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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020714024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902071402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902071402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-07
- Tag 1902-07-14
-
Monat
1902-07
-
Jahr
1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren sür Jiachweisungeu und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefal-t), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung V0.—, mit Postbeförderuog 70.—» Innahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Ahr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr, Antigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. Nr. 353. Montag den 14. Juli 1902. 98. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. Juli. In einer CentrumScorrespondenz wird als unerläßliche Voraussetzung für die Ueberwindung von Obstruktions bestrebungen gegenüber dem Zolltarif bezeichnet, daß über die wichtigsten Puuclr des Tarifs eine feste Verständigung sowohl innerhalb des Reichstags als mit der Regierung baldigst erzielt werde, und die „Freisinnige Zeitung erklärt, daß sie niemals einen Zweifel darüber gehegt bade, wenn sich eine feste Mehrheit sür den Zolltarif zu sammenfinde, werde es dieser gelingen, seine Durchberathung noch in . der gegenwärtigen Tagung des Reichstags durch zusetzen. Beide Auslassungen, die eine von dem Zolltarif freundlicher, die andere von entschieden gegnerischer, aber in dieser Frage unbefangen urtheilender Seite, stimmen also darin überein, daß die Bildung einer festen und geschlossenen Mehrheit für die Hauptpunkte des Zolltarifs die Voraus setzung für einen positiven Abschluß der Verhandlungen vor Schluß der Legislaturperiode bildet. Daß eine solche Verständigung nur dann zu dem erwünschten Ziele führen würde, wenn sie sich zugleich auf die verbündeten Regierungen erstreckt, d. h. wenn sie sich in den Hauptpunkten auf den Boden der Regierungsvorlage stellt, ist selbst verständlich und braucht daher hier nicht uoch eingehend erörtert zu werden. Jene beiden, aus den entgegengesetzten Lagern auf Grund der bisherigen Erfahrungen bei den Zolltarisverhandlungen kundgegebenen Meinungen enthalten aber zweifellos eine höchst beberzigenswerthe Mahnung an alle Anhänger eines verstärkten Schutzes der natio nalen Arbeit in der Tariscommission sowohl als im Reichstage selbst. Es unterliegt an sich wohl kaum mehr einem Zweifel, daß eS nicht nur absolut geboten ist, die verschiedenen während der Zolltarifverhand- lungen innerhalb der Mehrheit des Reichstags hervor getretenen Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und sich auf einer mittleren Linie fest zu verständigen, sondern auch, daß für diese Verständigung nicht mehr lange Zeit zu verlieren ist. Schon ist in der Zolltariscommission viel kostbare Zeit verbraucht worden, sodaß auch bereits von be freundeter Seite ernstliche Zweifel daran laut geworden sind, ob es noch möglich sein werde, gegenüber den ObstructiouS- bestrebungen der Freihändler den Tarif rechtzeitig unter Dach zu bringen. Wenn diese Befürchtungen sich nicht verwirk lichen sollen, muß aber jetzt jedenfalls ohne Verzug dafür gesorgt werden, daß die Mebrheit diesen Bestrebungen gegen über wieder festgeschlossene Phalanx bildet, und zwar wird man den Zeitpunkt für diese Verständigung nicht wie cs im Reichstage sonst wobl üblich ist, in die Pause zwischen der zweiten und dritten Lesung verlegen dürfen. Vielmehr erscheint es Angesichts der durch die ObstructionStendenzen der Gegner hervorgerufenen ausnahmSweisen Lage geboten, schon mit einer solchen festen Phalanx und zwar aus einer Grundlage, welcher die Zustimmung der Verbündeten Regierungen gesichert ist, in die zweite Lesung des Zolltarifs im Plenum rinzutreten. Schon in der Commission wird daher die notbwendige Ver ständigung zwischen den verschiedenen Theilen der schutz- zöllnerischen Mehrheit unter sich und mit den verbündeten Negierungen herbeizufübren sein, um so die unerläßliche i Voraussetzung für die Ueberwindung der bestehenden! ObstructionSbefirrbuogen rechtzeitig zu schaffen. — Die Nachricht übrigen«, daß eine Aenderung der Geschäftsordnung von der Mebrheit der Zolltarif commission geplant sei, ist, wie eine CentrumS- correspondenz erklärt, überhaupt nicht wahr. Innerhalb der Mehrheit der Zolltarifcommission bestehe weder der Plan, die Geschäftsordnung zu ändern, noch habe ein solcher Plan überhaupt bestanden. Dann heißt eS in der CentrumS- correspondenz weiter: „Wenn übrigens der „Vorwärts" die Sache so darstellt, al« mache die Socialdemokratie tn der Commission von demselben Rechte Gebrauch, wie die Mehrheit eS bei den laodwirthschaftlichen Zöllen u. s. w. getban habe, so trifft da« nicht zu. Dem „Vor wärts" dürste eS schwer fallen, auch nur einen einzigen Antrag der Mehrheit namhaft zu machen, von dem sich nachweisen ließe, daß er nicht ernst gemeint gewesen ist. Daß aber die Socialdemokratie eine ganze Menge von nicht ernst gemeinten Anträgen stellt, darüber sind mit den Zolltarisfreunden weite Kreise der National, liberalen und des Freisinns einig. Auch steht e- einer Partei schlecht an, von „dem verbrecherischen Rütteln an den Grundlagen Les Reichstages" zu reden, die selbst die Obstruktion und damit die Untergrabung des Parlamentarismus in Deutschland eingeführt hat. Wenn hier von einem „Verbrechen" an den Rechten des Volkes die Rede sein kann, so liegt das Verbrechen aus socialdemokra tischer Seite." Ueber den Fall Vetter in der Schwel; äußert sich Theodor Mommsen in einer Zuschrift an die „Union": „In diesem leidigen Handel daS Wort als Autorität zu nehmen, liegt mir fern; auch paßt auf Fragen dieser Art überhaupt die Autorität nicht. Aber ich habe meine Schweizer Jugendjahre und meine Schweizer Freundschaften nicht auS dem Sinn verloren und darum folge ich Ihrer Aufforderung, allerdings mit dem Bewußtsein, nichts sagen zu können, als was jeder Verständige sich selber sagt und daher ungesagt bleiben könnte, da nian doch bei össentlichem Reden sich den thörichten Theil des Publikums wegdenkt. Die Civilisation ist kein Monopol eine- einzelnen Volkes; in unseres Vaters Reich sind viele Provinzen und das Sein und Schassen eines jede» Einzelnen ist bedingt durch das Sein und Schassen der ganzen großen Geisteswelt. Aber in dem allgemeinen Völkerconcert haben die großen Sprachgemeinschaften die führenden Stimmen, und einer solchen anzugehören, ist ein nicht zu unter- schätzendes Glück. Di» ungeheuren Verschiedenheiten, welche innerhalb einer jeden dieser Gemeinschaften bestehen, werden durch die Sprachgleichhett nicht bloS nicht aufgehoben, sondern kommen erst durch sie zu rechtem und vollem Ausdruck. Dies gilt namentlich auch von den staatlichen Verschieden heiten. Jeder rechte Mann ist ein animal politicum, und da durch die staatliche Eigenart bedingte Geistesleben deS Einzelnen wie des Stammes kann innerhalb des gleichen Sprachgebiets den verschiedensten, selbst gegensätzlichen Ausdruck finden. SS hat nie einen besseren Oesterreicher gegeben als den Dichter deS Ottokar und des Radetzkyliedes; schwerlich hat di« Schweizer Eigenart einen mächtigeren Ausdruck gesunden als einerseits in dem Verfasser deS „Emil", andererseits in dem Dichter der „Leute von Seldwyla" und in dem Pfarrer Jeremias. Für die großen staatlichen Com« plexe ist eS «in Glück, wenn ihr« Sprache nicht beschränkt ist aus ihre Grenzpfähle. Vor allem uns Deutschen ist es sür unsere geistige Freiheit von Nutzen gewesen und heute noch von Nutzen, daß deutsch geredet und geschrieben wird auch da, wo Kaiser und Reich nichts mehr zu befehlen haben. Wenn über diese Allgemeinheiten bei allen Einsichtigen keine Meinungsverschiedenheit besteht, die Civilisationsgebiete, so weit sie überhaupt abgcgrenzt sind, diese Grenzen finden nicht an dem staat lichen Schlagbaum, sondern an der lebendigen Rede, so folgt daraus allerdings, Laß die deutsche Schweiz so gut eine deutsche Provinz ist, wie Schleswig-Holstein und Bayer», und daß sowohl Bajuvaren wie Helvetier sich das müssen gefallen lassen. Daß der Berner Bär zu brummen ansängt, sowie die Schweiz eine deutsche Provinz genannt wird, ungefähr wie der zimperliche Backfisch erröthet bei der Nennung der Hosen, ist eine keineswegs berechtigte Eigenthümlichkeit, und die Straf» dafür, daß er aus- gelacht wird, so weit die deutsche Zunge reicht, kann ihm Niemand ersparen. Zu bedauern ist freilich, daß nicht bloß grüne Jungen, sondern auch ehrbare Körperschaften sich solchem Gelächter ansseyen. Aber diese Schweizer Nervosität, die leider ost genug zu Tage tritt, hat doch auch ihre ernste Seite und damit eine gewisse Ent- schuldbarkeit. Es ist ein psychologisches Räihjel sowohl wie eine historische Thalsache, daß es kein stärkeres politisches Binde- mittel giebt, a!s die Sprache. Daß Frankreich in allen inneren und äußeren Krisen in fester Geschlossenheit zusommengehalten hat, verdankt es in erster Reihe seiner ebenso schönen wie glücklich gepflegten Sprache mit dem, was daran hängt; und was hängt nicht an der Sprache? Umgekehrt erfahren wir es mit jedem Tage mehr, daß, so weit Goethe und Kant reichen, wir uns wohl schlagen, aber auch vertragen, daß ober, wo diese Gemein- schast aufhört, der Bürgerkrieg unversöhnlich ist, darum vielleicht nur noch gefährlicher, weil in ihm die Kugeln nicht fliegen und weil unsere politische Quacksalberei nirgends sich so blamirt, wie in der polnischen Frage. Diejenigen Staaten, welchen dieses Bindemittel der gleichen Hauptsprache jehlt, wie Belgien und die Schweiz, sind insofern politisch in schweiem Nachiheil. Daß trotz dieses Nach. theilS die Schweizer ein ihren drei Sprachgebieten gemeinschaft liches Einheitsgesühl entwickelt haben, das manchem Sturm getrotzt hat und noch manchem ferner trotzen wird, das aber allerdings jene Nervosität nicht völlig zu bannen vermocht hat, ist eine Leistung die vom politischen wie vom humanen Standpnnct aus nicht hoch genug anerkannt werden kann. In solcher Anerkennung sollten wir Nachbaren dem Berner Bären sein unzeitiges Brummen nicht Weiler nachtragen. Daß und wie wir zujammengehören, wissen die deutschen Schweizer, und wissen wir auch." Die diesjährigen französische« See manöver werden unter der Oberleitung des Admirals Gervais im Mittel ländischen Meer abgehalten werden, nach der Vereinigung des Nordseegeschwaders mit der Mittelmeerflotte am l2. Juli beginnen und in der zweiten Augustwoche ihr Ende erreichen. Vom 12. bis 15. Juli findet von Seiten beider Geschwader Uebernahme von -Kohlen und Proviant statt, und zwar sür die Nordseeflotte im Hafen von Oran, für die im Mittelländischen Meer stationirte Flotte in Algier. Am l6. Juli beginnen die Manöverbewegungen, zunächst im ge meinsamen Verbände. Beide Flotten besuchen in der Zeit vom l6. bis 26. Juli die algerischen Häfen und halten gleichzeitig kriegsmäßige Hebungen ab, unter denen Küstenangriffe, Landungsversuche, besonders ein Angriff der Kreuzerflottille auf den theilS fertigen, theils noch im Bau befindlichen neuen Hafen von Bizerta bemerkenSwerth sind. Vom 28. Juli ab manövriren die Geschwader einzeln und gegeneinander an der südfranzö sischen Küste, bei Corsica und längs der tunesischen Küste. Den Abschluß ter Manöver bildet eine Parade über die Landungs truppen, die am 6. August in Toulon ausgeschifft werden. Wie die beabsichtigte Verwendung der Kreuzerflotte bei Bizerta zeigt, wird während der diesjährigen Flotten manöver das Hauptgewicht auf die taktische Brauchbar keit der Kreuzerflotte gelegt werden, auch solle den verschiedenen Systemen " der Kohlenübernahme, sowie den Ansprüchen der verschiedenen Maschinentyps an die Quantität und Qualität deS Feuerungsmaterials besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden. Welche Bedeutung auch sonst seitens der französischen Marine verwaltung den bevorstehenden Flottenmanövern bei gemessen wird, geht daraus hervor, daß alle in Officiers- stellen befindlichen Zöglinge der höheren Marineschulen zur Theilnahme an den Flotteniibungen commandirt sind; auch :wei der an diesen UuterrichtSanstalten thätigen Lehrer, die Commaudanten Aubry und Lcphay, werden während der Dauer der Manöver an Bord des „Bouvet" anwesend sein. Deutsches Reich. -A- Leipzig, 14. Juli. Für den am 1. Oktober in den Ruhestand tretenden ReicbSgericktsratb Reincke ist der preußische Oberlandesgerichtsratb Wundsch in Marienwerder zum Reichsgerichtsrath ernannt worden. — Der Neu ernannte begann seine Ricbterlaufbabn 1875 als Gerichts- asftssor, wurde iu demselben Jahre Kreisrichter, im Jahre 1879 Amtsrichter in Pr. Stargard, 1887 Landrichter in Thorn, 1889 Landgerichtsrath und 1893 OberlandeSgerichts- ratb in Marienwerder. * Leipzig, 14. Juli. Vom Deutschen FeuerversicherungS- Schutzverband zu Berlin wird uns geschrieben: Kürzlich wurde eine Notiz durch die Presse verbreitet, daß die Ver sicherung».Gesellschaften gegen ein zu tiefes Eingreifen der Gesetzgebung in das Versicherungswesen deshalb Be denken hätten, weil dann angeblich die ausländische Concurrenz einen Vorsprung gewinnen werde. Diese Notiz ist unseres Erachtens geeignet, in den Kreisen des Publikums mißverständ liche Auffassungen über die Tragweite des neuen Gesetzes zu erregen. Obwohl die Sachverständigen - Beratungen vor einigen Wochen im Reichsjustizamt über den von diesem vor gelegten Entwurf eines Gesetzes über die privatrechtliche Regelung des Versicherungswesens vertraulich zu behandeln sind, so dürfen wir, nach Mittheilungen unseres Geschäfts führers, der an jener Conferenz theilgenommen hat, zur Auf klärung des Publikums jedenfalls soviel sagen, daß die aus ländischen Gesellschaften selbstversiändlich dem neuen Gesetze nicht weniger unterliegen werden als die in ländischen, sodaß von einem Vorsprung der ausländischen Concurrenz nicht die Rede sein kann. Das neue Gesetz giebt aber möglicher Weise Gelegenheit zu einer liberaleren Gestaltung deS Versicherungswesens. Es wird Sache der inländischen Gesellschaften sein, von dieser Gelegenheit reichlich Feuilleton. Susanns. 17j Roman von B. Herwi. > Nachdruck vertotm. Sechstes Capitel. Die Parterreräume !>cö eleganten Hotels am Pots damer Platze erstrahlten in feenhaftem Glanze und lieben so die exquisiten Schönheiten der inneren Ausstattung völlig zur berechtigten Geltung kommen. Venetianische Kronen und Wandleuchter, kostbar ein gerahmte Spiegel, Gobelins und orientalische Vorhänge, persische Teppiche in allen Großen, Alles zeugte von er lesenem Geschmack und dem Verlangen, den Gästen des Hauses das Gefühl des höchsten Komforts zu gewähren. Duftende Blumen standen auf den geschmackvoll mit Meißener Porzellan dccvrirtcn Tischen, die zu der späten Abendstunde zum Theil schon besetzt, theils aber auch erst bestellt waren. Nach Schluß der hauptstädtischen Vergnügungen pflegte cs dort besonders lebhaft zu werden. Geschulte Diener eilten geräuschlos hin und her. Hier wurden Gedecke zufiecht^clegt, der funkelnde Burgunder in die fein geschliffenen Karaffen gegossen, dort der französische Scct frappirt, appetitliche HorS d'oeuvrc Schüsseln wurden getragen ernst, fast gravi ¬ tätisch schritten einzelne Stammgäste zu ihren Tischen, kleine Gruppen fröhlicher Menschen erschienen nach und nach lachend, plaudernd, erwartungsvoll nnd anscheinend befriedigt von dem Eindruck, den die herrlichen Localitäten hervorbrachtcn. Reizende Fraucngestaltcn schälten sich aus den eleganten Abendmäntcln heraus, verstohlen wurden vor den wand hohen Trnmcans noch einmal die Löckchen zurecht gezupft, die Handschuhe fester gezogen, Schleppsäbcl klirrten, Be- grüßungswortc flogen hin und her, ein heiteres, amüsantes Treiben, das im Rahmen dieser kunstvoll geschmückten Räume da« Abcndlcben der Weltstadt im blendendsten Lichte zeigte. „Cöanz, wie in Paris, wie im Lion dorä", flüsterte Grita dem Fürsten zn, „was doch aus unserem Berlin ge worden ist." „In der That, ein ganz internationales Leben", be stätigte dieser, „wie die verschiedenen Idiome durcheinander schwirren, ah, nun italienisch, cs liegt doch ein herrlicher Wohllaut in der Sprache . . . und welch' schöne, elegant« Erscheinung!" Alle sahen aus. Der bleiche, schlanke Mann mit den blitzenden Augen und dem dunklen Schnurrbart unterhandelte ziemlich ener gisch mit dem Kellner eines ihm zusagenden Platzes wegen. Er führte eine, noch verschleierte, zierliche Dame am Arm, zu der er sich zärtlich herabneigte und sie nach ihren Wünschen zu fragen schien. Bald war Alles geordnet, ein Tisch in der gewünschten Ecke arrangirt. Achim war blaß geworden. Es war, als ob ihn eine Erinnerung peinigte. „Ich habe nicht einmal Zeit zum Umziehen gehabt", sagte eben die junge Dame drüben, „die letzte Nummer bauerte so lange, Manfreds wurde ungeduldig." Es klang wie eine Entschuldigung zu einigen begleiten den Herren, die sich in der Galanterie, ihr -en Mantel abzunehmen, überboten. Im dunklen, knapp anliegenden Neitkleide stand sie da, fetzt ließ sie die, bisher über den Arm hängende Schleppe herunterfallen, dann nahm sie die weißen, seidenen Spttzcnschleier vom Kopf Grita stieß einen kleinen Schrei aus und sah wie entsetzt den Bruder an, der nervös mit einem Stückchen Brod spielte. „Die Brandini", flüsterte es von den Nebentischen. Man machte sich gegenseitig aufmerksam, man plauderte halblaut über das interessante Paar. „Ein chices Weib." „Brillante Reiterin." „Nichts gegen ihn", hauchten die Damen, „er ist ent zückend, sie soll seine Schülerin sein, seine Braut." „Seine Eifersucht mnft grenzenlos sein, keinen Be wunderer läßt er an die Angebetete heran, die da um den Tisch sitzen, sind meisten- Kollegen, vielleicht auch Recen« senten. Beide geben viel aus Reclame." „Ob sie wirklich eine Italienerin ist?" „O bewahre nein, Brandini ist nur »nm äo xuerrs . ; . man erzählt, sie sei eine Russin . da oben .. . von den Ostseeprovinzen her , . Der Hauptsprecher nahm wieder das Wort. „Ich bin ziemlich »u kalt", sagte er, wichtig thuend, „ich weiß eS von Barnewitz, Sie kennen doch den Kritiker de- Neuen Journal- . . er that zwar sehr gebeimnitzvolk, aber so etwas von weggelausener norddeutscher Grasenfran blitzte durch seine Erzählungen durch. Ah, Io vnilS, lupu« in kußuli,, dort der hypcrelegant gekleidete Herr mit dem kurz geschorenen, grauen Haar und dem Monocle . . , sehen Sie, er tritt auch gleich an den Tisch heran und über reicht der Brandini Rosen . . „Natürlich kennen wir ihn . . . der früher« Bonvivant aus der Bühne setzt bi« Rolle fetzt im L«b«n fort . . . d«< letzt wirklich Von, wenn auch ans antz«re« Lent« -oste«,,« ah, wie empfindungsvoll er die Hand küßte und wie die lachende schöne Fran die Pcrlenzähne zeigt . . ." „Manfredo's Augen funkeln, Barncwitz' Mund scheint eine halbe Sekunde zu lange auf den rosigen Fingern ge weilt zu haben, sehen Sie nur, sic bittet mit ihrem Blick förmlich ab . . ." „Ja, ja, diese Weiber", näselte ein kleiner Sccondc- Leutnant, „sie müssen die Tatze des wilden Panthers immer auf dem weißen Nacken fühlen, immer eine gewiße Erregung verspüren, im Berufe, wie im Leben, wer weiß, auS welchem behaglichen kort, heraus dieser ungestüme Mensch sic gerissen hat.. ." Die am Nebentische hätten gute Antwort geben können, aber sie schwiegen still . . . alle Vier, mehr oder minder gedrückt und verstimmt. Eben war Rärenholm, vom Theater kommend, zu ihnen an den Tisch getreten, gerade als sie sich erheben wollten, um ihren eigenen Salon aufzusuchcn. Auch die am Artistentischc hatten ihn gleich gesehen, Barncwitz zuerst .... „Wen hat er denn da?" fragte er ziemlich laut, ver tauschte das Monocle mit dem Pincenez und sah scharf hinüber. Dann fuhr er, wie vom Blitz getroffen zurück. „Alle Wetter!" Er machte eine Bewegung, als ob er durch den Saal eilen wollte, aber plötzlich besann er sich . . . pustete den Athem vor sich, zwirbelte denSchnurrbart, wendete sich ver legen hin und her, konnte aber in diesem Augenblick nicht eine einzige, armselige, der ihm sonst so reichhaltig zu Ge bote stehenden Floskeln, von seinem reichen Citatenmate« rial nicht ein einziges hervorbringen. „Barneivttz, was ist Ihnen?" fragte die Brandini, „Sic thun ja so, als haben Sie einen Geist gesehen . . ." Dann hob sie die lange, goldbesetzte Schildpattlorgnete, um d«n sich Entfernenden nachzuschauen. „Sogar mehrere, meine gnädigste Frau", antwortete Barnewth so verlegen, wte man nicht an ihm gewöhnt war. An der Thür wendete Achim sich noch einmal flüchtig nm. Nun zuckte auch dte Brandtui zusammen, aber nur einen Augenblick währte es. „Auf dergleichen muß man gefaßt sein", beruhigte sie sich selbst, ob des kleinen Schrecks, der sie durchfuhr, be sonder» hier in der Metropole ..." „^nx-eia mia", sagte Manfreds zärtlich . . . was ist Dir?" „Xlvntp, Manfreds", lachte die schöne Frau, „mir war's als sah tch Bekannte aus früherer Zett." Dann wurden dte Austern servtrt. Siebentes Capitel. Tein kunstsinnigen Publicum der Umgebung von Wc- lankcn, der berühmten ostprcußischen Besitzung, waren an bestimmten Tagen die Räume des Schlosses, welche eine Fülle von Kitnstwcrkcn bargen, wie die Parkanlagen zur Besichtigung gestattet. Der ausgiebigste Gebrauch wurde von dieser gütigen Erlaubniß gemacht. So lange der frühere Besitzer dort gelebt, dessen aus geprägter Kunstsinn sich auf seinen wetten Reisen, be sonders in Griechenland und Italien, durch große An käufe bethä'tigen durfte, waren schon Leute von weit und breit gekommen, nach dem allgemein schmerzlich bedauerten Fvrtzugc des Gutsherrn hatte cs eine lange Zeit auf gehört. Der weitläufige Verwandte, der die Herrschaft Anfangs übernehmen sollte, konnte sich von der Militär-Carrfl-rc nicht trennen, nnd als Woronsow zu jener Zeit von dem beabsichtigten Verkauf des Mustergutes hörte, setzte er siäi mit den Schwiegereltern in Verbindung und erstand sich die prachtvollste Besitzung im Samlandc. Seit dieser Zeit vergrößerte sich die Anziehungskraft von Wclanken mit jedem Tage. Beim Verkaufe seiner kurländischen Besitzungen hatte Nicolai nicht nur die kostbare Einrichtung der Gemächer, die er mit Natascha bewohnt hatte, zurückbehaltcn, sondern auch alle, seit Generationen ausgesammeltcn Kunstwerke, Stiche, Gemälde, Bronzen, alte werthvolle Kirchengr- wänder, Fayencen, dazu kamen die in der Neuzeit ge sammelten Kunsterzcngnissc, die Gobelins, die vcnetia- nischcn Kronen u. s. w. . . Alles wurde nach dem neu er worbenen Schlosse geschafft und ausgestellt. Diese interessante Tbätigkeit hatte Woronsow den Winter hindurch sehr beschäftigt, im Frühling wurde der Park tn Angriff genommen, und so war, bnrch natürliche, anmuthsvollc Lage begünstigt, eine Anziehungskraft crsteir Ranges geschaffen worden, zu der im Lause des Sommers viele Tausende gepilgert waren. Gerade an einem solchen wnndcrvollen Früßhrrbsttage, wie -er letzte Septcmbersonntag war, zeigte sich diese Ver einigung von Kunst und Natur in überraschendster Wirkung. Die Lust war so rein und klar, daß sich die Contouren der Gebäude, der Bäume, der Anlagen und Statuen wunderbar abhoben, kaum ein Wölkchen zeigte sich an dein azurblauen Himmel. Fast andächtig, hingerissen von den sich ihnen darbietendeit Schönheiten zogen die Besucher durch den Park, durch die Säle. Draußen aus freien, grünen Plätzen, in noch voll grjlnenden Gebüschen dt« glänzenden Marwor-Swtnen,
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