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Sächsischer Landes-Anzeiger : 30.12.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189212307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18921230
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18921230
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-12
- Tag 1892-12-30
-
Monat
1892-12
-
Jahr
1892
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 30.12.1892
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ßg den Chor: «Selig sind, hie in dem Herrn sterben" an- Unter dem BeMngen der letzten Akkorde ergriff Herr Pastms vr. Sülze das Wort zu einer eingehenden Gcdächtnißrede. Er hob Ke Verdienste des Heimgegangenen hervor und gab ein kurzes, Bild seines hervorragenden Wirkens und Schaffens, das den Verstorbenen nicht nur zu einem der größten Meister der Orgel «Hoben, sondem auch zu einer bahnbrechende» schöpferischen Thätig Kit auf dem Gebiete der kompositorischen Kunst, in der er be sonders bedeutungsvoll wurde durch die genial bewirkte Verschmelzung der Orgel mit den orchestralen Effekten, die er, wie vor ihm kein Anderer, zu e nheitlicher Wirkung zu verschmelzen wußte. Diese und andere Verdienste mußten aber lim so größer und bewundernLwerthcr erscheinen im Hinblick auf die ungezählten Kämpfe des Verstorbenen, der, aus schlichter, armer Familie» in Ebersdorf bei Chemnitz ent stammend, sich selbst den Weg zum höchsten Ziel durch Noth und Sorge, durch Armuth und Elend gebahnt, und Alles, was er errungen, durch eigene Kraft erworben hatte. Nun, wo er in Frieden die Früchte eines sorgenvollen Kampfes hätte genießen können, mußte er plötzlich im Lichte^ und in der Freude des Weichnachtsfestes scheiden! Tief er griffen von solchem Schicksal geleiteten die Leidtragenden den Meister Mm.offenen Grabe unter den Klängen des Chopin'schen Trauer- rstheS, welchen die Kapelle des Leibgrenadier-Rcgiments Nr. 100 unter sikdirektor Hermann intonirte. Am Grabe sprach nochmals Herr . ör vr. Sülze, um dann das Wort Herrn Cantor Fährmann zu einem letzten Nachrufe zu geben. Die ernste und erschütternde Feier tönte endlich in einem Chorgesange des DreikönigSkirchenchors auS. Mt dem zahlreichen Blumenschmuck, der sich um die letzte Ruhestätte des Heimgegangenen ausbrcitete, ist auch mancher poetische Nachruf laut geworden, und einer der herzlichsten von diesen möge hier seinen Platz finden als Ausdruck der wahren und tiefen Ver ehrung, die in den Herze» seiner Schüler und Verehrer lange noch svrtleben wird: «Nun ruhst Du still! — DI« Hände sind erkalte!, Die Füße starr, die oft gleich laustem Same» Und oft gleich stnrmgewalt'gem Wclterbrause» Ter Orgel königliche Macht entfaltet. Wie Du als Priester Deiner Kunst gewaltet. Ein echter Freund de» Freunden und Genossen, Stets ohne Falsch, stets schlicht und unverdrossen! So bleibt für immerdar Dein Bild gestaltet- Und sind die treuen Augen auch geschlossen, Und muß man Deinen Leib dem Staube geben: Im Reich der Kunst, da wirst Du ewig leben! Nu» lassest Du mit alle» Engelchören Ein neues, ew'grS Hallelnjah höre» Jui HimmelSdom, vom HimmelSglanz umflossen.* Bon dev Arbeiter-Kolonie Schneckengrün. Der erschienene sechste «Bericht des Vereins für Arbeiterkolonien lm Königreich Sachsen über die Zeit vom 1. Januar bis 31. De zember 1891" spricht von sehr unerfreulichen und traurigen Erfahr ungen, welche man bei denjenigen Kolonisten in Schneckengrün gemacht hat, die schon mit Zuchthaus bestraft waren. Die meisten derselben widersctztcn sich den ordnungsmäßigen Verhältnissen der Kolonie in einer Weife, daß ihre Entlassung, bei vielen sogar ihre Verweisung geschehen mußte. In erster Linie legen diese Leute eine große Trägheit an den Tag, und zweitens empörten sie sich mit einer ungemeinen Frechheit gegen jede Ermahnung zu geordneter Thätig- kit. „Da gehen wir lieber wieder in's Zuchthaus, da Wben wir'S besser!" und dergl. andere Ausdrücke bilden die einzige Rechtfertigung ihres Benehmens. Den Beweis für diese gewiß beklagcnswerthen Zustände liefern Schriftstücke, welche sich unter dem Aktenmaterial des Vorstandes befinden. Die Erfolge, welche die Kolonie in der Landwirthschast und Viehzucht erzielte, werden als sehr gute bezeichnet. Daß im Berichtsjahr in keiner Weise um Ueberlaffung von Kolonisten zum Zwecke der Ernte einbringung seitens der Landwirthe der Gegend nachgcsucht worden ist» dürfte seinen Grund darin finden, daß die von Ende August an zwei Monate anhaltende schöne und wanne Witterung zum Ernten reichlich Zeit bot, und daß ferner um des schlechten Geschäftsganges in der Industrie willen den Landwirthe» ausnahmsweise reichlich Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Unter den im Berichtsjahr aufgcnommenen 304 Kolonisten waren nur 51 noch unbestraft, eben falls nur 51 vcrheirathct; Handwerker waren darunter 176, also die große Mehrzahl, während Arbeiter (Handarbeiter, Fabrik- und land- wirthschaftliche Arbeiter) 76 gezählt wurden. Die übrigen waren Bergleute, Kopisten (15), Gärtner, Kellner rc. Die meisten, nämlich 175, standen im Alter von 30 bis zu 50 Jahren; über 60 Jahre waren nur 5. Die Kosten für den Vcrpslcgungstag eines Kolonisten berechnen sich in allem auf 71'/g Pfg- —e. Im Dienste vernn-lkckt. Gestern Vormittag stürzte ein Feuerwehrmann auf dem NebungSplatze in Folge AushakenS vom 3. Stockwerk des Steigerhauses herab und brach den linken Unter schenkel. Dein Verletzten wurde ein Nothverbaud angelegt, worauf er nach dem Stadtkrankenhause gebracht wurde. — Im Hinblick auf den vorstehenden Fall und auf die in letzter Zeit in verschiedenen Städten vorgekommenen, zur allgemeinen Kenntniß gelangten Un glücksfälle, welche Feuerwehrleute in der Ausübung ihrer Pflichten betroffen haben, dürfte eine Regelung der PenstonSverhältniffe unserer hiesigen BcrnfSfeuerwehrlcute zur zwingenden Nothwendigkeit werden. Der vor kurzer Zeit von den Stadtverordneten gebilligte Rathsbcschluß, die Mannschaften der Berussfeuerwchr in der 4. Klasse der Alters und Invaliditäts-Kasse zu versichern, kann bei den, außerordentlich gefahrvollen Berufe der Feuerwehrleute nur ein Nothbehelf sein. Unsere städtischen Behörden, die trotz der jetzigen wirthschaftlich wenig günstigen Zeitlage einer großen Zahl der städtischen Angestellten eine wohlverdiente Gehaltsaufbesserung gewährten, dürften sich sicherlich nicht der Nothwendigkeit verschließen können, auch für die Feuerwehr leute, die dein allgemeinen Wohle — mehr wie alle anderen oft mit Gefahr für Gesundheit und Leben — dienen müssen, bei eintretender Dienstuntaugliche in ähnlicher Weise Sorge zu tragen, wie dies ja z. B. bei der Schutzmannschaft schon jetzt geschieht. —* Prügelei. Am 25. d. M. Abends in der zehnten Stunde prügelten sich einige junge Männer ans dem Neustädter Markt. Hierbei erhielt Einer derselben einen Faustschlag ins Gesicht, so daß er stark blutete. Derselbe begab sich in eine in der Nähe gelegene Schankwirthschast, wo er verbunden wurde. —* Jugendliche Diebin. Bor einigen Tagen wurde einem sechsjährigen Mädchen, welches von seiner Mutter in einen Laden geschickt worden war, ans der Augustusburgerstraße das Geld, welches das Kind dem Kaufmann bringen sollte, von einem circa l4jährigen Schulmädchen aus der Hand gerissen. Die Diebin ergriff dann die Flucht. —* Schwindlerin. Bor einiger Zeit hatte sich bei einer in der Annabergervorstadt wohnhaften Frau eine junge Frauensperson eingcmicthet, unter dem Vorgeben, sie sei in einer hiesigen Waschanstalt beschäftigt. Andern Tags verließ die Unbekannte die Wohnung, ohne wiedcrzukchren, und cs stellte sich dann heraus, daß sie ihrer Logis- wirthin ein Zehnmarkstück gestohlen hatte. —* In der Trunkenheit. Gestern Nachmittag wurde auf der Zwickauerstraße ein Gcschirrführcr festgeuommen, weil derselbe so stark betrunken war, daß er völlig unfähig war, sein Geschirr noch zu leiten. —* Festgenomntttt wurde heute früh in einer hiesigen Her berge ein vom Amtsanwalt zu Neustadt wegen Sachbeschädigung steck brieflich verfolgter Bäckergeselle; weiter gestern Vormittag ein von der hiesigen Staatsanwaltschaft gesuchter Arbeiter und ein vom Amts gericht Glauchau wegen Betrugs steckbrieflich verfolgter Handarbeiter, der Letztere fiihrte falsche Papiere bei sich. Chemnitzer Stadt-Anzeiger. Dl« flnuntk »»striS vlattrS wcrdr» erpicht. u»S wlchlizr vcgcbcuktt«! alttlg» mNjnIbrNrn. Chemnitz, den 29. Dezember. — Der Personenverkehr ans den« hiesigen Haupt bahtth ose anläßlich des Weih nach tsfestcs, welcher infolge des Be ginns der Ferien und der Soldatcn Bcurlanbungen bereits am 22. und 23. Dezember sehr lebhaft gewesen war, stellte sich am heiligen Abende, den 24. d. M., auf zusammen 34,700 Personen, von welchen 18,260 hier ankamen und 16,440 von hier abreisten. Am ersten Feiertage fiel derselbe auf 12,020 in der Ankunft und 11,170 in der Abfahrt oder zusammen 23,190 Personen, um den zweiten Feiertage naturgemäß noch weiter zu finken, indem an diesem Tage nur 10,710 Personen hier ankamen und 10,800 von hier abfuhren, was einen Gesammtverkchr von nur 21,510 Personen crgiebt. Am dritten Feiertage stieg derselbe wieder auf 28,720 Personen, von welchen 14,850 auf die Ankunft und 13,870 auf die Abfahrt entfielen. Am heiligen Abende verkehrten 146, am ersten Feiertage 126, am zweiten 127 und am dritten 143 Züge. Verkauft wurden auf dem Haupt bahnhofe 1126 Militär-, 8000 einfache und 12,917 Rückfahrkarten im Ganzen also 22,143 Stück, in Nicolai-Vorstadt wurden 3249 Fahrkarten ausgcgeben. — Zahlungs - Eittstell»««g. Uebcr das Vermögen der Schnitt- und Wollwaarcnhändlerin Auguste Antonie verehelichte Beschütz in Chemnitz (äußere Klosterstraße 3) ist unter dem 27. Dezember, Vormittags 11^ Uhr, das Konkursverfahren eröffnet worden. Zum Konknrsvcrwaltcr wurde der Kaufmann Herr Otto Hösel hiersclbst, Annabcrgerstraße 40, ernannt. — Ergebnis; der BichzShlnng in Chemnitz. Bei der am 1. Dezember d. I. vorgcnominencn Viehzählung zur Ermittelung des Viehstandcs im ganzen Dcntschcn Reiche wurden in unserer Stadt 1917 Pferde, 1 Esel, 412 Rinder, 142 Schafe, 1095 Schweine, 193 Ziegen, 9427 Hühner, 588 Gänse, 320 Enten, 60 Truthühner und 69 Bienenstöcke gezählt. — Stadithtoter. Nächsten Montag, de» 3. Januar, wird ein Gastspiel der Königl. Sächs. Hofschauspielerin Fräulein Pauline Ulrich statlfindcn. Die gefeierte Künstlerin wird an diesem Abend Stadttheater. Mittwoch, de» 28. Dezember: „Barfüßige Fräulein", Lustspiel in vier Aufzüge» von Julius Rose». Achte Neuheit! — Nächste» vierten Januar wird cS ein Jahr sei», daß der talentvolle lind frntnbare Lustsvieldichler Julius Rosen ans dem Leven geschieden ist. Viele seiner Stücke waren seiner Zeit sogenannte Neper- toirstücke, die dem dcntschen Publikum manche vergnügte Stunde bereite! habe», z. B. „Garibaldi", „Kanonenfnllcr", „Des Nächste» HauSfran", chenwahn", vor Allem aber der köstliche Schwank „O diese Männert" Sein Lustspiel«Vermächtnis; „Barfüßige Fräulein" zählt zu den bessere» Erzeugnissen seiner ergiebigen Muse, wenn es seiner Handlung nach auch nichts NcneS bringt. ES ist jedenfalls ei» braves, durchaus anständiges nndi dabei sehr rint erhaltendes Stück, halb im Tone dcS selige» Benedix, halb in dem des noch lebende» Adolf L'Arronge geschrieben. Die „Bar- üßigkeit" hat allerdings mit dem Inhalt verzweifelt wenig zn thu», nnd der öndcrbare, verumthtich ans Zugkrästigkeit berechnete Titel ist nur durch einige vorübergehende unzarte Scherze gerechtfertigt. Besser hieße das Lustspiel die „Mcrwclistante", den» es ist wirklich eine von de» logenannte» Tauten- Komödien, worin ein altes Familie»i»vc»tar, ein herzensgutes »nd ge legentlich wohlthuend grobes Fräulein in höheren Lcbenssemestcm, die Lösung der urannigsach verwickelte» Handln»» übernimmt nnd sehr prompt durchführt I» dieser Hinsicht ist Rasens „Tante", das adelige Stists- fräulei» von Bärenklau, dem Bcnedrx'schcn „Vetter" »och weit über. Mit der Wahrheit der vorgesührtcn Charaktere und ihrer HaudlringSweise darf »ran eS freilich nicht so genau nehmen: aber das Stück fesselt und intcressirt, rührt und ergötzt von Anfang bis zn Ende; zuweilen erweckt es sogar eine köstliche poetische Stimmung, nnd wenn auch die Lösung am Ende des dritte» Anszilges schon klar vor »ns liegt, so weiß der unterhaltende Dichter doch de» letzten Akt noch mit allerlei freundliche» »nd wirksamen Epilodenscherzen auS- znsülleu, und in behaglicher, zufriedener Stimmung verlassen die Zuschauer schließlich das Hans. Daran ist aber auch die treffliche, von Herr» Ulrichs flott geleitete Wiedergabe schuld. Im Mittelpunkt der Handlnng steht, wie gesagt, die alte Stislsdame, die von Frl. Bach mit sehr gutem Verständuiß »nd mit er quicklicher Lärme gespielt wurde. Dieses Spiel offenbarte in jedem Zug an- »nrthige Würde und warme, frische Lebcnswahrheit und ries allgemeine Auer keininng hervor. Nun folgt aber gleich das junge Pärchen Wilhelm Schnelle und Margarethe von Planen, mit nnwidcrstehtichcr Drollerie und herzlicher Natürlichkeit dargcstcllt von Herr» Ulrichs nnd Frl. Kosska. Nur der geschmacklose Ballansputz der letzteren im drille» Aufzug ist ihr nicht zu verzeihe». Wenn das mnnlerc Gleichen auch nicht »ach adeligen Grund sätze» »nd in aristokratischer Vornehmheit erzogen ist: so viel Takt und Geschmack hat das Mädel doch, daß es sich nicht als Vogelscheuche heransputzt. Frl. Woytasch gab die inigüicklickic Helene mit vornehmer Anmulh und tras trotz ihres allzu stillvolle» Spieles den Ton der Rede meist sehr gut »nd hcrzbcwcglich; Herr Maximilian aber, ihr Gegenspieler, war wieder zu trocken nnd hölzern. Der Freiherr von Bärenklau hat ja allerdings bei den Wilde» Indiens de» Umgang mit Damen verlernt, aber deshalb dürfen sich Neigung »nd Leidenschaft bei ihm doch nicht so hartnäckig hinter einem ungelenke» Aeußern und hinter einer schwnng- und markloseu Rede verbergen. Nnr einmal thante dieser sonderbare Liebhaber etwas ans, uni bald wieder i» die anspruchslose Alltäglichkeit zu versinken. I» die Kreise der salonsühige» Gesellschaft paßte die Ella des Frl. Basis ebenso wenig, als die Baronin Bolzhausen der Frau Lissä. Dagegen fügten sich Figuren, wie der Bankier von Mühlcnan des Herrn Walther, der alte Hans Grube dcS Herrn Stemnilcr, die neugierige und redselige Frau Werner der Fra» Voigt ganz trefflich In de» Nahmen des Ganzen. — Daß schließlich solche alberne »nd groteske Gigcrlgcstaltc», wie der Gras Ebcnthal des Herrn Knrtscholz, dutzendweise zum Gespött anständiger und vcrnünstiger Menschen das Pflaster niiscrcr Hauptstädte treten, ist leider wahr; aber sehr unwahrscheinlich dürfte cS sei», daß sich eine Helene von Planen In ein so geschmackloses Mcnschcngestelle jemals verliebt hat. Etwas nichrgmußle hier der Darsteller den möglichen Verhältnisse» Rechnung tragen- L. 17. Strafkammer-Vechandlttnget» — Chemnltz. 28. 12. Doch noch erwischt. Die bereits einmal bestrafte, 18 Jahre alte Schneiderin Emma Louise Gntjahr ons Porbitz in Preußen stand ini Sommer v. I. bei dem Bäcker T. i» Thalhcinr als Di'cnstmädchen i» Stellung. Während dieser Zeit und zwar in der Nacht vom 29. znnr 30, Juni v. I. wurde ihrem Dienstherrn von einer offenbar mit den Näinnlich- keiten gut vertrante» Person aus einer in der Schlafkauimcr stehenden ver schlossenen Kommode der Betrag von etwa lüOO Mk. entwendet, ohne daß ina» damals die Gntjahr dieses Diebstahls überführen konnte. Da sic sich aber neuerdings durch verschiedene größere GcldanSgaben verdächtig gemacht hatte, so wurde jetzt, nach länger als Jahresfrist, die bereits eingestellte Unter, sirchrnig In dieser Angelegenheit wieder ausgenommen. Trotz ihres harliiäckigen LeuguenS waren die In der Verhandlung durch die Abhörung einer größere» Anzahl Zeugen erbrachten BetoliSmomente so erdrückend, daß der Gerichtshof nicht im Zweifel darüber sei» konnte, daß der freche Gclddicbstahl »nr von der Gntjahr anSgesüjhr« worden sein konnte, wofür dieselbe zn W-lhnachtsglüik. In Hernals, einem Vororte Wiens, wo in einem Gewirr vom tobten Gassen und Gäßchen nur die Aermsten wohnen, haust eine Familie in einer Kammer, die sammt der dazugehörigen Küche wie ein langer, schmaler Gang gebaut ist. Wenn man die GlaSthür der Kammer, die seil Erbauung des Hauses nicht mehr geweißt worden ist, aufmacht, so stößt dieselbe an's untere Ende des Bettes — der etwa Eintretende kann aber nur einen Schritt vorwärts machen, denn rechts steht ein kleiner eiserner Ofen und daneben zwei übereinander gestellte Stühle. Zwischen dem Bett und der gegenüberliegenden Wand liegt ein Strohsack auf dem Boden, auf dem zwei Mädchen liegen, ein vierzehnjähriges, so bleich wie Wachs, und ein etwas jüngeres, das iin Schlafe lächelt. Im Bette liege» ein kleiner Knabe von vier Jahren und ein Wickelkind — der mittlere Raum ist leer, denn die Mutter ist noch auf und arbeitet bei der Lampe. Gegen das Fenster steht ein Tisch und unter diesem ein kleiner Waschtrog, in dem sich auf einem dünnen Polster ein schönes Kind von sieben Jahren in gekrümmter Stellung, aber sanft schlummernd befindet. Die Kammer ist kalt und voll Modergeruch, denn sie liegt direkt über dem Keller. Etwas Menschenijnwürdigerc», als diese Wohnung sammt ihrem Hausrath, der nur da ist, weil kein Mensch einen Kreuzer dafür gegeben hätte, läßt sich nicht aus denken. Ein größerer vollständig leerer Raum würde weit weniger niederdrückend wirken, als diese mit Menschen und Lumpen vollge stopfte Kammer. Und doch sind die Kinder, die darin schlafen, mit seligen Weihnachtsgedanken eingcschlummert, und die Frau, die beim trüben Lampenschein die Nacht hindurch arbeitet, weint Freuden- thränen auf die Leinwand der Kommißwäsche, die ihr so flink von der Hand geht. Noch vor acht Tagen saß sie in der eiskalten Kammer, bei den Kindern, die vor Erschöpfung eingeschlafen waren, die Hände ini Schoß, denn sie hatte kein Geld, um nur Zwirn zur Arbeit zu kaufen, die vor ihr lag, und zählte die Stunden, die vom Kirch- thurme schlugen, denn nur noch vierundzwanzig Stunden trennten sie vom Augenblick, wo sie wegen eines kleinen Zinsrückstandes mit fünf Kindern auf die Straße gesetzt werden sollte. Sie versuchte ihre Ge danken zu lenke», sie rechnete, daß die „Große" vier Gulden im Monat verdient, indem sie bei einem gutherzigen Nachbar aushelfen darf, daß die Wärmestube für sie und den Kleinen da ist, aber sie kan» sich nicht davon abhalten, daß sie sich immer wieder im Geiste auf einer Brücke sieht — daß sie den Kleinen an's Herz drückt und ihn hinunterwirft und sich selbst dann mit dem Säugling nachstürzt. Den andern Drei helfe Gott! Was hat sic ausgcstandeii, seit ihr Mann brustkrank geworden ist — sic kann nicht sagen, ob sein Tod oder die kurz darauf erfolgte Geburt des letzten Kindes das traurigere Ereigniß war. Mit dein fünf Stunden alten Säuglinge an die Brust gebun den, hat sie genäht und gerechnet, wie die Kreuzer am sparsamste» verwendet werden. Ihr Haar hat sie abgcschnitten nnd Alles, waS sie am Leibe hatte, wcggcgeben, um den Kindern Brot zu kaufen, und das soll nun ihr Ende sein! Da hat ihr ein Wohlthäter eine Näh maschine gekauft, eine neue, gute, flinke Maschine — als fließe neues Blut in ihren Adern, so ist es ihr gewesen, sie hat nicht empfunden, daß es Nacht und wieder Morgen wurde, nie durfte das Rädchen stillstehcn. Zweimal des Tags thcilt sie Suppe aus nnd dreimal Brot, und die Kinder lachen und plMMn froh und ragen, warum sie weint, da ja doch der Himmelvatcr geholfen hat. Das Rechnen bei der Arbeit hat sie sich nicht abgewöhnt, aber welche beglückende Rechnungen macht sie jetzt! Der Zins für den Dezember — 6 Gulden — ist schon bezahlt, nun spart sie, um das „G'wand" auszulösen, das sie beim Greißler, zwölf Kreuzer fitr's Stück, versetzt hat. Dann will sie eine zweite Bettstelle kaufen, daß die Kinder von ihrer schlechten Lagerstatt befreit werden — dann soll ein besseres Zimmer gemiethet werden. Für die Aelteste, die Resi, die sie als brustkrank schon aufgegeben hatte, hofft das Mutterherz jetzt auch wieder — der goldigen Pläne kein Ende! Und wenn auch die Anna noch wie ein Hündchen gekrümmt in ihrem Trog liegt und die Anderen auf dem kalten Boden, der durch den alten Strohsack dringt, und wenn sie auch Alle noch keine Schuhe haben und nur ein Stück Brot zur Einbrcnnsuppe — und wenn auch die Mutter ihre Christ nacht an der Maschine verbringt, das Glück ist doch cingezogen in die armen vielgeprüften Herzen, und Freude und Zufriedenheit walte» in der grausam armen Kammer. zum letzten Male in der äußerst beifällig aufgenommenen Lustspiel-iGefängniß vernktheilt tvurde. ' ' " Jahren Novität: «Nach Madrid", gafiircn. * - > — Airs Rah und Fem. ^— Kleine Mittheilunge»«. Wegen Unterschlagung von rund hunderttausend Mark wurde am Mittwoch der Beamte der deutschen Bank in Berlin, Riesdorf, zu 2^/z Jahren Gefängnis) vcr- urtheilt. — Aus dem Berlin-Wiener Schnellzug sprang bei Leitmeritz ein sehr elegant gekleideter älterer Herr. Er wurde schwer verletzt in ein Spital überfuhrt. — In New «Orleans ist am 21. Dezember das Haus des Advokaten Parkerson abgebrannt. Par- kerson war es, welcher die Volksmenge anführte, als diese das G«- fängniß stürmte und die gefangenen Italiener, welche den Polizei« dircktor von Ncw-Orleans ermordet hatten, lynchte. Innerhalb eines einzigen Jahres ist schon mehrere Male Feuer in Parkerson's Haus ausgebrochen. Diesmal rettete die Familie nur mit knapper Noth das Leben. Höchst wahrschcinlichlicgt bcidcm letzten Fcucrwieder Brandstiftung vor.— Der bekannte Luftschiffer Richard Opitz ist in Berlin im Alter von 36 Jahren nach langen Leiden gestorben. Von Hause aus Graveur, schloß er sich später dem Aöronautcn Sckurius an. Auch von militärischer Seite wurdet, seine Erfahrungen ans dem Ge biete der Mronautik geschätzt. Opitz war bei der Bildung der Luft schifferabtheilung der Armee in Berlin hervorragend bctheiligt. —- AuS Deutsch-Ostafrika Der Ausführungskommission dcS deutschen Antisklavereikomitces ist von ihrer Generalvertretung in Vagamoyo die telegraphische Nachricht zugcgangcn, daß die Karawane des Leutnants Werthcr am 14. November in der Station Njegesi am Viktoria-Nyanza eingetroffcn ist. — Leutnant Mever berichtet aus Njegesi, daß er dort am 30. September von dem Sultan Keseki ein Stück Land erworben hat und mit seine» sämmtlichen Leuten beim Stationsbau beschäftigt war. Die Einwohner sind friedlich und zeigen sich zur Arbeit willig. Lebensmittel sind reichlich vorhanden. Da Zeuge und Perlen sehr begehrt werden, so hat sich bereits ein lebhafter Tauschhandel mit der Station entwickelt. Gemüsesorten, als Kohl, Salat, rothe Rüben, Schnittbohnen, schwarze Bohnen und. Zwiebeln rc., gedeihen in dem angelegten Garten vorzüglich. Die Europäer können daher ausschließlich von Landesprodukten leben. — Graf Schweinitz war nach Bukoba gefahren, um einen geeigneten Platz für die Werft ausfindig zn machen. Die beiden Segelboote der Fischer'schen Expedition sind zusammengesetzt und befahren den See, mit dem Zusammensetzen dcS dritten waren die Handwerker be schäftigt. Die beiden großen Segelboote des Antisklavereikomitee sind zur Zeit die einzig verfügbaren größeren Fahrzeuge auf dem Viktoria-Nyanza, da das große Stock'sche Boot, welches bisher den Hauptverkehr auf dem See vermittelte, reparaturbedürftig in Muanza liegt und sämmtliche große Barken der Ugandaleute während der jahrelangen Unruhen im Lande von den Eingeboren«» zerstört worden sind.
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