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Mittagssonne — immer am Hange des Hochwalds hin bis nach Hain. So sind wir rings um das Oybiner Tal gewandert. Nun haben viele einen tüchtigen Durst, weshalb wir im ersten Haus an der Straße uns Wasser erbitten. Auf grüner Wiese lagern wir noch ein Weilchen, „wippen" in fröhlichem Spiel ein paar Nimmermüde. Dann wird das letzte Stück des Heim wegs angetreten. Aber es sollte nicht ganz ohne Unterbrechung abgehen. Steht da in Jonsdorf vom letzten Feuerwehrsest her eine Luftschaukrel mit 8 schönen, weißen Kähnen — lockt na- türlich jedes junge Herz. O das wäre sein! Aber der Preis! Nein, soviel können wir nicht ausgeben. Doch nur nicht so schnell zufrieden geben: vielleicht Kriegen wirs wenigstens billiger. Da Fragen frei ist, wird eine Abordnung in den Möbelwagen geschickt und der Lehrer steigt gleich hinterher. Werden junge Menschen nicht Glück haben! Alle dürfen wir fahren. Die freundliche Frau macht die Kähne los und bald sind alle in lustigem Schwung. Mit aller Kraft Kämpfen sie, um die höchste Höhe zu erreichen. Neidisch sehen die unten Stehenden zu, bis wir wechseln, bis das Treiben zum zweiten Male beginnt. Und wieder so hoch. „Und ich war doch am höchsten!" „Na, so hoch wie der Lehrer waren wir auch!" Mögt es immerhin sein! Die strahlenden Gesichter scheinen der Frau Dank genug auszudrücken, keine Entschädigung will sie annehmen. Wir drücken ihr die Hand und ziehen dann jubelnden, fröhlichen Herzens dem Heimatdörflein zu. Leise, unmerklich senkt sich der Abend hernieder, stiller wirds auch in uns; aber lange klingt nach das Erleben des heutigen Tages, geht unter im Traum, schläft fort in der Erinnerung. Fugend freude — Kraft fürs Leben — ist selten, tut bitter not. Ein Maitag! ls am 30. April überall in der Nähe und in der Ferne auf den Berge» die Walpurgisfeuer aufflamm- ten, da machte die ruhige, stille Nacht dem sonst wetterwendischen April ein Ende. Auch die sonst so gefürchteten „Eisheiligen" machten sich in diesem Fahre ganz leidlich, abgesehen von einigen kalten Regenschauern, die jedoch den Boden auf lange Zeit hinlänglich getränkt haben. Der volle Mühlbach treibt lustig das triefende Rad, und im Wipfel der hohen Linde nistet der Star. Sein Weib chen, im schlicht grauen Alltagskleide, brütet emsig, während Pater Starmatz vom höchsten Zweige aus Umschau hält in seinem schillernden, knapp und glatt anliegenden Fedeikleide. Rings umher ist alles Glanz und Freude. Die Bäume wett- eifern, einander im jungen leuchtenden Blätter- und Blüten schmuck zu überbieten. Die Eiche, Erle u. a. haben ihr Laub gewebe noch nicht ganz fertig, während die Buche bereits in voller Pracht sich präsentiert. Ein schöner Maitag in einem malerischen Tale des Vorgebirges ist die schönste der Blumen, welche der empfäng liche Freund der Natur auf der Flur eines Iahreslaufes pflückt. Unser liebes Vaterland ist ja so reich an solchen traulichen, herrlichen Tälern. Schau dich doch um! Komm und begleit« mich in den Harz, den Thüringerwald, das sächsisch-böhmische Erzgebirge, den Schwarzwald, den Taunus u. a. Doch warum denn so weit? Bietet nicht unser liebes Schlesien eine geradezu erstaunliche Fülle von erhabenen Gebirgstälern? Oder ist nicht in unserer nächsten Nähe solch «in reizvolles Tal? Alle, alle bergen solche heimliche Schlupf winkel der jungfräulichen Natur. Geh mit mir in die Natur an einem taufrischen schönen Maientage! Die Morgensonne geht auf. Aufgelöst in einzelnen Funken blitzt sie durch die Zweige der hoch auf dem Berge stehenden Bäume, oder be leuchtet voll die Höhe der aufsteigenden Bergwand, die unter voller Buchenbelaubung verhüllt ist. Das Tal ist anfänglich breit genug, um einigen Häusern und Gärtchen noch Raum zu geben. Allmählich wird der Raum schmäler, Häuser und Gärten verschwinden, jetzt be- ansprucht der Gebirgsbach die Herrschaft in der Talschlucht. Der Pfad an seinem Ufer ist nicht ohne Mühe den Felsen abgewonnen, die sich in den Wellen baden. Zahllose Steine von allen „Größen" unterbrechen und beengen seinen Lauf; endlich gelangt der Überfluß seines Wassers in die weite See. An der Quelle standen tiefschwarze Fichten, Tannen u. a., die sich langsam verlieren, sobald das Bächlein ins erweiterte Tal sich ergießt. Jetzt findet man größere oder kleinere Plänchen von Sauerklee mit seinen auf zarten Stielchen hängenden schneeweißen Glöckchen. Auch kannst du auf verfaulten Baum- stümpfen den Storchschnabel erblicken, dessen Geruch uns wider- wärtig berührt. Im Gesträuch von Haselnuß, Birke und Erle erblickst du die herrlich duftenden Maiglöckchen, umhüllt ganz zart von zwei grünen Blättern. Am Bachrande, fast im Wasser hängend, erblickst du die Brunnenkresse. Fm Gezweig der Bäume ertönt munterer Vogelsang, und im nahen Getreide felde steigt die Lerche in die Luft, ja sie klettert förmlich und jauchzt und schwirrt ihr Lob- und Danklied ihrem Schöpfer. Schon in der Morgenfrühe pfeift die Amsel, sie, die man mit vollem Recht die Solosängerin des Waldes nennt. Jetzt stimmt die Drossel mit ein, und ein herrliches Duett schallt durchs Geäst. Dazwischen hörst du den Kuckuck, und der Specht, der eifrige Zimmermann des Waldes, läßt sein „Knarr, knarr" ertönen. Trittst du aus dem Tal ins Freie, welch frische, Kühle Luft umfängt dich! Und nun das unermüdliche Blütenmeer! Sie alle, die weißen, roten, blauen und gelben Blümchen, sind die Zierden des Weges, auf dem der holde Mai seinen Einzug hält. Und geht solch ein holder, sonniger Maitag zu Rüste, dann kehre nochmals am Abend zurück in jenes Tal, welches du in der Morgenfrühe durchwandert hast. Welch ein Zauber umfängt dich! Die Blütenkelche haben sich geschloffen, still ists im Gehölz; die Vögel gingen schlafen. Da hebt zuerst ein leises Zwitschern an, es wird ein Flöten daraus, jetzt ists ein Schmettern, jetzt ists ein Jauchzen, zuletzt ein Klagen. Weißt du, welch zartes Vöglein dir das singt? Es ist die Königin der Sänger, die Nachtigall, von der der Dichter sagt: Nachtigall! auch dich schon hör' ich, Schluchzend langgezogene Töne, Wie du flötest seligtrübe, Und dein Lied ist lauter Liebe! Walter Vogel, Reichenbach. Gesellschaft sür Lausitzer Schrifttum heißt die bisher unter dem Namen „Freie Vereinigung Lausitzer Schriftsteller" bestehende Bereinigung, die am 8. und 9. Mai in Bautzen (im Fremdenhof zum „goldenen Adler") ihre Frühjahrstagung und gleich- WWW zeitig ihre diesjährige Hauptversammlung abhielt. Da gleichzeitig eine ganze Anzahl großer Verbände tagte, war in der alten Bezirkshauptstadt eine gewisse Quartiernot ein getreten, die die Besuchsziffer am ersten Tage einigermaßen beeinträchtigt haben mag. Nicht alle Mitglieder hatten es so bequem, wie z. B. die Löbauer, die am ersten Verhandlungs tage spät abends zur Übernachtung nach Hause fahren und am Sonntagmorgen rechtzeitig wieder zur Stelle sein konnten. Trotzdem war die Versammlung sehr gut beschickt, aber ein Teil der Herrschaften fand sich doch erst am zweiten Tage früh ein. Überraschend gut war außer Bautzen die Stadt Löbau vertreten. Aus der preußischen Oberlausitz waren die Herren von Lauban und Marklissa erschienen, dagegen glänzten die Mitglieder aus dem Zittauer Winkel mit Ausnahme von zweien durch Abwesenheit. Die Dresdener Herren waren vollzählig zur Stelle. Mit besonderer Genugtuung begrüßte man den Dichter komponisten Dr. Max Burkhardt aus Berlin, der der er gangenen Einladung gern gefolgt war. Er ist ein Bollblut lausitzer reinster Observanz; der Geburt nach Löbauer, der Er ziehung nach Zittauer. Seinen schöpferischen Ruf verdankt