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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021118011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902111801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902111801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-18
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
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Es würde daher an sich dankenswert gewesen fein, wenn ein Fachmann *), und noch dazu ein solcher, der sich des Vertrauens mehrerer, in jener Periode be teiligter deutscher Regenten zu rühmen in der Lage ist, die Feder ergreift, um in systematischer Darstellung neue Aufschlüsse zu geben. Allein es ist eine eigentümliche Er scheinung, daß manche Historiker oder Politiker durch ge wisse Tatsachen sofort wie hypnotisiert und alles Urteils bar erscheinen; so bewirkt dies insbesondere häufig die Tatsache, daß cs in Deutschland lebenskräftig- Mittel staaten gibt, dir sich ihres Lebens freuen und nicht nach dem Wunsche einiger Unitarier bereit sind, sich freiwillig an dem Stricke zu erhängen, den die Auffassung jener ihnen gedreht hat **). Wir wissen nicht, ob vr. Lorenz der Geschichtsauffassung huldigt, dem deutschen Bol'c wäre mit einem preußischen Einheitsstaats gedient. Manches spricht dagegen, andere Aeußerungen dafür, so 2. 8 der Einleitung: «Tie praktische Politik Härte das möglichst größte Preußen für daS wehrhafte Deutsche Reich zu wünschen ge habt." oder S. 60, wo -er Herr Verfasser von der rechtschaffenen Begründung eines einheitlichen Reichs spricht. Geradezu kindlich wird aber seine Darstellung S. 56, wo er sagt: „Doch hat Herr von Sybel mit aller Verftcllungskunst die Tatsache nicht verhüllen können, daß sich Bismarck, indem er mit Bayern anknüpfte, eine Niederlage zuzog, die sich in den daraus entstandenen Verwickelungen in allen nächsten Jahren wieder holte und verschlimmerte. ES ist eine der merkwürdigsten Erscheinungen in dein Leben und dec Wirksamkeit unseres größten Staatsmannes, daß er, wie Siegfried, unangreifbar, doch eine verwundbare Stelle in dein festen Gefüge seiner ^zroß- artigen Kombinationen harte. Und wenn man seine „Erinnc- rringen" liest, so hat man zuweilen den Eindruck, als ob er ein leises Gefühl seiner Scküvächc durch eine Art von Ritterlichkeit und Edelmut zu verdecken bestrebt wäre. Und diese Schwache, die ihn in den größten Momenten seiner Unternehmungen schicksalsmäßig zu verfolgen schien, hieß Bayern. Wie der gewaltige Mann .... gerade in Bezug auf Bayern und dessen jedenfalls schon damals nicht normal denkenden König zu einer Summe von irrigen Vorstellungen gelangen konnte, welche ihm fast immer seine Verhandlungen mit dieser Regie rung verdarben, ist eines jener Rätsel, die die Geschichte kaum lösen wird." Herr Professor Lorenz mag sich beruhigen. Die Ge schichte hat bas für ihn Rätselhafte schon jetzt vollständig gelöst. Wer die Depeschen und Berichte Bismarcks vom Bundestag, herausgegeben von Poschinger, mit nur einiger Aufmerksamkeit gelesen hat, weiß, daß ihm schon damals das Bild des künftigen Bundesstaates mit ziem lich genauen Umrissen oorschwebte, und wenigen Staats männern ist eS vergönnt gewesen, das ihnen vor schwebende Ideal in dem Maße zu erreichen, wie es bei Bismarck der Fall war. ES war dieses Ideal allerdings nicht der preußische Einheitsstaat, wie man nach den Anteccdenzien Bismarcks Hütte vermuten können. Mit dem scharf realistischen Urteile, welches ihn auszeichnetc und seine Erfolge ermöglichte, hatte er aus der Geschichte des deutschen Volkes gelernt, daß -er Individualismus in demselben viel zu stark war, um den Einheitsstaat je zu ermöglichen, vollends nicht, nachdem die Stammes- abgeschlossenheit das römische Kaisertum deutscher Nation zu Grunde gerichtet und Deutschland zu einem losen Staatenbunde umgestaltet hatte. Eine Lehre, welche die Unitarier allerdings nicht begreifen wollen und Herr vr. Lorenz, wie es scheint, nicht begriffen hat. Die Thesen, auf welche BiSmarck seinen Bundesstaat aufbaute, hießen: In Deutschland hat nur eine Großmacht Platz,- das muß aber bas deutsche Preußen, nicht das in den verschiedensten Nationalitäten verrottete Oesterreich sein. Zweitens: Ter Nest muß in einem Bundesstaate geeinigt werden, in welchem die Einzelstaaten so viel, aber auch nur so viel, an Souvcränitütsrechten an die Bundesregierung, nicht an Preußen, aufzugeben haben» als es für ein kräftiges Auf treten nach außen erforderlich ist. Daß ein solcher Bundesstaat kräftiger ist, wenn er auf der Zustimmung seiner Glieder beruht, al» wenn er den *) vr. OttokarLorenz, Professor an der Universität Jena, KaiserWilhelmunddieBegründungde» Reich« 1866—1871 nach Schriften und Mitteilungen be teiligter Fürsten und Staatsmänner. Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1902. **) Wir gebrauchen hier die eigenen Worte de« Herrn Ver fasser». von ihm allerding« anaewendet (S. 14) auf Oesterreich, welche« der preußischen Auffassung der Dinge jenen Liebes- dienst natürluh »«weigert hab«. selben ausgezwungen wird, sollte hettte nicht mehr ge predigt werden müssen, wo ein Irrtum Bismarcks klar zu Tage tritt, nämlich -er Irrtum, daß der Hort der Einheit seine Stütze im Volke habe. Er hat sich zur Zeit in -en Bundesregierungen, nicht in dem Volke geirrt, welches mittels des allgemeinen Stimmrechts eine Mehrheit von Ultramontanen, Welfen, Polen, Dünen, elsaß-lothringischen Autonomisten und Sozialdemokraten in das Parlament schickt. Wie wäre nun Deutschland beschaffen, wenn die einheitlicher anSgestaltetc Bundesregierung auch noch mit dem Wider willen der Bundesstaaten zu kümpsen hätte! Die Politiker, welche jetzt sich erkühnen, Bismarck nachträglich das Konzept korrigieren zu wollen, glauben wohl, er hätte 1806 dem deutschen Volke den Einheitsstaat anferlegen können. Hätte BiSmarck dies auch gewollt, so war er zu sehr Realpolitiker, nm nicht zu wissen, daß er dadurch eine Koalition von Europa hcrausbeschworcn hätte; bedurfte es doch seiner ganzen diplomatischen Kunst, um nur -en so fortigen Krieg mit Frankreich zu vermeiden. Ans dieser Grundlage ist aber die Haltung Bismarcks gegen Bayern klar vorgezeichnet. Dieser lag keine krankhafte Senti- mentalilät wegen der dercinstigen Wittelsbacher Mark grafen von Brandenburg zu Grunde oder eine solche für König Ludwig II., sondern der Wunsch, den deutschen Bundesstaat mit und nicht gegen den zweitgrößten Einzelstaat zu stände zu bringen. Vielleicht sah er sogar voraus, daß er bet v. b. Psordten, dem großen Pandektisten und kleinen Politiker, kein Gehör finden würde. Aber dann hatte er das Seinige getan und konnte nach der Ent scheidung der Waffen darauf weiter bauen. War doch Bayern dann seine törichte Politik ack ocuiog demonstriert, und die Abweisung deö Voi-schlags, neutral zu bleiben, welchen er noch im letzten Augenblicke vergebens an Bayern richtete, war keine Niederlage, sondern nur die konseguente Fortsetzung einer sehr realen Politik. Bayern ivnrde im FricdcnSvertrag von 186u nicht mit Sauuhano- schuhcn ungefaßt: 20 Millionen Kriegsentschädigung und drei Gebietsabtretungen, Orb, Hilders und Kaulsdorf, waren verhältnismäßig eine schwerere Einbuße, als sie einem der übrigen kriegführenden Staaten, abgesehen von Hannover, Kur-Hessen und Frankfurt a. M., aufcrlegi wurde. Aber sie war zu verschmerzen und hatte ihre Er gänzung in dein geheimen Bündnisverträge, der erst 1870 seine Früchte trug und Bismarck seinem Ziele unendlich näher brachte, als eine noch härtere Behandln»» Bayerns; zumal jene harten Bedingungen mehr Werk der Militärpartci als Bismarcks tvarcn. Den Lohn für seine Mäßigung erntete Bismarck in dem unbedingten Vertrauen König Ludwigs H., der in ihm den Schützer des Föderalismus ehrte und ihm einen Einfluß ein- räuntte, von dem Herr vr. Lorenz keine Ahnung zu haben scheint, trotz seiner hochgestellten Gewährsmänner. König Ludwig H. dachte aber nicht nur damals, sondern auch noch 1870 durchaus normal, als er gegen die zu ver mutende Majorität*) der bayerischen Abgeordneten kammer den casu8 köckeris anerkannte. Die gegenteilige Vermutung des Herrn Pro fessors vr. Lorenz entbehrt jedes tatsächlichen An halts. Bismarck unterlag also in seiner Politik gegen Bayern keiner krankhaften Sentimentalität, sondern er zeigte in derselben eine kluge Voraussicht, wie in höherem Maße nie vorher oder nachher. Aber das Geschichts werk des Herrn vr. Lorenz verliert durch solche schiefe Urteile viel an seinem Werte. Für heute möge nur noch ein Punkt hervorgehvben werden, der auf gleichem Niveau steht. Lorenz schildert S. 61 den Uebermut und die SiegeSgewißheit in Oester reich und bei seinen Verbündeten. Als Quelle dient etn Brief des Ministers Grafen Meusdorfs an Herzog Ernst II. von Sachscn-Koburg. Dieser stand bekanntlich damals mit je einem Fuß in den beiden gegnerischen Lagern, und es liegt die Vermutung nahe, daß jener Brief, dessen Existenz ja nicht bestritten werden kann, zur Weiter gabe nach Berlin bestimmt war. Hat aber Herr vr. Lorenz nie etwas von dem Berichte gehört, -en Benedek nach der erzwungenen Uebernahme des Kom- mandos der österreichischen Nordarmee dem Kaiser Fran- Josef erstattete? Hat er nie von der Tatsache gehört, daß die österreichischen Infanterie-Regimenter nach ihrem Aufmarsch in Böhmen ihre beurlaubte Mannschaft noch nicht eingezogen hatten, weil die KriegSkasse leer mar? Hat er nie von dem Berichte gehört, den General Ludwig v. d. Tann der bayerischen Regierung erstattete, nach dem er seine Mission, sich vom Stande der österreichischen Armee zu überzeugen, beendet hatte, und der dahin ging, diese Armee befinde sich nicht auf Kriegsfüße? Auch der Bericht, den Gablenz aus Schleswig-Holstein über die Wirkung des ZündnadelgewehrS erstattete, ist eine all- *) Bekanntlich hatte König Ludwig die Mobilmachung der bayerischen Truppen ungeordnet, noch ehe die Majorität der Kammer der Abgeordneten, bestehend au« der liberalen Minorität und sechs Ultramontanen, denen ihr deutsche« Ge wissen schlug, »i« nötigen Milttärtredtt, bewilligt hatte. bekannte Tatsache. Dies alles stimmt wenig überein mit der behaupteten SiegeSgewißheit. Aber es stimmt damit überein, daß man in den österreichischen Regierungs kreisen nicht an den Krieg glaubte; daß man an nahm, die Krise von 1860 werde mit einem zweiten Olmütz enden. Wie aber steht es da mit dem historischen Werte des Werkes von Lorenz? Er verwechselt, wie es scheint, den Uebermut einiger öster reichischer Leutnants mit -er Stimmung der Regierungs kreise. Deutsches Reich. Berlin, 17. November. (Klerikale Selbst - ber i chti g u n g c n.) Tas führende rheinische Zen- trnmsvrgau erwirbt sich ein gewisses Verdien» dadurch, daß es selbst Behauptungen und Urteile richtigstellt, mit denen es, gleich der übrigen Zcntrumspresse, ost genug politisch zu krebsen pflegt. Die eine dieser Richtig stellungen betrifft die klerikale P o l e n p o l i t i k. Be- tanntuch ist dem Zentrum die polnische Hetzpresse deshalb höchst fatal, weil sie durch ihre Maßlosigkeiten das Zentrum wegen seiner Unterwürsigkcit unter das Polentum besonders arg kompromittiert. Tie klerikale Presse sucht sich von dem daraus entstehenden Odium da durch zu entlasten, daß sie behauptet, jene Heypresse komme neben der verständigen polnischen Presse nicht in Betracht und übe keinen Einfluß aus. Jetzt setzt die „Köln. Volksztg." auf das eingehendste auseinander, weicher starken Verbreitung das Blatt des polnischen Ober hetzers und weichen großen Einflusses der letztere selbst, Herr Ku ter Ski in Graudenz, sich erfreut. „Gazeta Grndziadzka" nennt sich, wie man weiß, das Organ Kulerskis, und von ihr rühmt die ,Föln. Volksztg.", daß sie „trotz ihres erst achtjährigen Bestehens mit ihren nunmehr 45000 Abonnenten das bet weitem gelesenste polnische Blatt ist". — Wer auch nur flüchtig die polnische Presse verfolgt, er innert sich, daß die „Gazeta Grudziadzka" geradezu groteske Leistlingen auf dem Gebiete des blindesten Prcußenhasscs auszuwciicn hat und daß daher ihre Re dakteure eine lange Reihe von Gefängnis- und Geldstrafen tragen mußten. Die Seele des Hetzblattes aber, Herr KuleroLi, ist, wie die „Köln. Volksztg." des weiteren ein gesteht, „besonders (!) in polnischen Vvlkskreisen unge mein beliebt". Von einem bevorstehenden Prozeß Kulerslis verspricht sich unter solchen Umständen die „Köln. Volksztg." nicht allein eine „fabelhafte" Steigerung seiner Popularität, sondern sie fügt auch hinzu: „DaS Ende vom Liede wird obendrein noch das sein, daß Knlerski bei den nächsten Wahlen seinen Einzug in den Reichstag hält." — Uns soll Herr KKlerSki dort herzlich willkommen sein! Die polnische Wählerschaft er füllte überdies nur ,inc Pflicht der Ehrlichkeit, wenn sie ihrem Liebling, dessen Zustimmung vorausgesetzt, zu einem Plaue in der Volksvertretung verhülfe. — Die zweite Selbstberichtigung der „Köln. Bolksztg." betrifft die klerikale Gepflogenheit, den Katholizismus als B o l l- wert gegen die Sozialdemokratie aus- zugcben. „Im ersten Anstürme", klagt das rheinische Zentrumsorgan, «hat es die Sozialdemokratie bei der Stadtverordnetenversammlung im gut katholischen Düs seldorf auf rund 2M0 Stimmen und damit zwei ihrer Kandidaten in die Stichwahl mit denjenigen der Zen- trumSpartci gebracht. . . . Etn ähnliches Schauspiel hat auch M ü n st e r geboten." — Solche Tatsachen und Ein geständnisse beleuchten auf das hellste das Gerede, daß der Katholizismus „das" Bollwerk gegen die Sozialdemo kratie sei. Berlin, 17. November. (Krankenkassen- und Aerztefrage.) Einen der schwierigsten Punkte bei der Neu regelung des Kranken-BeistchernngSgesetzeS bildet die Aerzle- sragr. Es kann gar nicht bestritten werden und wird auch in den Kreise», welche mit der Entwicklung des Krankenkassen- wesens vertraut sind, gleichviel auf weichem politischen Partei standpunkte sie stehen, nicht zu bestreiten versucht, raß nament lich die jungen Aerzte, solange die Verhältnisse bei den Kassen so liegen wie augenblicklich, in immer größere Ab hängigkeit von der Sozialdemokratie geraten. Dem muß unter allen Umständen gesten-rt werden. — Nickt ohne Interesse ist, was auf der diesjährigen IahreS-V-rsammlung rer freien Vereinigung von Ortskrankenkassen dcS Negierungö» Bezirk« Wiesbaden zur Arztfrage oorgebracht wurde. Ein Antrag ging dahin, die Kassenärzte gut zu honorieren und danach zu streben, eine möglichst große Anzahl von Aerzten anzustellen. Mit einem Satze von 3 -S für Landorte und kleinere Städte und 4,50 für Großstarre pro Kopf und Iabr usw. dürsten die Aerzte wobl zufrieden sein. In diesem Sinne hab« sich auch der Verband«tag in Stuttgart ausgesprochen; nur hierdurch dürfte den Beschlüssen des 30. Deutschen AerztelageS, wo die Minimaltaxe verlangt wurde, entgegengesteuert werden. Ein Frankfurter Kassen mitglied bemerkte, daß viele Aerzte von den Ausgaben der Krankenkassen noch keine Ahnung hätten. Zunächst warne er vor übertriebene» Forderungeu und halte ebenfalls den Satz von 3,50 bis 4 für hoch genug, wenngleich eS leider noch kleine Kaffen gäbe, Vie diesen Satz nicht zahlen könnten. Auf jeden Fall dürsten die Kaffen nicht zu sehr be lastet werde», ra sich sonst sehr leicht noch mehr JnnungS- und Brtnebskrankenkafsen bilden könnten. Der Minimalsatz würde schon zur Vorlage komme», es empfehl« sich, an einer Pauschal,ummc frstzubaltrn, da man sonst mit 3 und 3>/„ Prozent Beiträgen nicht mehr autkommen werde. Auch müsse man mit Bezug auf di» Medizin die Mitglieder durch Flugschriften aufmklare» suchen, daß nicht die großen Flaschen von Medizin oder dir Pulver in einer Schachtel statt in einer Düte die Heilwirkung erzielten. Die Mstgsteder müßien de» Aerzte» gegenüber io dielen Fällen veruünfiigrr sein. Hätte man diese« rrieickt, so wüiden die Kaffen viel an Ausgaben sparen. — Zu d«, Frag», ad eia Nichikafseaatzt von Kassenmitgliedern in dringenden Fällen einen Honora,an'pruck geg.n die Kaffe geltend wichen kann, sind kürzlich vom AmiS- unb vom Landgericht in Hannover Entscheidungen ergangen, die sich der Beachtung drr Gesetzgeber empfehlen, welche an der Fortbildung der Sozialresorm milw»ken. Das Amts gericht entschied zunächst, da nach H 2 der Verordnung beir ten Erlaß einer Gebührenordnung für approbierte Aent-' und Zahnärzte vom 15 Mai 1896 die niediigsten Sätze der Gebührenordnung zur Anwendung kommen sollen, wenn die Zahlung aus einer Arbeiter Krankenkasse zu leisten ist, es müßien denn besondere Schwierigkeiten der ärztlichen Leslungen oder das Maß des Zeitaufwandes eine» höheren Satz rechtfertigen, so stehen dem Nichlkassen- arzt für einen svsort auSgesübrten Besuch 4 unk für die angemessen zu erachiende Anlegung eines H stpflaster verbandeS um ten Brustkorb 5 zusamm-n 9 .6. zu. Ans die Berufung der Kasse wurde dies Urteil vom Landgericht als rechtlich unbegründet abgewiesen. In den Gründen aber heißt eS: Ter K ager stritt nickt in einem V.rttagsverhältnisfe zur Kasse und eS kann sich daher nur fragen, ob seine Anspiücke auf Zahlung von Gebühren unter tem Gesichtspunkte der Geschäftsführung obue Auslrag oder der ungerechtfertigten Bereicherung begründet sind. Tas ist nicht der Fall. Ter Arzt aber hat seine Dienste ohne recht lichen Giund geleistet, nämlich in Voll-iebung eines über nommenen Dienstvertrages, >ei eS mit dem Verlryien, sei e« mit einem Dritten. Auf Grund dieses Dienstvertrages hat er gegen den Dienslberechiigken Ansprüche auf angemessene Honorierung, nicht aber gegen die Krankenkasse, der dieser Berechtigte mög licher Weil« amvdört. Die Krankenkassen sind nickt ein gerichtet zur Sicherheit der Aerzte für eine auskömmliche Praxis, sondern sie haben nur den Zw ck, den Veiiickerten einen Anspruch auf sachgemäße Behanelung auf alle Fälle zu sichern. AuS dem Vorhankensein von Krankenkassen können tie Aerzte — abgeieben von Bertragsoerdältii ssen — Rechte nicht herleiten. Die Klage ist dieruach abzuiveijen. (?!) D Berlin, 17. November. (Telegramm.) Die „BorwärtS"- Nummer vom lb. Novenider ist wegen schwerer Beleidigung des G.heimrats Krupp, begangen durch »inen Artikel „Arupp auf iLapri", heute gerichtlich beschlagnahmt worden. — Die Wahlen zum Gewerbegericht in der Klasse der Arbeitnehmer haben, wie nickt ander« zu erwarten war, mit einem Siege der Sozialdemokraten geendet Tie Versuche, die nichtsozialdemokratisckeir Arbritcroigan- jationen zu einem gemeiniamen Vorgehe» zu veranlassen, jcklugen scbl und die Httsch-Tunck rfchen Gttverkveieine allein waren zu schwach, um den Sozialdemokraten das Terrain streitig zu machen. T Glogau, 17. November. (Telegramm.) Wie die „Neue Nieverschles. Zig." meldet, fand beute vormittag in Gegenwart der städtischen und der Militärbehörden auf dem preußische» Tore der erste Spatenstich zur Nieder legung der Stadtumwallung statt. Der Stadt kommandant brachte ein Hoch auf den Kaiser aus und der erste Büigermeister ein Hoch auf die Stadl Glogau. F Halle a. S., 17. November. Gestern wurde hier ein Bezirkstag der freisinnigen Volksparte« abgebalten, der auch die Kandidaten der Pariei füi die ReickStagSwabl ausstellte. An Stelle Kn örckes iui Wadlkicise Torgau-Lieben- w^rda wird Vr. muck. Be rn stein-Edarloiteiibuig, ein naher Bei Wandler des Sozialdemokraten Ed. Bernstein, für Rnter - Bainsledt im Wablkieise Mersebu rg-Ouerfurt General sekretär Vr. .rischer-Berlin, für Halle-Saaltreis Fabrik besitzer Carl Sckmidt-Halle kandidieren. * Jena, 16. November. Hier starb vor einigen Tagen der Geheime »zinanzrot und früh, re Lbelbürgerme ster Robert Bloch- manu im Alier von 79 Jahren. Er war anfangs der 60er Jayie Kreisrichler in Solberg am Haiz und >vu,de im März 1863 an Stelle des ausgeichiedenen Pfarrers Graeier zu Lber- Heldrungen vom Wahlbezirke Langervamen-ckckattsberga in da-- preußische Abgeordnetenhaus emsanLl und nach der bal-> darauf erfolgten Austckung wiedergciväblt. Als Mi glied des linken Z.ntlumS gehörte er dem Abgeorbueicnhouse bis 1866 an. Wegen seiner poiitnchcn Tätigkeit wmde er gemaßregelt, worauf er als Staatsanwalt nach Golda berufen wurte. Später war er 18 Jahre hindurch Oberbürgermeister von Jena. (Mgbd. Zig.) * Mciutugen, l6. November. Der Landtag genehmigte die Ausnahme einer Do mänenan leibe in Höbe von 300 000 zu weiterem Ausbau der Waldwege; auch die Gesetzentwürfe über die Aufhebung deS allen Huldig ungS- eideS der 18jäyrigen Jünglinge und über den gewerbs mäßigen Vertrieb von Staatslotter>elo>en wurden ange nommen. Oesterreich - Ungarn. Tie Innere Dicnstsprache. Professor Bachmann * Wien, 17. November. (Telegramm.) Auf Wunsch Körbers traf der Führer der Deutschen in Böbmen, Vr. Eppinger hier ein. Körber legte ibm d>e Frage vor, ob di« Deutsche» gegen Bewilligung der nationalen KreiS- einteilung >n Böhmen und nanonaler Kurien im böhmischen Landtage den Tschecken die innere 1°lenst prache bewillig, n wollen. Vr. Eppinger bedielt sich die Beantwortung bis nach Rück sprache mit den Parteigenosse» vor, gab aber bereits gestern abend in einer Rede aus der anläßlich der JubilänitiSieieilich- leiten des Prager deutschen Kasinos veranstalteten Fcstknewe eine entschieden ablehnende Antwort. (Voss Ztg.) <k Gien, 18. November. Die Abgeordneten Jro, von Schönerer, Berger und Barrutber, Vertreter der All deutschen Vereinigung, baden an ten Klub der deutschen Fortschrittspartei und den parlamentarischen Verband ter deutschen Volkspartei folgendes Schreiben grnänrt: „Mit Rücksicht auf die in der Rede Sr. Excellenz te« Herr» Ministerpräsilenten enthaltene enlich ebene Ab lehnung der deutschen Staatssprache (?), die nicht einmal in dem bisherigen Umfange anfiecht bleiben und durch die Einführung der inneren tschechischen Amtssprache duickdrocken werten toll, erlauben wir un« mtt Rücksicht auf die w.itiraaenve Bereutung obiger E klärung i» Vorschlag zu dringen, raß behufs Beiäiigvng rruticher Gemeiu- bürgschaft fetten« de« Klub« der deutschen FortschrtttApnruI
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