Daß das Reich die ganzen Kostei: der Verwaltung zu tragen habe, könne der Bevölke rung nicht entgegengehaltcn werden, seitdem sie so erheb lich zu den Kosten herangezogen wurde. Die Bevölkerung werde in absehbarer Zeit alle Verwaltungskosten selbst tragen können. Unter diesen Umständen sei ein maß gebender Einfluß der ansässigen Bevölkerung einzuräumen. Der Gouverneur erwiderte hierauf: Er halte cs für seine Pflicht, diesen Ausführungen entgcgenzutretcn. Die bei den: Standpunkte seien grundverschieden. Klipp und klar gehe aus der Rede hervor, daß seitens der außerordent lichen Mitglieder die Bildung eines Parlamentes m:r Anfsichts- und SteuerbewilligungSrccht erstrebt werde. So- lange aber enorme Mittel in der Heimat ansgewcndct wür den, liege der Schwerpunkt der Entscheidung auch dort. Ter Vorschlag müsse, zumal in: jetzigen Augenblick, als nicht gut und glücklich bezeichnet werden, einmal, weil er nicht durchführbar sei, sodann aber Folgen haben könne, die für das Interesse des Landes nachteilig sein würden. Die schließliche Abstimmung ergab für den Antrag Erdmann Stimmengleichheit, er wurde deshalb abgelehnt. Die Re gierungsvorlage wurde mit einer Stimme Mehrheit ange nommen. So ist die Frage zunächst im Sinne de: Negierung erledigt. Aber auf wie lange? Der zur Ordnung der Kommnnalverhältnisse in die Kolonien entsendete Dr. Kültz meinte in der Debatte, daß zwischen der Negierung und der Vertretung hinsichtlich des Endzieles keine Mei nungsverschiedenheit bestände: beide wünschten den Ausbau der Selbstverwaltung, verschiedene Ansicht herrsche nur über das Wie und das Wann. Mai: dürfe nicht verkennen, daß auch in der Einrichtung der Gemeindeverwaltung die Geivährung eines erheblichen Teiles von Selbst- bestimniungSrecht ai: die Bevölkerung zn erkennen sei. Eine ans allgenieinen und gleichen Wahlen hervorge gangene Vertretung bei der LandcsverNxiltung habe gegen- Umrtig schwere Bedenken gegen sich. Den Farmern ii: Snd- westafrika könnte eS ja behagen, daß sie keine Steuern be zahlen, alle Ausgaben festsetzen und das Mutterland sehen lassen, wie es die Gelder ausbringt. — Zum Wahlabkommen zwischrn Polen und Zentrum sind folgende Zahlei: beachtenswert: Für den preußischen Landtag bat die Provinz Posen 27 und die Provinz West- Preußen 22 Mandate zn vergebe::. Im letzten Landtage sind diese Mandate in der Welse verteilt gewesen, daß in Posen die Rechte 12. die Linke 7. die Polen 10 und das Zentrum keins und in Westpreußen die Rechte 12. die Linke 7, die Polen 3 und das Zentrum ebenfalls keins inne hatten. Da mm aber die Einwohner von Posen zn 67.86 und ^ie Einwohner von Westprenßen zn 61.44 Prozent K«n.uoliken sind, so liogt es ans der Hand, daß für diese icne Verteilung eine überaus ungünstige ist. Sie müßten mindestens zwei Drittel der Mandate von Posen und mindestens die Hälfte der Mandate von Westprenßen oder mindesten 18 und 11 Mandate haben, während sie nur 10 und 3 Mandate haben und sonach 8 und 8 oder insgesamt 16 Mandate zn wenig haben. Die Mitteilung dieser Zahlen bringt die nationalliberale Presse in Wut. Sie meint, das Zentrum werde trotz aller Abkommen nicht , l"Z 1 st i '-I > 1 L M