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Wochenblatt für Reichenbllmd, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vcrtheilt. 32. Sonnabend, den 13. August 1SV4. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition tReichenbrand, Pelzmühlenstraste 47 v), sowie von den Herren I. Oebser, Barbier Kirsch in Reichenbrand. Buchhändler ClemenSBahnerin Siegmar und Kaufmann Emil Winter in Rabenstcin entgegengenommen und pro Ispaltige EorpuSzeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Am I. August d. I. war der L. Termin der Grundsteuer fällig und ist bis spätestens de» »S. August d. I. an die hiesige Ortssteuereinnahme zu bezahlen. Reichenbraud, am 29. Juli 1904. Der Gemeindevorstand. MogeÜ Bericht über die Sitzung des Gemeinderates zu Siegmar am 29. Juli 1904. Vorsitzender: Herr Gemeindevorstand Klinger. Nach Kenntnisnahme der Eingänge beschließt man, das Ortsstatut — Errichtung einer Freibank belr. — vorschlagsgcmäß abzuändern. Man genehmigt ferner die Übertragung der auf dem Lindcnschlößchcn ruhenden Schankkonzession ans den neuen Besitzer desselben. Die Aufstellung eines Ortsgcsetzes, die Beauf sichtigung der Wasserspülabortanlagcn betr., wird dem VerfaffungSauSschusse übertragen. Zwei Baugesuche finden Genehmigung. Ebenso stimmt man den Vorschlägen des SparkaffenauSschuffes, betr. Hypothekcn-Auslcihungcn, zu. Zum Rathausneubau werden die Wasscrlcitungs- unlagc, die Dach- und Schieferdecker- sowie Klempner Arbeite» vergebe». In Sachen des Elektrizitätswerkes genehmigt man einen beantragten Ncu-Anschluß und ferner wird vom Gutachten der Sachverständigen, Vergröberung des Werkes betr., Kenntnis genommen. Die Sühne des Fischers. Original-Erzählung von Ludwig Blü nicke. (6. Fortsetzung.) tNüchdrmk oMx-ken). Jens lud Peter ein, mit ihm auf die See hinaus- zufahren, doch dieser hatte keine große Lust dazu, er dal den Freund noch einmal recht herzlich, heute zur Abschiedsfeier zu kommen und begab sich dann eiligen Schrittes zu seinen beide» Genossen, um denselben den Plan zu eröffnen, der ihm soeben in den Sin» gekommen war. „Der Becher ist für uns doch noch nicht verloren," sagte er. „Peter Lund hält ihn i» seiner Schlafstube verborgen. Ich werde ihn ohne Mühe dorr hcrausbckommen. Wir müsse» uns nur noch ein wenig Geduld lassen und noch ein paar Tage länger hier bleibe», als wir uns vorgenonnnen haben. Mit dem dummen Jens werden wir, hoffe ich, in dieser Woche fertig werden. Dan» kommt Peter Lund an die Reihe. Wir weihen ihn auch in unser neues Spiel ein und laden ihn öfter Abends zu einer Partie ei». An einem Abend werde ich dann wegen einer beliebigen Unpäßlichkeit nicht am Spiel teilnehmcn können. Ihr macht Peter gehörig betrunken, und ich schleiche »ach Solgaard. Weiß >a dort gut genug Bescheid. Werde leicht unbemerkt in sei» Schlaf zimmer gelangen und den Becher erwischen. Das wäre eine Wonne!" Der Plan war den beiden Genossen recht ein leuchtend. „Wenn es nur mit dem Jens glücklich abläuft," sagte Schmidt dann, nachdem man den neuen Dieb stahl genügend besprochen und überlegt halte. „Sei ganz ohne Sorge," erwiderte Peter. „Ich habe den Tölpel völlig in meiner Hand. Unser Likör wird seine Sinne heute so benebeln, daß wir mit ihm machen können, was wir wollen. Huiidertnndsünfzig Krone» muß er uns schulden. Dann mache ich es, wie wir beschlossen haben. Er muß das Geld schaffen. Habt nur acht, wie das alles schön nach dem Schnürchen gehe» wird. Aus dem ehrlichen Fischer habe ich nicht nur einen leidenschaftliche» Spieler gemacht, ich werde auch einen verwegenen Spitzbuben aus ihm machen." Peter Nielsens Zimmer war zur Abschiedsfeier festlich geschmückt. Der Wirt, der mit stiller Freude dem Tage entgegensah, an dem ihm die drei vor nehmen Gäste in nobler Weise seine nicht unbedeutende Rechnung begleichen würden, hatte zuguterletzt noch alles getan, um sich ei» gutes Andenken bei den Herren zu sichern. Die feingcschliffenc Karaffe mit dem goldig- schiininerndcn Likör und die zierlichen Gläser, die dort auf dem Tisch standen, hatte er eigens für die Abschieds- fcier, an der verschiedene Schulkameraden von Peter Nielsen teilnchme» sollten, angeschafft. Nun machte ihm der Spitzbubenkönig eben die Mitteilung, daß heute die Feier »och nicht stattfindet, daß nur Jens Olufscn wie gewöhnlich zu einer Partie erscheinen würde. Der Likör sollte aber trotzdem probiert werden. Der Wirt war mit allem einverstanden und zog sich, wie fast immer, wenn nur ein einzelner Gast die Herren besuchte, zurück. Jens kam dann ziemlich erregt zur gewöhnlichen Stunde. Peter füllte die Gläser mit dem goldst Naß und sagte mit wohlwollender Miene: „Was Du heute zu trinken bekommst, lieber JenS, ist Dir i» Deinem Leben noch nicht geboten worden. Es ist ein Likör, den man bei Hose zu trinken pflegt. Ich wollte ja heute eigentlich mit »'.einen guten Frcnnden Abschied feiern. Aber nun Haie ich beschlossen, noch einige Tage zu bleiben. Deswegen lud ich außer Dir niemand ein." Jens kostete den Likör. Er brannte wie Feuer und schnürte ihn fast die Kehle zusammen. Aber gut mußte er sei», denn schon das eine Glas hatte ein seltsames Behagen, eine eigentümliche Anregung der Sinne zur Folge. Schon war das Glas wieder gefüllt. Jens aber mußte es trotz seines Weigerns hinunter- stürzcn. „Nur gleich noch eins," nötigte Peter, das leere GlaS wieder füllend, „betrunken wird man davon nicht. Es ist ein wahrer Zaubertrank, der Kranke gesund und Alte jung macht. Trinke nur." „Ich bin kein Säuser," sagte Jens, zögernd de» Trunk an seine Lippen führend. „Dies ist das letzte Glas, mehr kann ich nicht vertragen, ich fühle mich schon jetzt fast betrunken." Doch ans vieles Nöthen und Zureden der Herren, die übrigens von dem Likör nicht mehr als ein Glas tranken, da er ihnen nichts Neues war, wie sie sagten, ließ Jens sich verleiten, »och einige Gläser zu trinken. Was Peter gewollt, war geschehen. Der junge Fischer war berauscht. In heiterste Stimmung ver setzt durch das starke Getränk, war er mit allem, was die drei Herren von ihm verlangten, einverstanden. Bis lange »ach Mitternacht spielte er Karten und merkte gar nicht, daß er immerfort verlor. Dann nahmen Peter Nielse» und Schmidt ihn am Arme und brachte» ihn, so geräuschlos, wie es eben möglich war, »ach Hause. VIII. „Merkwürdig, daß Jens »och nicht ausgestanden ist," sagte am nächsten Morgen der alte Olussen zu seiner Frau. „Es ist sieben Uhr, und sonst schläft er nie länger als bis vier. Will doch einmal sehen, ob ihm etwas fehlt." Jens lag wirklich noch zu Bette und schlief fast wie ein Toter. Erst durch Rütteln und lautes Rufe» gelang es seinem Vater, ihn wach zu bekommen. Es war ihm schrecklich zu Mute, wie sich das nach dem ungewohnten Rausche erwarten ließ. Seine Sinne waren noch völlig verwirrt, er war kaum im stände, seines Vaters besorgte Fragen zu beantworten. Was eigentlich gestern mit ihm passiert war, wußte er nicht mehr. Nur das war ihm noch in der Er innerung, daß er im „schnellen Segel" einen seltsame» Likör getrunken. Ob er nachher beim Kartenspiel gewonnen oder verloren hatte, davon hatte er auch nicht die mindeste Ahnung. Als der Vater ihn nun kopfschüttelnd ansah und wieder sagte: „Was ist nur mit Dir geschehen, Jens, Du bist bleich wie ein Toter und gibst mir ganz konfuse Antworte», was ist es nur, soll ich de» Arzt rufen?" „Nein, nein," sagte Jens, seine Gedanken mit Gewalt zusammenraffend. „Nein, nein, nicht den Arzt. Ich bin — ich —, es ist nichts Schlimmes, — habe nur eine — eine schlaflose Nacht gehabt — muß mich gestern etwas erkältet haben — will nun gleich an die See laufen, um das Versäumte nächzu- holen." Nicht minder besorgt als der Vater war natürlich auch die Mutter. „Es ist etwas nicht mit Dir in der Ordnung, mein Sohn," sagte sie mit sehr ernster Miene. „Ich habe längst gemerkt, daß Dir etwas fehlt. Du bist so blaß geworden in den letzten Wochen und Du träumst so viel. Was quält Dich?" „Ist cs Eisersucht?" „Ach, Mütterchen," erwiderte Jens mit mühsam erzwungenem Lächeln. „Was seit Ihr doch immer gleich ängstlich! Alles ist Einbildung. Mir fehlt nichts. Wie gesagt, ich schlief erst sehr spät ei», weil, nun weil ich mich eben nicht so ganz wohl fühlte, aber jetzt ist alles vorüber. Ich stehe sofort auf und gehe an meine Arbeit." „O weh, o weh," sagte der junge Fischer zu sich selber, als er eine Stunde später in sein Schiffchen stieg, „was ist aus mir geworden! O Gott sei mir Einer Sunde folgt die andere. Ein Spieler, ei» Säufer, ein ehrloser, seiger Lügner bi» ich geworden. Einem falschen Freunde habe ich vertraut, er hat mich verführt. Nie, nie kann ich meine Schuld sühnen, nie kann ich den guten Eltern und meiner Braut ohne Erröten ins Auge schauen. Das war eine furchtbare Erkenntnis. Sie quälte JenS weit mehr, als der Gedanke an die Spielschulden, die er in seiner blinden Leidenschaft gemacht hatte. Unmöglich konnte er dieselben gestern in seinem Rausche durch glückliches Spiel getilgt haben, das müßte er ja wissen. Es konnte »ach seiner Meinung überhaupt nicht mehr viel aus deni Kartenspiel geworden sei», denn er mußte ja schon nach den ersten Gläsern jenes teuflischen Getränkes völlig betrunken gewesen sein. Da Peter Nielse» reich war, so hatte die Schuld nicht viel zu sagen, sie konnte im Lause der Zeit ab gezahlt werden. Wenn nur sein reines Gewissen nicht durch das elende Spiel vernichtet wäre. Aber das war nun einmal der Fall, und das empfand JenS heute mit bitterem Weh. Um sich über den Verlauf des gestrigen Abends Aufklärung zu verschaffen, begab sich der junge Fischer gleich nach seiner Landnng mit dem Fischkorb zum „schnellen Segel." Aus Peter Nielsens Zimmer drang ihm lautes Lachen entgegen. Die Herren mußten sich, darnach zu schließen, in heiterer Stimmung befinden. Doch »ein, Jens hatte sich offenbar getäuscht als er lautes