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Sächsische Volkszeitung : 07.08.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192408074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240807
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240807
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-08
- Tag 1924-08-07
-
Monat
1924-08
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 07.08.1924
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uns MrHen ,' ^M> rrm Ml bik..WkWl Mmüeii" Wanösrdilder aus öem Eltzsandsleingebirge von Otto Halslein ' . 2. Auf-evensg betretenen Pfaden Von dem freundlichen Nltendorf senkt sich sonncnbeschienen der Waldpfad ins Tal der rauschenden Sebnitz. Schlanke Fichten streben zum blauen Archer. Leise rauschen die hell grünen Wipfel der schattigen Buchen. Tausende von Tautropfen hangen an den Gräsern und wiegen sich im Heidekraut, das den ersten rosenroten Hauch bekommt. Wie kostbare Edelsteine glänzt es ringsum. In allen Farben leuchtet cs, zieht sich die Hänge hinaus, läuft es zum Tale hinab. Wohin das Auge schaut, Rubinen, Saphire, Zitrine, Smaragde, Demante, Ame thyste. Die Nacht hat sic ausgeschiittet, die Sonne läßt sie auf- leuchten und funkeln. Versunken in die Pracht hemmt der Fuß die Schritte. Und dazwischen Arbeit und emsiger Fleiß. Bie nen streifen um die Brombeerbüsche, die noch weiße Blüten tra gen und sich schon mit roten Beeren geschmückt haben. Und unter dem gelben Sand hastet es, ohne Rast, ohne Ruh, Ameisen. Hier schleppt eine eine Kiefcrnnnadel fort. Groß ist die An strengung. Da liegt ein Stein im Wege.- Untverdrosten wirs der Aufstieg gewagt. Die Nadel rutscht herunter. Von neuem wird sie geholt. Wieder gleitet sie an dem glatten Stein ab. Mehrere Male wird der Aufstieg versucht. Endlich ist die Hohe erreicht. Das ist Beharrlichkeit. Herunter geht's auf der anderen Seite leichter und schneller. Dort sttzgt ein toter Käfer. Ein ganzer Schwarm der schwarzen Gesellen zieht ihn unter tausend Miihsalen weiter. Neue Hilfskräfte werden herangeholt. Nun geht es besser vorwärts. Nun eilt auch unser Schritt weiter.... Erreicht ist die Brücke, die uns über die Sebnitz bringt. Lin kurzes Stück in einem traulichen Gründel. Aufwärts steigt der Pfad. Er führt in die Ochelwände. Wilde Zerklüf tung ruht in ihnen. Sie bieten Eulen und Habichten hundert fachen Schutz. Hoch zieht einer der Feinde der buntgefiederten Musikantenschar des dunklen Waldes seine Kreise. Jetzt stößt er pfeilschnell in die Tiese. Ob ihm eine Beute wurde? Doch das Leben besiegt die Toöesgeüanken. Von den weich sich bie genden Wipfeln schmettert und jubelt es, pfeift und flötet es, jauchzt und klingt es. Natursinfonie. Kein Tondichter kann sie nachschreiben. Da rauschl's in den falben Blättern auf dem steinigten Wege. Ein neugieriges Köpslein schreckt hervor. Aengstlich ringelt der glatte Körper dem schützenden Moospolstcr zu. Eine Blindschleiche. Wir störten sie bei ihrem Sonnen bade Nun schneiden wir eine schön angelegte Straße. Sie führt in den „Tiefen Grund". Dicht schmiegt sie sich an die jäh abstürzenden Felswände. Starkes Mauermerk gibt ihr festen Halt. Man denkt an die trotzigen alpinen Straßen. Unser Weg steigt zwischen duftenden Fichten, Heidelbeergestrüpp und dem Hellen Grün der Farnwedel noch ein Weilchen höher. Da. eine frische Waldwiese! Die Höhe ist erreicht. Run lockt ein Aussichtspunkt. Tief unten rauscht die Sebnitz. Neben ihr glänzen die blank polierten Schienen der Bahnstrecke. Das Maschinengetriebe der Ochelmühle schickt ihr Gesumme und Ge brumme herauf. Ein reizendes Bild gewährt der Elbstrum. See artig erscheint er von hier aus. Wie Spielzeug liegt Königstein an ihm ausgebreitet, lieber uns aber strecken prachtvolle, alte Kiefern die knorrigen Aeste schützend aus. Zurück. Da grüßt uns die schmucke Waitzdorfer Schenke. Eine kurze Rast, ein kühler Trunk, und es geht weiter. Bald ist die Höhe erreicht. Die Karte bezeichnet sie als Waitzdorfer Berg. Er bietet eine wunderbare Fernsicht. Natürlich nur dann, wenn uns der Him mel günstig gesinnt ist. Weit trägt der Blick über das Land der Sachsen. lieber König- und Lilienstein bis zum Cottacr Spitz- bcrg, über Psaffcnstein, Papststein, Gorisch bis zum Schnee berge, über Kaiserkrone und Zirkelstein bis zum Rosenberg und Kaltenberg. Auch Stulpen wird sichtbar, und an unsre Dresd ner Heimat erinnern uns Borsberg und Triebenberg. Ungern scheidet man von diesem idyllischen Plätzchen. Durch Felder und Wiesen führt der Weg wieder talwärts. Bald ist ein kühler, bnchdurchrauschter Grund erreicht. Der Weg bringt uns nach Goßdorf. Schmuck leuchten die Häuser aus dem Grün der Linden und Nußbäume. Der Friede dieses Dörfleins läßt nichts mehr ahnen, daß einst in seiner Nähe ein Raub- schloß lag. Noch heute hängen einige Trümmer davon auf einem Granitricgel, der sich zwischen das Sebnitz- und Schwarzbachtal schiebt. Durch drei Fensterhöhlen fällt der Blick ins Tal. Die Turmreste stammen aus neuerer Zeit. Die vorlMdenen Burg- Bilder aus Bayreuth Allerlei Ergötzliches aus der Waguerstadl Es gibt auch in Festspielzeiten komische Käuze. Fährt da eine? Morgens ein Auto der Bayerischen Berkehrs A.-G. von Nürnberg »ach Bayreuth. Hält vor einem der größten Hotels. Und ans dem Vortal wälzt sich eine Dame, die es eigentlich gar nicht nötig hätte, den Mitfahrenden zu versichern, daß sie auf dem Wege nach Marienbad sei und nur einen Abstecher nach Bayreuth mache, che sie dort die Erinnerungen aufgcden müsse an eine köstliche Schweizer Zeit mit all den vielen und schönen und ach so reichlichen Leckerbissen. Sie wohnt in Wiesbaden und versteht etwas, nein, sogar sehr viel von Kunst. Weiß, daß Wagner in Venedig gestorben ist und meint, daß er dort begraben liege. Fragt auch nebenbei, ob Richard Wagner verheiratet gewesen sei. Aber die Bejahung dieser Antwort bereitete ihr weitaus weniger Schmerz als eine Ersahrung, die sie unmittelbar darauf mache.» mußte. ES fängt nämlich an zu regnen und unsere Neisegenossin fragt: Wird denn da heute gespielt werden? Sie hatte sich »nämlich auf di« Waguerarrfführungen im Freien gefreut. Außerdem legte sie den Mitfahrenden freundlichst nahe, doch um 8 Uhr die Aufführung zu verlassen, damit dann das Auto zurückfahren könne, denn bis 8 Uhr habe sie von Götter dämmerung genug. Endlich ein unumstößlicher Beweis dafür, daß unsere wahren Kunstenthusiasten nach.Bayreuth fahren. » * « Eine Probe in Bayreuth. Muck am Dirigentenpulte. Glän zend vertraut mit seiner musikalischen Aufgabe. Aber auch mit einer guten Dosis Ironie. Zwei Bemerkungen mögen es beweisen. Zu Amfortas: Gewiß, der Amfortas ist ein franker Mann. Ein sehr kranker Man» sogar. Deshalb darf er aber dennoch richtig singen. llnd zu einem Darsteller hinter der Bühne: Sie setzen so unrichtig ein, daß ich alle» Grund zur Annahme habe, daß ein Kapellmeister neben Ihnen steht, der Ihnen das Zeichen gab. « » Vor dem Festspielhaus«: dE schaulustige Beyreuther Menge. Alles von den feinsten Kreisen bis hinab in jene Kategorien, allwo man nicht mehr gesellschaftlich klassifiziert. Da nützt nicht der offizielle Fremdenführer. Da muß man einen Eingeborenen bei sich haben, oder besser, noch eine Eingeborene. Denn dann kann man die Leute kennen lernen. Von fern her aber mit näheren Erläuterungen. Kann sogar die Dame sehen, die sich einbildet, - der Königin Luise sprechend ähnlich zu sehen Allerdings, die Königin Luise spricht nicht mehr. Außerdem^war sie groß, schlank und hellhaarig. Die Bayrentherin ist kl eins rundlich und dunkel. Aber -sie glaubt an ihre Aehnlichkeit und ist nicht weniger stolz darauf. Vielleicht ist sie glücklich. Und sie hat auch allen Grund dazu. Denn e? ist immerhin angenehmer, zn leben und zu glauben, einer Toten ähnlich zu sein,, als tot zn sein und einem Leibenden Lbulük Lit KLen-- reste wurden 1858 erneuert. Von der Geschichte des Felscnucstes ist wenig bekannt. Schwarzburg hieß früher das Schloß. Es soll eine sehr stattliche Burg gewesen sein. Unter Kaiser Karl IV. und seinem Sohne Wenzel wurde zu Pirna mit den Wettinern eine Erbeinigung geschlossen, in die auch die „Herren Berkke» mit Hohenstein und Schmarzbcrg mit ihren zugehorungen" ein- bezogen wurden. Der Schwarzberg wird auch 1450 unter den „Steinen und Bergen" erwähnt, „die vor Zeiten mit festen Häusern bebaut gewesen sind." Liebevoll verhüllen schlanke Buchen mit ihrem saftigen Blätterdach die Mauerreste. Ter Wanderer ruht auf einem der Felsblöcke und träumt sich zurück in die Zeiten, da nach Massen- und Schiverlergcklirr die Ein samkeit des lauschigen Schwarzbachgrundcs störten. Auch jetzt lätzt ihn ein schriller Psisf auffahren. Das „Bähnchen", das von Kvhlmühle nach Hohnstein trägt, schiebt sich durch den Tun nel. der den Felsen durchbricht. Der weiße Rauch der Maschine verfängt sich in den Wipfel», und langsam schwebt er hindurch wie die Geister der Ritter, die einstmals hier hausten. Der nahende Abend mahnt zum Ausbruche. Schon ent zündet sich an den Hängen des Sebnitztales ein rosiges Violett. Noch ein schneller Blick auf die im Tale ruhende Vultcrmilch- nüihle, und dann tastet sich der Fuß vorsichtig über einen schmalen Felsgrat. Plötzlich knackt es in den Zweigen des Unterholzes, und anfgescheucht poltern zwei Rehe den steilen Hang hinab. Auf der Wiese bleiben sie einen Augenblick witternd stehen. crmunlerung fort mit äeinem alten Laster! Allen Mißmut auügeselit! für äie Mumien, üie e; schlägt, «eicht Sa; Leben auch üa5 «Zaster. «iß üer Strom hinweg Me vriicke, Mutig in Sen «ahn hinein i Nahm ciie «ugei üir ein Dein, streife rüstig nach üer «rücke! « rirs°«. Dann jagen sic pfeilschnell über den grünen Samt in den nahe liegenden Wald. Wieder umfängt uns heilige Sülle. Die Kronen der Bäume säuseln ein leises Abendlied. Feucht und fröstelnd steigt aus dem Tale die Abcndluft. Schneller strebt der Schritt vorwärts und sucht die Gegend, wo man wieder Men- schenstimmen hört. . . . Kunstgenuß aus Reisen Von Egid Filek. (Nachdruck verboten.) Haben wir Menschen von heute noch so etwas wie eine Reisckulttir? Scheinbar nein. Reisen soll ein Bildungsmittel sein, soll jene geistige und seelische Vertiefung schassen, ohne die unsere ans Büchern geschöpften Kenntnisse wertlos bleiben: cs soll Erleben sein und den slüchiigen Eindruck des Gelesenen auf der photographischen Platte des Gedächtnisses entwickeln und vertiefen. Aber dazu gebäre» Dinge, die dem Menschen von heute verlorcngegangen sind: Sammlung, Mutze, gründliche Vorbereitung. Die große Kavaliertour, die der feingebildete Mann des 18. Jahrhunderts gemacht haben mußte, umfasste zwei Jahre, ging durch die Kunststätten von Deutschland, Frank reich, Italien, wurde richtunggebend für Geschmack und Welt anschauung and war das große Ereignis des Lebens. Heute zwingen wirtschaftliche Not, oas Bewußtsein der eigenen gei stigen Unsicherheit und das hastige Tempo des Erwerbslebens den größten Teil der Reiselustigen zu einer geradezu barbari schen Form des Reifens. Ich meine die sogenannte Gesell schaftsreise, Man muß es schaudernd miterlebt haben, wie irgend eine Neiscuntcrnehmung eine Herde von müdcgehetzlen, stumvf- sinnig blickenden Menschen in vierzehn Tagen durch Italien treibt — vormittags auf -den Besuv, nachmittags in die Ruinen von Pompeji, abends geht's weiter nach Neapel. ... Es gibt Orte, an denen man unbedingt ganz allein sein muß: das Forum, die Tribuna in Florenz, das Sterbezimmer Goethes . . . das sind solche Orte. Und reisen heißt, solche Orte suchen und ganz stille sein und tief, tief in sich hincinhorchen. Dann vernimmt »-««»«Ml !«!>>» » >«!>!>>! »«»»>»> > >>I >l k" Hohe Gäste in Bayreuth. Alltäglich schon in den General proben der ehemalige Zar von Bulgarien. Eine große stattliche Figur. Das Nicht» eglcre» hat die Nase nicht verkleinert. In der Hand der unvermeidliche Stock, der den schweren Gang mildert, den dcc wölbungslose Fuß verwirkt. Auch heute noch eine von Künstlern sehr begehrte Persönlichkeit, Orden gibtS zwar nicht mekr »nd der Kammersänger gehört der Vergangenheit an. Aber Krawattennadeln gibt cs noch. Ein großes F mit der Krone. Jeden Tag ein neiderfülltes Blicken ans die Krawatte des Nivattu, der die Nadel erhalten hat. Das „Eischcn" (nicht das Aefsche»), Andere Künstler können auch eingebildet sei», ohne die Nadel zu besitzen. Erzählt einer in der Eule": Meine Freunde aus Berlin werden erst zum zweiten Zvklus hierherkommen, um den Genuß zu haben, mich dann singen zu hören. Arme, arme Mensche», die ahnungslos in den ersten Zvklus kamen. Oder noch Aermere, die ahnungslos zum zweite» Zyklus bestellt haben. In der alten Markgrafenstadt ein reges Leben. Alle? stttgt empor. Die einen, soweit sie Menschen sind, auf den Festspiel- Hügel, die anderen, soweit sic Preise sind, in die Höhe. Und tue Geschäftsinhaber wundern sich, daß sie nichts oder wenig ver kaufen. Im nächsten Jahre soll eine Verordnung erlassen werden, in welcher allen nach Bavrcuth Kommenden bei Todesstrafe ver boten wird, zu wissen, waS die Waren anderswo kosten. « » NebriaenS ist es vollkommen unwahr, daß das Finanzamt eine Stre.chung i» „Siegfried" verlangt habe. Diejenigen sagen die Unwahrheit, die da erzählen, dns Zwiegespräch zwischen Woran und Mime müsse Wegfällen, weil das Finanzamt darin, und zwar in den gegenseitigen drei Fragen mit Einsatz des Kopses ein unerlaubtes Preisrätsel erblicke. « « Ein Restaurant, berühmt wegen der Größe seiner FlcUch- portionen und der Kleinheit der Kuchcnstücke. Es wird behauptet, daß die Kuchen unter dem Vergrößerungsglas geschnitten werden. Wie bringt es aber der Mann fertig, daß das Messer darunter nicht dicker aussieht? M « Auf einem bevorzugten Platz sitzt mit Künstleraussehen und mit Kennerblick ein« Musikautorität, Eine Persönlichkeit mit hoher Begabung, die sick sogar aufs Schlafen au?dehnt. In jeder Vorstellung nickt er ein Viertelstündchen ein, der gute Mann, schlägt aber dann, o welch feiner Musiker, mit dem Kopf anscheinend den Täkt. aber nur von vorn nach hinten und umgekehrt. Und wenn die Pause kommt, dann kann man von ihm die höchsten musikalischen Offenbarungen aus der Vorstellung erfahren. Den s Berthosd 83o1f. mo i vielleicht das leise Rausche» von Zei: Ewigkeit. Und da> .> wachsen die Flüge! und tragen dich wett, weit hinüber üb /r Raum und Zeit. Aber zu solcher Vertiefung must! da dich stotteren können, und weit heuie alles auf den Durchschnitt bcrechnet ist, sieht sich der Eigenbrötler auf Schritt und Tritt gehemmt. Menschen, die sich in ihrem ganzen Leber: niemals mit Kunst beschäftigt haben, stehen verwirr: den Schöpfungen ver gangener Hochknltur gegenüber, wissen nichts damit au'.usangen und denken mit verhaltenem Gähnen an die bevorstehende Abendmahlzeit. Noch viel schrecklicher aber sind di« Kritischen, die alles verstehen und beurteilen, die Schulmeisternaüiren. die ihre Weisheit an den Mann bringen müssen, die lächelnden Ueberlegcnen, denen gar nichts imponiert. Ein unbefangener Mensch hat überhaupt kein Bedürfnis nach Kritik: es entsteht, wie Lichtwarck meinte, aus einem Ansteckungsstoff, der sich in Massennnscimmlungeu von Halbgebildeten sntwickelt, Die ge sunde Natur will genieße», schauen, sich hingeben. Die unselige Lust, zu kritisieren und Kritiken zu hören, hat in unseren Tagen die unmittelbare Freude an allen große» Erscheinungen der Kunst im Herzen von Millionen zerstört. Wer Kunst und Kul tur eines anderen Landes auf sich wirken lassen will, muß die großen Heerstraßen der Globetrotter und die großen Hausen der Bildungsphilister meiden, muß versuchen so zu reisen, wie Goethe in Italien reiste: langsam, den Blick auf alles gcrichlet, was für Land und Leule bezeichnend ist, und nach sorgfältiger Vorbereitung. Und endlich und vor allem muß er selbst soviel Persönlichkeit haben, um seine Eindrücke zu sichten und nur dasjenige zu bewahren, was für ihn selbst Bildungswert besitzt. Denn der tiefste Sinn alles Reifens ist am Ende doch nur die Bereicherung der eigenen Seele mit den Schätzen der fremden Kultur. Das deutsche Volkslied Von Heinrich Hoeves (Essen). Unser Volk mar von altershcr sangeslustig und liederreich. So finden wir schon bei den allen Germanen Bolkspoesie. Tacitus berichtet von Volkslieder» und Gesängen, die zu Ehren der Götter angestimmt wurden. Auch Hermann, der Befreier Deutschlands, war der Held manchen Gesanges. Dann kam die Völkerwanderung und sie vernichtete die poetischen Denkmäler der Vergangenheit, alles, was wahrhaft echt und »cttürlich im Herzen unseres Volkes erklungen nmr. Sie gab ihn: einen neuen, fremdländischen Sagenstoff, der jedoch niemals zum ur eigensten Besitz des Volkes werden konnte. Was tief in ihm lebte, konnte kein noch so strenges Verbot ans seinem Herzen reißen. Sang und Sage pflanzten sich weiter fort, und z. Z. Karls des Großen konnte man schon wieder von der Volks- poesie im Gegensatz zu der Kunstpoesic sprechen. Aus jener Zeit sind uns noch die Merseburger Zauberiprüche und das Hildebrandlied erhalten geblieben. Dann kam eine Zeit des Niederganges für die Valkspoesie. Jahrhunderte vergingen, bis sich das Volkslied wieder frei entfalten konnte. Als d:e höfische Dichtung im Aussterben begriffen war, lebte es wieder auf: und wenn die mehrfache Form der einzelnen Verse noch steif und ungeschickt ist — tiefer ist das Empfinden, das aus ihm spricht. So lebte das Volkslied eine Zeitlang dürftig und kümmer lich und verschmäht von denen, die die Führer unseres Volkes hätten sein sollen: von den Gebildeten, Doch es war nicht ver stummt in den kleinen Städten und Dörfern: es lebte bei dem Handwerksmanu und Bauern weiter, in stillem Tale, in der Heide, an, Meere, überall da, wo der Mensch der Natur noch nicht entfremdet war. Und es wurden unserem Volke D chier ge boren wie Herder und Goethe, die die poetische Bedeuiung des Volksliedes erkannten und für seine Weiterverbreit»»:: arbei teten. Werder gab eine Sammlung non Volksliedern heraus, in die er o'ele Lieder ausnahm l„Dcr Meusck hat nickis lo eigen , und ..Nönnchen oan Thar au"). In Straß burg tttttt er mtt Goethe zusammen und macht ihn aus den hoben Wert, der j:n Volksliede liegt, aufmerksam So beginnt Gor,he die alle» eisässischen Volkslieder zu sammeln und im Ceienhenncr Liederbuch zu verössenttichen Er ist aber auch selbtt schöpferisch tätig. In: Heideröslein hat er eines unserer belicbiesten Volkslieder geschaffen, Mächttg gefördert wurde das Volkslied am Anfänge des 19. Jahrhunderts durch die, Sammlung .,D e s K n a b e u W u n- derhorn", in der Klemens Brentano und Achim von Arnim das Schönste zusammcnstellten, was die Volkspoesie in alter und neuer Zeit geschaffen hat. Von Karl 0'Ester. .. (Nachdruck verbaten,) (in: leicht durchfluteter Vorfrühlinostag auf dem eltehr- n'ürd, .n MaBer.nla« in München. Es ist um die Mittagszeit» einzeln und in Gruopen eilen die Menschen ihrer Wohnstätte zu Sie haben kein Auge für die leuchtende Pracht dieses süd lichen Himmels, für das glitzernde Farbenjvicl aus den bunleu Mottübdächern der Türme ringsum. — Molare rattern, die Nulos fauchen — die Menschen möchten so schnell sein une die Moto-sabrer — nur schnell vorbei! An der Haltestelle der Sttabnibahn bcmren sie in Ungeduld des näcktten Wagens, sür den Beobachter Gelegenheit zu S'udien am Menschen. Unter der buntgcwürfeltcn Menge steht auch ein Blinder. Er stützt sich auf die Schulter eines Jungen, der ihn sichren muß. Er kann tte nicht sehen die Pracht da draußen, sür die die um ihn keinen Blick haben — aber um so besser hört er jedes Geräusch Er meldet das Näberkommen des Wagens schon, als er noch lange nicht zu seben ist. — Sein Begleiter, e'n Junge von 15 Jahren den er „Franzi" nennt, schein! lein S,hu '» tt-'n dtt N. hniickkeit läßt daraus schließen. Dem Jungen ist cs unangenehm, hier so der Gegen stand der Neugierde der Mcnscken zn sein. Welche Schicksale hat der arme, dürftig gekleidete Junge wohl schon hinter sick? Was wird ein Harles Gcsck'ck aus ttm Zhuneden? Co sieht er mit dem Blinden unter den Fremden. — Ob sich keiner seiner erbarm! des armen Jungen, dessen Jugend die Sonne schii, die der B'tter auch nickt mehr sehen kann? Und wenn es einer täte, würden ihn die anderen M>.::schcn »ich« erstaunt anschcn, ob seines Handelns? So fremd sind wir Menschen einander schon geworden, die wir uns Iünocr des Meisters nennen, der seden Menschen als seinen Näcisstcn bezeichnet hat. — Der Wagen kommt — die beiden steigen aus. . . . Der Blinde sucht Halt in der Ecke der Plattform — die Menschen achten seiner kaum. Jeder hat mit seinen großen und kleinen Sorgen genug zu tun. — Da greift ein dem Mittelstand angchörcnder Herr in die Tasche, verstohlen steckt er dem sunocn Bcaiettcr des Blinden eine Apfelsine zu. — Ein dankbarer Blick aus den Hel len Augen des Jungen. — Was er sich wohl denkt? — Wird nicht vielleicht diese wahrlich geringe Gabe ihm ein Lichtblick sein, wenn ihn die kalte Welt später zur Menschcnvcracbliing treibt. — Mußte es nicht so selbstverständlich sein unter Ehristt Jüngern, daß einer dem andern hilft? — Ludwigskirche! rui! der Schaffner. Der Alte mit den: Jungen steigt aus. der Bliudei geht in das Blindenheim heim, das einst edle Menschen hier gestiftet haben. —
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