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Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189301142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18930114
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18930114
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-14
-
Monat
1893-01
-
Jahr
1893
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.01.1893
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Nr. 11. — Sonnabend, 14. Zauner 1893. — 13. Beilage zrr TLchsischer Landes- Anzeiger Verlag von Alexander Wiede 1« Chemnitz, Theaterstraße 5. (Chemnitzer General-Anzeiger). Das Einwander,»ngsverbot für Nordamerika. Chemnitz, den 13. Januar 1893. Von Gefühlspolitik und von der Begeisterung, flir Aufgaben der Humanität und Nächstenliebe ist der moderne Amerikaner ziemlich frei. Er versteht es ausgezeichnet, ein Vermögen von einer nette», runden Summe zusammcnzubringen und findet auch die Wege, welche diesem Ziele zufithrcn, ,mögen sie nun das Sonnenlicht scheuen oder »licht. Der Amerikaner legt das Gewicht nicht darauf, wie ein großes Vermögen errungen worden ist, sondern darauf, daß es errungen wurde, er huldigt dem Reichthum und vergißt darüber, daß die Straße zu diesem Reichthum oft so unsauber war, daß die Ehrlich keit ihn nicht ohne Schaden für ihr Helles, Weißes Gewand betreten konnte. Vor Kurzem starb der New-Iorker Millionär Jay Gould, der seine Dreihundert Millionen Mark, nach unserem Gelds gerechnet, seinen Erben hinterließ. In ihren Lebensbeschreibungen des Millioncn- mannes kamen sehr zahlreiche amerikanische Zeitungen zu der Frage, Wen denn eigentlich Mr. Gould bei seinen Geldgeschäften nicht über's Ohr gehauen habe? Man ließ es auch sonst nicht an scharfen Worten fehlen, und vergaß bei diesem Manne ganz und gar den Satz, daß man von einem Todten nichts als Gutes reden solle; aber alle diese scharfe Kritik kann doch die Thatsachc nicht aus der Welt bringen, daß diese herben Tadler vor dem lebenden Gould ihre Hüte wer weiß wie tief zogen. Und darum war das nachträgliche Gezeter gerade nicht hübsch. Der Fall ist bezeichnend für amerikanische Ver hältnisse. bezeichnend ist auch das Verhalten der nordamerikanischen Union gegenüber den europäischen Auswanderern. Als cs galt, die Urwälder und die weiten Steppen mit fleißigen Bewohnern zu be sehen, da waren alle Auswanderer aus Europa hochwillkommen. Nun ist aber dem ersten Bedarf genügt und die amerikanischen Arbeiter dulden auch nicht, daß billigere Arbeitskräfte zum Ersatz für sic importirt werden. Mittellose Auswanderer, die aus Europa auf gut Glück nach Ncw-Aork reisen, und dort oft genug Gefahr laufen, von schlauen Mnkce's um ihr geringes Baargeld betrogen zu werden, fallen also oft genug den dortigen Behörden zur Last. Nun haben die Vereinigten Staaten allerdings Geld im Ueberfluß, und wenn sie ein paar Millionen jährlich zur Unterstützung bedürftiger Personen ansgäbcn, würde dadurch keine Lücke im Staatsschätze entstehen. Aber solchen sentimentalen Gedanken ist man drüben eben nicht zu gängig, wo für die Kleinen zu allen Zeiten das Wort galt: Seht selbst zu, wie Ihr fertig werdet! Für die Großen galt dieser Satz nicht, und die berüchtigte Mac-Kinley-Bill, welche denn endlich doch die Geduld der Bevölkerung erschöpfte, hat manche Taschen ganz weidlich gefüllt. Schon lange besteht daher die Bestimmung, daß mittellosen Auswanderern, welche sich nicht über bestimmtes Unter kommen oder festes Engagement answciscn können, der Zutritt znm amerikanischen Boden verwehrt wird. Die Leute werden einfach dem Kapitän, welcher sie über den Ozean geführt hat, überlassen. Die ganze Härte des amerikanischen Egoismus zeigte sich beim Ausbruch der Cholera, in welcher Zeit man den Hamburger Dampfern selbst das Anlegen an unbewohnten Stellen verweigerte, und wo erst mit Gewalt eine entsprechende, unseren Kulturvcrhältnisscn Rechnung tragende Regelung geschaffen werden konnte. In dieses Jahr fällt nun die große Weltausstellung in Chicago, für welche so unendlich viel Reklame gemacht worden ist. Europäische Besucher, di- mit wohl- gefüllten Taschen kommen, sind selbstverständlich den Amerikanern äußerst angenehm; aber von den Einwanderern, die drüben erst Verdienst suchen wollen, hat man wenig oder gar nichts zu erwarten. Diese haben meist selber nichts. Da ist man denn auf den guten Gedanken ge kommen, die Einwanderung aus Europa nach Nordamerika für dieses laufende Jahr überhaupt zu untersagen. Daß man Einwanderer nicht haben mochte, weil sie vielfach Lasten bringen, aber kein Geld, mochte man doch nicht geradezu heraussagcn; dazu genirte man sich Die Schwestern. Novelle von K. Sommer. (Fortsetzung.) (Nachdruck verbolen). Der junge Arzt hatte sich schnellen Schrittes entfernt und stieg nun die letzte Treppenstufe hinab, da öffnete sich ihm gegenüber die schwere Hausthür, und ein Herr und eine Dame traten herein. Günther Walther stand plötzlich wie angewurzelt. Das Helle Licht der Gasflamme beleuchtete scharf die vor ihm stehenden Gestalten und fiel auf Ellinors liebliche, schrcckerstarrte Züge. Sekuudcnlang ruhten ihre Blicke ineinander, dann löste sich die kräftige Männerhaud von dem Treppengeländer, und mit höflich kühlem Gruß trat er zur Seite, um dem Paare Platz zu machen. Noch ehe Ellinor einen Schritt gethan, hatte er bereits das Haus verlassen und war auf die Straße hinausgceilt. „Willst Du nicht meinen Arm nehmen, Elli?" Diese Frage ihres Begleiters riß sie endlich aus ihrer Starrheit empor. Mit hörbarem Anfathmcn trat sie zur Seite. „Bitte, geh vorauf, die Treppe ist etwas schmal. Ich folge Dir." Sie hätte die Hand nicht auf seinen Arm legen können, sie zitterte zu heftig, als sie jetzt das Treppengeländer nmspannte. Oben an der Treppe kam ihnen das Mädchen entgegen. „Ist der Herr Kommcrzicnrath im Wohnzimmer, Anna?" Das Mädchen starrte sie an, sie und den blonden, hoch- gewachsenen Mann an ihrer Seite. Ein Ausruf der Ueberraschung drängte sich auf ihre Lippen, aber eine Bewegung Ellinors hielt ihn zurück. Sie knixte nur und trat zur Seite. „Der Herr ist im Zimmer." Ellinor zog ihren Begleiter mit sich fort. Vor einer der zunächst- licgenden Thüren hielt sie an, athmete tief und öffnete dann. Sie ließ den Herrn vortreten. „Das ist Papa," sagte sie hastig, auf den Kommerzienrats, zeigend, „bitte, sprich mit ihm—ich komme später." Sie zog die Thür wieder hinter ihm zu, und da stand er nun, der große schlanke Mann, in dem matt erhellten Raume. Er hielt den Kopf etwas vorgencigt, eine leichte Verwirrung lag auf seinen Zügen. Die Hand, die den Hut hielt, zuckte nervös. „Herr Kommer zienrat!) Sander?" fragte er dann und trat etwas vor. Der alte Herr verneigte sich. „Mein Name ist Erich Walther, Doktor der Philosophie. Ich stehe vor Ihnen als Bittender, Herr Kommcrzienrath. Sie wissen wohl schon, um was cs sich handelt." Aber der alte Herr schien nichts zu wissen, er sah ganz ver- ständnißlos zu dem Besuch hinüber. Das konnte doch nicht — — nein, es war nicht möglich, erst morgen konnten sie kommen. Er hatte Ellinors leise Worte vorhin nicht gehört. „Entschuldigen Sie, aber ich weiß wirklich nicht —" etwas zu sehr. Doch man fand einen Ausweg: die Cholera könnte ja möglicherweise wieder auSbrechen; und möglicherweise konnten Cholera- kranke den amerikanischen Boden betreten und auch dort vielleicht eine Epidemie Hervorrufen. Flugs ward daraus der Antrag geschmiedet, im Hinblick auf die Choleragefahr für das ganze Jahr 1893 die Einwanderung aus Europa nach den Vereinigten Staaten von Nord amerika zu verbieten. Der Antrag, welcher doch ganz offenbar allen Begriffen von republikanischer Freiheit Hohn spricht, ist bereits im Kongresse zu Washington eingebracht, eS sind auch die erforderlichen Formalitäten schon erledigt, so daß der Antrag in wenigen Tagen Gesetzeskraft erhalten kann. Nordamerika wird dann also für alle Enrvpamüde während des laufenden Jahres ein unerreichbares Gebiet sein. Und wer weis, ob man nicht im nächsten Jahre wieder etwas am alten Europa und seinen Bewohnern auszusctzen hat, und das Einwander ungsverbot alsdann verlängert. Mit solchen Beschlüssen sind dieAankee's unglaublich schnell bei der Hand. Das zu erwartende Verbot hat für Europa unstreitig sein Gutes. Nicht nur wird Manchem, der in un bedachter Weise davon renne» und sich in Noth und Elend stürzen will, die Ausführung seiner Absicht erschwert; es wird wohl auch Vielen, denen das Gebiet der nordamcrikanischen Union immer noch als das gelobte Land erscheint, das sie gegen alle Kritiken beharrlich vcrtheidigcn, klar werden, daß man drüben nach den europäischen Auswanderern gar nichts fragt, und noch viel weniger Lust hat, irgend etwas für sie zu thun. Das ist ein ganz hausbackenes Verfahren, das auf gar nichts weiter Rücksicht nimmt, als ans den eigenen Nutzen. Man sagt sich: „Was sollen wir mit den Europäern, die uns auf der Tasche liegen und uns ausziehen? Schwapp, schlagt ihnen die Thür vor der Nase zu." Und so geschiehts, und die Europamüden mögen es sich merke». Es ist der erste Nasenstüber, welchen sie von Amerika erhalten, und cs wird auch nicht der letzte sein, wenn die Amcrikaschwärmcrei nicht abnimmt. Vielleicht wird das erreicht. Was würde aber wohl geschehen, wenn etwa Deutsch land unter irgend einem Vorwände alle überflüssigen fremden Ele mente sich vom Halse schassen wollte? Es hieße wohl/ die Welt wolle untergehcn. In der Beziehung können wir von den Nord- amerikanern lerne», wo die Devise ohne jeden Parteiwidcrspruch lautet: „Nur Praktisch!" Tie Ucbrigen können dann sagen, was sie wollen, und reden, so viel sie wollen. Deutscher Reichstag. 19. Sitzung vom 12. Januar 1893. l'/z Uhr. Am Bundesrathstische: von Bötticher, von Berlepsch, von Marschall, zeitweise Graf Caprivi. Das Haus ist etwas besser besetzt. Die sozialdemokratischen Abgeordneten Auer und Singer haben die nachfolgende Interpellation eingcbracht: Welche Maßregeln haben die verbündeten Regierungen ergriffen oder aber gedenken sic zu ergreifen, um dem notorisch vorhandenen Nothstande entgcgcnzu- tretcn, welcher in Folge andauernder Arbeitslosigkeit, vielfach vor- genommencr Herabsetzung der Arbeitslöhne, sowie der allgemein ge drückten Erwcrbsverhältnisse in den weitesten Volkskreisen herrscht. Staatssekretär von Bötticher erklärt sich Namens der Verbündeten Regierungen zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit. Abg. Liebknecht (Soz.): Wir haben die Interpellation nicht etwa zu bloßen Agitationszwecken eingebracht, sondern die Noth, gegen welche wir Maßnahmen ergriffen wissen wollen, besteht wirklich, die Lage eincs überaus großen Theils der Bevölkerung ist aus den an gegebenen Grnndeu ungemein schwierig. Da dies vielfach von den Behörden nicht anerkannt wird, haben wir beschlossen, hier die Sache zur Sprache zu bringen. So hat sich in Chemnitz der Stadtrath geweigert, eine Deputation der Nothlcidendcn zu empfangen. Für das Vorhandensein des Nothstandcs spricht auch in klarster Weise der ungemein starke Rückgang der Sparkasseneinlagen, die Abnahme des Fleischkonsums, die Zunahme des Genusses von Pferde- und Hunde fleisch, ferner die Zunahme der Zwangsversteigerungen rc. Die Be mühungen Einzelner, dem Nothstande entgegenzuwirken, vermögen wenig, hier muß von Reichswegen Genügendes geschehen. Das Deutsche Reich hat die Pflicht, den Einzelstaaten und Gemeinden mit einem guten Beispiel voranzugehen. Es handelt sich hier um eine internationale Erscheinung, mit Nothwendigkeit hervorgegangen an der bestehenden Produktionsordnung; es werden davon nicht nur die Arbeiter getroffen, sondern auch der Mittelstand, der zwischen Kapital und Proletariat liegt, wie zwischen zwei Mühlsteinen, die ihn zer malmen. Durch die Maschinenarbeit werden immer mehr und mehr ^ Menschen auf die Straße gesetzt, die kleinen Gewerbetreibenden werden ebenso ruinirt, wie die Arbeiter. Das Ergebniß der Ein- kommcnsteuerstatistik im Königreiche Sachsen beweist u. A. schlagend das Verschwinden des Mittelstandes, es beweist auch die Zunahme der beiden Extreme, der ganz Reichen und der ganz Arnien, auf Kosten der Mittelklassen. Der Bergarbeiterstreik im Westen ist nicht aus Uebermuth, sondern nur durch die bitterste Noth und berechtigten Ingrimm der Bergleute hervorgerusen worden. Ohne Noth stürzen sich nicht Tausende von Arbeitern in einen solchen Streik, das dürfen Sie mir glauben. Der Ingrimm der Bergleute ist aber wohl erklärlich bei der Behandlung, welche ihnen zu Theil wird und bei der Maßregelung ihrer Führer. Es handelt sich um Er scheinungen, die in der ganzen zivilisirten Welt bestehen und die sich immer mehr verschlimmern, wenn nicht bei Zeiten dagegen etwas ge than wird. Wenn der Staat überhaupt eine soziale Aufgabe hat, so muß er unbedingt eingreifen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) — Staatssekretär von Bötticher: Die vom Abg. Liebknecht heran- gezogencn wirthschaftlichcn Fragen lassen sich im Rahmen der vor liegenden Interpellation gar nicht erledigen. Dazu ist das Thema viel zu umfangreich. Herr Liebknecht hat nun in seinen Ausführ ungen ein so düsteres Bild der Lage von Tausenden im Deutschen Reiche gegeben, daß das Reich allerdings sich zu einem Eingreifen veranlaßt sehen könnte, wenn die Schilderungen den Thatsachen nun auch wirklich entsprächen. Das ist aber nicht der Fall, der Herr Vor redner hat sich in seiner Darstellung doch etwas fortreißen lassen. Es ist auch zunächst die Aufgabe der Einzelstaaten im Deutschen Reiche, einem drohenden Nothstande thunlichst zu begegnen. Aus dem Umstande, daß von dieser Seite nicht bezügliche Anträge beim Reiche gestellt worden sind, ergiebt sich, daß ein akuter Nothstand bisher nicht besteht. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, Sie werden noch mehr hören. Das Bild, welches der Abg. Liebknecht entwarf, ist auch, wie schon erwähnt, ganz unzutreffend. Ich will ja nicht in Abrede stellen, daß hier und da sich Fälle von einem Nothstand zeigen, wie das in Zeiten eines wirthschaftlichen Niederganges ja immer vorzukommcn pflegt, aber es besteht kein all gemeiner, großer Nothstand, welcher ein umfangreiches Eingreifen der Reichsregierung nothwendig macht, und hierauf kommt es vor allen Dingen doch an. Die wirthschaftliche Lage im Reiche hat sich in letzter Zeit auch schon etwas, wenn cs gleich noch nicht viel ge wesen sein mag, gebessert, und es ist das selbst aus Arbeiterkreisen zugegeben worden. Den Behörden muß allerdings an das Herz gelegt werden, daß da, wo wirklich ein Nothstand sich zeigt, demselben durch Bereitstellung von öffentlichen Arbeiten cntgegcngewirkt werde. Das ist auch schon häufig geschehen, so besonders im Königreiche Sachsen, wo Mittel zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt worden sind. Wie Herr Liebknecht den Streik der Bergleute im Saarrcvier einen be rechtigten und begründeten nennen konnte, verstehe ich wirklich nichts Mir ist noch kein frivolerer Streik, wie der im Saargcbiet, vor- gckommen, welchen die Bergleute begonnen haben. Der Ausstand ist ja doch wirklich wie ein Blitz aus heiterm Himmel gekommen, und er ist begonnen unter Kontraktbnch und noch che die Bergleute ihre Forderungen der Bergbehörde unterbreitet hatten. Ich kann Herrn „Ihr Fräulein Tochter hat Ihnen doch gewiß geschrieben, daß — daß ich kommen würde, Sie um Fräulein Ellinors Hand zu bitten." . „Oh — ich bitte um Verzeihung!" Der Kommcrzicnrath trat näher und reichte seinem Besuch freund lich die Hand. „Wollen Sie nicht gefälligst Platz nehmen? Meine Tochter hat mir allerdings geschrieben," er zeigte auf den Brief, der noch auf dem Tische lag, „aber sie hat in der Hast und der Aufregung Ihren Namen zu nennen vergesse». Sie hat Sie nur als „Berühmtheit" bei mir eingcführt. Doktor Walther lachte leise auf. „Das ist allerdings eine etwas mangelhafte und auch nicht ganz zutreffende Vorstellung. Berühmt heit? Man hat die Gewogenheit gehabt, einige schriftstellerische Ar beiten Won mir besonders freundlich aufzunchmen — das ist Alles. Sie werden mir schon nun erlauben müssen, daß ich dieser lückenhaften Vorstellung etwas nachhclfe. Mein vornchmlicher Berns ist die Schrift stellerei, daneben bin ich aber auch noch Kaufmann, freilich nur dem Namen nach. Die Firma Walther und Comp, wird Ihnen bekannt sein. Ich bin der Inhaber dieser Firma, indcß nur noch stiller Theil- haber, kann aber jeden Augenblick, wenn die Schriststellcrci mir nicht mehr gefällt, wieder thätig mit eingreife». Wenn das nun auch so bald wohl nicht der Fall sein wird, so mag Ihnen das für die Zukunft Ihrer Tochter immer eine bedeutende Gewähr leisten. Jedenfalls Wird diese Zukunft ohne pekuniäre Sorge sein. Anderweitige Auskunft über meinen Charakter, meine Lebensführung werden Sic überall in Berlin erhalten können. Ellinor hat Ihnen einige empfehlende Zeilen der Familie Braun zu übergeben." „Ellinor? Ist sic mitgekommmen? Wo ist sie?" fragte der Kom- merzienrath erregt. „Wir erwarteten sie eigentlich erst morgen dem Briefe nach." „Wir hatten Beide keine Ruhe mehr," war die lächelnde Er widerung. „Ellinor hält sich jetzt noch versteckt, bis der Papa seine Zustimmung gegeben. Darf ich hoffen, Herr Kommerzicnrath? Es wird mein eifrigstes Bestreben sein, Ihre Tochter glücklich zu machen." Herr Sander reichte ihm bewegt die Hand. „Mag cs denn sein, wenn Ellinor es will — und möge der Himmel diesen Bund segnen!" Er schaute Plötzlich suchend empor. „Aber, wie ist mir denn? Ich meine doch, meine Tochter sei hier gewesen? Käthe, Käthe!" , „Hier Papa!" ' .' ..- -4 Das klang da aus der Fensternische her, in« Hintergrund des Zimmers. Und da kam sie heran, langsam, als ob Bleigewichte an ihren Füßen hingen. Und nun stand sie vor dem Manne, bleich bis in die Lippen. Eiskalt war die Hand, die sie in seine Rechte legt«. „Herr Doktor Walther, ich heiße sie al- — Brüder -- heqli^ willkommen!" , ' Wie rauh, wie gepreßt die sonst so klare Stimme klang. Ob -- - " das die tiefe Bewegung that? Der Kommcrzicnrath war davon überzeugt. Er stand mit dem Rücken nach dem Licht und konnte nicht in Beider Gesichter sehen. So bemerkte er auch nicht den fast versteinerten Ausdruck in dem Antlitz des Mannes, die geöffneten Lippen, über die sich ein Laut, ein Name drängen wollte. Er sah nicht in Käthc's Augen, die sie voll zu dem Manne aüfgeschlagen hatte, den ängstlich beschwörenden Blick. Er dachte mir, wie die beiden hohen, schlanken Gestalten so schön zu einander paßten. Und dann fiel ihm Plötzlich ei», daß er Ellinor suchen mußte. „Ich hole sie!" rief er fröhlich. Der blonde Mann gefiel ihm gut. „Ich hole sie. Einen Augenblick." Und nun kam der Name doch über seine Lippen. „Käthe —> Käthe! Jst's möglich? Jst's kein böser Spuk? Du? Du, Traum meiner Jugend? Und jetzt muß ich Dich finden — so muß ich Dich finden! Großer Gott!" Der starke Mann zitterte, wie im Fiebcrfrost, seine Finger spannten sich mit krampfhaftem Druck um die schlanke Mädchenhand. „Käthe, Käthe — jetzt? Und wie habe ich Dich gesucht!" Sie sagte nichts, sic hatte den Kopf tief auf die Brust gesenkt. Sie meinte zu ersticken an der Qual, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Sie biß die Zähne darauf, so fest, daß sie sich blutig färbten. Und dann hob sic das Gesicht. Wie leidenschaftslos, wie unbewegt und doch wie schön in dieser keuschen Ruhe! „Ich grüße Sic, Erich, als den Freund, als die liebste Er innerung meiner Jugend, und ich freue mich, daß wir uns noch einmal Wiedersehen, jetzt als ernste, gereifte Menschen. Zeh» Jahre sind darüber hingegangcn, und was wir damals waren, sind wir jetzt nicht mehr — ich war damals ein so thörichtcs Kind. Mit der Zeit wird Alles anders, mit der Jugend verrauschen auch die Wünsche. Nur die Sympathie bleibt — wir wollen Freunde sein, Erich — treue Geschwister. Daß wir uns früher gekannt — das bleibe unser Gehcimnih." Er erwiderte nichts, er sah sie ganz vcrständnißlos an. So konnte sie zu ihm sprechen, so? Wo war sein Traum geblieben! Aber sic hatte recht. Er war ja der Verlobte ihrer Schwester, wieder gefesselt, wie damals. Er trat zurück von ihr. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wo war seine Besinnung geblieben? „Du hast recht, Käthe, ganz recht! Damals warst Du ein thörichteS Kind — jetzt bist Du ein ruhiges, beherrschtes Weib geworden. Es ist anders als damals. Nur ich — gefesselt wie damals, und " (Fortsetzung folgt.) - 4« 4M Ren b«itrete»«dei» Slvonnenten wird der Vereins er schienene Lhetl dieses Romans ans verlangen kostenfrei nachgeliesert. Postavonnentrn wollen ihre genane Adresse an die Verlags-Anstalt einsenden.
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