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Diese verbreitetste ynparteiisch« «Sgttch« s«"««s kostet monatlich LS Pfg. In Chemnitz frei ins HauS. Mit dem Extrabcibla« Lustiges Bilderbuch lostet der tägliche „Anzeiger" monatlich Lki Pfg. (in Chemnitz frei ins HauS); außerhalb Chem nitz Znlragen monallich 15 Pf. Bei der Post ist der Anzeiger nur mit dem Exlra-Beiblatte Lustiges Bilderbuch zn beziehen für 8S Pfg. monatlich. (Nr. 5030 zur Postliste.) Telegr.. Adresse: Generalanzeiger. Fernsprechstelle Nr. M. Vilchfischer Landes- füv Lhemnitz An z e «nd Umgegend. er? «itzeigen-reiS: Sgestzasteste TorpuSzeile (ca. 9 Silben fassend) oder deren Raum 15 Pfg. (Preis verzeichnisse d. Zeile 90 Pfg.) -» Bevorzugte Stelle («gespalten» Petilzeile circa 11 Silbe» fassend) 30 Pfg. — Anzeige« können nurbis Vormittag lOUHr angenommen werden, da Druck und Verbreitung der große» Anslage längere Zeit erfordern. Ausgabe: Wochentags AbendS (mit Datum des nächsten Tages). — Die Anzeigen finden ohne PreiSanfschlag zugleich Ver breitung durch die Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. Nr. 41. — 13. Jahrgang. — I Verlags-Anstalt: Alexander Wiede, Chemnitz, Theaterstraße 5. j Sonnabend, 18. Februar 18S3. Politische Rundschau. Chemnitz, den 17. Februar 1893. Deutsches Reich. — Der Kaiser Nr Wilhelmshaven. Der Kaiser, welcher sich am Mittwoch Abend von Berlin nach Wilhelmshaven begeben hatte, ist an» Donnerstag Morgen daselbst bei herrlichstem Wetter eingetroffen und wurde auf dein Bahnhof durch die Admiralität em pfangen. Vom Bahnhofe begab sich der Kaiser durch die rcichbe- fsaggtcn Hauptstraßen nach dem Exerzierhause der 2. Matrosendivision, wo die Vereidigung erfolgte. Truppen bildeten Spalier, die Be völkerung brachte dem Kaiser lebhafte Huldigungen dar. Der Monarch hielt eine längere Ansprache. Kontreadmiral Oldekoy brachte das Hoch auf den Kaiser aus. Um 11 Uhr besichtigte der Monarch ans dem Artilleriehof die neue 28 Ctm.-Haubitze »nit großem Interesse. Nachmittags fand Schisfsbesichtigung statt. Abends entsprachen der Kaiser und sein Bruder, Prinz Heinrich, einer Einladung des Vize admirals ValviS zur Tafel. Heute, Freitag, gedenkt sich der Kaiser an'Bord des Panzcrschisses „König Wilhelm" nach Helgoland zu begeben. — Die vermltlwete Fürstin Katharina von Hohen- zollern, deren Tod bereits mitgeiheilt wurde, war ain 19. Januar 1817 geboren und hat ein Alter von 76 Jahren erreicht. Sie war das älteste Mitglied des Gesammthauses Hohenzollern; an ihre Stelle tritt jetzt die Prinzessin Frederike voll Hohenzollern, die hinterlasscne Gemahlin des am 26. März 1881 verstorbenen Marquis Joachim Napoleon Pcpoli. Sie ist am 24. März 1820 geboren; nach ihr kommt Prinz Alexander von Preußen, zugleich als ältestes Mitglied der königl. Familie, der am 21. Juni 1820 geboren ist. — In der Nmgebnttg des Fiirste» Bismarck verlautet, daß Minister Phlcps, amerikanischer Gesandter in Berlin, vor seiner Abreise nach den Vereinigten Staaten, wo er zum Richter ernannt ist, dem Fürsten noch einen Abschiedsbesuch abstatten werde; bekanntlich zählte er stets zn den aufrichtigsten Verehrern des Fürsten. — Die Reichskommissio» für die Reform des Börseuwescns hat ihre Vernehmungen von Sachverständigen beendet und sich bis znm 10. April vertagt. — Pre,»frisches Abgeordnetenhaus. Die Debatte über den russischen Handelsvertrag wurde am Donnerstag fortgesetzt. Abg. Vopelius (freikons.) kommt auf'eine frühere Aeußerung zurück und behauptet Positiv, daß der als Kommissar bei den Handelsvertrags. Verhandlungen verwendete Geh. Rath Huber freihändlerischcn Tendenzen huldige. — Abg. Schmieding (iiatlib.) hält den ermäßigten Korn- zoll für Hoch genug, zumal der Landwirthschaft durch die Steuer reform große Lasten abgenommen würden. Redner wünscht dringend das Zustandekommen des Vertrages mit Rußland. — Abg. Schinitz (Ztr.) hält den Vertrag für unannehmbar, wenn anders ein kräftiger und gesunder Bauernstand geschaffen werden soll. — Abg. Böttinger (iiatlib.) beklagt sich darüber, daß bei den Handelsverträgen die Ver treter der Industrie zu wenig gehört worden seien. — Minister von Berlepsch stellt das ganz entschieden in Abrede. — Abg. Ritter (freikons.) hat schwere Bedenken gegen den Abschluß eines Handels vertrages mit Rußland und wünscht jedenfalls die Interessen der Laiidwirthschaft und Industrie ausgiebig gewahrt. In der Bevölker- Unter blendender Hülle. Kriminalnovelle von Gustav Höcker. (Fortsetzung und Schluß.) (Nachdruck verboten). Folgendes enthüllten dem Lesenden die wohlbekannten festen Schrift- züge seiner zweiten Frau: „Ich habe in der Nackt vom 24. zun» 25. Inn» um die zwölfte Stunde Frau Vredow in ihrem Bette ermordet. Sie vernichtete meine Hoffnung, die Gattin ihres Sohnes zu werden, und beschimpfte mich. Das ließ den Gedanken dieser That in mir entstehen. Frau Brcdow war durch den mit mir gehadtcn Auftritt in eine sehr gereizte Stimmung versetzt, in welcher sic ihrem Kommis Züllicke in Gegenwart verschiedener Ladcnkundcn seine Stelle kündigte. Der Verdacht des Mordes mußte sich auf ihn lenken, wem» ich die anderen Umstände, die mir günstig waren, geschickt zu benutzen verstand. Ich hatte einmal zugeschen, wie Züllicke der Köchin des Hauses mittelst einer kleinen Zange die Kcimmcr- Ihttr öffnete. Mit diesem Instrumente verschaffte ich mir um Mitter nacht Eingang in die Bredow'sche Wohnung. Bereits am Nach mittage »var ich auf die gleiche Weise in Züllickc's Zimmer gelangt, um mich nach Gegenständen umzusehen, welche ihn in den Verdacht der That bringen mußten, die ich plante. Ich fand das Gewünschte auf seinem Waschtische: eine Westenkravatte, die er häufig trug, und einen reichlichen Vorrath seines rothen Haares, welcher sich zwischen de» Zinken seines lange nicht gereinigten Kammes angesammelt hatte. — Als ich die Gewißheit zu haben glaubte, daß Züllicke und die Ä Hausbewohner sich in tiefe»» Schlafe befänden, schritt ich zur ^yar. Jey hatte am Nachmittag von einer Hausircrin ein viertel Dutzend seidene Halstücher gekauft und trug diese noch in ineiner Teffche. M»t einem dieser Tücher erwürgte ich Frau Brcdow im Schlafe, da meme Hände ihren Hals nicht hätten umspannen können. »;ch vollführte die That so rasch und energisch, daß mein Opfer laut los und ohne nennenswerlhen Widerstand unter meinen Händen endete. Dann zündete ich Licht an. stellte es auf den Fußboden und zwängte der Todten Züllicke's Haar zwischen die Finger; seine Westenkravatte, von der ich schon vorher das Gummiband abgeriffen hatte, legte ich vor die Erdrosselte ans das Bett. Bei dieser Beschäftigung stieß ich mit dem Ellubogen an die goldene Uhr, welche auf dein dicht am Bette stehenden Nachttische lag. Sie fiel zu Boden und das dadurch entstandene Geräusch veranlaßte mich, das Licht auszulöschen »Md mich schnell nach meinem Zimmer zurückzuzichcn, ohne daß,.ich Mir die Zeit, zu nehmen wagte, das Tuch vom Halse der Leiche Mieder zu lösen. Die andcrn beiden Tücher warf ich, um die kleine Zange geMimgen und mit einem Stein beschwert, am andern ung liege eine trübe Stimmung, und die Situation erscheine ihm fast so, als seien' wir erkrankt »nd man wisse kein Heilmittel. — Abg. von Eynern (natlib.) betont, daß Industrie und Landwirthschaft auf einander angewiesen seien und beider Interessen kräftig gewahrt werden müßten. Nur sollten die Landwirthe die Agitation für die Silberwährung, die »verthlos sei, aufgebcn. Deutschland brauche sich an Rußland nicht fortzuwerfen. — Abg. Rickert (sreis.) erwidert, Rußland habe die Vertragsverhandlungen angeregt; von einein Fort werfen Deutschlands sei also keine Rede. — Abg. Graf Limburg (kons.) konstatirt, daß die konservative Partei der gegenwärtigen Re gierungspolitik nicht zustimmen könne und verwirft entschieden den russischen Vertrag. Nach einigen weiteren Bemerkungen werden die Anträge Dziambowski-Eynern »nit 313 gegen 25 Stimmen ange nommen. Sonnabend: Kultusetat. — Dem pre»«bischen Abgeordnetenhause sind eine Denk schrift über die gegen die Cholera in Preußen 1892 getroffenen Maßregeln, ferner eine Denkschrift über die Ausführung des Ansiedelungsgesetzes, sowie weitere kommnnal-finanzstatistische Tabellen zu den Stcuerreformgesctzen zugegangen. — Der deutsche LandwirthschaftSrath hat im Hinblick auf die Lage der Landwirthschaft sich gegen eine Hcrabminderung der landwirthschaftliche» Zölle gegenüber Rußland erklärt, da sonst die Existenz vieler Landwirthe in Frage gestellt werden würde. — Der „Neichsauzeiger" schreibt r „Einzelne hiesige Blätter hatten in den letzten Tagen die Mittheilung gebracht, daß die Reichs- und die preußische Finanzverwaltung bald mit Begebung von Anleihen Vorgehen würden. Nach den uns zugehenden zu verlässigen Nachrichten wird eine derartige Begebung in naher Zeit nicht beabsichtigt." Oestevrekisi-ttttgavtt. — Fürst Ferdinand von Bulgarien ist in Wien einge- troffen. — Der Streik der Bergleute im Brüxer Revier dauert fort. Erst in kommender Woche wird eine Klärung erwartet. Frankreich. — In der französischen Deputirtenkammev wurde am Donnerstag die Interpellation über die allgemeine Politik der Re gierung verhandelt, auf welche der Ministerpräsident Ribot ruhige Auskunft gab. Eine Majorität zu! einein Vertrauensvotum für die Regierung wird erwartet. — KokMnenden MsWNWiWMt kanntlich der Paiiaiiiabestcchuiigsprozeß- Es wird schonDtzt Whaiiptetdaß der auch hier angeklagte Charles von Lesseps sensationelle Enthüllungen über die Bestechungen, zu welchen ür wider seinen Willen gezwungen wurde, machen wird. So deutet Delahoye in der „Libre Parole" an, daß Charles von Lesseps vor den Geschworenen vielleicht den Beweis führen werde, daß die gegenwärtigen Minister und Carnot selbst seit geranmer Zeit die Arton-Liste der Bestochenen kannte», sowie, daß eine Drathmittheilung Reinach's an Cornelius Herz vor handen sei, welche lautet: „Die Regierung »veiß Alles!" — Dev ehemalige Senator Le Guay wurde zu 5 Jahren Gefängniß wegen Unterschlagung vcrurtheilt. — Der französische Handelsminister Siegfried hat der Zollkommission ein neues System der Petroleum zölle unterbreitet. Darnach soll der Zoll auf 90 Proz. raffinirtcs Petroleum 16 Frks. betragen und beim Verlassen der Raffinerie- '.-i. i Anstalt entrichtet werden. Der Zoll für rohes Petroleum wird auf 13 Frks. festgesetzt. — Die Pariser Polizeiprcifekttt« benach richtigte telegraphisch alle Sicherheitsbehörden des Kontinents von der Flucht des berüchtigten Hochstaplers MagnuS Spinzer alias Oppen heimer, der zahllose Opfer mit gefälschten Tratten und durch schwindelhafte Waarenbestelllingen geplündert hat; er soll sich nach Deutschland gewendet haben. Oppenheimer »var schon früher im „Deutschen Reichsanzeiger" als Betrüger festgenagelt worden. Belgien. — Aus belgischen und niederländische»» Industrie- bezirke«» werden verschiedene Zusammenstöße zwischen Arbeitern und Polizei gemeldet. Der Krawall begann meist nach sozialistischen Ver sammlungen. Spanien; — In der Provinz Granada fanden wegen der neuen Steuer Unruhen »nit blutigen Zusammenstößen zwischen Militär und ' Bevölkerung statt. In einer nahegelegenen Stadt wurde das Stadt haus gestürmt. Später wurde die Menge wieder vertrieben, wobei eine Anzahl Personen verwundet wurde. Rutzland. — Die russische Regierung Plant die Einführung eines Spiritus-Monopols. Vorberathnngen über das Projekt haben bereit» begonnen. — Die Gemahlin des russischen Botschasters in Berlin, Gräfin Schuwalow, verletzte sich bei der Auffahrt zum Fast nachtsball am Kopfe. — Die deutsche Anttyort zum russischen Handelsverträge ist noch nicht in Petersburg eingegangen, wird viel mehr erst redigirt. Orient. — Der König von Rumänien hat den soeben vermählten Thronfolger zum Kommandeur eines Jägerbataillons ernannt. Die Koinmandoübernahme erfolgte unter großen Festlichkeiten. Afrika. — Kompagnieführer Langheld ist Anfang Januar in Dav- es-Salaam eingetroffen» um sich von dort mit Aufträgen der Anti sklavereilotterie nach dem Viktoria-Nyanza zu begeben. Zugleich wird er für einige Sultane im Innern, welche dem Deutschen Kaiser durch ihn Elfenbeinzähne haben überreichen lassen, Gegengeschenke über gingen. — Bon Eeff bin Mhamed, dem Sohne des bekannte» Arabcrhänptlings Tippu-Tipp, ist ein Brief in Zanzibar emgetroffen, worin er seinen» Vater mitthcilt, daß Einin Pascha zu Udschidschi aM Tanganyka ciiigetroffen sei. Ist diese Meldung auch zunächst nicht besser verbürgt worden, als alle früheren über den alten Afrika« reisenden, so hat sie doch mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Tippu- Tipp selbst scheint sich ganz in Zanzibar ansiedcln zu »vollen; er hat sich ein schönes Haus dort gebaut, das er den ihn besuchenden Europäern mit Stolz zeigt. — Der Sultan von Zanzibar ist nunmehr, gleich den indischen Herrschern, völlig von der Verwaltung seines Landes ausgeschlossen worden; eine britische Regierung ist schon eingesetzt worden. Amerika. — Die erste Annektio» der Vereinkgten Staaten von Nordamerika. Die binnen Kurzem dem neuen Präsidenten Cleve- ''"M Morgen in den See. — Meinen Gatten, dessen Liebe ich nicht ver diente, bitte ich um Verzeihung und sende ihm hiermit mein letztes Lebewohl! Flora Bredow, geb. Lohn»." Als der Wittwer sich von dem starren Entsetzen, womit er dieses furchtbare Bekenutiiiß las, eiuigcrinaßen erholt hatte, hörte er die Erzählung Rudolfs an, von der Enthüllung des sterbendeki Schmugglers bis zu dein Tode des schuldbeladenen Weibes in der Tiefe des See's, XI. Die irdische Gerechtigkeit hielt über zwei Todte Gericht, denn in derselben Nacht, die Flora's letzte sein sollte, war auch Kandler aus dem Leben geschieden. Seine unglückliche Wittwe gab dem Gerichte jede Aufklärung, die dasselbe von ihr verlangte. In dem Gebüsche am See hatte in einer mit einer Fallthür bedeckten Grube der Schmuggler die Waarcnvorräthe verborgen, welche er für Rechnung eines Kaufmannes, dessen Wohnort eine der benachbarten Grenzstädte »var, ins Oesterreichische einschwärzte. Ein kleines, aus ein Paar rohen Baumstämmen gezimmertes Floß, welches unter dem über- hängcndcn Gebüsch dicht am Ufer verborgen war, hatte ihm als Transportmittel gedient, die Schmuggelwaarcn nach den» jenseitigen, dicht bewaldeten Ufer zu befördern, wo er die Last auf seinen Rücken nahm, um sie auf wenig betretenen Wald- und Gebirgspfadei» über die Grenze zu bringe»». Ebenso war das Floß zur Füllung des ge heimen Waarenlagers verwendet worden. Von Zeit zu Zeit war Nachts eine neue Waarcnsendmig in einem bedeckten Wagen ange langt. Derselbe hielt unweit des Bahnhofes auf einem Seitenwege der Landstraße, die seit Eröffnung der Eisenbahn nur tvenig noch be nutzt wurde, und unter dem Schutze der Nacht wurde der Inhalt des Wagens ausgeladcn und voin nahen See aus durch Kandler mittelst des Flosses nach dem Versteck bei seiner Behausung geschafft. — Die Vorräthe, welche man »»nter der verschwiegenen Fallthüre noch antraf, wurden konfiszirt und auch das kleine Häuschen fiel dem Fiskus anheim. Jette Kandler mußte eine doppelte Strafe verbüßen; sie hatte Theil an den» strafbaren Gewerbe ihres Mannes durch ihre Mit wissenschaft und Begünstigung desselben; ihr zweites Vergehe» war die nothwendige Consequenz des ersten: dem Gebote ihres Mannes und der Nothweiidigkeit gehorchend, hätte sie dessen Abwesenheit voin Hause, die unglücklicherweise »nit der Ermordung Frau Bredow's zu- sammenfiel, in Abrede gestellt und in der Voruntersuchung falsches Zeugniß abgelegt. Daß die inzwischen eingetreteiien Ereignisse ihr das Schreckliche ersparten, vor dem gefürchteten Schwurgerichte sich eines Meineides schuldig zu machen, war ihr eine erleichternde Be ruhigung »n all' den schweren Verwicklungen, in welche die ursprüng lich ehrliche Frau durch die Heirath »nit dem ehemaligen Korkschnitzer gerathen war. Auch Rudolf ging Nicht ohne Buße aus der neuen Wendung deS Mordprozeffcs hervor, für welche das von ihm selbst beigebrachte Alibi Züllicke's und das schriftliche Vekenntniß Flora's die Grundlagen boten. Er durfte die Umstäiidc, unter denen seine Stiefmutter ihren Tod im See gesucht und gefunden hatte, nicht verschweigen, und da das Ge richt sich nicht auf denselben großherzigen Standpunkt stellte, welcher ihn bewogen hatte, die Müder»»» der Sühne des Gesetzes zu entziehen und ihr zur Flucht zu verhelfen, so unterlag er dein Strafgesetz- Paragraphen, welcher dies verbietet, wenn cs auch nur in der mildesten Form geschah. Der unschuldig angeklagte Kvinmis Züllicke wurde wie'oer auf freien Fuß gesetzt. Seine Rückkehr in das Städtchen glich dem Ein züge eines sieggelrönten Feldherr»», wvbei sogar die Böllersalven n,cht fehlten. Er hatte keine rothen Haare mehr — sein Kopf war im Gefängniß vollständig ergraut. Rudolf vereinigte sich mit seinem Vater dahin, daß sie dein Hartgcprüftcn das schöne blühende Ge schäft übergaben, den» er vorher als gewandter Kommis gedient hatte. Er durfte die Kaufsiime in Ratenzahlungen abtrageu, die ihn nicht drückten, und da er seinen einzigen Fehler, die allzu große Vorliebe für den Gerstensaft, schon im Gefängniß vollständig abgelegt hatte, so wurde er das Muster eines tüchtige» Geschäftmannes und hatte die besten Aussichten sich ein Vermögen zn erwerben. Jette Kandler nahm später in Züllickc's Laden wieder den Posten einer Verkäuferin ein. Für ihr Stiefkind hatte Rudolf in mcnschenfremidlichcr Weise Sorge getragen. Bredow senior war zwar ein Mann, dem jede tiefere Lebens auffassung mangelte, der aber nie mit der Moral in Konflikt ge» rothen war. Um so seltsamer erschien es, daß er eine» geheimen Groll gegen seinen Sohn nicht überwinden konnte. Er nannte die Art und Weise, »vie dieser ihm die junge Gattin von der Seite ge rissen hatte, rücksichtslos und schroff, und so sehr er auch ihre blutige That verdammte, so ließ er sich doch nicht von dem Vorurlheile ab- bringen, daß Rudolf nur aus rachsüchtigein Motive gegen die Stief mutter gehandelt hatte, um deren Gunst er sich einst selbst beworben. Ihre Leiche wurde nicht gefunden — der tiefe See blieb ihr Grab. Rudolf führte, sobald cs die Umstände gestatteten, den Plan aus, den er bereits vor seines Vaters zweiter Verheirathung gefaßt hatte: er ging in die weite Welt, und in einer der großen Handelst- städte Nordamerikas suchte er in emsiger Geschäftsthäti'gkcit das tief ernste Drania seiner Liebe und Entsagung zu bergefsu». '