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Konzerten und Klaviermusik stehen Oratorien, Opern, Operetten und Bühnenmusiken sowie Kompositionen für Hörspiel und Film. Von An beginn seiner kompositorischen Tätigkeit be mühte sich Honegger um die schöpferische Fortführung großer Traditionen. So ließ er sich vom Neoklassizismus ebenso anregen wie vom Impressionismus und vom Jazz. Aber geradezu durchdrungen erscheint sein Schaffen von der Polyphonie, von der Kunst und Tiefe des Vorbildes Johann Seba stian Bach. Sinnbild der Liebe und Bewun derung für jenen großen Meister ist eine kleine Komposition für Streichorchester aus Jahre 1932: Prelude - Arioso - ^■hette über den Namen BACH. Die Tone b—a-c-h bilden nicht nur das themati sche Material des Werkchens, sondern Honeg ger lehnt auch seinen Kompositionsstil dem Bachs an: kunstvoll-polyphon wirbelt das The ma im Allegro-Prelude dahin, eine Solo- Bratsche führt die sich aufschwingende Me lodie des Arioso (Grave) und im kontrapunk- tischen Mit- und Gegeneinander werden die Streicherstimmen im Allegro-Teil, der Fughette (kleine Fuge), geführt. Zum Abschluß setzt der Komponist noch einmal die Töne b—a-c-h über voll-tönende Akkorde. Damit endet das Stück gleichsam in einem Hymnus auf den großen Namensträger. M i t Bach. „Unser heutiges musikalisches Auffassen ver langte Verdeutlichung des motivischen Verlau fes in der Horizontalen sowie in der Vertika len. Das heißt wir begnügen uns nicht mit dem Vertrauen auf die immanente Wirkung der als selbstverständlich vorausgesetzten kontrapunk- tischen Struktur, sondern wir wollen diese K^^apunktik wahrnehmen: als motivische ZWcmmenhänge. Die Homophonie hat uns gelehrt, diese in einer Oberstimme zu verfol gen, die Mittelstufe der Mendelssohn-Wag ner-Brahms .mehrstimmigen Homophonie' hat uns gelehrt, mehreren Stimmen so nachzuge hen: unser Ohr und unser Auffassungsvermö gen werden heute nicht zufriedengestellt, wenn wir diese Maßstäbe nicht auch auf Bach anwenden. Rein durch Zusammenklang kunst voll geführter Stimmen entstehende »angeneh me' Wirkung genügt uns nicht mehr. Wir brau chen: Durchsichtigkeit um durchschauen zu können. All das ist ohne Phrasierung nicht möglich. Phrasierung aber ist nicht .affekt betont' anzuwenden, wie es das Zeitalter des Pathos tat. Sondern sie hat: 1. die Gewichtsverhältnisse in die Linie rich tig zu verteilen. 2. die motivische Arbeit teils zu enthüllen, teils zu verschleiern. 3. die gegenseitige dynamische Rücksichtnah me jeder Stimme auf alle und auf den Ge samtklang (Durchsichtigkeit) zu bewirken. Und noch manches andere. Ich glaube somit das Recht zur Transkription wird hier zur Pflicht." So motivierte Arnold Schönberg in einem Brief an den Dirigenten Fritz Stiedry im Juli 1930 seine Bach-Instrumentationen. 1928 hatte er Präludium und Fuge Es-Dur für Orgel in einer Orchesterfassung vorgelegt. Aus dem Jahre 1922 bereits stammen die Bear beitungen zweier Bachscher C h o r a I v er spiele aus der Sammlung von 18 Chorälen für Orgel. Den großen Orchesterapparat ver wendet Schönberg beim Choral „ Sch mü k- ke dich, o liebe See le" BWV 654 sparsam und transparent. So kristallisiert sich nicht nur der Stimmenverlauf plastisch heraus, auch der Charakter des Bachschen Originals wird nachvollzogen: Bewegt, aber in zarter Verhaltenheit umspielen die einzelnen Instru mentengruppen die aufgefächerte Choralme lodie. Eine völlig andere musikalische Deu tung erfährt bei Bach die an sich schlichte, archaische Melodie des Pfingstchorals „Komm, Gott, Schöpfer, Heili ger Geist" BWV 667. Schönberg über nimmt sie auch hier mit nun kompakter ein gesetztem Instrumentarium, volltönend im For tissimo, vor allem aber mit den jubelnd auf- und absteigenden Läufen, die sich durch alle Stimmen ziehen. Von Bach. Bei Johann Sebastian Bachs Kla vierkonzerten (der Meister verwendete bis zu vier Soloinstrumente) handelt es sich in den meisten Fällen um Übertragungen von Violin konzerten, zum Teil von fremder Hand stam mend. Aus derartigen Transkriptionen ist die Gattung des Klavierkonzertes überhaupt ent standen. (Unter dem Klavier verstand man in der Bach-Zeit natürlich nicht den modernen Hammerflügel, sondern das Cembalo, dessen Saiten nicht „angeschlagen", sondern „ange rissen" werden.) Von den sieben erhaltenen Klavierkonzerten Bachs für ein Soloinstrument und Orchester sind die Konzerte in d-Moll (BWV 1052) und in f-Moll (BWV 1056) am be kanntesten geworden; aber gerade diese Wer ke, besonders das erste, werden von einigen Forschern als nicht „echt" bezeichnet. Mögli cherweise hat der Komponist hier, wie es zu seiner Zeit allgemein üblich war, fremde Kom positionen auf seine Weise umgearbeitet, vor allem kontrapunktisch bereichert. Bachs heute wohl populärstes Klavierkonzert, das d-Moll-Konzert BWV 1052, bezeichnete Hans von Bülow noch um 1850 als „Nicht-Musik" und weigerte sich, es zu spie len. Hier hat Bach auf ein Konzert für ein Streichinstrument zurückgegriffen, das er auf das „Klavier" übertrug, es sowohl für Cembalo als auch für Orgel einrichtete (als Einleitung zu einer Kantate). Ungeachtet aller Echtheits problematik, die in erster Linie die Fachwelt beschäftigt, ist das Werk ein herrliches, sub stanzreiches und tiefgründiges Stück Musik, das in vielen Details (Figuration des Soloin strumentes, motivisch-imitatorische Begleittech nik des Orchesters) die unverkennbaren Züge der Bachschen Handschrift trägt. Ein ernstes, häufig wiederkehrendes Tuttithe ma der Streicher, scharf synkopiert, das gleich zu Beginn vorgestellt wird, prägt den Charak ter des ersten Satzes (Allegro). Neue Klang figuren dazu entwickelt der Solist. Am Beginn und am Schluß des Adagios steht eine ein stimmige Figur von dunklem Ausdruckscharak ter, über die sich eine stark verzierte Melodie entfaltet. Cembalo und Violinen duettieren in kanonischer Führung. Ein energisches Profil be sitzt der Schlußsatz, der auf die gegensätz lichen Themen von Tutti und Solo begründet ist und seine Spannungen aus deren Wider streit erhält. (Prof. Dr. Dieter Härtwig) Nach der 4. und 1. Suite erklingt im heutigen Konzert unseres Bach-Händel-Zyklus nun die wohl beliebteste der vier Bachschen Ouver türensuiten, die Suite Nr. 3 D-Dur BWV 1 0 6 8. Die vielgerühmten Vorzüge der Ouvertüre, „ein prächtiger und gravitätischer Anfang, ein brillanter, wohl ausgearbeiteter Hauptsatz und eine gute Vermischung ver schiedener Instrumente" (J. J. Quantz, 1752) dazu eine „edle Lebhaftigkeit, ein ernsthaftes männliches und prächtiges Wesen und über haupt ein beständiges Feuer“ (J. A. Scheibe, 1745) zeichnen sie in besonderem Maße aus. Dem satten Streicher- und Oboenklang gesellt sich - melodieführend, kontrapunktierend oder auch nur rhythmisch akzentuierend — der Glanz der hohen Trompeten mit dem Reiz eines nach oben hin erweiterten Klangraumes und dem Ausdruck erlesener Festlichkeit hin zu. Der begrenzte Tonartenspielraum dieser Instrumente hat Bach nur unwesentliche Fes seln angelegt: So verzichtet die auf einem kurzen Motiv aufgebaute Fuge weitgehend auf die thematische Beteiligung der BlechbU^ ser und räumt dafür der ersten Vioi^H Möglichkeiten zur solistischen Entfaltung ein. Daß eine überlieferte ältere Fassung der Suite mit Solovioline besetzt ist, erscheint von da her schon plausibel, erhält Überzeugungskraft aber vor allem durch das Air, dessen verin nerlichter Dialog zwischen der melodieseligen Violinstimme und den ruhevoll auf- und ab steigenden (quasi ostinaten) Bässen den langsamen Sätzen der Bachschen Violinkon zerte nahesteht, auch wenn der volltönende vierstimmige Streichersatz das Spannungsver hältnis zwischen den Außenstimmen weitge hend mildert. „Jauchzende Freude und hüpf- fendes Wesen" (J. Mattheson, 1739) kehrt die unvermittelt einsetzende, etwas burschikose Gavotte I hervor, während in der Gavotte II Streicher und Oboen um selbständige Entfal tung bemüht sind, jedoch immer wieder der Schwerkraft der vom Baß und den Trompeten initiierten abwärtsweisenden Dreiklangmotive erliegen. Streicher und Oboen reißen dafür in der Bourree (ursprünglich einem aus der Auvergne stammenden Reigentanz) mit einer ein wenig bizarren Melodik, in die die Blechbläser kaum einzustimmen vermögj^^ die Führung an sich. Die lebhaft bewewj Gigue — als Tanz englischen Ursprungs und seit etwa 1635 auch in Paris heimisch — ver zichtet dafür sogar auf die zu Beginn des zweiten Teiles übliche Umkehrung des The mas, nur um den Trompeten Gelegenheit zu geben, diesen übermütigen Kehraus allenthal ben hymnisch zu Überhöhen. (Hans-Joachim Schulze) Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dipl.-Phil. Sabine Grosse Fotos: Matthias Creutziger (Belohlävek) Künstleragentur (Rüzickovä) Spielzeit: 1984/85 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, BT Heid. 111-25-16 494875 2,85 JtG 009-18-85 EVP -.25 M 7. ZYKLUS-KONZERT 1984/85