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Nr. 6» — IN. Jahrgang Sonntag den 16. März 1611 SiWscheKolksMilg scheint täglich «achm. mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Abgabe ^ mit .Die Zeit in Wort und Bild- dtertelstihrlich »k« ^ In Dresden durch Boten j».4v d». ^n aan» Deutschland frei Haus ii.S» 4k: in Oesterreich 4,4» L." ^ ""««»»» » ohne illustrierte Beilage vierteljährlich 1.8« 4k. In Dresden durch Boten »,I0 ^ sin ganz Deutschland stet Haus «.»L 4k; in Oesterreich 4,«7 L — Einzel'Nr. I« 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit * entsprechenden Rabatt. «»chdrockeret, Redaktion and Geschäftsstelle' ^ Dresden, Pillniqer Strafte 4». - Fernsprecher I»«« Für «»«gäbe »"verlangt. Schrtststitik« »eine ivrrfttndltchkett " Redaktions-Sprechstunde: It bis »!s Uhr. Kaktee - Oenuü ist teuer. wortlos, gesunäkoitsscdLäigenit. Kakao-OenuL ist billix, wertvoll kür LmLdrung u»ä Oosunclllelt, wolilsckmockeiicl uncl bekömmlicli. V/ir empfolilen unsere Sperlalsortea ru 80 100 120. 140-200 ?kg. per pkuncl. Oerlinx L k-ockstrok, vresäeri. dlieäerlsxen in iillen Stsätteilen. Lssto ÜSLU^uquollo! ,7,7 Vor»üxIleI»o uyuo uuä g< I,rnuokrs, »Ns Hole- und ödilar'so sovrjs oactr 2vivkouvk? von 60 av ^ustvakl, 2»KI^oise, kolisi r»d»tL l Hlst-1'taoo» ! Abrüstungsvorschläge. Tie Verhandlungen im englischen Unterhanse über die Flottenfrage sind im Deutsch» Reiche aufmerksam verfolgt irordeii und der daselbst ausgesprochene Wunsch auf eine Verständigung fand ein angenehmes Echo. Zuerst war es die „Nordd. Allgem. Ztg." selbst, welche diesen Gedanken unterstrich. Tann beschlossen die Reichstagsabgeordncten, welche der interparlamentarischen Union angehören, am Freitag eine Erklärung, wonach sie betonen, daß die deutsche Flotte nicht zum Angriffe, sondern nur zur Abwehr auf Angriffe geschaffen worden sei; diese Erklärung wird dem Gesamtvorstande der Union unterbreitet, und so erhält auch England Kenntnis hiervon. Die Sozialdemokraten haben an demselben Tage folgende Resolution im Reichstage ein- gebracht: „Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichs kanzler zu ersuchen, er möge im Hinblick darauf, daß die französische Deputiertenkammer und das englische Unter haus die Bereitwilligkeit zu Rüstungsbeschränkungen aus- gesprochen haben, sofort Schritte tun, um eine internatio nale Verständigung über die allgemeine Einschränkung der Rüstungen in Verbindung mit der Abschaffung des See- benterechtes herbeizuführcn." Tie Frage der Abrüstung marschiert also vorwärts. Wenn man an sie herangeht, so erscheint es gut, zunächst die Frage des Landheeres auszuschciden, denn wer zwei Hasen auf einmal jagt: Heer und Flotte, der trifft gar keinen. Beim Landheer liegt auch die Sache sehr kompliziert, da hier die natürliche Beschaffenheit des Landes, Berge und Ströme, Festungen und Eisenbahnen, Lage auf dem Konti- ncnt eine große Nolle spielen, ebenso ein eventueller Kampf gegen zwei Fronten. Wer diese Frage also mit hineinzieht, der zeigt nur, daß es mit seinen Bestrebungen nicht ernst ist. Anders sieht es mit der Beschränkung der Flotten rüstungen aus; denn das Meer ist frei und für alle Nationen gleich eben oder gleich gefährlich. Die Frage der Küsten verteidigung scheidet aus allen Verhandlungen aus. Es kann sich hier nur um die H o ch s e e f l o t t e handeln. Diese muß man also näher betrachten. Wie ist der heutige Stand? England (das seine Schiffe in zwei Jahren fertig stellt, während Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika etwa drei Jahre dazu nötig haben) besitzt im Jahre 1913 32 Niesenschiffe. Deutschland 17, also etwa die Hälfte, die Vereinigten Staaten 10. Frankreich dagegen hat erst vor eineni Jahre zwei Dreadnoughts auf Stapel gelegt („Jean Bart" und „Eourbet"), die frühestens 1013 fertig werden dürften; denn bisher hat Frankreich 5—6 Jahre zur Fertigstellung seiner Schiffe nötig gehabt. Es werden also bestenfalls den 17 deutschen Niesenschiffen zwei französische gegenüberstehen. Rechnet man aber die Linienschiffe des Treadnoughttyps cimnal allein, so ergeben sich im Jahre 1913 13 deutsche Dreadnoughts gegen die beiden genannten französischen. Mit anderen Worten. Frankreich ist durch die schwankende Politik seiner Marineminister ganz erheblich ins Hinter treffen geraten. „Aber," so wird man fragen, „kann denn Frankreich den von Deutschland gewonnenen Vorsprung nicht vielleicht li-:- zum Jahre 1920 noch wieder einholen?" Selbst wenn die französischen Werften sich so schnell auf die neuen Be dürfnisse einrichten könnten, so ist ein so kolossaler Vor sprung doch schwer wett zu machen. Dazu kommt die be deutende Verschiedenheit des französischen und deutschen Marinebudgets. In den letzten beiden Jahren betrug das iranzösische Budget 288, 1910 300 Millionen Mark, während das deutsche Marinebudget sich 1909 auf 105 und 1910 auf 335 Millionen Mark belief. Im laufenden Jahre werden beide Zahlenreihen noch steigen. Damit hat allerdings das deutsche Budget seinen Höhepunkt erreicht; aber wird sich Frankreich dazu entschließen, sein Budget ans einmal um 130 Millionen Mark in die Höhe zu schraube», wo so viele wichtigere andere Gesetzentwürfe noch der Ausführung harren, die wir Deutschen schon seit Jahren zu nuferen Ruhmestiteln rechnen, und deren Segnungen unser Volk überall spürt: z. B. die Sozialgesetzgebung? Man sagt, der »cue französische Minister sei schon ganz zufrieden gewesen, daß er die beiden von seinem Vorgänger geforderten neuen Dreadnoughts sogleich bewilligt bekommen har. Aber ge letzt den Fall, daß Frankreich und Deutschland i» jeden, Jabre künftig zwei große Schiffe auf Stapel legte», so wird doch eben der Riesenabstand zwischen der deutschen und der französischen Flotte bloß verewigt, aber nicht verringert. Nun bat sich der neue sranzösisclx' Marineminister Del- casf^ gerühmt, daß er bis 1920 seine Flotte der deutschen ebenbürtig haben werde; das stimmt nicht ganz. Von großen Kreuzern hat Deutschland 1920 fertig 11, Frankreich dagegen keinen einzigen! In Wirklichkeit dürfen wir ge trost unsere 11 Dreadnoughtskreuzer mit unseren 32 Linien schiffen desselben Typs zusammenrechnen, und dann hätten wir 33 deutsche Niesenschiffe gegenüber 16 französischen. Aber der französische Minister glaubt, daß seine Fest stellungen einen pessimistischen Schluß nicht rechtfertigen. Und wenn er dann fortfährt: Frankreich werde 18, Deutsch land 12 Panzerkreuzer haben, so ist das wieder eine sehr sonderbare Zusammenstellung. Denn in Deutschland rechnet er nur die großen modernen Dreadnonghtskreuzer, wobei wir ihm einen schenken wollen; denn wir rechnen unseren „Blücher" vom Jahre 1906, der 15 800 Tonnen Wasser ver drängt und nur mit 12 21-Zentimeter-'Geschützcn bestückt ist, nicht mit zu den Dreadnoughtskreuzern, sondern wir be ginnen diese Zählung erst mit „von der Tann", der im Jahre 1907 bewilligt, 19 000 Tonnen groß ist und 8 28- Zentimeter-Geschütze führt. Wir rechnen also nur 11 fer tige Riesenkrcuzer, die im Jahre 1917 bewilligt und im Jahre 1920 frontbereit sein würden. Diese Zahlen und Bestrebungen zeigen, wie weit eine Verständigung möglich ist. Frankreich will jetzt seine Hoch seeflotte ausbauen und will dabei mit allem Nachdruck ein- setzen. Hat England seinen Zweimächtestandpunkt, so will Frankreich der deutschen Flotte ebenbürtig sein. Es denkt also gar nicht an Abrüstung, sondern es will unter diesem Schlagwort dafür sorgen, daß seine Seerüstung ungehindert sich entwickeln kann — wie in England. Da wir ein Freund und Anhänger der Abrüstung sind, so bedauern wir sehr diese Entwicklung von seiten Frankreichs. Aus der Praxis der Kirchenfeinde. ES ist eine alte Geschichte, daß die Kirchenfeinde im Verleumden eine förmliche Virtuosität besitzen. Selbst wenn sie wissen, daß die nächsten Tage die Entlarvung der Unwahrheit bringen, so zögern sie nicht, diese in die Welt zu setzen. Sie wissen, daß eben viele, welche die Lüge lesen, nicht die Richtigstellung hören, bet diesen bleibt der ungünstige Eindruck — der Zweck ist er reicht und daS Gift ist in manches Herz ge drungen. Wir haben dieses erst gestern bestätigt ge- funden. Ein Leser unserer Zeitung hatte die Briese deS abtrünnigen Hyazinth Loyson und die angebliche Erwtde- rung deS Prinzen Max. sowie die Antwort des Loyson darauf gelesen; er hatte aber die gleich darauf von uns gebrachte Mitteilung übersehen, daß jener Brief des Prinzen Max eine Fälschung und Mystifikation ist. Wenn dies schon unseren Lesern so geht, wie viel mehr den Lesern nichtkatholischer Zeitungen, die eS meist nicht der Mühe wert finden, mitzuteilen, daß die von ihnen veröffentlichte Antwort des Prinzen eine Fälschung ist. Es kann daher nur von Nutzen sein, wenn wir diese Geschichte einer Intrige nochmals wiederholen. In einem Briefe, den der Privatsekretär des Prinzen Max, Alfons Weinrich. in Nr. 40 vom 17. Februar in dem katholischen Organ „Courrier de Gensve" veröffentlicht, wird mit- geteilt, daß der Prinz am 6. Januar ein Schreiben des H. Loyson bekam. Der Prinz ließ den Brief Loysons völlig unbeachtet. Die „Frankfurter Zeitung" veröffent lichte am 11. Januar einen Auszug davon und teilte zu- gleich mit, die „Revue Moderniste Internationale" werde den Brief im Januarheft bringen. Da erhielt der Prinz von demselben Loyson ein zweites Schreiben, worin er sich auf die Antwort des Prinzen berief, die er durch die Vermittlung der „Tribüne de Gensve" erhalten haben will. Sofort wurde dieses Blatt telephonisch und brieflich in Kenntnis gesetzt, daß der Prinz weder an Loyson, noch an die „Tribüne de Gensve" geschrieben, noch auch einen Grund dazu habe. Diese sofortige Dementierung nützte aber nichts. Denn die „Tribüne de Gensve" schwieg sich einfach aus, während die „Frankfurter Zeitung", das „Berliner Tageblatt" und andere akatholische Zeitungen sofort die Erwiderung des Loyson auf den erfundenen Brief und dann später diesen auch veröffentlichten. Die Freiburger „La Liberts" teilte zuerst die Mystifikation mit und nannte in Nr. 29 am 7. Februar als erste Ur heberin deS apokryphen Briefes des Prinzen die „Revue Moderniste Internationale", die in Gens erscheint. Zu allem Ueberflusse und um die Heuchelei vollständig zu machen, kam mit der Handschrift Loysons, aber ohne Unter- fchrist, datiert vom 20. Februar, eine Postkarte aus Genf an den Prinzen — sie kam aber bereits an, 17. Februar an — mit folgendem Wortlaut: Internationaler Klub, Conches-Gens (Stempel). Da ich benachrichngt bin. daß die Antwort des prtesterlichen Prinzen an den ehemaligen unbeschuhten Karmeliter nicht von ihm hcrrührt. so setzen Sie ihn bitte davon in Kennt- niS. daß ich meine Antwort an ihn vom 4. Februar 1911 (Der Brief war bereits vom 24. Januar datiert. Die Red.) durch Gegenwärtiges zurückziehe und ihm sage: (so^t eine lange Reihe von Verweisungen auf die Heilige Schrift). Aus diesen Worten müßte man schließen, daß Loyson auch trregeführt worden sei. Auffallend ist aber, daß ein Brief deS Prinzen noch nicht in der modernistischen Zeitschrift ver- öffentlicht worden war, obwohl die Erwiderung LoysonS mit seinen salbungsvollen Phrasen bereits die Runde durch die Presse machte. DaS gibt zum Nachdenken An- laß. Aber auch die „Revue Moderniste Internationale" rührte sich. Sie hatte die Frechheit, einen offenen Brief in der „Tribun« de Genöve" zu veröffentlichen und eine „ausführliche Widerlegung" und „ergänzende Aufschlüsse" in Aussicht zu stellen. Darauf erwiderte der Privatsekretär des Prinzen am 6. März in dem „Courrier de GenLve", daß nach den authentischen Mitteilungen keine anderen „ergänzenden Aufschlüsse" mehr gegeben werden können, als daß der Verfasser des gefälschten Briefes namhaft ge macht werde. Vorläufig muß man sich an diese Zeitschrift halten, und von ihr den Namen deS Fälschers verlangen; sehr richtig sagte die „Freiburger Libertä" bereits am 7. Februar: „Der apokryphe Brief deS Prinzen Max von Sachsen an den Expater Hyazinth Loyson hat das Licht der Welt erblickt in der „Revue Moderniste Internationale", die in Gens erscheint ... An dieser ist es. in ihrer nächsten Nummer auseinanderzusetzen, wie sie sich hat mystifizieren lassen. Wo nicht, wird man ihr den Namen beilegen. Revue." DaS ist ein Bild, wie die Kirchenfeinde lügen! Daß Prinz Max auf den Brief deS sensationslüsternen Loyson nicht antwortete, zog durch die Kalkulation einen dicken Strich. Daher wurde eine Antwort des Prinzen erfunden, diese aber erst bekannt gemacht, nachdem die Erwiderung LoysonS in allen Zeitungen stand, um die Neugierde noch mehr auf die Folter zu spannen. Niemand dachte an eine Fälschung. Denn wenn Loyson darauf antwortet, muß Prinz Max ihm geschrieben haben, so schloß jedermann. Erst jetzt kam der frei erfundene Brief. — Diese ganze Geschichte er innert uns lebhaft an die Flugschrift, welche Luther ein Jahr vor seinem Tode erdichtete und verbreitete, als wäre sie von Rom ausgegangen, oder an den dem König Ferdi nand unterschobenen Brief an ihn selbst, womit er seine Verehrer selbst zwei Jahrhunderte lang täuschte. Luther wollte damit seine Freunde ermutigen und die Gegner ver- wirren. Der Fälscher des Prinzenbrieses bezweckte daS gleiche. Wenn Prinz Max dem Loyson schreibt, so mußte daS Ansehen dieses steigen; daher die fromme Antwort des Prinzen und die noch salbungsvollere Erwiderung. Umso größer ist der Schaden der Entlarvung. Wer mit solchen Mittel kämpft, der hält seine Sache für verloren. Politische Rundschau. Dresden, den 18. März ISN. — Da» Krovprinzeupaar gedenkt am 24. März von Kairo nach Korfu abzureisen. — Der Reichstag erledigte am Freitag bei der Be ratung des Reichsamts des Jnnem eine Anzahl von Kapiteln ohne wesentliche Debatte. — Im preußischen Abgrordueteuhause wurde die Beratung deS Kultusetats fortgesetzt beim Titel höhere Lehranstalten. Abg. Heß (Zentr.) trat für die Erhaltung des humanistischen Gymnasiums ein und die Debatte drehte sich im allgemeinen nur um für oder wider Realgymna sium oder humanistisches Gymnasium. Letzterem steht der Minister v. Trott zu Solz wohlwollend gegenüber. Freitag abend findet eine Sitzung statt. — Preuße» und der Batikau. Die „Kreuzztg." hat in ihrer Sonntagsnummer angedeutet, daß die Uebergehung deS preußischen Gesandten beim Vatikan durch die Kurie vielleicht von der Absicht diktiert sei, auf solche Weise die Ernennung eines katholischen Gesandten zu erreichen; denn mit den katholischen Diplomaten setze sich die Kurie stets vorher ins Einvernehmen, wenn sie Erlasse an Diözesen der beim Vatikan vertretenen Länder vorbereite. Der „Schieß. Ztg." wird hierzu geschrieben: „Schwerlich besteht diese Ausfassung bei der Kurie selbst. Die Kurie kennt ohne Zweifel den Standpunkt Preußens, daß sein Gesandter beim Vatikan darum kein Katholik sein darf, weil er ungehindert durch die Möglich keit, mit Kirchenstrafen belegt zu werden, als Macht gegen Macht zu verhandeln hat. Aus diesem Grunde ist Preußen bei der Kurie wohl durch einen Nichtpreußen, wie den Bayern Frhrn. v. Rothenhan, aber niemals durch einen Katholiken vertreten gewesen." Das letztere ist aber zu bedauern, wie das Beispiel anderer Länder zeigt; diese haben auch Katholiken und fahren dabei sehr gut. Manches Mißverständnis wäre nicht entstanden, wenn ein überzeugter Katholik in Rom als Gesandter tätig sein würde.