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Sächsischer Landes-Anzeiger : 17.03.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189303173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18930317
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18930317
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-03
- Tag 1893-03-17
-
Monat
1893-03
-
Jahr
1893
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 17.03.1893
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Ausgabe: Wochentags Abend» (mit Datum des nächsten Tages). — Die Anzeige» finden ohne Preisausschlag »ualeich Ver breitung durch die Chemnitzer Eiseilbahn - Zeitung. — Nr. 63. — 13. Jahrgang. — I Verlags-Anstalt: Alexander Wiede, Chemnitz, Theaterstraße 5. 1 Freitag, 17. Mürz 18S3. Politische Rundschau. Chemnitz, den 16. März 1893. Deutsches Reich. — Fürst BiSmarck ist von seinem jüngsten Leiden gänzlich wieder hergestellt. Das ergiebt sich schon aus mehreren Artikeln in den „Hamb. Nachr.", in welchen er sich mit der Lage der Land- wirthschast und anderen Fragen sehr ausführlich beschäftigt. — Dev Herzogi«» Albrecht von Württemberg hat der Papst die goldene Rose (die sogenannte „Tugendrose") verliehen. — Das Gerücht von eitler Verlobung des 60jährigen Herzogs Nikolaus von Württemberg mit der Prinzessin Olga von Sachsen-Weimar scheint sich zu bestätigen. Der Herzog Nikolaus ist das letzte Mitglied der lutherischen Linie des Württembergischen Herrscherhauses, nach deren Aussterben die katholische Linie des Herzogs Philipp von Württemberg zum Thrort berufen sein würde. — Der Ges»t»«dheitszttsta»»d des schwerkranken Generalfeld marschall Grafen Blumenthal bessert sich langsam. Bei dem hohen Alter des berühmten Patienten ist nach wie vor die größte Vorsicht geboten. — Die „Freif. Ztg." schreibt: Der Reichskanzler hat am Dienstag Konferenzen mit Mitgliedern verschiedener Parteien abge halten. Uebereinstimmend wird berichtet, daß die Regierung nur in Nebendingen 'nachzugeben gewillt ist und daß der Reichskanzler selbst die weitgehendsten Anerbietungen des Abg. von Bennigsen für nicht genügend erklärt hat. Es gilt daher in parlamentarischen Kreisen als völlig feststehend, daß die am Donnerstag beginnende zweite Be- rathung der Militärkommission ebenso wie die erste Berathung völlig negativ verlaufen wird. — I»»» Reichstage erzählt man sich, daß der Abg. Ahlwardt den Reichskanzler und den preußischen Kriegsminister durch ein geschriebene Briefe benachrichtigt habe, daß er bei der dritten Be- cathung des Militäretats gegen sie auftreten werde. — 48,V0Ü Man»» Soldaten mehr. Der nationalliberale Vcrmittlungsvorschlag zur neuen Militärvorlage basirt, wie verlautet, darauf, daß die Rekrutenzahl um 48,000 Mann erhöht worden soll. — Et» Berliner Börse»»ma»över. An der Berliner Mittwochsbörse hatte das Gerücht, der Kaiser habe die Zurückziehung der Militärvorlage angeordnet, Spekulationseffekten um 2 Prozent steigen gemacht Die „N. A. Z." bemerkt hierzu: Hoffentlich wird es gelingen, den Biedermann festzustellen, welcher die Börse zu dieser eigenartigen Bekundung ihrer spezifischen Logik veranlaßt hat. Mit wie viel Prozent würde wohl feiner Zeit die Berliner Börse einen Minderwerth deutscher Wehrkraft zu büßen haben? — In» Reichsgesttttdheitsamt in Berlin wurde der erste Choleraknrsus beendet, an welchem 12 Aerzte aus allen Theilen des Deutsche» Reiches theilgenommen hatten. — Zn Gnnsten ei»»es Handelsvertrages mit Nutz land haben sich auch die Kaufmannschaft in Königsberg i. Pr. und die Handelskammer' in Frankfurt a./O. in einer Eingabe an den Reichskanzler ausgesprochen. — Die Ge»verveko«tt»ttisstott des Reichstages beschäftigte sich am Mittwoch mit dem Z 56 a der Zentrumsanträge, der die Kolonial- und Materialwaaren, die Manufakturwaaren, ferner Maaren die handwerksmäßig hergestellt werden, ausgenommen die vom Ver käufer selbst angefertigten Maaren, und endlich Putzwaaren und Luxus artikel vom Feilbieten im Uniherziehen ausschließen will. Der Para graph wurde schließlich abgelehnt. Zwillingsschwestern. Novelle von Claire von Glümer. v (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. „Das braucht Herrn von Stauffen doch nur erklärt zu werden," meinte der Freiherr. „Gewiß," fiel ihm seine Frau in's Wort; „aber da sich die Zwilliugsschwcstcrn frappant ähnlich sehen und für Heloise ein anderer Freier vorhanden ist, wird Isabelle nach Schevenin gen gehen. . ." „Ein Freier für Heloise?" rief der Freiherr. „Wer denn?" „Heinz Wartenbcrg." „Liebe Freda, den nimmt sie nichtl" Sie zuckte die Achseln. „Das wird sich finden," sagte sie; „ein Mädchen ohne Mit gift . . ." Plötzlich brach sie ab, denn die Thür wurde geöffnet, und die Zwillingsschwestern traten ein — zwei zum Verwechseln ähnliche, anmuthige Erscheinungen. Dieselbe hohe, schlanke Gestalt, dasselbe lichtblonde Lockenhaar, dieselben tiefblauen Angen, dieselben reinen feinen Züge. Sie sowohl, wie der Vater, warfen einen ängstlichen Blick auf die Uhr — sie kamen volle zehn Minuten zu spät; dann wünschten Beide kleinlaut „guten Morgen", setzten sich, wahrend ihnen der Vater schüchtern zunickte, an den Tisch, und Heloise ermannte f zu einer Entschuldigung. Sie hätten die kranken Kinder des Schäfers beaufsichtigt, während die Mutter in die Apotheke gelaufen wäre, sagte sie. „Schon gut!" antwortete die Freifrau, und ihr Ton war noch herber, als wenn sie mit dem Gatten sprach; dann fügte sie, zu Isabelle gewendet, in milderem Tone hinzu: „Eine Freudenbotschaft für Dich, Isabelle; meine Cousine, Gräfin Altorp, deren Tochter vergangenen Winter geheirathet hat, geht auf vier bis fünf Wochen nach Schcveningen; sie reift nicht gern allein und ladet Dich ein, sie zu begleiten." Erschreckt hatten sich die Schwestern angesehen. So lange sie denken konnten, waren sie nie auch nur vierundzwanzig Stunden ge trennt gewesen — dann blickten sie auf den Vater; aber dieser rührte emsig seinen Kaffee und hob die Augen nicht auf, während seine.Frau Isabelle ermahnte, sich des unverdienten Glückes Werth zu zeigen, das ihr durch die Einladung der liebenswürdigen, in den besten Kreisen übenden Frau zu Thcil geworden sei. ^ «Ich witrde viel, viel lieber hier bleiben," stammelte Isabelle: Heloise faßte ihre Hand. Ausland. Italien. Papst Leo XIII. hat am letzten Sonnabend die offizielle Mittheilung erhalten, daß der deutsche Kaiser im Vatikan mit der Kaiserin einen Besuch abstatten werde. Der Papst antwortete sofort in verbindlichster Form ebenfalls auf dem Drahlwege. Bei dieser Ge legenheit mag darauf hingewiesen sei», daß noch keine deutsche Kaiserin den Vatikan betreten hat. Die Kaiserin Angusta Viktoria wird also die erste sein. Daß Protestantische Fürstinnen dem Papste Besuche abgestattet haben, ist hingegen gerade nichts Seltenes. — Slus ver schiedenen overitKlienischen ertschafteu wird gemeldet, daß dort mehrere Arbeiter aiz der Cholera erkrankten und starben. Frankreich. Der an» Sonntag z»rückgetrett»»e Jttstkzmittister Bourgeois, der sich als Privatmann gegen die wider ihn erhobenen Anschuldigungen vcrtheidigt hat, hat sich jetzt auf dringendes Ersuchen des Ministerpräsidenten Nibot bereit erllärt, sein Amt wieder zu übernehmen. Er kann das, weil die Kammer den Unschuldsversichernngen des Ministeriums Glauben geschenkt hat. giebt aber noch viele Leute, die diesen Versicherungen nicht trauen, und ans die große Masse Dieser wird die Wiederübernahme der Leitung der Justiz durch Herrn Bourgeois keinen brillanten Eindruö machen. Im Panamaprozcß, wo am Dienstag die Plaidoyers be gonnen haben, erwartet man noch Ende dieser Woche den Urtheilsspruch Belgien. Bombenfnnde. Einige Pariser Geheimpolizisten, welche sich auf der Anarchistenjagd in Brüssel befanden, verhafteten dort mehrere aus Neu-Kaledo»ieii entwichene Verbrecher. In ihren Wohnungen entdeckte man zwei Höllenmaschinen und Waffen. Auch dem Urheber des letzten großen Dynamit-Attentates im Pariser Re staurant Vory, einem Anarchisten Mcitthieu, glaubt man in Brüssel auf der Spur zu sein. Spanten, Ans verschiedene«» spanischen Provinzen werden erneute republikanische Kundgebungen gemeldet. Eine Anzahl von Verhaftungen sind vorgenommen worden. — Die Negiernng der Vereinigten Staaten von Nordamerika forderte energisch die spanische Regierung, auf, die ausgewiesenen protestantischen Missionen auf die Karolineninseln zurückkchren zu lassen, oder dieselben reichlich für die durch die spanischen Truppen im Jahre 1890 erlittenen Be- nachtheilnngeli schadlos zu halten. Bon spanischer Seite wurden damals die Missionäre zum Verlassen der Inseln gezwungen, ohne daß etwas vorlag, womit diese Maßregel begründet werden konnte. Großbritannien. Slns dev protestantischen Provinz Ulster in Irland, deren Bewohner von s^den Selbst ständigkeitsgelüsten in de» übrigen irischen Provinzen nichts wissen wollen, kommt die sensationelle Meldung, die Leute von Ulster wollten sich bewaffnen, um gewaltsam die Einführung des Homerule zu ver hindern. Darin steckt nun sicher eine ganz tüchtige Portion Uebcr- treibung. — Mit den kriegerischen Stämmen an den indischen Grenzen haben die Engländer andauernd ihre liebe Noth. Die auf ständischen Eingeborenen in Gilzit haben die britische Stellung in Chilas angegriffen, sind aber mit einem Verlust von etwa 200 Todten geschlagen worden. Die Engländer haben 19 Mann und 3 ein geborene Offiziere verloren und außerdem 24 Verwundete gehabt. Rußland. Die neuesten offizielle» Berichte überde» Stand der Cholera, die doch gewiß nicht an Uebertreibungen leiden, müssen konstatiren, daß die Epidemie hier und da noch recht heftig auftritt, theilweise sogar noch weitere Verbreitung gewinnt. Es muß aber zugestanden werden, daß man nachgerade es etwas bester gelernt hat, die Cholera zu bekämpfen. A»»» erika. Die Generaldlrektionen der 32 in Chicago einmündenden Eisenbahnen haben beschlossen, beim Ausbruch von etwaigen Bahnarbeiterstreiks im gegenwärtigen Ausstellungsjahre ge- meinsam vorzugehcn. Deutscher Reichstag. 67. Sitzung vom 15. Mörz 1883. IV- Uhr- Am BnndeSrcUhSliiche: Gras Caprivi, von Bötticher, von Maltzahn, von Kallcnborn-Stncha», von Marschall. DaS HauS ist zeitneis« äst leer. " ' Die zweite Bcraihnng deS NeichShanSlMeS wird fortgesetzt beim Eia» dcS Reichsschatzamles. Abg. Gras Mirbach (koni.'st Der Abgeordnete Viising hat gestern di« Behauptung ansgeiprochen, eine Acndernng der Währung würde von uns nur zu de», Zweck erstrebt, nm der Verschuldung des GrvßgrnndbefitzeS abznhrlsen. Diese AnSsührnngen sind in keiner Weise zntressend, und ich muß mich dagegen ganz entschiede» verwahre». Eine Acndernng unserer Währung liegt im In teresse nnserer gcsammten nationalen Arbeit- Der Abg. Vambcrgcr hat keine» Anlaß gehabt, sich durch meine gestrige» Darlegungen verletzt z» suhle», ich habe in keiner Weise behauptet, daß ein VollSstamm schlechter sei, als der andere- Abg. Brömel (sreis) konstatirt, daß der Abg. Bambergcr wegen seine» Augenleidens heute einen Arzt konsnllirc und deshalb nicht im Hanse an wesend sei» könne. Abg. Büsing (»atlib.) führt ans, Gras Mirbach habe neulich selbst ge äußert: „wer nicht bei der Landschaft ist, den schätze ich nicht; bei der Land schaft aber sind hauptsächlich Großgrundbesitzer. Abg. Gras Mirbach (kons.) bestreitet da). Gerade der bänerlichs Be sitz suche heute i» erhöhtem Maße Kredit bei der Landschaft. Der Etat des Reichsschatzamles wird hierauf angenommen. Beim Etat des Bankwesens beklagt Abg. Gras Mirbach (kons.), daß seiner Zeit der konservative Antrag ans llcbersühriing der Reichsbank in den NeichSbesitz nicht angenommen worden sei. Binnen zwei Jahren sind hier durch dem Reiche 8Vs Millionen Mark entgangen. Der Etat der Reichsbank wird hieraus ohne weitere Debatte ange nommen. Beim Etat sür Vervollständigung deS deutschen Eisenbahnnetzes im In teresse der Landesverlhcidignng liegt eine Resolution der Abgg. Sander und Hng (Zlr.) vor, wonach sür einzelstaatliche Bahnen im Verkehrs- oder LandeSvertheidigungs-Jnteresse des Reiches dieses letztere nicht nur Ban-Znschüsse, sondern eventuell (bei Betriebs-Defizits) auch Be triebs-Zuschüsse leiste» soll. Abg. Sander (Ztr.) weift zur Begründung dieses Antrages daraus HI», daß iu Baden verschiedene, lediglich im strategische» Interesse gebaute Bahne» große Zuschüsse a»S der badische» Staatskasse ersordcrtcn. Wenn a»S vatriolische» Rücksichten Bahnen gebaut werden müssen, so darf nicht ein kleiner Einzelstaat allein die Kosten tragen und- auch die BetriebSznschüsse olllen demgemäß rcporlirt werden. Staatssekretär von Maltzahn erwidert, daß schon vor 1887, seit welcher Zeit daS Reich bei Bahnkante» Subventionen leistet, zahlreiche leliglich strategische Bahnen von Einzelstaaten gebaut worden sind, namentlich von Preuße», und da habe die preußische Staatskasse ganz allein die Kosten getragen- Erst seit dein Jahre 1S87 befielen, wie gesagt, Verträge, ans Grund deren das Re ch bestimmte Zuschüsse zu de» Baukosten leistet. Hätte das Reich noch die Verpflichtung, Bctriebözn- chüsse zu gewähren, übernommen, so wäre eS auch in höherem Maße be rechtigt gewesen, ans die Tracirnug Einfluß zu nehmen, »nd cS hätte nicht ans lokale Wünsche Rücksicht genommen werden könne». Auch würde das Reich bei Zahlung von BetriebSznschüssen Anthcil an der BctricbSkontrolle beanspruchen müsse». Die Verträge, welche in dieser Beziehung mit Baden abgeschlossen wurden, sind von der Negiernng in Karlsruhe wvhlj erwogen „Wenn es Dir zu schwer wird, will ich gehen," flüsterte sie der Schwester zu, aber so leise sie gesprochen halte, den scharfen Ohren der Freifrau war cs nicht entgangen. „Unsinn!" sagte sie; „Isabelle ist cmgcladen und wird gehen . . . Keine Sentimentalitäten, wenn ich bitten darf!" fügte sie hinzu, als sie sah, daß sich die Augen der Schwestern mit Thränen füllten. „In wenigen Wochen seht Ihr Euch wieder, und überdies ist cs endlich Zeit, Euch daran zu gewöhnen, nicht nur Eurem Vergnügen zu leben, sondern auch Pflichten zu erfüllen." II. Damit war die Sache abgemacht. Wenn seine Freda in diesem Tone sprach, erlaubte sich Herr von Linden keinen Einwand, und jsie selbst war — wenn cs sich um ihre eigenen Entschlüsse handelte — so fest von der Wahrheit des französischen Sprichwortes „Frauen Wille — Gottes Wille" überzeugt, daß sie sich niemals durch Bitten oder Vorstellungen umftimmen ließ. In .diesem Bewußtsein war ihr Selbstgefühl mächtig erstarkt der Erfolg hatte ihr recht gegeben; ihr Weg, ihre Anschauungen waren die einzig richtigen; wenn ihre Stieftöchter das nicht einsahen, blieb nichts anderes übrig, als sie zu dem zu zwingen, was ihnen gut war. Isabelle, die mit dem Acußern der Mutier des Vaters weiches, leicht bestimmbares Wesen verband, hätte sich wahrscheinlich, wie er, unter das Joch der herrschgcwaltigen Frau gebeugt, wäre sie nich noch mehr von Heloise beeinflußt gewesen. Diese, ganz ihrer Mutter Tind, ebenso leidenschaftlich und beharrlich in Liebe wie in Abneigung satte bei dem ersten Blick, den ihre fragenden Kinderangcn in die alten, klugen Augen der neuen Mutter gethan, ein instinktives Wider treben gegen sie gefühlt, das mit den Jahren immer stärker wurde und sie unablässig zur Opposition trieb. Als Freda den Kindern die jeliebten Märchenbücher nahm, erzählte Heloise der Schwester stunden lang, was sie daraus behalten hatte, und wenn später Isabelle in Gefahr kam, sich durch die kühlen, nüchternen Anschauungen der Mutter in ihren Impulsen beirren zu lassen, vcrtheidigte Heloise die Rechte des Herzens mit vollster Begeisterung. Auch gegen die äußerliche, puritanisch strenge Gestaltung ihres Lebens lehnte sie sich auf, verletzte die heiligen Gesetze der Haus ordnung, um einen Sonnenuntergang zu bewundern, ein weinendes Kind zu trösten, ließ sich durch Mond und Sterne in den Garten locken und zog die Schwester mit, wenn sie zu Bett gehen sollten, oder las ihr bis tief in die Nacht aus den Büchern der verstorbenen Mutter vor, die sie in einer Rumpelkammer gefunden hätte — LenauS und Chamissos Gedichte, den „Letzten Ritter" von AnastafinS Grün, Zedlitz „Todteukränze", Nückerts „Licbesfrühliug". — In die kühlen Zimmer, auf den ärmlich servierten Tisch stellte sie Blumensträuße, gab dem eigenen Stübchen durch altes Geräth, das sie aus der Verbannung hervorgcholt, und durch zierliche Handarbeiten ein trauliches Ansehen und wußte ihren und der Schwester guäkcrhast einfachen Anzug durch eine Blume, eine Schleife zu heben. „Ein eitles, oberflächliches Ge schöpf ohne Ernst und Pflichtgefühl," lautete das Urtheil der Stief mutter über sie, und es schien derselben nothwendig, den Neigungen des jungen Mädchens so viel wie möglich entgegenzutreten. Heloisens Lerneifer wurde getadelt, was sie interessirte oder er wärmte, wurde bespöttelt, ihre Urtheile und Anschauungen wurden indisch oder überspannt gefunden. Wenn sie nach Lust uud Be wegung verlangte, gab es Plötzlich im Hause oder au der Nähmaschine etwas zu thnn; wollte sie lesen, so war im Dorfe etwas zu bestellen; wünschte sie den alten Pfarrer, ihren ehemaligen Lehrer, zu besuchen, o mußte sie statt dessen einen nothwendigen Besuch in der Nachbar- chaft machen — ihr Zusammenleben mit der Stiefmutter war ein ieständiger stiller Kampf, in dem sie von Tag zu Tag, äußerlich wenigstens, besiegt wurde. Lange hatte Freda versucht, die Trennung der Zwillingeschwestcrn herbeiznführen — es war ihr bisher nicht gelungen. Vergebens hatte sie in den ersten Jahren ihrer Ehe Isabelle an sich zu ziehen oder Heloise durch ungerechte Begünstigung der Schwester gegen diese zu verstimmen gesucht — ihre Zärtlichkeit sür einander blieb immer die selbe. Und als die Freifrau unter dem Vorwände, daß der zarteren Isabelle die Landlnft unentbehrlich sei, Heloise allein nach Hannover in Pension geschickt hatte, war die arme kleine Jsa so krank geworden, daß ihre geliebte Ist sofort zurückkommen mußte. Seitdem waren Jahre vergangen; auch Isabelle hatte sich in voller Jugcndkraft entwickelt; für ihre Gesundheit war, wie die Freifrau spöttisch versicherte, von etwas Hcrzwch nichts mehr zn fürchten, und da es leider nicht anging, daß sich die Töchter der protestantischen Lindenburg mit einander in's Kloster sperrten, und ebensowenig die nöthigen Mittel vorhanden waren, sie für die be- neidenswerthe Position von Erbtanten ansznrüsten, so blieb nichts Anderes übrig, yls sich in das unvermeidliche Scheiden zu fügen. Seufzend gab ihr der Freiherr Recht und war den Töchtern von Herzen dankbar, daß sie ihm nicht mit fruchtlosen Klagen und Bitten beschwerlich fielen. — Sie wußten nur zu gut, daß sie nichts damit erreichen würden, und sprachen sich gegenseitig Muth ein, während Heloisens geschickte Hände mit Nähnadel und Nähmaschine eifrig be müht waren, Isabellen- Reiseausstattung zu vervollständigen. (Fortsetzung folgt.)
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