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kann, nicht geboten wird. Gegenüber solchen Ge- bilden einer dichtenden Phantasie, die zu beweisen sucht, was sie von vornherein will, lassen wir. geliebte Diözesanen, die heiligen Urkunden reden, deren ge schichtliche Glaubwürdigkeit auch von Ungläubigen in der Gegenwart wieder mehr und mehr anerkannt wird, deren untrügliche Wahrheit uns aber nicht nur eine wissenschaftliche Prüfung, sondern vorab der be gründete Glaube verbürgt. So fragen wir denn, was uns diese Quellen dar über berichten, wie JesuS über den Umfang seines Reiches nach Raum und Zeit uns selbst gelehrt hat? Die nach dem ersten Sündenfalle gegebene Ver heißung galt dem ganzen Menschengeschlechts. Die wiederholte Abwendung des Menschen aber von Gott — zu den Zeiten NoeS und Abrahams — ward in der Ausführung des göttlichen HeilSplaneS die Veranlassung, daß aus den Völkern, die sich von ' einander getrennt hatten und ihre eigenen Wege gingen, ein Volk, die Israeliten, ausgewählt wurde, aus d ssen Mtte der Messias hervorgehen sollte*). Dirsem Vorzüge entsprechend hat der Heiland nicht nur selbst zuerst dem Volke, dem er seiner mensch lichen Natur nach entsprossen ist, das Evangelium gelehrt,**) sondern auch seinen Jüngern den Auftrag gegeben, ein Gleiches zu tun^). Auch der Völkerapostel Paulus hat demgemäß auf allen seinen Misstonsreisen in gleicher Weise gehandelt/) Alsdann hat sich Jesus durch Gleichnisse, ausdrückliche Worte und durch seine eigene Handlungsweise als den Erlöser aller Völker und für alle Zeiten offenbart. Wie bezeichnend sind die Gleichnisse vom Senfkörnlein, das sich bis zum Baum, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen, entwickelt, und von der kleinen Menge Sauerteigs, die das Ganze durchsäuert, um die Ausbreitung seines Reiches zu schildern?) Als es immer offenkundiger ward, daß die Führer das israelitische Volk in seiner großen Menge zum Unglauben verleiten würden, lehrte Jesus die Berufung der Heiden in den Gleichnissen von den ungetreuen Weingärtnern, an deren Stelle ») Joh. 4. 22. -) Matth. 15. 24. 28: Mark. 7, 27. ») Matlh. 10. 6. «) Vgl. Röm. 1. 16. ») Matth. iS, 81 ff.; Mark 4, SO ff.: Luk. 1». 18 ff. andere gesetzt würden*), von dem Hochzeitsmahle, zu dem die Geladenen nicht kamen und dafür dann andere von den Straßen hinweg gerufen wurden. Arme, Schwache, Blinde und Lahmes. Indem der Heiland für den Eintritt in sein Reich den Glauben forderte, verlangteereine Bedingung, die jeder Mensch erfüllen kann. Angesichts des lebendigen Glaubens des heidnischen Hauptmannes einerseits und des Mangels an Glauben bei den Israeliten anderseits kündete Jesus an: „Viele werden vom Aufgang und Niedergang kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreiche zu Tische sitzen; die Kinder des Reiches aber werden in die Finsternis draußen hinausgeworfen werden."**) Aus den Reden Jesu über das Gericht und das Ende dieser Welt lesen wir bei Matthäus*): „Und es wird dieses Evan gelium vom Reiche in der ganzen Welt gepredigt werden, allen Völkern zum Zeugnisse, und alsdann wird das Ende kommen." Als Maria, die Schwester des Lazarus. Jesum für sein Begräbnis gesalbt hatte und deshalb getadelt worden war, sprach zu ihrer Verteidigung der Herr: „Wahrlich ich sage euch, wo immer man in der ganzen Welt dieses Evangelium verkünden wird, wird auch, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnisse gesagt werden." ^) Diesen Worten entsprach auch Jesu Handlungsweise, da er selbst zu den Samaritanern'*)undGerasenern, dieHeidenwaren.') ging und das Verlangen von Heiden, ihn zu sehen — es war bei der letzten Anwesenheit im Tempel — als den Beginn seiner Verherrlichung bezeichnete?) Endlich wollen wir insbesondere noch gedenken des Auftrages, den der Herr vor seiner Himmelfahrt gab: „Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes: und lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe: und siehe ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt." ') Solche bestimmte Aussprüche im Namen Jesu widersprechen aber dem modernen Unglauben, der >, Matth. 2,. 33 ff.; Mark. 12. 1 ff.: Luk. 20. S ff. Matth. 22. 1 ff.; Luk. 14. 16 ff. ') Matth. 8. 11. 12. 24. 14-, Mark. 13. 10. Joh. 12. 3: Matth. 26. 13: Mark. 14, 9. Joh. 4. 1 ff. Luk. 8, 38 f. " Joh. 12. 20 ff. ') Matth. 28, IS f.: Mark ,6. 15: Luk. 24. 47. nach seinem Maßstabe die Grenzen dessen, was der Heiland nur gesagt und getan haben dürfe und könne, zieht. Infolgedessen sieht dieser Unglaube sich genötigt, solche ihm nicht passenden in den Evan gelien berichteten Worte des Herrn für „unecht" zu erklären, auch wenn es noch so schwer oder selbst unmöglich wird, nach Beweisen dafür zu suchen. Darum, geliebte Diözesanen, Habs ich mich nicht auf den einen oder anderen Ausspruch beschränkt, sondern auch verschiedene nicht zu beseitigende Gleichnisse. Aussprüche und Handlungen Jesu euch vorgeführt. Auch das ganze Johannesevangelium und die Sendschreiben von Aposteln, besonders des hl. Paulus kennen nur ein für alle Völker bestimmtes Reich Gottes. Kennt doch schon das Alte Testament das Reich des Messias als für alle Völker bestimmt. W.eder holt ist den Patriarchen Abraham. Isaak und Jakob die Verheißung gegeben worden?) daß Gott nicht nur ihn und seine Nachkommen segnen will, sondern daß in ihm, d. i. in seiner Nachkommenschaft „alle Völker der Erde" gesegnet werden sollen. Gewissen modernen Versuchen, diese Weissagungsworte anders zu deuten, steht die Erklärung des Schülers des weisen Gamaliel, des hl. Paulus, entgegen, welcher diesen den Patriarchen verheißenen Segen auch ans „alle Völker" ausdehnt. — Unter den Propheten ist es besonders Jsaias, der auch der Evangelist des Alten Testamentes genannt wird, der die Allgemein heit des messianischen Reiches wiederholt verkündet?) Christus wird ein Panier für die Völker sein, „zu ihm werden die Nationen beten." „Es suchen Gott, die vorher nicht nach ihm fragten: cs finden mich, die mich nicht suchten", worunter die Heiden zu ver- stehen sind. Vom messianischen Jerusalem heißt es. daß „deine Tore werden immerdar offen stehen, Tag und Nacht werden sie nicht geschlossen werden, daß man die Stärke der Nationen zu dir bringe und ihre Könige dir zuführe." „Die Söhne der Fremd linge, die dem Herrn anhängen, um rhm zu dienen ... diese werde ich auf meinen heiligen Berg führen." Und eine Wolke von weiteren Aussprüchen dieses Propheten, des Oseas?) Jeremias?) Arnos?) Zacba- ') Gen. 12, 3; 18. 18; 22. 18; 26. 4; 28. 14. -) Jsai. 11. 10; 65, 1: 60. 11; 56. 6. 7. ') 1. 10. «) S. 17. S, 12. riaS*) und Malachias') ließe sich noch vorführen: doch nur noch an ein Wort, da! der Epistel des Dreikönigsfestes entnommen ist, sei verwiesen: „... Es wandeln Völker in deinem Lichte und Könige in dem Glanze, der dir aufgegangen."**) Und nun, geliebte Diözesanen, will uns der bereits geschilderte moderne Unglaube zumuten, zu glauben, daß Jesus, der sich in seinen Lehren so oft auf das Gesetz und die Propheten berufen hat, diese nicht verstanden hätte, hinter dem Verständnisse seiner Zeitgenossen zurückgeblieben wäre und die „Erfüllung" des Gesetzes und der Propheten nicht — wie er ge sagt — selbst gebracht, sondern erst seinen Jüngern und dem nachfolgenden Geschlechts überlassen hätte! Nein! Wir sind unerschütterlich davon überzeugt, daß — wie es im Alten Testamente bereits angekündigt worden ist — Jesus Christus selbst sein Reich für alle Völker und sür alle Zeiten errichtet hat. Als sich der göttliche Heiland zum letzten Male nach Jerusalem begab, traten ihm auf dem Wege Pharisäer entgegen, die ihn srugen: „Wann kommt das Reich Gottes?"*) Sie srugen in der Meinung, die auch Hsrodes gehegt und die ihn in Schrecken ge- setzt hatte, daß dieses Reich ein irdisches, mit äußerem Glanze und weltlicher Macht ausgestattetcs sein werde. Darum antwortet Jesus, daß es nicht unter „äußerer Beobachtung", also nicht mit dem einen irdischen Herrscher umgebenden Gepränge kommen werde. Darum werde man auch nicht sagen: „Sieh hier oder sieh dort"; „denn siehe, das Reich Gottes ist innerhalb euch!" Im Gegensätze also zu der jüdischen Erwartung eines äußeren Weltreiches, welche vorab die Pharisäer teilten und an irdischen Machtmitteln erkennen wollten, weist der Heiland die Fragenden auf ein Reick hin, das schon vorhanden ist. das sie aber nicht wahrnehmen; denn nicht als äußere Macht tritt es auf, sondern in ihrer Mitte entfaltet eS sich bereits mit seiner geistigen Lebens kraft im Inneren des Menschen. Also nickt erst am Ende der Zeiten will Jesus sein Reich er- richten. Wie die irdischen Reiche als solche und für sich allein dazu dienen, dem Menschen die Erreichung >> 8. 20 ff. I, 11. Jsai. 60. 1 ff. «) Luk. 17. 20.