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einbogen und eildlich in ein großes, vierstöckiges Haus traten. Also hier wohnte sie! Leise schlich sie ihnen nach. Sie klingelten im zweit« Stock. Sie ließ einige Minuten verstreiche», ehe sie mit klopfenden» Herzen ebenfalls die Glocke zog. Eine alte Frau, die einen abstoßenden Eindruck aus Wally machte, öffnete ihr die Thür and frug nach ihrem Begehr. „Wo ist Adah?" „Adah ist zu Hans! Weshalb frage» Sie? „Weil ein Herr bei ihr ist!" »Jawohl, Herr Horbigl" „Es ist mein Mann!" Mit diese» Worten schob sie die Alte bei Seite und stürmte wie eine Furie in das nächste Zimmer. Richtig traf sie ihn hier. Aber er war alle!» mit dem Komissionär. Vergeblich sah sie sich nach dem Mädchen um. „Wo ist Adah?" rief sie mit zornbebcnder Stimme. Wie er zusammenfuhr! Das böse Gewisse» malte sich deutlich auf dem ver legenen Gesichte ab, mit dem er sie fragte: „Du weißt — »Alles! Gestehe, wo sie ist!" »Ader so beruhige Dich doch und erkläre mir —" „Wo ist sie?" donnerte die wüthende Frau ihn mit Jnquisitor- miene an. „Mein Gott, hier! Du hast mir die ganze Ucbcrraschung vetdorbenl" Damit trat er bei Seite und zeigte auf ein kleines, seidengc füttertes Körbchen, in dein das entzückendste King-Charlcshündchcn lag, das je die Erde auf vier Beinen betreten hatte. Seidenweiches, langes, schneeweißes Haar, von dem sich das blaue Halsbändchcn allerliebst abhob, umrahmte ein rosiges Schnäuz- chen» über dem tiesbraune Augen die bestürzte Frau Wally aublinzeltcn! Das ganze Ding war kaum länger, als eine große Männcrhand. „Das ist — „Adah, mit der ich Dich übermorgen zu Deinem Geburtstage überraschen wollte, weil Du Dir schon lange ein Schloßhündchen ge wünscht hast! Ader nun erkläre mir —" Aber er konnte seinen Satz nicht vollenden, denn schon war ihm die kleine Frau um den Hals gefallen und herzte und küßte ihn, so daß er Mühe hatte, sie zu beruhigen. „O, mein geliebter Emil, kannst Du mir verzeihen?!" „Was denn, mein Schatz?" »Später, später sollst Du Alles wissen!" «- * . Frau Wally beichtete, zu Hause angckommen, unter strömenden Thränen ihrem Gatten. Er war sehr böse, aber er verzieh ihr schließ lich doch. O, diese Männer, diese dummen Männer! Aber einen Brief an ihren Emil hat Frau Wally nie wieder geöffnet. Wenn sie je die Versuchung dazu überkam, sah sie ihre reizende, kleine Adah an, utid sie mtterließ cs. Kirchliches. Paritätisches aus de» ReichSlanden. Wie weit das „Paritätsprinzip" sich im Reichslaude bereits wirksam erweist, dafür diene als Beleg folgende gut verbürgte Thatsache, welche die deutschen und protestantischen Ehrgefühle etwas in Wallung setzen dürfte. Auf der Esplanade in Metz ist „dem in Gott ruhenden Kaiser Wilhelm I." ein schönes Denkmal errichtet, das erste größere in deutschen Landen. Am 11. September fand, in Gegenwart des Statthalters die Nlthüllung statt. Den meisten von Denen, welche der Feier beiwohnten, war es verwunderlich und schmerzlich, daß bei dieser Feier kein Wort der Weihe aus dem -Munde eines Geistlichen sich vernehmen ließ. Aber das Fehlen dieses an andern Orten des deutschen Reiches bei solcher Gelegenheit üblichen und selbstverständlichen Aktes hatte seine Gründe. Die Vornahme der kirchlichen Weihe wurde in einer Sitzung des Komitees, das aus evangelischen und katholischen Mitgliedern bestand und in dem der evangelische Bczirkspräsident de» Vorsitz hatte, erwogen. Da nian wußte, daß der Bischof einer an ihn heran tretenden Aufforderung gegenüber, den Weiheakt vorzunehmcn. sich ablehnend verhalten würde, so kam für denselben der evangelische Militäroberpfarrer des 16. Armeekorps in Vorschlag. Damit aber stach man in ein Wespennest. Ein Komitecmitglicd, der Direktor des katholischen Pricstcrscminars, fühlte sich veranlaßt gegen eine solche den katholischen Klerus tief verletzende Weihung seitens eines protestantischen Geistlichen zu proiestiren, und die übrigen Mitglieder scheinen von der Berechtigung dieses Protestes sofort durchdrungen gewesen zu sein, denn die Weihe unterblieb. An dem Denkmal des frommen demüthigcn HcldenkaiscrS, der bei jeder Gelegenheit Gott die Ehre gab, durfte kein evangelischcr Geist licher ein betendes, dankendes, weihendes Wort reden. — Also zur Weihung des Denkmals unseres evangelischen Kaisers war der römische Bischof der Nächstbercchtigte. Wollte er aber nicht, so durfte auch kein Diener der evangelischen Kirche reden, um den streikenden römischen Klerus nicht zu verletzen. Soweit waren wir glücklich im deutschen Reich unter einem evangelischen Kaiser. Kann die Ver leugnung von Recht und Ehre der evangelischen Kirche überhaupt weiter getrieben werden? Wie es gemacht Wied! Daß bereits schon jetzt das Jcsuitengesctz nur noch auf dem Papier zu stehen scheint, zeigt der Umstand, daß Professor Cathrcin aus Exaerde, Mitglied der Gesellschaft Jcsn, ungehindert im Hcrmann- Jvscphsaale zu Köln einen Vortrag halten durfte, und zwar über das Thema: „Der Sozialismus und die unabhängige Moral". Die „Köln. VolkSztg." bringt einen ausführlichen begeisterten Be richt über diesen Vortrag; daß es ihr aber bei der ganzen Sache doch nicht recht geheuer ist, geht daraus hervor, daß sie nur de» „Professor" Cathrein kennt, aber gänzlich verschweigt, daß derselbe Jesuit ist. Ihre Leser müssen das ja ohnehin schon wissen und sich iu's Fäustchen lachen, daß wieder einmal der tyrannischen preußischen Regierung ein Schnippchen geschlagen und ein Rcichs- gesctz ungestraft übertreten ist! Nachdem nun nachträglich das Kölner Polizeipräsidium, welches freilich drei Tage zu spät kam, „sozialwiffcnschastliche Vorträge durch Mitglieder der Gesellschaft Jcsn als unter das Jcsuitcngcsetz fallend untersagt hat," bietet sich für die ultramontane Presse die willkommene Gelegenheit, sich über diese „neueste Jcsuitcnvcrfolgung" zu ereifern. Um so mehr Spaß macht es dann, wenn man zur Versammlung des katholischen „Volkrvereins" in Goch sich wieder 'einen Jesuiten verschreibt, den „Professor Graf Hocnsbrvcch" aus Exacrdc, welcher durch seine ebenso wahrhcitswidrigcn und tendenziösen Broschüren zur größeren Ehre des Jesuitenordens und zur Beschimpfung der protestantischen Theologie bekannt ist. Es ist beachtenswcrlh, daß auch in diesem Falle die uktramontancn Berichte über die Versammlung in Goch nur von einem „Professor" HocnSbroech zu reden wissen und dessen Zugehörigkeit zum Jesuitenorden wohlweislich verschweigen. Berliner Planderbrief. Nachdruck verböte». Berlin, den 6. Januar 1893. Der Spaten legiert, und die Hacke und allerlei Kratzeisen und sonstiges seltsame Gcräth, welches die Füße jedes harmlosen Spazier gängers in niederträchtigster Weise bedroht. Es gilt, die Trottoirs von den letzten Uebcrresteu der wieder holten starken Schncesällc zu säubern, und so krictscht das und kratscht das Straß' auf Straß' ab. Der Eifer der Thorhüter und Haus warte bei dieser Beschäftigung entspringt freilich nicht des Herzens tiefstem Grunde, sondern der Furcht vor den polizeilichen Straft Mandaten » 3 Mark, die nach jedem himmlischen Schuccfall aus den verräucherten Polizcibureaus auf Berlin heruuterschneien. Und will cs dann das Mißgeschick, daß Einer sich das Genick bricht — zwar nicht, aber ein Bein, oder den Arm auf dein blank und glatt gekratzten Asphalt, bevor er mit wohlthätiger Asche oder sanftem Sand überstreut worden ist, was durchaus nicht zu den Berliner Wintcrseltcnhcitcu gehört, dann gicbt es einen gehörigen Entschädigungs- Prozeß mit vielen Kosten. Kein Wunder, daß das Trottoirputzen bei uns mit einiger aus der Erinnerung an alten und aus der Furcht vor neuem Aerger er wachsenden Rücksichtslosigkeit geübt wird. Aber ein Trost ist dm erregten Gemüthern doch beschicken. Man hoffte auf Wettcrumschlag und prophezeite ihn sogar, doch er kam nicht. Es blieb bei der scharfen Kälte, die schon so mörderisch im kühlen Kohlcnkellcr gehaust hat, uns aber doch einen ruhigen Jahres anfang beschcerte. Der meiste Sylvcsternachts-Ulk schien eingefroren zu sein und die Schutzleute konnten unter diesen Umständen den größten Theil der Nacht hindurch ihre Hände in den tiefsten Gründen der Paletottaschcn verborgen halten. Und die Kälte gab dem Jahresanfang zahlreiche lustige und leb hafte Bilder; denn überall, wo Eis „hackte", flogen die Schlittschuh läufer und Schlittschuhläuferinnen und vergaßen in der Poesie des Eislaufes in freier Luft die Prosa des Altagslcbcns drinnen in der Stadt. Das machte sich hübsch, und wenn beim Wege zum Eise und auf dem Heiniwege die stählernen Apparate für das Wintcrvergnügcn klapperten, dann gab das etwas Anheimelndes im Straßenkeben und ungleich Harmonischeres, als das Quitschen der Wagenräder aus dem gefrorenen Schnee. Denn Berlin hat gleich nach dem Feste ein etwas melancholisches Aussehen angenommen. Die Schaufenster zeigen zu viele unverkaufte Gegenstände aus der Weihnachtszeit, der Gerichtsvollzieher verschont, wie die Zeitungen berichten, selbst moderne Paläste unter den Linden nicht und bahnt sich mit Hilfe der heiligen Hermandad den Weg durch alle Mannen, mit welchen die Thüren besetzt sind, und der rothcn Zettel an den Läden, die da zeigen, daß man gern vermicthen möchte, aber nicht vermicthen kann, werden immer mehr. Sogar Miethshcrabsctzungen, die erste Schwalbe im Berliner Wohnungselcnd, sollen vorgekvmmen sein. Arbeiter werden immer weniger gebraucht, nun manches lohnende Weihnachtsgeschäft vorüber ist, und schon er hebt sich der Ruf: Hol der Kucknk den ganzen Winter! Was nun alle Wünsche und Klagen nicht vermochten, hat die Ankündigung des ersten großen Eisfestcs mit bengalischer Beleuchtung, Fackclpvlonaise und diversen Verlicbungen und Verlobungen zu Wege gebracht. Es ist wärmer geworden, und leise klopft an mein Ohr — der erste Thautropfcn. Die hartbcdrängtcn Bauarbeiter ergreifen Schwert und Lanze, Kelle und Hammcr, und hoch ans flammt das elektrische Licht in später Abendstunde, bei dem Stcinlage ans Stein lage gefügt und Versäumtes wieder einzuholen bestrebt wird. Der Berliner Carneval konnte niemals als das Muster einer wahren Fröhlichkeit gelten; diesmal bekommt er, von gemüthlichcn Veranstaltungen im engeren Kreise abgesehen, das Aussehen eines zu früh erschienenen Grashupfers, der in halber Verzweiflung zwischen den Schneehaufen umherturnt, welche die Abfahrtskolonue in einzelnen Seitenstraßen übrig gelassen hat, damit an ihnen Naturgeschichte demoustrirt werden kann. Im Ucbrigcn ist für alles Stauncnswerthe „Luft" der richtige Artikel. Es ist bekannt, wie geraume Zeit an allen Stätten, wo vom Neuen das Neueste gezeigt wurde, in Wasser gemacht wurde. Mit dem Zirkus unter Wasser fing die Geschichte an und mit Verwässerung der Getränke hörte sie auf. Schließlich wurde das nasse Element aber doch zu naß, und das Wasser zu wässerig, und so ist man jetzt auf ein anderes Element gerathcn, auf die Luft. Alles in der Lust! Menschen und Thiere fliegen in der Luft umher, natürlich nicht mit denr lenkbaren Luftballon, denn daun wäre das Vaterland gerettet, sondern mit Hilfe solider, verlängerter Tauenden, und selbst ein Gaul, der doch gerade kein berufener Vertreter einer Lnftour ist, wird an einer gehörig dicken Strippe im Zirkus von oben nach unten gezogen Wer kann wissen, wohin diese neueste Kunstrichtung noch führt? Wenn man nur die schlechten Zeiten auch ein Bischen in die Höhe „zuppcn" könnte. Aber cs giebt doch noch Leute, deren Sorgen nicht vom schnöden Mammon zusammcngcrührt werden, die vielmehr durch ideale Suppen- anbreinnmg entstehen. Berlin ist ihnen nämlich noch immer nicht weltstädtisch genug trotz Bicrpalast und Luftkmist, prvjektirtcr elektrischer Hochbahn und weisester Stndtvcrtrctung. Es soll immer noch welt städtischer werden, und zwar sollen vom Frühjahr ab, wenn die ersten Veilchen blüh» und die ersten Störche zieh», im Thiergarten große Korsosahrtcn veranstaltet werden von Denen, denen der liebe Gott eine Equipage nebst Pferd und Kutscher beschccrt hat. Was jeder Gummirädcrmann an Schulden besitzt, braucht er aber nicht auf dem Wagenschlag zu vermerken. Dann sollen die Herren und Damen mit und ohne Gummi die Alleren hinabkntschirc», sich zeigen und ver neigen, mit holdem Lächeln grüßen, und das Volk von Berlin ohne Gaul und ohne Kutscher kann daneben auf dem Sande sitzen und Kuchen in den Nachmittagskaffee stippen. Es wird Alles sehr schön werden, wenn nur blos etwas daraus würde. Aber das lvird's nicht! Und warum nicht? Weil cs gehen wird, wie schon so oft: Wer eine Woche laug zwischen richtigen Berliner» hindurch Korso ge fahren ist und deren Kritiken gehört hat, der hat für alle künftigen Zeiten genug. Es ist aber doch hübsch, wenn mitten im kalten Winter die Leute keine anderen Sorgen zu haben brauchen, als darüber, wie sic im Frühjahr am besten Korso fahren. Zehn Stufen Stcnererhöhung wäre eigentlich die geringste Belohnung- «vorg x-mlson, Die Schwestern. Novelle von K. Sommer. (Forlsetzinig.) (Nachdruck verdolen). Er erkannte erst jetzt, erst in diesen Stunden qualvollen Harrens, wie sehr er sie liebte. Er grollte ihr, und doch kan» eine namenlose Sehnsucht über ihn. Wenn sie jetzt noch käme, jetzt noch, er würde sie jubelnd in seine Arme ziehen, kein Wort der Bitte sollte sie sagen, nichts sollte sie erinnern an die gestrige böse Stunde. Er würde Alles vergessen haben in den» Glück, daß sie wieder sein war. Da schlug es zehn Uhr von, nahen Kirchthurm. Nun war cS zu spät — zu spät! ' Und doch stand er immer noch und lauschte. Da! Er zuckte empor. ' War das nicht ihre Stimme gewesen? Ihr süßes, melodisches Lachen? Und klangen da nicht auch Schritte in der Ferne? Er beugte sich vor und lauschte athemlos. Ja, da kamen sic näher, die Schritte, aber sie klangen von der entgegengesetzten Seite her, gleich mußten sie hier an der Ecke sein, noch ein paar Minuten, und dann — wieder zuckte er empor, >vm das nicht Sporenklirrcn, und sprachen da nicht auch Männerstimmen- Da hörte er wieder deutlich Ellinor's Lachen, ihre Stimme, und — da sah er sie an der anderen Seite der Straße, an» Arme eines Offiziers, Kuno Jppcnborn schien es zu sein nach der Stimme. Und hinter ihnen gingen die beiden anderen Offiziere und Gertrud. Die einsame Straße hallte wider von dem festen, taktmcißigcn Auftreten der Herren, die Sporen klirrten dabei, und dazwischen erklang das heitere Lachen und Scherzen der Gesellschaft. Sic war also bei Jppenborns gewesen, und mau geleitete sie jetzt nach Hanse. Der Doktor dachte das wie im Traum, und »vie iin Traun» hörte er auf die sich entfernenden Schritte, auf das Lachen seiner Braut. Da ging es Plötzlich wie ein Riß durch seine Seele, und aufstöhnend sank er gegen den Stamm des nahen Baumes. — Wie lange er da so gelehnt in dieser halben Bewußtlosigkeit, in dieser eisigen Starrheit, die seinen Körper umspannt hielt, er »vußtc es nicht, er fühlte nur Plötzlich eine warme Hand auf seinem Arm und hörte die angstvolle Stimme seiner Mutter: „Günther, mein alter Junge, was ist mit Dir? So komm doch herein. Du bist ja zum Erschrecken blaß und kalt!" Sie faßte ihn am Arm und zog ihn mit sich ins Hans. Er folgte ihr widerstandslos, wie aus dem Traum erwacht, mit großem, starrein Blick. „Geh -zu Bett, mein Sohn," sagte sie in bangen», zärtlichem Tone, „Du bist krank." Sie küßte ihn auf die kalte Wange. „Gute Nacht, Günther, schlaf wohl! Morgen wird Alles bester sein, mein Sohn." „Morgen?" Es lag ein verzweislungsvoller Schmerz auf seine,n Gesicht. „Morgen — ist Alles — vorbei — Muttert" * * * „Berlin, Bahnhof Friedrichstraßet" scholl der Ruf der Schaffner durch das Dunkel des frühen Winterabends, der Schnellzug hielt inmitten der taghell erleuchteten Halle. Die Thüren »vurdcn geöffnet, und die Reisenden strömten auf den Perron hinaus. Ein Schieben und Drängen, ein Hasten und Wogen »nachte sich bemerkbar, »vie man es nur aus den Bahnhöfen großer Städte findet. Aus einem Wagen zweiter Klasse war eine junge Daine gestiegen, »e wagte sich nicht in das Gedränge hinein und stand unschlüssig wartend noch in der Nähe ihres Koupccs. Sie war eine distingnirte Erscheinung, in eleganter Rcisetoilctte. Das braune Tuchkleid schmiegte ich eng an die zarten Formen, ein breitrandiger Hut »nit brauner Straußenfeder saß auf dem zierlichen, stolz getragenen Kopf. Die großen, dunklen Augen irrten suchend über die Menschenmenge, dann leuchteten sie Plötzlich auf, und schnell machte sie einige Schritte vor- wärts, der weiblichen Gestalt entgegen, die da durch die Menge sich Bahn brach und sie nun mit beiden Armen umfing. „Hcrzcnselli! Endlich habe ich Dich, sei willkommen, tausendmal willkommen! Verzeih nur, daß ich nicht gleich zur Stelle lvar, aber ich gerieth gerade in das ärgste Gedränge." Lachend griff sie nach ihrem Hut, der ihr von» Kopfe geglitten war, und setzte ihn wieder zurecht. „Heute ist es aber wirklich zu schlimm, »vo nur die Menschen alle Herkommen! Komm, hänge Dich an meinen Arm, ich lootse Dich schon durch Brandung und Klippen. ist nur eine kurze Strecke, draußen steht unser Wagen." Und sicher und gewandt, wie cs nur Großstädteriunci, sind, führte sie ihre Begleiterin durch die Menschenmenge, den» Ausgange der Halle zu. Sie überragte die Freundin fast üm Kopfeslänge; hoch und schlank aufgeschossen, mit noch etwas dürftigen Körpcrformen, hatte sie doch ein freundliches, ansprechendes Gesicht mit lachende», blauen Augen. Das rothblonde Haar kräuselte sich leicht um die hohe, weihe Stirn und legte sich in dichtem Knoten an den Nacken. Sie war keine ausgesprochene Schönheit, »vie ihre Begleiterin, nicht einmal hübsch konnte man sie nennen mit ihren unregelmäßigen Züge», aber cs lag ettvas unendlich Gutes in ihren» Gesicht, etwas, das auf den ersten Blick Vertrauen weckte. Sie hatten jetzt den Wagen erreicht, und der Diener stand daneben und öffnete eilfertig den Schlag. „Nun steige ein, Liebste, es ist nur eine kurze Strecke bis zu unserem Hanse, bald kannst Du Dich gründlich von aller Rciscmüdigkcit erholen. Wie ich mich freue, Schatz, o, »vie ich mich freue!" Und sic schmiegte sich, die Freundin umfangend, dicht an dieselbe und küßte sie. „Du bist so gut, Klara — ich danke Dir herzlich für Deinen freundlichen Empfang," erwiderte Minor leise und drückte die Hand des Mädchens. „Mich verlangte nach Dir — wir haben uns so lange nicht gesehen." „Nein, seit unserer Pcnsionszcit nicht", erwiderte die Andere lebhaft, „und das ist zwei Jahre her! Und »vie viel wir »ms nun zu erzählen haben. Ich weiß gar nicht, wo ich «»»fangen soll!" „Da sind »vir ja schon!" rief sie aus, als der Wagen nun vor einem mächtigen, hellcrlenchtcten Gebäude hielt. Es war die große, allbekannte Verlagsaiistalt der Gebrüder Braun.. Von dem Diener unterstützt, stiegen sie Beide aus, und Klara führte die Freundin durch eine weite, marmvrbclcgte Halle, an der zu beiden Seiten die Ge schäftsräume lagen, nach der breiten Treppe, die zu den Wohnränmcn im ersten Stock führte. Hier empfing sie Klaras Mutter, eine große, schlanke Frau, mit denselben gutmüthigcn, weichen Zügen, wie die der Tochter, welche überhaupt in jeder Linie das verjüngte Ebenbild der Mutter war. Auch sie hieß ihren jungen Gast aufs herzlichste willkommen. „Endlich haben wir sie, Mama," rief Klara fröhlich, „und nun lassen wir sie auch so bald nicht wieder fort, nicht wahr?" „Gewiß nicht!" tvar die freundliche Erwiderung; „wir wollen Alles aufbictcn, »m»unser»» lieben Gast möglichst lange hier zu fesseln, aber ich fürchte, wir haben da eine große Macht, die uns cmgcgcnwirkt; wenn ich mich nicht irre, ist Fräulein Ellinor Braut, und " Sie hielt plötzlich innc, das junge Mädchen war heftig zusammen gezuckt, und eine jähe Rothe flog über ihr bleiches Gesicht. „Nicht doch, Frau Braun," versetzte sie schnell, indem sie der freundlichen Dame um einige Schritte näher trat, „Sie sind imJrr- thuin. Ich — wir haben jene Verbindung gelöst —wir paßten nicht für einander." Die Worte fielen ihr langsam und schwer von den Lippen, und wieder jagte eine schnelle Röthe über ihr Gesicht. „Das »varrn die „Gründe", von denen ich ln meinem Briefe sprach, welche mir einen Ortswechsel, eine Reise nach hier so wünschenS»