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Fraktion zusammen und vereinbarten ein Programm vom 11. Dezember 1870. Dieses betont die allgemeine ver fassungsmäßige Vertretung des gesamten Volkes und da neben insbesondere die Vertretung der Rechte der Kirche. Jetzt trat auch W i n d t h o r st iu die Fraktion ein. Ter Aufruf zu den Neichstagswahlen ging von der Fraktion des Abgeordnetenhauses unter besoirderer Mitwirkung Wiirdthorsts aus. In ihm werden betont: Vertretung aller Dolksklassen und aller Stämme, Sorge für das moralische und materielle Wohl aller Volksklassen, Wahrung der Rechte der Religionsgescllschaften. Die ans Grund dieses Programms gewählten Abgeordneten traten alsbald im Reichstage zu einer Fraktion zusammen. Ihre Aufgabe wurde dahin formuliert: Festhalten an der föderativen Grundlage des Reiches', Sorge für das moralische und materielle Wohl aller Volksklassen darin ist gegeben die Forderung der nusgleichenden Gerechtigkeit — Schutz der Rechte der Religionsgesellschaften gegen Eingriffe der Ge setzgebung. Es ist erfreulich, zu sagen, daß diese kurzen Programme sich so gut bewährt haben und nicht geändert zu werden brauchten. Um die Politik des Zentrums zu verstehen, ist aber zweierlei daneben zu berücksichtigen: Die Wahlaufrufe und die praktische Tätigkeit der Fraktion. Dazu ist in neuester Zeit gekommen die programmatische Erklärung vom November vorigen Jahres, in der nochmals der rein politische Eharakter des Zentrums und die be sondere Aufgabe der Vertreter der Rechte der Neligions- gesellsck-aften und speziell der katholischen Kirche betont und klargestellt wnrde. Gemeinde- und Dereinsnachrichlen. * Meißen. Hier am Orte bestehen mehrere schöne katholische Bibliotheken. Aber sie iversen von den dazu Berechtigten längst nicht genug gew!ud!gt. Am meisten wird wohl die Schnlerbiblwthek der kaibolischen Schule, am wenigsten die BorronuiiiSbibliothck benutz'. Briden steht Herr Schuldirektor Schönfelder vor. Auch das Kasino (Bibliothekar ist Herr Gründel) und bei Jüngst»-;:verein haben iyre Bibliotheken und öffnen si.> den Ei tleihern ge wöhnlich vor und nach den Vrreinssitz nigen. E ne besonders reichhaltige Bibliothek !mt der hiesige Geselle: v r-i.i. Unter ganz geringfügigen Bed nguugen stellt ec i nue Bücherei auch den Gönnern deö Vereins und Gnuemdemitglledcrn zur Verfügung. Seine Bibliothek ist befand, rs re'ch an belehrenden und belletristischen Wirken. Rositz, Sachse» Altenbnrg. Im katholischen Ver einshanse gelangte am ersten Osterseiertage das Schauspiel „Juda" von Tr. Jos. Faust i» fünf Akten znm ersten Male wiederholt zur Aufführung. Ter Saal war wiederum bis auf den letzten Platz ausverkauft wie bei der ersten Auf führung am Palmsonntage, ein Beweis dafür, wie sehr das Stück angesprochen hatte. Im Aufträge Ihrer Hoheit der Prinzessin Therese von Altenbnrg wohnte Frau Baronin von Grimmstein der Aufführung bei und konnten wir nur das grösste Lob ans dem Munde dieser kunstverständigen Dame hören. TaS Stück bietet so viele ergreifende Sze nen, namentlich im dritten Akte, das; wir es alle» katho lischen Vereinen nur bestens zur Aufführung empfehlen können. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt", dies isr der Grundgedanke, auf dem das Stück aufgcbant ist und selbst die Juden, die sich den erwarteten Messias als einen König, der sie vom Joche der Römer befreien sollte, vor stellten, mußten beim Tode unseres Heilandes ausbrechen in den Ruf: „Sein Reich war nicht von dieser Welt." Es wurde großartig gespielt und ernteten die Darsteller nach jedem Akte den wohlverdienten Beifall. Unserer Lehrerin Fräulein Kruse, sowie Herrn Glascrmeister Kresse, die sich um das Zustandekommen der Aufführung sehr verdient gemacht haben, unseren herzlichsten Dank mit der Bitte, uns bald wieder solch herrlichen Genuß zu bieten. 8 Dresden. (Kat h. Kasi n o.) Sonntag den 20. März fand der letzte Vortrag in diesem Winterhalbjahre statt. Herr Oberlehrer Dünnebier sprach über das Lebe» und Wirken der Königin Luise. Die gut besuchte Versamm lung folgte dem bisher wenig bekannten Lebensgange der großen Fürstin aus Deutschlands schmerzlichster Zeit mit ungeteiltem Interesse und hoher Befriedigung. — Der kommende Sonntag, der 0. April, bringt nach kurzer Un terbrechung einen der früher so sehr beliebten Komponisten abende, der dem Andenken Lortzings gewidmet ist. Tüch tige künstlerische Kräfte bürgen für einen anregenden, ge nußreichen Abend. — Ter 17. April ist wieder der drama tischen Kunst geweiht, und lachfreudige Gemüter werden der Heiterkeit bei dem lustigen Schwank „Die Orientreise" ihre Opfer bringen können. Karten sind im voraus bei allen Vorstandsmitgliedern, sowie den Mitgliedern Buch händler Paul Beck, Viktoriastraße 12, und Hausmeister Neu deck, Gesellenhaus, vom 3. April an erhältlich. 8 Ehemnitz, 28. März. Auf einen festlichen, erfolg reichen Tag kann der kath. I ü n g l i n g s v e r e i n freu dig zurückblicken. Vor überfülltem, auSverkauftem Hause hielt der kath. Iünglingsverein im großen Saale des Preu ßischen Hofes einen Werbeabcnd ab. In einstündiger Rede verbreitete sich der Präses, Herr Kaplan Beyer über Jüng- lingsverei» und Jugendfürsorge. Es folgten, gespielt von Mitgliedern des kath. Jünglingsvereins, die Theaterstücke „Der Nachtwächter" von Theod. Körner und „Bursche Jo hann", sowie Einzeldarbietungen. Reicher allseitiger Bei fall lohnte die aufgewendete Mühe. Es sei auch an dieser Stelle allen gedankt, die zu den Erfolgen des Abends bei getragen. 8 Meißen. Unser G e s e l l e n v e r e i n bleibt in den letzten Jahren fortwährend recht klein; dazu mag einerseits die stramme Vereinsdisziplin, andererseits die wirtschaft liche Lage beitragen. Er zählte zu Beginn des Jahres nur 22 aktive Mitglieder. Auch der dreimalige Wechsel in: Seniorposten, ebenso der Hausvaterwechsel wirkte natur gemäß ungünstig ein. 117 G e s e l l e n v e r e i n s m i t - glieder fanden i in Vereiushause freies N a ch t g n a r t i e r lind Frühstück, zum Teil auch Abendbrot. Von den Zugereisten nahmen nur 18 und diese meist nur für kürzere Zeit hier Arbeit. Am Ende des Vor- cinSjahres waren nur 10 Vereinsmitglieder am Orte, die dein Vereine länger als ein Jahr angehörtcn. Im ganzen waren am 31. Dezember 1900 nur 17 aktive Mitglieder im hiesigen Vereine, und davon 6 auswärts, oft viele Stunden weit von Meißen entfernt. Ausgenommen wurden 3 Mit glieder, vom Militär kehrten 2 zurück. Abgesehen von der Generalversammlung und 7 Vorstandssitzungen wurden an 30 Sonntagen und an 27 Donnerstagen Versammlungen abgehalten. Außer dem Präses und dem Vizepräses er- freuten den Verein durch Vorträge die Herren Schuldirektor Schönfelder, Lehrer Gründel, stud. theol. Kühnel, stud. theol. Erdtel und die Mitglieder Lauth. Brunn, Krause und Eikler. Viermal fand Vereinskommunion, jeweilig durch einen religiösen Vortrag vorbereitet, statt. Zur General versammlung der Katholiken Deutschlands wurde eins Fahnendeputation, bestehend aus dem Senior Damfeld und dem Mitglied Wagner, entsandt. Tie Weihnachtsfeier am 0 Januar, das Vogelschießen, die Nachfeier zum (32.) Stif- tungsfeste, eine kleine Christbcscherung am 25. Dezember wurden wie gewöhnlich gehalten. Tie Bibliothek erhielt durch verschiedene freundlich Gaben der Verleger einen hervorragenden Zuwachs und wurde vorzüglich in Ordnung gebracht. Herr Robert Gründel verwaltete in bekannter Akkuratesse das Haus und regelte Einnahmen und Ausgaben so musterhaft, daß es ihm mit Hilfe mehrerer Zuwendungen aus Stadt und Gemeinde möglich wurde, eine Anzahl Anteilscheine zur Auszahlung zu bringen. (Die Nummern wurden in der „Sächs. Volksztg." bereits bekannt gegeben.) Allen lieben Freunden und Mitarbeitern des Meißner Ge sellenvereins sagt herzlichsten Dank der Vorstand. 8 Rositz. Am zweiten Osterfeiertage fand im katholi schen Vereiushause eine kombinierte Versammlung der hie sigen katholiscl)en Vereine statt. Der Besuch hätte ein besse rer sein können in Anbetracht der reichhaltigen Tagesord nung. Die Versammlung wurde mit dem Gruße „Gott segne die christliche Arbeit" von der Vorsitzenden des katho lischen Frauenvereins, Frau König, eröffnet, worauf das Wort an den hochw. Herrn Pater Nawarek erteilt wurde zu einem Vortrage über die Pflichten der Katholiken in der Gegenwart. Ter hochw. Redner zeigte uns ein Bild von dem Kampfe gegen unseren heiligen Glauben, wie er sich gegenwärtig auf wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Gebiete abspielt und ermahnte die Anwesenden, treu zu unserer heiligen Kirche zu stehen und sich immerdar der Pflichten eines Katholiken bewusst zu sein. Namentlich er innerte er an die Pflichten der Eltern ihren .Kindern gegen über und bat, nur ja immer die christliche Familie bochzu- halten. Nach einem Hinweise auf die Gefahren der heuti gen Zeit forderte der hochw. Redner die Eltern auf, nament lich der Lektüre ihrer Kinder die ganze Aufmerksamkeit zu widmen, nur die katholische Presse zu lesen, deren Inhalt man auch der Heranwachsenden Jugend jederzeit vorlegcn kann. Diesen letzteren Gedanken führte dann Herr Tiefen thal noch bedeutend weiter aus und betonte, wie es unbe dingt zu den Pflichten eines jeden Katholiken gehöre, die einzige katholische Zeitung Sachsens kräftig zu unterstützen. Dieser Redner behauptete, alle unsere Bemühungen seien umsonst, wenn wir in Vereins-Versammlungen noch so sehr zum Guten ermahnten und zu Hause lauere schon der böse Feind in Gestalt einer Zeitung, die den Unglauben predigt. Nach und nach würden die Grundsätze eines jeden katholi schen Mannes gelockert, wenn ihm alle Tage solch geistige Nahrung Vvrgesetzt würde. Ganz besonders komme hier iu Betracht, daß es so vielen Arbeitern unmöglich gemacht sei, regelmäßig den Sonntagsgottesdienst zu besuchen, infolge ihres Berufes, und wenn dann ein solcher Mann nach des Tages Last und Mühen zu einer Zeitung greift, die nur Hohn über die heiligsten Gefühle eines Katholiken aus gießt, dann lässt es sich erklären, wie so manche erst lau — 50 — „Ist mir recht! Ich auch mit Euch!" Ein Rascheln im Gezweig, ein Rutsch da stand HanS in seiner ganzen Länge vor dem Bauern. „So da wär ich!" Seine braunen Augen blitzten feindselig. „Und das rote Röllchen?" fragte der Inspektor. „Das werden wir gleich haben. Mädel — hopp!" „Ich komm nicht — ich schäme mich!" „Schäm sich der, wo g'stoh ", da verstummte Hans und ward rot. „Komm nur! Es frisst dich keiner." „Ach Hans!" „Herrschaft Seren," sagte Tasinger, „das- ist ja die Friedl. Unsere Friedl! Mädel - " „In, Bauer —'ich komm!" HanS fing sie mit beiden Armen auf. „Nein — so waS!" sagte Tafinger. „Da möcht man doch gleich. . . Was iällt euch ein, auf den Baum zu steigen, auf meinen Baum? Habt ihr auf dem Erdboden nicht genug Platz?" „Oben ist's lustiger," gab .saans zurück. „Und dann haben wir da oben, wie geiagt, unsere Verlobung gefeiert. Da ist sozusagen neutraler Boden." „Windbeutel!" brummte Tasinger. „Was heiraten wollt ihr? Arme Schlucker: hier nichts da nichts! Wo wollt ihr euch denn hinsetzen?" ,Da unten in mein Hänserl hinein," sagte Hans. Tasinger rückte den breiten Filz und fuhr sich mit den Fingern inS Haar. „Ich null dir Inas sagen, HanS!" fing er bedächtig an. „Ich Hab einen großartigen Plan. Eine Molkerei Null ich bauen, wie man noch keine in ganz Oberschwaben gesehen hat. „Das bringt Geld " „Für Euch, ja," unterbrach ihn Hans. „Für uns aber — große Armut. Eine Milchfabrik der Kuckuck hol's! Tafinger, damit bringt Ihr keinen Segen ins Land. Ich hab'ü in der Welt draußen gesehen, da wird jeder Schoppen Milch vermolkt und zu Geld gemacht. Die Kinder bekommen keine Milch, sondern Bier, und werden blaß dabei und dumm. — Wo wollt Ihr denn» die Molkerei errichten?" „Im Erlengrnnde." „Und unsere Häuser?" „Die werden abgerissen." Hans stieß einen Schrei aus. „Das wollt Ihr tun? Das könnt Ihr übers Herz bringen? Die Heimat wollt Ihr »ns nehmen, die Heimat?" ..Ach was — Heimat, Heimat! Ich zahl euch dafür." Hans schüttelte seinen Lockenkopf und ward plötzlich ernst. Das könnt Ihr ja gar nicht, Bauer! Das ist ganz unmöglich! Haus und Hof, die Bäume und Blumen den ganzen Erlengrund — die ganze Heimat, alles, was wir lieb haben das wollt Ihr uns wegnehmen und nn? dafür ein Häuflein Geld geben? Nein - ich duld es nicht! Ich leid es nicht! Ich . . Er fuhr sich mit den Händen ins Haar. „WaS tu ich nur? . . . Was tu ich? — Die Heimat ist in Not! Ich will die Heimat retten . . Da fiel ihm die Trompete ein. Er setzte sie an den Mund und ein schmetterndes Signal klang in den stillen Sommertag hinein. Es war ein Ruf zum Sammeln, ein Ruf in höchster Not: „Herbei! Herbei! Die Hei- inat ist in Not!" „Mensch, was fällt dir rin?" schrie Tasinger und suchte ihm die Trom- — 5l - pete zu entreißen. Aber Hans stieß ihn zurück und blies immer tapferer draus los. „Herbei! . . . Herbei! . . ." „Aber ich mein's doch gut mit euch," schrie Tafinger, wütend über den eigensinnigen Spielmaun. Sa setzte Hans die Trompete ab und sagte: „Wie kann's der gut meinen, der die Heimat raubt?" „Ich kauf dir dein Häuschen ab, Hans! Hundert Taler geb ich dir dafür aber sei still jetzt!" „Und wenn Ihr mir tausend gebt ich lu's nicht, ich tu's nicht. Ich verkauf die Heimat nicht." „Ich geb dir zweihundert —" „Nein!" Wieder schmetterte die Trompete. „Herbei! Herbei!" „Dreihundert!" „Nein' Nein! Nein!" „Mensch du bist verrückt! Das ist ja das Dreifache deS Werte? - schlag ein!" „Olein tausendmal nein!" Tafinger war durch diesen Widerstand auss äußerste gereizt. Es war tanm zu glauben, daß ein armer Spielmann einen reichen Bauern, dem Bauernkönig, solchen Trotz entgegenznsetzen wagte. „Gut," sagte er gering ichätzig, „»venu du nicht freiwillig dein Häuschen hergibst dann zwinge ich dich!" — „Versucht's nur, Bauer!" „Obo! Es stehen noch hundert Gulden Schulden samt Zinsen drauf! Wenn sie bis bis Martini nicht bezahlt sind, dann laß ich pfänden! Dann ist das Häuslein mein. Was meinst?" Hans knickte zusammen. Hundert Gulden! Das war in so schwerer Zeit eine große Summe. Wie sollte er, der arme Spielmann, sie aufbringen? Und Tafinger, das wußte er, ließ nicht mit sich spaßen. Ter machte wahr. Inas er sagte. Hans war in großer Not, aber die Heimat gab er darum nicht auf. „Tut, was Ihr wollt," sagte er entschlossen. „Aber ich tu auch, was ich mutz." — Tasinger zuckte die Achseln. „Armer Narr!" sagte er. Da. trat die Friedl zu ihm und fasste seine Hand. „Seid nicht hart," sagte sie weich. „Nehmt uns die Heimat nicht. Es ist das einzig Liebe, was wir haben. Ich bin ja auch aus dem Erlengrunde . . ." Tafinger betrachtete daS Mädchen einen Augenblick. Er hatte sie stets gern gehabt, die lustige Magd, die immer ein wenig Freude in den düsteren Scehof hineingetragen hatte. Es tat ihm offenbar weh, ihr eine Bitte ab- schlagen zu müssen. „Mädel," sagte er und fuhr mit der Hand über ihr Kraushaar, „wie kommst du denn an den? Warum muß es gerade der sein?" „Ich Hab ihn lieb," entgegnete das Mädchen schlicht und sah ihren Herrn treuherzig an. Und dieses Wort ergriff den harten Bauern. Er wandte sich ab und ging hinüber an den Rain. Ter Ingenieur, der der Szene stumm zugesehen hatte, trat hinzu. „Wegen einer Liebschaft werden Sie doch Ihren Plan nicht anfgeben," sagte er. „DaS sind Narreirpossen!" „Und die Heimat?" fragte Tafinger, weicher als eS sonst seine Art war.