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Sächsische Kolkszeitimg erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sou«.«. Festtage. Inserate Bezugspreis: Vierteljahr!. 1 Mk. SO Pf. (ohne Bestellgeld). ^ werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. Post-Bestellnummer «858. fTTA- Illl v berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Lei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. ÜUtKäkUtll-k-1 b-ääK1iON UNÜ 6-5cIsäkl55l-ll-r Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Einzelnummer 1« Pfennige. Nr. 221>. Katholiken r Brigitta. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht »nd Freiheit. kucdtlrirelttrel. beäaktton uns 6rscbäN55teNe: Dresden, Pillnitzer Strafte 43. M Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 15««. Donnerstag, den M^)ktober 1903. Protestanten: Pclagia. 2. Jahrgang. Die Notwendigkeit einer Nensions- und Kinterökieöenen-NerKcherung für Nrivatveamte. Die Entwickelung des PrivatbeamteirstandeS hat in Deutschland ganz bedeutend eingesetzt. Nach der Berufs- und Gewerbezählung vom Jahre 1882 gab es 307 000 in Privatbetrieben als Beamte angestellte Personen. Im Jahre 1807 war diese Zahl ans 622000, also auf das Doppelte angewachse». Nach dem Ergebnisse der beiden vorerwähnten Zäh lungen waren Privatbeamte beschäftigt in l 882 t 305 der Land- und Forstwirtschaft . . <>«>074 06 17.7 der Industrie- und dem Gewerbe 00 076 277 747 Handel und Verkehr . . . . 141 148 261 007 Die Gesamtziffern zeigen eine Vermehrung mit ca. 100 Prozent. Die Statistik über die Entwickelung des Handels lehrt, das; man seit dem Jahre 1807 ein weiteres Anwachsen mit die Hälfte mit Sicherheit annehmen darf. Sonach hätte der Privatbeamtenstand nahezu 1 Million Glieder, mit anderen Worten, ca. 4 Millionen Menschen finden in der Tätigkeit der Privatbeamten ihr Brot. Für die Allgemeinheit ist es naturgemäß von größter Wichtigkeit, daß ein Stand von solcher Bedeutung sich der nötigen Existenzsicherheit erfreut. Heute ist diese aber durchaus nicht gegeben. Ein Privatbeamter hängt in seiner Existenz fortgesetzt von allen möglichen Zu fälligkeiten ab und ist derselbe infolgedessen auch beim besten Willen nicht in der Lage, sich eine unbedingte Sicher heit inbezug auf eine Jnvaliditäts- und Alters-, sowie eine Hiuterbliebeuen-Versorguug zu schaffen. Jede längere Stellenlosigkeit muß eine private Versicherung dieser Art in Frage stellen. Die Fortdauer der heutigem Existenz unsicherheit aber muß die Kraft des Volkes schwächen, damit die Wehrkraft des Staates und die Konkurrenzfähig keit gegenüber anderen Völkern untergraben. Eine Begleiterscheinung der Existenzunsicherheit ist der Drang nach möglichst frühzeitig entlohnter Tätigkeit. Dies hat eine Vernachlässigung der Bildung zur Folge; ins besondere leidet die bei den heutigen komplizierten Ver hältnissen des Wirtschaftslebens so bedeutungsvolle fach männische Ausbildung, zum Schaden der Industrie, des Gewerbes, der Landwirtschaft und damit zum Schaden der Allgemeinheit. Die Existenzunsicherheit bedroht den Charakter, schafft Streber, Kriecher und macht die Tätigkeit des Privatbeamtenstandes als neuen Mittelstandes auf dem Gebiete des Ausgleichs zwischen dem Großkapital und dem Proletariat unmöglich, weil auch der Privatbeamte in allen Lebenslagen völlig von dein Willen des Großkapitals abhängig ist. Wie die Existenzunsicherheit der Privatbeamten der Allgemeinheit schädlich ist, so ist sie es selbstverständlich in noch höherem Maße den einzelnen Personen. Sie zerrüttet die Nerven, drückt die Arbeits kraft nieder und hemmt den Privatbeamten in seinem Vorwärtskommen. Ein Beweis dafür bietet die Tatsache, daß nur ein verschwindender Bruchteil der Privatbeamten ein höheres Alter erreicht und daß es ausübende Privat beamte in höheren Lebensaltern fast garnicht gibt, wie z. B. die Erhebungen in Württemberg in erschreckender Weise ge zeigt haben. Die Existenzunsicherheit drückt die Gehälter, da die Furcht vor Stellenlosigkeit gar oft die Bestrebungen zur Erzielung eines entsprechenden Gehalts beeinflußt. Die Notwendigkeit, für das Alter zu sorgen, zwingt zum frühzeitigen Verdienen. Eine Stellenlosigkeit kann sehr leicht eine Beeinträchtigung der im Falle einer In- valdität für die Hinterbliebenen getroffenen Versicherungs- Fürsorge zur Folge haben, indem sie zur Aufgabe von Versicherungen führt, wie auch die Aufzehrung von Er sparnissen notwendig macht. Wir haben bereits erwähnt, daß der Zwang, schon in früher Jugend auf die Verhält nisse des Alters Rücksicht nehmen zu müssen, die Ausbildung erschwert, sowohl inbezug auf das Allgemeine, als auch auf das Fachwissen; es hemmt also das Vorwärtskommen. Natürlich muß dem Privatbeamtenstande die Gefährdung des Charakters durch die Hetzjagd nach Stellen nicht weniger schädlich erscheinen, wie der Allgemeinheit, denn da« Ansehen des ganzen Standes leidet darunter. Es wäre kurzsichtig, in der Beseitigung der Existenz Unsicherheit durch Sicherung der Zukunft des Angestellten durch eine PeusionSversicherung nur einen Vorteil für die Privatbeamten zu erblicken. Nein, auch vom Standpunkte des Unternehmers ist diese Regelung wünschenswert. Denn sie schafft die Möglichkeit ruhigeren, weniger nervösen Ar- beitens, sichert dadurch die Erfolge des Arbeitgebers. Die Hebung der Bildung, sowohl der fachmännischen, als auch der allgemeinen, wird natürlich auch dem Unternehmer zu gute kommen. Denn eine bessere Ausbildung schafft die Möglichkeit sicheren Arbeitens und fördert die Produktion uener Ideen. Endlich ist auch die Reichsregiernng der lebhaft ver laugten Regelung dieser vitalen Frage der Privatbeamten näher getreten. Auf Anregung des Reichsamts des Innern soll am >7. Oktober in Privatbeamtenkreisen durch Frage bogen eine Erhebung stattfiuden, deren Ergebnis der Reichs regierung als Grundlage für die reichsgesetzliche Regelung der Pensious- und Hinterbliebenen-Versicherung dienen soll. Ueberall im Deutschen Reiche wird deshalb durch Schrift und Wort zu einer möglichst regen Beteiligung aufge fordert. In Dresden wurde von den bedeutendsten Privat- beamten-Vereinen und Verbänden ein Komitee gewählt, welches die Versicherungsangelegenheit ebenfalls energisch in die Hand genommen hat. Das betreffende Komitee ladet alle Privatbeamteu für Sonnabend, den 10. d. M., im Musenhaussaale zu einer öffentlichen Versamm lung ein, in der Herr Redakteur I. F. Schraer aus Eberswalde, Schriftleiter der Zeitung „Ter Privatbeamte", über die reichsgesetzliche Regelung der Pensions- und Hinter bliebenen-Versicherung der Privatbeamten einen Vortrag halten wird. Da die Sache von höchster Wichtigkeit ist, dürften sich wohl alle Privatbeamten dafür lebhaft inte ressieren. Politische Rundschau. Deutschland. — Ter Kaiser traf am 6. d. M. in Marienburg ein und besichtigte das Ordensschlos; unter Führung des Ge heimen Banrats Steinbrecht. Tie Abfahrt nach Hubertus- slock, woselbst sich die Kaiserin anfbält, erfolgt nachmittags. — Die Ziviltraunng des Prinzen Andreas von Griechenland mit der Prinzessin Alice von Batten berg fand am 6. d. M. in Darmstadt statt. Der König von Griechenland und Prinz Ludwig von Battenberg waren Trauzeugen. — Ein Bischofsjubiläum feierte am Dienstag die Diözese Speyer. 27 Jahre sind verflossen, seit der hoch würdigste Bischof De. v. Ehrler von seiner Diözese Besitz ergriffen hat. Mit den Diözesanen aber gedenkt das ganze katholische Deutschland des yohen Kirchenfürsten, der stets am Wöhle der deutschen Katholiken so lebhaften Anteil genommen hat. Er ist es gewesen, der als Domprediger in München ausgangs der 60er Jahre des letzten Jahr hunderts dem Altkatholizismus in so entschiedener Weise und mit solch glänzender Beredtsamkeit entgegeugetreten ist, und der Jubelsturm, der dem Qberhirteu der Diözese Speyer auf dem vorjährigen Mannheimer Katholikentage bei seinen'. Erscbeinen entgegenbrauste, war auch eine öffent liche Abtragung dieser Dankesschuld. Bischof Di', v. Ehrler hat als Kaplan in 'Neustadt a. d. Saale auch keimen ge lernt. welch kleinliche Schranken die Staatsallmacht der Tätigkeit eines katholischen Geistlichen zog, Schranken, die heute noch nicht überall gefallen sind und die den Toleranz antrag des Zentrums Hervorrufen mußten. Der junge Priester war nämlich beauftragt, die in Hildburghauseu in Sachsen Meiningen und dessen Umgebung vorhandenen Katholiken mit sich zu scharen und ihnen als Missions priester die Gnadennüttel der Kirche zu spenden. Aber die Regierung verbot ihm, in Hildburghansen Wohnung zu nehmen, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als in dem bayerischeil Grenzorte Wolfmannshausen sich eine Wohnung zn suchen und jeden Sonntag sich zu Fuß nach dem einige Stunden weit entfernten Hildburghausen zn begeben. Die anderen Aufmerksamkeiten der meiningschen Regierung, wie polizeiliches Verhör, Ausweisung »sw., Blei iin Herzen. Erzählung von I. N. von der Eans. Aus dem Holländischen übersetzt von 2. Vau Heeiustede. l20. Fortsetzung.) (Nachdruck verbalen.> 7. „Liebste Mutter! Ich fühle mich jetzt vollkommen heimisch. Du müßtest nur einmal sehen, wie hübsch ich eingerichtet bin; ich wohne allerdings über einen Gemüseladen in einein der neuen Viertel und etwas weit vom Zentrum der Stadt, aber es ist hier ruhig, sauber und was für mich die Hauptsache ist, billig. Tie Studenten ziehen sonst im Allgemeinen die Quartiere in den lebhafteren Straßen vor. wo sie vom Fenster ans alle Vorübergehenden mustern können. Aber dafür bin ich nicht hierher gekommen, ich will in meiner stillen Klause recht eifrig studieren, und wenn ich das Be dürfnis fühle, mich ein wenig auszuspanuen, so suche ich meine Erholung lieber in den herrlichen Promenaden, welche die Stadt umgeben, als in den dumpfen Straßen und rauchigen Wirtshäusern. Dem eigentlichen Stndententreiben will ick, mich mög lichst fern halten, wenn ich auch nicht als Einsiedler zu leben gedenke; sehr lieb wäre es mir, wenn ich einen Kameraden erwischte, der sich ungefähr in der nämlichen Lage befände, dessen Charakter mit dem meinigen über- eiustimmte, mit dem ich gemeinschaftlich studicr- n und Ans- flöge in die Umgegend machen könnte. Du w ißt ja, wie sehr ich die Blumen liebe. - Na. es ist ja nicht unmöglich, daß ich einen Kameraden finde, der mir zusagt; unter den Studenten ist mir mancher begegnet, mit welchem ich keinen näheren Umgang haben möchte, es existiert hier aber auch ein katholischer Stndentcn- vereiu, dem ich mich gleich angeschlossen habe; dort bin ich wenigstens unter.Gesinnungsgenossen. Anch den meisten Professoren habe ich mich schon vor- gestellt. Mein nnbckannter Wohltäter scheint mich sehr warm empfohlen zn haben und in der akademischen Welt äußerst angesehen zn sein, ich brauche nur meinen Namen zn nennen, um überall auf das freundlichste empfangen zu werden. Wie werde ich mich bestreben, seiner Großmut mich wert zn zeigen! Immer wieder regt sich in mir der Wunsch, ihn kennen zn lernen oder wenigstens seinen Namen und seine Adresse zn erfahren, damit ich ihm schriftlich meinen Dank abstatten und ihm sagen kann, wie glücklich er mich gemacht hat. Deine nachdrückliche Mahnung aber verbietet mir selbstverständlich, dem Geheimnis, das er gewahrt wissen will, nachzuspüren. Bisweilen freilich kommt mir der Gedanke, ob ich dieses Almosen, worauf ich nicht den mindesten Anspruch habe, wohl auuehmen darf. Ich glaube aber, daß ich diesen Stolz nicht in mir anfkommen lassen darf. Es widerstrebt uns, Gunstbeweise auuehmen zn müssen, ohne sie vergelten zn können. Es ist unserer Eigenliebe peinlich, und ich verstehe jetzt, was ich einmal irgendwo gelesen habe, daß nämlich für manche Naturen die Dankbarkeit eine Last ist, und daß erwiesene Wohltaten oft Haß und (Kroll statt Liebe und Verehrung erzeugen. So will ich aber nicht sein. Mutter, ich will nicht nur meinem unbekannten Wohltäter von ganzem Herzen erkenntlich sein, sondern an erster Stelle Dir, deren erfinderische Mutterliebe einen solchen Helfer in der Not zu entdecken wußte . . ." So schrieb Adolf Weever noch etliche Seiten voll, sein von Glück und froher Hoffnung erfülltes Herz vor dem geliebten Wesen ansschüttcnd, daß von seinen Kinderjahren au all seine frohen und trüben Empfindlingen geteilt hatte. Die Feder flog über das Papier, so wie die Worte ihm von den Lippen geflossen wären, wenn ihm seine Mutter gegenüber gesessen Hütte. Mit ihr allein konnte er vertraulich sprechen; ihr gegenüber brauchte er sich keinen Zwang auszuerlegen, wie ec es im Verkehr mit seinen Be kannten und Studiengenosseu tun mußte. Eigentliche Freunde hatte ec nie gehabt, weil die beschränkten Ver- mögenSverhältnissc ihn sowohl wie seine Mutter gezwungen hatten, ein zurückgezogenes Leben zu führen und allen Umgang zu vermeiden, der Kosten mit sich brachte. Diese Absonderung halte aber nichts Bitteres gehabt, sie hatte Mutter und Sohn nur um so inniger zu einander geführt. Sie halte Niemand als ihren Jungen, und er hatte Niemand als seine Mutter, und so waren sie Beide Alles für einander geworden. So gleicht sich durch Gottes liebreiche Fügung Alles im Leben aus: was man an Quantität entoehrt wird durch die Qualität oft reichlich vergütet. Das Glück des Herzens hängt keineswegs von den äußere» Umständen ab; diese arme Mutter und ihr Sohn waren reicher an innerer Znfriedenyeit, wie manche in Ueberfluß lebende und von Tausenden beneidete Familie. Adolfs Wangen hatten sich während des Schreibens vor freudiger Erregung lebhaft gerötet; er dachte au das Vergnügen, das sein Brief der Mutter bereiten würde, und er machte sich datier, nachdem er die Adresse geschrieben und die Freimarke aufgeklebt hatte, sofort auf, um den weiten Weg zum Postamt anzntreten, da dieser Modus eine raschere Beförderung in Aussicht stellte, als wenn er seinen Schatz dem ersten besten Briefkasten anvertraut hätte.. Beim Verlassen seines Zimmers ließ er noch einen zufriedenen Blick über seine behagliche Zelle gleite». Die Herrlichkeiten und Nipvfigürchen aus dem F-ünfgroschenbazar, j die seine Wirtin dort ausgekramt hatte, waren verschwunden und batten einer stattlichen Reihe von Folianten ihren Platz eiugeräumt. Den Spiegel, der über dem Schorn steinmantel hing, wo er seinen Zweck gar nicht erfüllte, hatte er dort fortgenommen und ihm eine Stelle zwischen den Fenstern gegeben, wo mau ihn wenigstens benutzen konnte, und die bunten grellfarbigen Qelbilder hatte er durch einige hübsche Kupferstiche ersetzt, die er in Er mangelung der Rahmen mit kleinen Zeichenstiftchen an die Wand befestigte. Ten großen Lisch, der in der Mitte des Zimmers stand, hatte er an eins der Fenster geschoben, sodaß er zum Schreiben und Lesen das nötige Licht hatte. (Fortsetzung folgt.)