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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000817029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900081702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900081702
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-08
- Tag 1900-08-17
-
Monat
1900-08
-
Jahr
1900
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Er würde solches sicher nicht nach Tientsin und Taku ge meldet haben, wenn er nicht genaue Informationen von der Front gehabt hätte. Tungtschu ist der Flußhafen von Peking und von diesem in der Luftlinie nur noch 19 km entfernt. Ist die Einnahme von Tungtschu Thatsache, so sind die nachstehenden Meldungen überholt: * London, 17.August. (Tel.) General Gaßlee telegraphirt aus Ma ton unter dem 11. d. M.: „Wir sind heute früh nach einem äußerst beschwerlichen Nachtmarsche hier an gekommen. Die Truppen aller Nationalitäten leiden unter der Hitze. Man glaubt, daß sich der Feind nördlich von Tschangkiawan verschanzt hat. Von den Gesandtschaften liegen keine weiteren Nachrichten vor." * Tientsin, 14. August. (Tel.) Die Contingente haben Tschang kiawan unter geringen Verlusten genommen. Die Chinesen, welche 500 Todte zurücklieben, flohen theils nach Toung- tschu, theilS nach Peking. Maton liegt von Peking in der Luftlinie 40 und Tschangkia wan 25 km entfernt. In Peking selbst ist entweder der Kriegö- niuth der Negierung und der militärischen Führer gebrochen oder man sucht Zeit zu gewinnen, um das Eintreffen von Verstärkungen aus dem Süden abwarten zu können. That sache ist jedenfalls, daß Peking bereits um einen Waffenstillstand nachzesucht hat. Es wird uns darüber noch berichtet: * Washington, 16. August. (Telegramm des „Reuter'schen BureauS".) Das Cabinct hielt heute eine Sitzung ab, in welcher es sich dahin schlüssig machte, das Vermittelungsansuchen Li-Hung-Tschang's zu beantworten. Es verlautet, die ver- einigten Staaten seien bereit, einem Waffenstillstand zum Zwecke der Befreiung der Gesandten und der übrigen in Peking Eingeschlossenen zuzustimmen, und würden nach der Be- sreiung derselben die Feindseligkeiten eine bestimmte Zeit ein stellen, um über Friedensbedingungen zu verhandeln. * New Uork, 16. August. Tas „Evening Journal" ver öffentlicht ein Telegramm aus Kobe, demzufolge Japan einen Waffenstillstand zwischen LenMächten undChina vor geschlagen habe. Letzteres habe den Waffenstillstand an- genommen. Tie Bedingungen der Mächte gingen dahin, entweder die Gesandten den Truppen der Mächte an den Thoren Pekings auszuliesern oder den Truppen zu gestatten, die Stadt zu betreten und die Gesandten zu holen. Japan habe die Verhandlungen eingeleitet. Die Fassung der letzteren Depesche ist Wohl ungenau. Nicht Japan, sondern China hat nach dem dem Staats departement in Washington zugegaugenen Telegramm Li- Hung-Tsckang'S den Waffenstillstand vorgeschlagen, es bat nur den Vorschlag zuerst aufgegrisfen, um ihn den andern Mächten zu empfehlen. Wir dürfen wohl annehmen, daß die Mächte darauf eingehen werden, um Gelegenheit zu einem directen mündlichen Gedankenaustausch zwischen den Befehlshabern des EntsatzcorpS und hohen Pekinger Beamten, die aber die weitest gehenden Vollmachten mitbringen müßten, außerhalb Pekings, in Tung-tschu zu schaffen. Wrr nehmen dabei als sicher an, daß die Mächte nicht auf den ersten Theil Les japanischen Vorschlags, die Gesandten sollten bis an die Thore Pekings gebracht werden, eingehen, denn von dem Ort des ictzigen Aufenthalts der Gesandten und der übrigen Fremden bis an die Stadtthore könnte ihnen leicht dasselbe passiren, was unserem deutschen Gesandten v. Ketteler geschehen ist. Einen derartigen Transport bat die Regierung in Washington — er war schon von Li vorgeschlagen — stricte abgelehnt und bat an der Forderung festgehalten, daß eine genügende Anzahl internationaler Truppen in Peking ein gelassen werde, um die Fremden und die chinesischen Christen abzuholen. DaS ist Wohl bestimmt auch der Standpunct der übrigen Regierungen. Uebrigens erklärten die chinesischen Beamten in Peking bereits durch Li, die Auslieferung der chinesischen Christen sei nicht angängig; diese müßten als chinesische Unterthanen von der chinesischen Negierung „geschützt" werden. Wer diese Negierung, welche Schutz verspricht und mit den fremden Truppenführern unterhandeln will, eigentlich ist, liegt freilich noch im Dunkel. Den „Times" wird hierzu auö Shanghai unterm 14. August telegraphirt: „Ein chinesischer Flüchtling aus Peking berichtet, die B e a m t e n k ö r p e r s ch a f t e n fei en a u s einan d er - getrieben worden, und ihre Siegel befänden sich in Verwahrung des Großen Nathes. Es habe gegenwärtig nicht den Anschein, als ob in Peking eine Ne gierung vorhanden sei. Die reaktionäre Partei sei damit beschäftigt, ihr blutdürstiges Gelüst zu stillen wider Alle, die als Freunde des Auslandes verdächtig seien. Li- Hung-Tschang habe die Unmöglichkeit seiner Stellung ein gesehen und in einer Denkschrift sich mit der Bitte an den Thron gewandt, man möge einen hervorragenden Staats mann von hohem Range bestimmen, ihn bei den Verhand lungen zu unterstützen." Unter diesem Umstande darf man gespannt auf die Legi timation sein, welche die Pekinger Abgesandten in^ der Tasche haben werden. Weitere Nachrichten. * Wien, 16. August. Eine Extraausgabe der Wiener „Poli tischen Corrcspondenz" berichtet: An Lik chinesische Gesandt schaft in Berlin ist ein vom 9. Augnst Latirles Telegramm des deutschen Geschäftsträgers in Peking von Below gelangt, das auf die Bitte des österreichisch-ungarischen Geschäfts- trägers Rostand auch zur Kcnntniß der österreichisch-ungarilchen Regierung gebracht worden ist. Der Inhalt des Telegramms ist folgender: „Li-Hung-Tschang ist, wie uns mitgcthcilt worden ist, bevollmächtigt und angewiesen worden, mit den Vertrags mächten telegraphisch zu verhandeln. Tie übereinstimmende Auffassung der fremden Vertreter in Peking geht dahin, daß ein schnelles Vorrücken der Entsatztruppen aus Peking in keiner Weise verzögert werden sollte, denn hierin allein liege die Möglichkeit, die eingejchlossenen Au-länder aus einer Lage zu befreien, die durch den Mangel an Lebensmitteln und dasAuftreten von Krank heiten täglich kritischer werde. Reis, Mehl und Pferdefleisch ist höchstens noch auf vierzehn Tage vorhanden. Uebrigens ist die Lage seit dem 15. Juli unverändert. Wir sind nach wie vor von Truppen eingeschlossen, die von Zeit zu Zeit ein intensives Gewehrfener auf unsere Stellungen abgeben und Verluste ver ursachen. Ueber ein Borrücken der Entsatzlruppen haben wir keine Nachricht." (Wiederholt.) * Washington, 16. August. („Reuter's Bureau".) Heute ist hier eine chiffrirte Depesche von dem amerikanischen Gesandten Conger eingetroffen; es ist dies die erste, aus der hervorgeht, daß er die von der amerikanischen Regierung abgesandten Depeschen erhält. Aus dcr Mandschurei. ÄuS Petersburg, 16. August, wird uns berichtet: Dem Generalstabe sind heute folgende Nachrichten zugegangen: Eine Cavalleriecolonne des Generals Nennenkampf erreichte am 7.August das Torf Ejur, am 8.August Eltschau und am 9.Augnst Saujohanund holte dcnFeind e!n,derinit4000Manu Infanterie, 5000 Mann Cavallerie und 12 Geschützen sich in fester Stellung befand. Rennenkampf griff den Feind mit zwei Schwadronen und zwei Geschützen in der Front und mit 2i/z Schwadronen auf der reckten Flanke an und umging dessen Arriöregarde. Die Chinesen vertbeidigten sich lange im Centrum, gingen in die Offensive gegen die sie umgebenden Colonncn über, gerade in der Mitte zwischen den getheilten Abtheilungen, nnd zwangen sie vorübergehend, ihre Stellung zu ändern, Lurch eine Attacke der Kosaken des Centrums wurden aber die Chinesen gezwungen, sich auf ihre Stellung zurückzuziehen. Gleichzeitig zwangen Li: beiden russischen Geschütze die 12 feindlichen Geschütze, von denen zwei demontirt wurden, zum Rückzüge. Alles dies zwang Leu überlegenen Feind, feine Stellung endlich zu räumen. In dem Kampfe zeichnerc sich neuerdings die fünfte Schwadron des Amru-NegunentS aus. Am 12. August erhielt General Nennenkampf die erwarteten Verstärkungen. (Wiederholt.) Was die von der „Agenzia Stefani" gemeldete Bcdroffnug kwr rückwärtige)« Verbirrvungek angebt, so ist bekanntlich schon früher gemeltet worden, daß größere chinesische Heerbauseu auf Tiemsin in Anmarsch seien; auch wurde berichtet, der Feldtelcgraph sei zwischen Iangtsun und Tientsin durchschnitten, alsbald aber wieder ausgebesscrt worden. Möglicherweise ist neuerdings abermals die telegraphische Verbindung gestört oder auch die Etappenstraße von Chinesen angegriffen worden, aber es ist anzunehmen, daß, um den Nachschub an Lebensmitteln und den Rück transport von Verwundeten und Kranken auf dem Peiho zu sichern, die Etappen genügend besetzt worden sind, außerdem wissen wir, daß am 9. und 10. August deutsche Marinetruppen in der Stärke von 8 Officiercn und 257 Mann von Tientsin aus der Elappenstraße nachgerückl und daß ihnen am 10. von Tongku aus 160 Oesterrcicher gefolgt sind. Ein russisches Regiment ist inzwischen am 15. ebenfalls mit der Bestimmung, Lie rückwärtigen Verbindungen zu decken, in Taku gelandet worden. Ferner sind in diesen Tagen die deutsche Marinebrigade unter General v. Höpsner, ein französisches Mariueregiment und eine japanische Brigade, zusammen etwa 10 000 Mann mit 48 Geschützen in Taku fällig und zur Verwendung auf der Strecke Tongku-Tienlsin- Pcking bereit. Hoffentlich genügen diese Streitkräfte, um das von Süden her angekündigte Chinesencorps in Schach zu halten. Shanghai. Das Verhalten Englands in Shanghai und im Jangtse - Tbale wird immer auffallender. Heute wird uns berichtet: * London, 16. August. Ter hiesige chinesische Gesandte Lo-feng-luh hat, Ivie die Abendblätter melden, ein Telegramm er halten, in dem es heißt, daß ein Abkommen getroffen sei, nur eine kleine Anzahl won Truppen in Shanghai zu landen. Die Chinesen seien wieder ruhiger geworden und die Gefahr ein es Aufstandes imSüden Chinas abgewendet. Für die Sicherheit Shanghais beständen keine Befürchtungen mehr. * London, 17. August. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" berichtet aus Shanghai unter dem 16. August: Die britischen Transportschiffe, die nach Norden abgeganqen sind, sind, von einem Tocpedobootszerstörer zurück gerufen, nach Wasung zurückgekehrt. — Die „Times" berichten aus Hongkong unter dem 15. August: Wie ein chine sisches Blatt in Canton berichtet, hat der Tartarengeneral in Gemäßheit des Befehles eines kaiserlichen Edicts in Canton von Haus zu Haus eine Untersuchung vornehmen und an allen Häusern, in denen eingeborene Christen wohnen, Tafeln befestigen lassen, auf denen gewarnt wird, sich mit ihnen ein- zulasseu. Diese Maßregel macht die Christen that sächlich vogelfrei. Der Entschluß, keine Truppen zu landen, dürfte auf nicht mißzuverstehcnde Warnungen der übrigen Mächte, namentlich Frankreichs, und darauf zurückzuführen gewesen sei, daß die übrigen Consuln keinen Zweifel darüber ließen, daß auch sie Truppen ausschiffen würden. Letzteres wäre ein Licker Strich durch die Rechnung Englands gewesen, das am Jangtse allein Ordnung schaffen, d. h. allein dominiren will. Daber der Anfall „tiefer Niedergeschlagenheit", in welchem die indischen Truppen plötzlich aus Wusung in nördlicher Richtung abcommandirt wurden. Und nun plötz lich wieder Coutreordre! Was ist geschehen und was wird fick daraus entwickeln? Noch vor dem Eintreffen dcr obigen Mildungen, auS deren ersterer bcrvorzugehen scheint, daß ein Eingreifen Eng lands gar nicht so dringend nölhig ist, waren die folgenden, auch jetzt noch actuellen Ausführungen geschrieben: Englische Sondcrpolitik in China. Unter den jüngsten Nachrichten vom Kriegsschauplätze ist in polnischer Hinsicht Wohl die die wichtigste, daß England im Begriffe stehl, 2000 Mann in Shanghai zu landen. In Shanghai ist die Situation von den berufensten Beurtheilern von Anfang an ernst aufgefaßt worden; zugleich aber stimmten sie Alle darin überein, daß eine Intervention europäischer Truppen nur im Nolh- falle eintreten solle, da sie sonst leicht zur Aufreizung und Erregung der chinesischen Bevölkerung beitragen würde. Dieser Nothsall ist bis jetzt nicht einzelreten; es sind über ernstliche Beunruhigungen von Europäern im Jangtse-Gebiete Nachrichten bisher nicht eingetroffen. Uebrigens sind im Hafen von Shanghai europäische Kriegsschiffe aller Nationen in erheblicher Anzahl ver sammelt, die immerhin einen ziemlich weitgehenden Schutz der dortigen Europäer und ihrer Interessen verbürgen. Unter diesen Umständen kommt der Beschluß der Eng- länter zur Truppenlandung sehr überraschend, zumal da das Confularcorps und die chinesischen Behörden gegen jede Feuilleton. IZ Der kritische Tag. Eine heitere Geschichte von Anna Klie. Nachdruck verboten. Ilse Lindner an ihre Cousine Hanna Lindner in Dresden. Harzburg, den 7. August 1897. Liebe einzige Hanna! Alles ist aus, die letzte Hoffnung verloren! Vater hat nein gesagt! Rundum nein!!! Müder Gisela noch ich dürfen die freundliche Einladung Deines Vaters zum Fainiliontage an nehmen. Vor meinen rokhgeweinten Augen tanzen die Buch staben wie toll. Wundere Dich daher nicht über mein« Schrift und entschuldige von vornherein das Aussehen dieses Briefes — ach, da fallen noch «in paar Dhränon darauf! Wo ich nur noch immer welche herkriege? Ein rechtes Glück, daß heute Nachmittag kein« Schule war; wie hätte ich mit diesen rothen Augen hingehen können? Nämlich, als Papa uns nach dem Mittagessen unser« Bitte abschlug, habe ich zwei Stunden hintereinander festeweg geheult, und nachher hatte ich solche Kopfschmerzen, daß ich mich zu Bett legen mußte. Ist dies ein Elend! Uno obendrein noch Logirbesuch <da, nämlich Tante Jettchen mit ihrer Briefmarken sammlung und ihrem unvermeidlichen Tell. Du erinnerst Dich hoffentlich noch an Tante Jettchen, Mamas Cousine und gewesen« Kvanzjungfer? Sie läßt nie ihren großen, weißen, hinten ge schorenen Pudel zu Hause, wenn sie auf Reisen geht, und die Markensammlung führt sie im Koffer mit sich. Den Pudel halst sie allen Bekannten als Einquartierung auf, wo sie gerade abgrast. Das schreckliche Vieh richtet natürlich alle Tage ein neues Unheil an. Drittens hat Tante Jettchen immer wa» mit dem Wetter und mit kritischen Tagen vor. Neulich fiel sie bei nahe in Ohnmacht, al» sie in der Zeitung entdeckt«, daß Falb für "den sechsuntdzwanzigsten September, also den Familien tag, einen solchen prophezeit hat! Die Briefmarken sind noch ihr« unschädlichste Leidenschaft, da sie weder bellen, beißen, fressen, Blumentöpfe umr«nnen, Kinder erschrecken, Hosen oaput reißen, noch man sie prophezeien und andere Leute ihretwegen mit Regenschirmen plagen kann. Ach, mir würde kein Tag der Welt zu kritisch sein, wenn ich ihn nur mit Dir verleben dürft«! Meinetwegen könnt« e» Katzen hageln, Du und ich, wir wollten un» schon amüsiren! Warum muß auch All«» so gekommen sein? Konnten unsere Väter ihre langjährige Freundschaft nicht fort- sctzen in Frieden, statt über die dumme unselige Häusergeschichte aneinander zu gerathen? Wie schön waren die Zeiten, als wir noch Alle in Braunschweig wohnten! Solche Streiche, wie Du und ich mit einander ausübtsn an langweiligen Sonntag-Nach mittagen, giebt es nicht zum zweiten Male! Ich habe ja eine Unmasse von Freundinnen in unserer Classe, aber so eine wie Du ist nicht darunter! Und nun hat Vater nein gesagt! Du! Es geht nicht, ich kann nicht weiter schreiben, wenigstens heute nicht! Und der Brief muß doch fertig werden, weil Gisela ihn in ihren «inlegen soll, damit ich das Porto spare. Denn, Hanna, im Vertrauen gesagt: um meine Finanzen steht es schlimm, wie bekanntlich immer. Und dabei hatte dieses süße, edelmüthige Giselchen mich umsonst mit zu Euch nehmen wollen, einzig und allein für das Honovargeld, das sie sich durch Muster zeichnen verdient hat! Billiger konnte es Vater doch nicht haben, und trotzdem verweigerte er die Erlcmbniß! Es giebt ein Stück von Shakespeare, in dem zwei feindliche Familien vorkommen. Ihre Kinder Romeo und Julia haben den Schaden von der Feindschaft. Gisela präparirte sich auf das Stück immer für ihr englisches Kränzchen. Bei der Gelegenheit habe ich einmal in das Buch geguckt, fand aber, daß es langweilig war. Sie kommen schließlich größtentheils ums Leben durch die Feindschaft, was bei uns ja hoffentlich nicht der Fall sein wird. Gisela ist fertig mit ihrem Briefe, ich muß also aufhörsn. Lede wohl, mein herziges Goldchen. und bedauere mich, ich habe es nöthiger denn je! Grüß« Willi und Werner. Ach, was waren das für goldene Zeilen, als Vir noch in den Ferien bei Regenwetter Sechsundsechzig miteinander spielten, und die ver lierende Partei die gewinnende zum Schluß durchwammste — In unerschütterlicher Treu« Deine untröstliche Ilse Lindner. Gisela Lindner an ihr« Cousin« Eva. Havzburg, den 7. August 1897. Mein «liebste» Herzensrvchen! Es ist gekommen, wie ich befürchtete: Vater will nichts davon wissen. Ganz ruhig Hörle er mich an, als ich ihm unsere Bitte vortrug, wurde auch nicht zornig, wi« ich befürchtet hatte, aber mit Bestimmtheit schlug er sie mir ab. Ilse und ich djirften nach dem Borgrfallenen nicht Gäste Deine» Vaterhause» sein, da» ist sein Bescheid. Ach liebe» Evchen, wi« traurig ist die» Alle» für un»! E» giebt doch so diel« Landhäuser auf der Welt, warum mußten unsere Väter darauf verfallen, gerade ein und dasselbe kaufen zu wollen? Und warum mußte der mein« es dem Deinen so übel nehmen, daß Dein Vater uns die Dresdener Villa vorweg kaufte? Unsere jetzige hier in Harzburg ist doch so hübsch und geeignet für uns, daß wir es uns gar wicht besser wünschen können! Und Vater hat sich in seinen Club hier auch so gut eingelebt und fühlt sich so wohl in seinem neugewonnenen Bekanntenkreise, daß man wirklich Grund hatte, anzunehmen, er habe Dressen völlig verschmerzt. Ach, Evchen, wie sehr hätte ich mich gefreut, Dich Wiedersehen zu dürfen! Nun sind schon drei Jahre seit unserer Einsegnung verflossen, «und keins hat uns einst so Unzertrenn lichen zusammengeführt! Gestern Abend, als >der Mond so schön schien, mußte ich immer an die unvergeßlichen Mondscheinspazier gänge denken, damals, in unserem alten Garten in Braunschweig! Seit Dein Bruder Werner uns die Oker entlang ruderte, bin ich in keinem Kahne wieder gefahren. — Weißt Du, es ist hier ja wunderschön, aber Du fehlst mir bei Allem. Und was die Herren betrifft, mit denen ich hier im Club tanze, so läßt sich auch Keiner von ihnen mit Werner vergleichen. (Aber es ist nicht nöthig, daß Du ihm dies wie versagst!) Uebrigens sind sie Alle sehr artig gegen mich, einer von ihnen sogar mehr, als mir angenehm ist. Er heißt James Ubbekohde und ist der Sohn eines ehemaligen Geschäftsfreundes von Vater. Seine Selbstgefälligkeit ist mir unausstehlich; fein Lieblingsthema in der Unterhaltung ist seine zukünftig« Frau mit ihren wünschenswerten Eigenschaften. Leider scheint Vater ihn weniger unausstehlich zu finden, als ich, die ich ihn den Mißerfreulichkeiten deS Daseins hinzurechne. Ach, was rede ich von ihm! Mir ist gar zu traurig zu Muth, weil der kurz« Hoffnungsschimmer auf ein Wiedersehen so schnell erloschen ist. Lebe wohl für heute, mein liebes Evchen, und grüß« die Deinen recht herzlich von Deiner allezeit in.Sehnsucht Deiner gedenkenden Gisela Lindmr. An dem nämlichen schwülen Augustnachmittaze, während die Töchter des ehemaligen Fabrikbesitzers, nunmehrigen Rentiers Lindner, im Giebelstübchen ihrer Villa Mit der Abfassung vor stehender Briefe sich beschäftigten, saß ihre Mutter mit ihrem Logirgast, Tante Jettchen Feuerhake, unter der weinumrankten Veranda nach dem Garten hinaus. Die Damen waren mit Handarbeiten beschäftigt. „Warum hatte eigentlich Ilse solchem verweintes Gesicht beim Kassie, liebst« Marianne?" Die Mutter ließ mit einem Seufzer ihre Näherei in den Schooß sinken. „Weil sie sich nicht zufrieden geben kann über die verweigerte Erlaubniß zu der Reise." Tante Jettchen strich die Bettdecke glatt, an der sie strickte, und betrachtete -liebevoll das mühsame Muster. Seit Jahren konnte sich Niemand entsinnen, daß Tante Jettchen an etwas an derem, als an dieser Bettdecke gestrickt hätte. Das feine Garn und das unglaublich schwierige Muster der Arbeit verwies ihre muthmaßliche Beendigung von vornherein in das Gebiet der un erreichbaren Bestrebungen. Tante Jettchen war eine sehr kleine, wohlbeleibte Dame. Die Längenverhältnisse ihrer Gestalt standen in so auffälligem Mihverhältniß zu denen der Breite, daß einmal Jemand sich er dreistet hatte, zu äußern, Tante Jettchen sähe aus wie eine Kaffeemütze. Thatsache war übrigens, daß Tante Jettchen's Aussehen ihrem Ansehen in der Familie keinerlei Abbruch that. „Ach ja, diese dumme Häusergeschichte", begann Frau Mari anne mit einem neuen Seufzer. „Ich behaupte, daß einzig und allein den Agenten die Schuld traf an dem unglücklichen Aus gange der Sache. Ich weiß nicht, ob Du Dich genau daran er innerst, wie Alles zusammenhing? — Mein Mann und sein Bruder Joachim hatten Kaufabsichten auf die Villa in Dressen, die nun mein Schwager besitzt. Der schlaue Agent, mit dem Bside in Unterhandlung standen, benutzte aus Habgier die Ge legenheit, Beide miteinander zu verfeinden. Fritz beschuldigte Joachim der Heimtücke, ein Wort gab das andere, und mit der Freundschaft, die uns jahrelang verbunden hatte, war es aus. Nur die Kinder correspondirten noch miteinander, wobei mein Mann «in Auge zudrückte. Nun versucht Joachim eine Annähe rung in Form dieser Einladung durch seine Töchter. Aber ver gebens, Fritz will nichts davon wissen." Tante Jettchen hatte sich längst während der Rede ihrer Freundin erinnert, daß die ganze Geschichte ihr wohlbekannt war, aber sie verrieth dies durch kein« Miene. Denn sie besaß di«, den meisten Menschen wohlgefällige, allerdings von einem langen, starken Geduldsfaden abhängige Fähigkeit, ein und dieselbe Ge- schichte ein Dutzend Mal ruhig anzuhören, ohne den Leuten ins Wort zu fallen und sie vermittelst «ine» „Ja, ich weiß schon" oder „Ach, ich erinnere mich", zu belehren, daß sie ihr« Mühe sparen könnten. Dieser Sigvnthümlichkeit verdankte die Tante einen Theil ihrer Wohlgelittenheit im Kreis« ihrer Freunde und Bekannten Nachdem sie auch jetzt Frau Marianne ruhig hatte ausreden lassen, tadelte sie mit Bedächtigkeit: „Unerquickliche Sache, solche
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