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Diese verbreitetste unparteiische tSgttch» tostet monatlich 28 Pfg. in Chemnitz frei inS Haus- Mit dem Extrabeiblatt Lustiges Bilderbuch kostet der tägliche „Anzeiger" monatlich 38 Psg. (in Chemnitz srei ins HanS); außerhalb Chem nitz Zutragen monatlich 15 Pf. Bei der Post ist der Anzeiger nur mit dem Extra-Bciblatte Lustiges Bilderbuch zu beziehen . für 88 Pfg. monatlich. (Nr- 5630 zur Postliste.) Telegr.. «disffe: Seneralauzeiger. Kerusprechslelle Nr. IZK. Ski-Mer Landes- General- für Chemnitz Anzeiger rrnd Umgegend. «nzelgenprels: «gesparte« CorpuSzeil, (ca. SSilben fassend) oder deren Raum 15 Pfg. ^>- Bevorzugte Stelle (^gespaltene Petitzeile ca. 11 Silben fassend) 30 Pfg. Bei wiederholter Auf nahme billiger. — Anzeigen können »nr bis Vormittag 10 Uhr angenommen werden, da Druck und Verbreitung der großen Auslage längere Zeit erfordern. Ausgabe: Wochentags Abends lmit Datum der nächsten TageS). — Die Anzeige» finden ohne Preisausschlag zugleich Ver breitung durch die Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. Nr. 16. —13. Jahrgang. I Freitag, 2y. Januar 1893. M Amtliche Anzeigen. Freitag, deu SV. Jau. 18V8, von S Uhr Norm. ab. sollen im AuktiouSsaale dcS hiesige» JustizbebäudeS folgende Pfänder, als Möbel, Bilder, Spiegel, SophaS, Vorhänge, Teppiche, Ladentische, Regale, Pulte,Bnlckcn-und Tafelwaage»,Fleichergeräthschasten, Hängelampen,PianinoS, 1 Geldschrank, Pferdegeschirre, 3 Pferde, 1 Kutsch- nnd 1 Fleischtransport- wagen, 1 Ncnnschlitte», 30000 Stück Cigarre», Sch. Pfosten, 1 Sch. Bretter, 2 Hobelbänke, 1 Copirprcssr, 1 Petrolenmapparat, 1 Näh- und 1 Zwirnmaschine. 3 Rolle» Linoleum, 1 Eis- nnd 1 Waarcnschrank, 2 Barbier- stühle. eine Haarkette, 2 goldene Damennhren, 1 Kanarienvogel mit Bauer, S große Balle« Tuche, Porzellan u. a. S. gegen sofortige Be zahlung zur Versteigern»» gelangen. Böhme, Gerichtsvollzieher bei dem König!- Amtsgericht Chemnitz. Morgen Freitag, Nachmittags S Uhr, sollen im Lasch'scheu Gast hofe z» Siegmar daselbst eingestellte Pfandstücke, und zwar: 1 Glas- schrank, 1 Konimode, 1 Ansziehusch, 1 Waschtisch, 1 Bettstelle, 5 Stühle, 1 Nähmaschine, > kleine Wanduhr rc. öffentlich versteigert werden. Acluar Berger, Gerichtsvollzieher bei dem König!. Amtsgericht Chemnitz. Politische Rundschau. Chemnitz, den 19. Januar 1893. Deutsches Reich. — Vom Kaiscrhofe. Zu den Vermählungsfeierlichkeiten treffen folgende Fürstlichkeiten in Berlin ein: Die Könige von Sachsen und Dänemark, der Großfürst-Thronfolger von Rußland, die Groß- hcrzöge von Baden, Hessen und Sachsen, die Herzöge von Edinburg, Cambridge und Connaught, der Erbgroßherzog von Sachsen, die Prinzen Adolf zu Schanmbnrg-Lippe und Albert zu Schleswig-Hol stein. Znm Ehrendienst beim König von Sachsen sind der Gencral- inspckteur des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens, General Keßler und der Kommandeur des ostpreußischen Dragoner-Regiments Nr. 10, Oberstleutnant v. Raven, und zum Dienst beim russischen Thronfolger Gencralstabschcf General v. Schlieffen koniniandirt. Ans 'Kopenhagen war übrigens gemeldet worden, der König Christian sei durch die infolge der Kälte verursachte Hafensperre verhindert, zu den Festlichkeiten nach Berlin zu kommen. Dies scheint sich aber nicht zu bestätigen, denn im neuesten Berliner Hofbericht wird ausdrücklich die Ankunst des Königs angekttndigt. — Eine Kundgebung des Gvostherzogs von Baden an die Kriegervereine verdient die Bekanntgabe weiterer Kreise. Der Badische Militärvereinsverband richtete durch sein Präsidium anläßlich des Jahreswechsels ein Glückwunschschreiben an den Großhcrzog, in welchem die alten Soldaten aufs Neue Treue und Anhänglichkeit ihrem Protektor gelobten. In der Antwort spricht der Großherzvg seine Freude über den guten Geist aus, der die Soldaten beseelt nnd Wünscht von Herzen, „daß die günstige Entwickelung der Militärver- eine sich in gutem Fortgange erhalte und sich mehr und mehr dahin ausdehncn möge, der Bereinigungspunkt in den Gemeinden für alle Diejenigen zu werden, welche ihre Dienstzeit im Heere ehrenvoll be- standen haben und damit zur Reserve gehören." Dann heißt es weiter wörtlich: „Die Pflege des militärischen Geistes, wie er in der praktischen Schulung erworben wird, gehört zu den nützlichsten Auf gaben im Leben der Gemeinden. Die Kraft gemeinsamer Interessen verbindet zu gemeinsamer Arbeit und fördert das Bewußtsein von der Nothwcndigkeit der Unterordnung des Einzelnen zu Gunsten der Gemeinschaft in kleinem oder großem Kreise. Die militärische Schule lehrt die Selbstlosigkeit, aus der allein Erfolge zu erzielen sind, und mit welcher soviel Großes zu Stande kam. Diese Tugend ins bürgerliche Leben zu übertragen und sie schon früh der Jugend ein zuprägen durch Belehrung, noch mehr aber durch Beispiel und Vor bild in Wesen und Thal, das gehört zu den höchsten Aufgaben der Militärvercine. Je mehr sich in weiten Kreisen ein Streben nach Genuß und Gewinn kundgiebt, desto mehr ist es an der Zeit, Nüchternheit und Genügsamkeit zu Pflegen, und auch darin können die Militärvereine einen vorbildlichen Einfluß üben, wenn sie das Beispiel der Einfachheit und weisen Sparsamkeit darstcllen." — Die Budgetkommisfiou des Reichstages genehmigte am Mittwoch den größeren Thcil des Postetats, wobei auf den Post- assistcntcnverband eingegangen wurde. Staatssekretär von Stephan betonte, daß für alle Beamte bestimmte Schranken beständen, die nicht außer Acht gelassen werden dürften. — Die Militärkommission fuhr in der Berathung der Militärvorlage fort. — Prcusjischcs Abgeordnetenhaus. Am Mittwoch wurde die erste Berathung des Staatshaushalts fortgesetzt. Abg. Frhr. von Zedlitz (frcikons.) sieht die Finanzlage als ernst, aber nicht als be denklich an. Eine Trennung der Reichs- und preußischen Finanzen wäre dem Redner allerdings sehr erwünscht; er bezweifelt aber, daß sich das so schnell machen lassen wird. Was die Landesvertheidigung, die Sicherheit des Reiches, erfordere, müsse in jedem Falle aufgebracht werden. Die Landwirthschaft sei zu fördern, doch sei dies aus einem Handelsverträge mit Rußland nicht zu erwarten, der deshalb wohl am besten vorläufig unterbliebe. Abg. von Czarlinski (Pole) beklagt sich über die Unterdrückung der Polnischen Sprache. Abg. Hammacher (nallib.) kann weder die Finanzlage, noch die Lage der Staatsbahn verwaltung als trostlos ansehen, da ja aus den Staalsbahneinnahmen 100 Millionen jährlich für allgemeine Staatsbcdürfnisse verwendet werden. Mit der Trennung der preußischen von den Reichsfinanzen ist Redner sehr einverstanden. Er hoffe, daß es dem Jinanzminister Miguel gelingen werde, die Staatsfinanzen einer gedeihlichen Ent wickelung cntgegenzusühren. Abg. Nickert (freis.) meint, die Thätigkeit des Finanzministers habe im Lande keine große Anerkennung gefunden, seine Steuergesctze seien nichts weniger als beliebt. Redner geht dann auf die Lage der Staatsbahnverwaltung ein und bespricht alsdann die Forderungen der Landwirthschaft. Die heutigen landwirthschaftlichen Zölle seien noch sehr hoch und es sei zu wünschen, daß im Interesse des Ostens der Monarchie ein Handelsvertrag mit Rußland zu Stande komme. Finanzminister Miguel wendet sich gegen einzelne Ausführ ungen des Borredners, der große Aufwendungen fordere, aber keine Mittel dazu bewilligen wolle. Für eine Vereinigung des Reichsschatz- amies mit der preußischen Finanzverwaltung ist der Redner nicht. Die Finanzlage sei nicht überaus schlecht; bei vorsichtiger Bewilligung neuer Ausgaben werde es sehr wohl möglich sein, wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Nachdem noch Abg. von Eynern (nallib.) sich in ähnlichem Sinne geäußert, wird die Debatte geschlossen. Der größte Theil des Etats wird der Budgctkommission überwiesen. Nächste Sitzung Donnerstag (Anträge). — Die Wahlkommisfio»» des Reichstages beanstandete die Wahl Möller's (nat.-lib.). — 3«r Militärvorlage. Eine dieser Tage in Darmstadt abgehaltene nationallibcrale Versammlung nahm zur Militärvorlage durch folgende Resolution Stellung: „Die Versammlung erklärt ihre volle Zustimmung zu dem Vorgehen der nationalliberalcn Fraktion im Reichstage, mit der Reichsregierung durch Verständigung den Weg zu finden, welcher zu dem Ziel der nothwcndigen, die Sicherheit des Deutschen Reiches gewährleistenden Verstärkung des deutschen Heeres zu führen geeignet erscheint." — Seitens verschiedener industrieller Etablissements ist, wie die „Schl. Ztg." schreibt, in Anregung gebracht worden, daß solchen Arbeitern, welche lange Zeit, etwa 25 Jahre, an einer und derselben Stelle in Dienst gestanden und sich während dieser Zeit gut geführt haben, eine Anerkennung des Staates zu Theil werde, viel leicht in Form einer Medaille oder eines Diploms. Es wird darauf hingewiese», daß treue Arbeiter in einer derartigen Auszeichnung eine wohlverdiente Belohnung und Anerkennung ihrer langjährigen, red lichen Dienste erkennen würden und daß eine solche Form der Am erkennnng auch geeignet sein dürfte, eine wohlthätige Rückwirkung auf das Verhalten anderer Arbeiter auszuüben. Bisher ist nur bekannt, daß Lübeck Belohnungen der erwähnten Art in Gestalt einer Arbeiter- Verdienstmedaille gewährt. — Die detttsch.iivcrseeische SlttSwanderttng über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam betrug im Jahre 1893 112208 Köpfe, gegen 115292 im Jahre 1891. --- Z;; Homburg wurden am Mittwoch drei Iicue^ Er krankungen an asiatischcr Cholera konstatirt — trotz der sehr starken Kälte. — Vier grobe Versammlungen von Arbeitslosen wurden am Mittwoch Vormittag.in Berlin abgehalten. Die Vor träge hatten dieses Mal vier Führer der sozialdemokratischen Fraktion, die Herren Bebel, Liebknecht, Singer und Drecsbach übernommen. Trotz der barbarischen Kälte von LO'Ar. C., zum Theil vielleicht auch wegen derselben, fanden sich schon sehr frühzeitig in den Ver sammlungslokalen zahlreiche Besucher ein. Auf der Tagesordnung stand überall gleichmäßig: „Die gegenwärtige Arbeitslosigkeit und die Nothstandsappellation der sozialdemokratischen Fraktion vor dem Deutschen Reichstage." In allen Versammlungen wurden Resolutionen über den Nothstand beschlossen, die durch Deputationen dem Handels minister und dem Oberbürgermeister überreicht werden sollen. Die Zahl der Arbeitslosen in Berlin wurde auf 100 000 beziffert. Ruhestörungen sind nicht vorgekommcn. — Der Bergarbeiterstreik in» Soorrevier ist nunmehr völlig zu Ende, da am Mittwoch Alles angefahren ist. Eine noch einbcrnfene Streikversainmlung unterblieb wegen Mangels an Theil- nchmern. Im rheinisch - westfälischen Revier, wo die Zahl der ent lassenen Bergleute schon eine recht bedeutende ist, waren noch einige tausend Mann ausständig, doch hat die Sache keine Wichtigkeit mehr. Der verhaftete Strcikfnhrer Bunte ist erkrankt. Am Mittwoch Nach mittag streikten im westfälischen Gebiet nach offizieller Angabe noch 7500 Mann, doch gilt das als zu hoch. Wahlrecht gelten. Gendarmerie hielt die Ordnung im Allgemeinen aufrecht. Gvotzv«Ua»mler». § — Die britische Regierung setzte den jungen Khedive Abba» von Aegypten, der sich von der englischen Vormundschaft befreien und seine Minister allein ernennen will, Danmschrauben an. Der englische Gesandte in Kairo hat binnen 24 Stunden Widerruf der eigenmächtigen Ministerernennungen gefordert und der Khedive gab K nach, aber der Vorfall zeigt, was die Engländer von dem jungen Fürsten am Nil zu erwarten haben, wenn dieser sich einmal rühmen kann: Er würde John Bull ohne Weiteres zum Tempel hinausjagen. — Mit der Genngthnnng, welche der Sultan von Marokko für die Vergewaltigung eines Engländers in seinem Lande gegeben hat, ist man iit London nicht zufrieden, sondern verlangt mehr. Orient. — Die Verlobung des Fürsten Ferdinand von Bul garien mit der Prinzessin Helene von Orleans (geboren 1871), Tochter des Grasen von Paris, soll bevorstehen. Des Fürsten Mutter, eine geborene Prinzessin von Orleans, betreibt den Plan sehr lebhaft. — Der Fürst Ferdinand begiebt sich morgen, Frei tag, nach England, wo die Verlobung stattfindet. Amerika. — Hohes, von 1876 bis 1879 Präsident der Vereinigten Staaten, ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Große Thaten hat er nicht vollbracht. ': Ä Italien. — Fatale Entdeckung. Bei einer seitens der Regierung vorgenommenen Revision der Bankfiliale in Neapel ist in der Kasse ein Fehlbetrag von 2'/« Millionen entdeckt worden. Der Kassirer ist verhaftet; gegen den flüchtig gewordenen Direktor der Bankstclle ist der Haftbefehl erlasse». Frankreich. — In den Kammern sind recht eifrige Debatten ge- führt »norde», aber Neues haben dieselben nicht ergeben. Das neu eingebrachte Gesetz, welches die Beleidigung von fremden Sou veränen nnd Gesandten schwer ahndet, wird in einigen Tagen Gesetz sein. Inzwischen ist mit dem Schub fremder Journ allsten, die etwas zu deutlich die Wahrheit über die Pariser Zustände berichtet, be gonnen worden; cs ist dies gerade kein Mittel, den Glauben an französische Neellität zu fördern. Im Panamakanalprozeß finden gegen wärtig die Plaidoyers statt die Anklagcbchörde hat mit harten Worten die Vergeudung, welche sich die Leiter der Gesellschaft haben zu Schulden kommen lassen, gegeißelt. — Die französtsche Regier NNg hat in London den Antrag ans Auslieferung des Panamamannes Cornelius Herz gestellt. Ob sie ihn bekommen wird, ist doch fraglich, denn die englische Justiz wird Herz lediglich als Beauftragten der Panamagcsellschaft ansche». — Der AVmiral Bngc hat mit einem Geschwader Ordre nach Marokko erhalten. — In Rive de Giers legten 200 Hafenarbeiter die Arbeit nieder. Es gab lebhafte Tumulte — Ji» einer Schule in Paris kam es gestern zwischen den Schülern zu Faust- und sogar Messerkämpfen, bei denen lebhaft gerufen wurde „Nieder mit den JudenI" — ES heitzt, Carnot werde dem Kabinct, das dem jetzigen ziemlich bald, spätestens nach Beendigung des Pa namaprozesses, folgen werde, das Mandat der Kammcrauflösnng gebe». — Eassagna« erklärt entrüstet dem Panama-»,sschuß, nicht er, sondern sein Blatt, die „Autoritö", habe 6l,000 Franks erhalten. Dann forderte er den Deputirten, der die Geschichte zur Sprache gebracht; derselbe lehnte aber ab. — Der Versuch, die Angelegen heit der Bank von Frankreich zu einer Panainasache aufzurührcn, wird als ein Manöver Rothschild's hingestellt, um 5 Millionen Gold für Oesterreich zu beschaffen. Belgien. — I« Brüssel und Gent haben Arbeiterdemonstrationen stattgefundcn, die theils der Arbeitlosigkeit, theil- dem allgemeinen Die „Enthüllungen" des Heren Tatistschcw. M Dem „Bert. Tagbl." wird unterm 18. d. Mts. aus Pgris ge meldet: Der bekannte russische Exdiplomat und Mitarbeiter der „Moskowskija Wjcdomosti", Tatistschcw, der nach Paris gekommen ist, um sich zu großem Erstaunen Aller vor der Panama-UntersuchungS- Kommission wegen der Annahme einer halben Million Panamagelder zu entschuldigen, hat, wie verschiedene Blätter melden, der Kommission vorgcredet, ein in Paris beglaubigter Botschafter einer fremden Macht intriguire gegen die russisch-französische Freundschaft, lieber die Ent- Hüllungen Tatistschcws haben die Kommissionsmitglieder tiefste» Schweigen gelobt. Ein Pariser Blatt behauptet sogar, daß sie erklärt hätten, sie würden bei der geringsten Indiskretion zurücktrete«. ^ Aus dem Umstand, daß der österreichische Botschafter Graf HoyoS gestern beim Minister des Auswärtigen, Devclle, vorsprach, um wegen der Verhaftung des ungarischen Journalisten Szckely, dessen Behand lung dem Grafen Hoyos allzu streng erscheint, freundschaftliche Vor stellungen zu erheben, leiten verschiedene Blätter die Bermuthung her, daß es sich bei der Tatistschewschen „Enthüllung" um den öster reichischen Botschafter handle. Der „Matin" verlangt heute Morgen sogar, die Angelegenheit müsse auf die Tribüne des Parlaments ge bracht werden; das Blatt zieht ferner Maßnahmen in Erwägung, welche cs gebe, um sich eines Botschafters zu „entledigen". Natürlich ist cs wieder die „Cocarde", die diesen Angriff auf den Vertreter einer fremden Macht in's Leben gerufen hat. Die „Cocarde" wie ihr Freund Tatistschcw zielen aber auf einen ganz anderen Botschafter ab, der ihnen in Paris unbequem ist, und dessen Abberufung die russcnfrcnndlichc Presse schon lange verlangt. Diesen Zeitungsenten gegenüber läßt die französische Negierung erklären, daß ihr von einem diplomatischen Konflikt absolut nichts bekannt sei. Dev Panama Prozetz. Paris, 17. Januar. Heute begann der General Advokat Rau sei» auf drei Tage be rechnetes Plaidoycr. Er sagte: „Mit tiefer Trauer nehme ich das Wort in dieser Sache. Zu richten sind Männer von fleckenloser Ver gangenheit, die eine hohe Stellung cinnehmen. Einzelne von ihnen haben sogar großartige Werke entworfen und ausgeführt, die dem Vaterlande zum Ruhme gereichen, und diese Männer stehen heute hier unter Anklage des Betruges nnd der Veruntreuung. Ich hatte gehofft, daß die Angeklagten die Gelegenheit benützen würden, um ihre Rechtfertigung vorzubringcn, wie sie cs so oft ankündigtcn. Wir haben Wohl Entlastungszeugen gehört, welche die Ehrenhaftigkeit der Angeklagten betheuertcn, aber keiner hat eine Thatsache vorgcbracht, welche die Anklage zu erschüttern vermochte. Heute kann ich keine unmögliche Rehabilitirung mehr für diese Männer verlangen, sondern nur ei» Urtheil der Brandmarkung und Verdammung. Einer überragt hoch alle Anderen. Ich hätte gewünscht, diesen ausgezeichneten Greis, dem Alter und Krankheit die Bitternisse dieser Verhandlung erspart haben, gänzlich beiseite lassen zu könne». Doch er war es, der mit seinem Stolze und dem blinden Glauben an seinen Stem die Panama-Gesellschaft bis an's Ende dieses tragischen Abenteuers führte. Bevor er seinen Jrrthum eiiigcstandcn hätte, erniedrigte er sich lieber zu den strafbarsten Künste», um die öffentliche Meinung und die Sparer mit sich fortziirci'ßcn. Auf diesem rücksichtslosen Wege entstanden hinter ihm Ncichthümer, die das Elend der Opfer beleidigen." General-Advokat Ran erzählt sodann die Geschichte der Unter nehmung, die betrügerischen Angaben im offiziellen Blatte der Panama- Gesellschaft, daß Pauschal-Abmachungcn mit den Arbeits-Unternehmern bestünden. Die Herren Lesseps — erklärte der Redner weiter — behaupten, daß sie selbst so fest an den Erfolg glaubten, daß sie den Erlös ihrer Gründcraniheile wieder nur zum Ankäufe von Panama- Papieren verwendeten. Ist das auch wahr? Die Verthcidiginig hat uns nicht die Mittel geliefert, diese Behauptung kontrolircn zu können. Jedenfalls standen die Gründcraniheile eine zeitlang hoch im Preise. Ferdinand v. Lesseps konnte die seinigen seinerzeit um 6»/, Mill. verkaufen, was jedenfalls für einen Apostel ein ganz schöne- Honorar ist. Da» offizielle Bulletin der Gesellschaft brachte alle möglichen Vorspiegel ungen. So wurde beispielsweise im Jahre 1886 gemeldet, der Ehef- Jngenieur Dingler sei nach Paris gekommen,, um die Maßnahme«