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- - > - »"' ' - - — 40. Jahrgang —. -U/» « I Erscheint jeden Wochentag Nachmitt.'/,« Uhr für den > , . . — -4° ^14. > I Donnerst«,, de« 15 September, s BeMMMep und TllßeöW. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Berauttoortlicher Redakteur: I» Vertretung Ernst Mauckisch iu Freiberg. Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angmom- «HO mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zelle ^OO U oder deren Raum 15 Ps- Die Kaiser-Begegnung in Stettin. Unser Kaiser hat sich am Montag nach Stettin begeben, um dem Manöver des zweiten pommerschen Armeekorps beizuwohnen. Nachdem sich der greise Monarch bei den Feldübunaen des ersten ostpreußischen Armeekorps und bei dm aus Anlaß derselben von der Provmz Ostpreußen und der Stadt Königsberg veranstalteten glänzenden Festen durch den Prinzen Albrecht von Preußen hatte vertreten lassen, mußte es auffallen, daß er sich die mit der Stettiner Reise verbundenen Anstrengungen zumuthete und bei dieser Gelegenheit auch von der ebenfalls großer Schonung be dürfenden deutschen Kaiserin begleiten ließ. Die Ver- muthung liegt nahe, daß der an den Traditionen der alten Freundschaft mit Rußland treu festhaltende deutsche Kaiser dem russischen Zaren eine Begegnung erleichtern wollte, welche der Welt als eine neue Bürgschaft für die Er- Haltung des Friedens erscheinen würde. Gerüchtweise ver lautete, daß von dem Kaiserlichen Hofmarschallamte alle Vorkehrungen für einen würdigen Empfang des Zaren in Stettin getroffen wurden; trotzdem scheint der Besuch des Kaisers von Rußland noch keineswegs gesichert zu sein. Man würde es immerhin als ein sehr ernstes Zeichen an sehen müssen, wenn es Alexander III. unterließe, von seinem nahen dänischen Landaufenthalte zur Begrüßung seines greisen ehrwürdigen Großoheims nach dem pommerschen Hafenplatze Herbeizuellen. Der Vater des jetzigen Zaren hätte eine fo bequeme Gelegenheit zu einem Höflichkeits besuch nicht unbenutzt vorübergehen lassen, der dem Kaiser von Rußland keine neuen politischen Verpflichtungen aufer legt, dessen Unterlassung aber sehr leicht als eine politische Kundgebung feindseliger Art aufgefaßt werden könnte. Die .Köln. Ztg." ist von wohlunterrichteter Seite erst ganz kürzlich davon in Kenntniß gesetzt worden, daß die seiner Zeit in Berlin getroffene und in Skierniewice bestätigte Drei-Kaiser-Vereinbarung im vergangenen Frühjahr abge> laufm und nicht wieder erneuert worden ist. Wenn die Entwickelung auf der Balkan-Halbinsel es Rußland wün- schenswerth erscheinen läßt, freie Hand zu behalten, so wird die deutsche Reichsregierung, welche selbst mit Oesterreich nur ein Bündniß rein defensiver Art wünscht, nichts da gegen thun Die Haltung des deutschen Reichskanzlers in der bulgarischen Frage zeigte deutlich genug die Absicht, freundliche Beziehungen zu Rußland aufrecht zu erhalten, ohne dem deutschen Reiche nach irgend einer Seite hin Verpflichtungen aufzuladen. Ebensowenig scheint demselben aber daran zu liegen, von Rußland irgend welche Ver sprechungen zu erhalten und läßt Fürst Bismarck wohl nicht ohne Grund gerade jetzt verkünden, daß er von der Kissinger Kur noch zu abgemattet sei, um den Festlichkeiten in Stettin beizuwohnen, während sich das greise Kaiserpaar den damit verbundenen Anstrengungen doch willig aussctzt. Das Fernbleiben des deutschen Reichskanzlers von Stettin müßte eigentlich den Zaren überzeugen, daß sein Besuch daselbst für die eigentliche politische Entwickelung bedeutungslos bleiben und nur als ein Freundschaftsbeweis für den deutschen Kaiser gelten soll, der so gern mit seinem russischen Verwandten in Liebe und Freundschaft leben möchte. Zeigt der Zar, daß dieses Entgegenkommen von ihm nicht gewürdigt wird oder daß er seine panslavistischen Rathgeber durch eine Fahrt nach Stettin zu verletzen fürchtet, dann könnte sich der Sinn unseres Kaisers sehr zum Nachtheile Rußlands wenden. Nur den nahen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen der russischen Zaren familie und dem preußischen Königshause dankt man es bisher, daß sich die zwischen Deutschland und Rußland be stehenden Gegensätze nicht verschärften. Treffend schildert die „Times" dieses Verhältniß anläßlich des Gerüchts über eine Kaiser-Begegnung in Stettin, indem sie schreibt: „Wir sind gewöhnt, Deutschland und Rußland sich als zwei mächtige Staaten einander gegenüberstehen zu sehen, aber man thut gut, sich daran zu erinnern, daß dieser Zustand der Dinge sich noch nicht gar lange entwickelt hat. Vor der Gründung des deutschen Reiches war Rußland gewohnt, in Mitteleuropa immensen Einfluß auszuüben, indem es einen deutschen Staat gegen den andern ausspielte. Es ist daher nur menschlich, wenn die russischen Staatsmänner murren, daß dieser Zustand, welcher ihnen so vortrefflich Paßte, aufgehört hat. Das deutsche Reich bildet eine starke Schranke gegen alle vertragswidrigen Gelüste, in welchen sich die Energie der Rufsen fortwährend bethätigt. Kein Wunder daher, wenn die regierenden Klassen Rußlands Deutschland mit scheelen Augen ansehen. Dazu kommt noch, daß das russische Volk die Deutschen wegen ihrer besseren Erziehung, ihrer besseren Organisation und ihrer höheren Begabung haßt. Deutsche schwingen sich in Rußland zu verantwortlichen Vertrauensstellungen auf in so natürlicher Weise, wie Oel auf dem Wasser schwimmt, und wo immer auch der russische Handel vorwärts strebt, hat er den furcht bare» Mitbewerb der deutschen Rivalen zu bestehen. Diese beständige Eifersucht zwischen den beiden Regierungen und Völkern wird noch schärfer gemacht durch den wirklichen Widerstreit der Politik, der um so empfindlicher wirkt, als diese von dem vollendeten Geschick des Fürsten Bismarck geführt wird. Man h«ßt Deutschland in Rußland, weil es ruhig, aber hartnäckig am Berliner Vertrag sesthält, trotz der scharfen Berurtheilung, welche Rußland an den Prinzen Ferdinand gesandt hat. Eine Zusammenkunft der beiden Kaiser kann diese tiefliegenden Gründe der Zwietracht nicht entfernen, und wenn die Zusammenkunft nicht stattfindet, so wird dadurch die Wichtigkeit der Differenzen nicht erhöht, wenngleich damit zugegeben wird, daß eine Spannung besteht." In diesem Zuaeständniß einer Spannung liegt immer hin eine Gefahr, die dem Zaren nicht entgehen kann und die von unbefangenen russischen Staatsmännern keineswegs unterschätzt wird. In dem bekanntlich von Petersburg aus inspirirten Brüsseler „Nord" setzt ein russischer früherer Diplomat auseinander, warum bisher niemals rin russisch- französisches Bündniß zu Stande kommen konnte. Am Schlüsse dieses Artikels heißt es: „Rußland bedarf heute mehr wie je eines gedeihenden, mächtigen, befreundeten Frankreichs, mehr wie je muß sich aber Rußland heute hüten, zwischen sich und Deutschland die Saat nationalen Hasses zu säen, die zu Konflikten ohne Ende führt." lieber die Tragweite der Begünstigung der russischen An sprüche in Bulgarien kann man sich m Petersburg kaum täuschen. Dir deutsche Politik zieht sich auf die Verthei- digung der Verträge zurück, unbekümmert um die Haltung Rußlands und ebensoweit entfernt von einer Beeinflussung durch die Furcht vor der russischen Feindschaft als von einer solchen durch die Gunst Rußlands. Selbst dasPan- slavistenblatt .Nowosti" stimmt deshalb jetzt einen sehr maßvollen Ton an und sucht ebenso wie der „Nord" ein zulenken, indem es Deutschland auffordert, durch aufrichtige Förderung der russischen Interessen den Dank Rußlands zu erwerben. Diese Lockung dürfte aber kaum mehr Erfolg haben als die früheren Drohungen. Rußland hat im Frühjahr die vollste Aktionsfreiheit gewünscht und diese ist jetzt allen drei Kaiserreichen gewahrt. Die deutsche Politik hat nur noch ein Ziel, die Jsolirung Frankreichs, um zu verhüten, daß sich diese Macht mit einer andern, insbe sondere mit Rußland, verbinde. Um dieses Ziel zu er reichen, hat Deutschland in der Frage der Mission Ernrots sich auf die Seite der russischen Regierung gestellt und wird es stets bereit sein, sich Rußland gefällig zu erweisen, niemals aber ihm zu dienen. Genügt das den Politikern an der Newa nicht, so müssen wir uns darein fügen. Die Kaiser-Begegnung in Stettin wünschen die deutschen Pa trioten herbei, nicht aus Angst vor dem Zom oder der Feindschaft Rußlands, sondern nur, weil sie ihrem greisen Kaiser die Freude gönnen, in dem Besuch seines Großneffen einen sichtbaren Beweis der Fortdauer der freundlichen Beziehungen zwischen den Höfen von Berlin und Peters burg zu empfangen. TasesfchE Freiberg, dm 14. September. Im Hofe deS Königlichen Schlosses in Stettin traten Montag Abenv ^/,8 Uhr sämmtliche Kapellen des 2. Armee korps zusammen, um vor den Fenstern der Wohnung deS deutschen Kaisers einen Zapfenstreich auSzuführen, dem einige andere Musikstücke vorangingen. Einmal erfreute dabei die wundervolle Klangwirkung, die eine solche Massenmusik in einem von vier Seiten geschloffenen Hof hervorbringt; sodann daS exakte Zusammenspiel so vieler Kapellen, die sonst über die ganze Provinz zerstreul sind. Beides war vorzüglich. Der Schloßhof in Stettin ist ein mächtiger Raum, in der Mitte bestanden von einigen Linden, welche eine Denkfaule des Großen Kurfürsten beschatten. Die Kapellen rückten still heran; mit ihnen zogen Träger von Windlichtern und als sie Aufstellung genommen, flammten Plötzlich noch Magnesium fackeln auf, so daß sür Lichtcffekte reich gesorgt war. Die gesammte Aufführung leitete der Armeemusikinspizient Voigt aus Potsdam; es war wohl daS erste Mal, daß er vor dem obersten Kriegsherrn in der neugeschaffencn Stellung fungirte. Was aber diesem Zapfenstreich besonderen Werth gab, das war die freudig begrüßte Thatsache, daß sowohl Se. Maj. der Kaiser, wie Ihre Maj. die Kaiserin am offenen Fenster Platz nahmen und den Klängen der Musik lauschten. E» war daS beste Zeichen, daß beiden Majestäten die Reise nach Stettin gut bekommen war. Ein stürmische» Hoch begrüßte da» Kaiserpaar beim Erscheinen, während der Gesang von „Hell Dir im Stegerkranz" den Schluß dieser abendlichen Huldigung bildete. Gestern Vormittag begab sich der Kaiser bei prachtvollem Wetter in Begleitung deS Flügeladjutanten Grafen Lehndorff zur Parade deS zweiten Armeekorps nach dem Krekower Feld. Die Kaiserin war mit der Prinzessin Wilhelm vorausgefahren. Die Majestäten wurden auf der Fahrt von der Volksmenge stürmisch begrüßt. Der Kaiser traf kurz nach 11 Uhr auf dem Paradefelde ein, fuhr, von der Kaiserin mit der Prinzessin Wilhelm in einem Sechsspänner, dem Prinzen Wilhelm und Leopold zu Pferde und von glänzender Suite gefolgt, zunächst dem in zwei Treffen aufgestellten Armeekorps entlang, und ließ die Truppen dann zwei Mal im Parademarsch vorbei- defiltren. Bei beiden Vorbeimärschen führte Prinz Wilhelm von Preußen die KöntgS-Grenadtere, Generalfeldmarschall Graf Moltke sein Kolberger Regiment vor Sr. Majestät vorüber. Beim ersten Vorbeimarsch der Königin-Kürassiere verließ der Kaiser den Wagm, ging zum daneben haltenden Wagen der Kaiserin, salutirte und blieb daselbst stehen, bis da» Regiment vorbeipasfirt war. Während der beiden Vorbeimärsche stand Sr. Majestät der Kaiser fast ununterbrochen. Gegen 1'/i Uhr war der zweite Vorbeimarsch beendigt. Er. Majestät fuhr dann, von ununterbrochenen Jubelruftn begleitet, di« Front der Kriegervereine entlang. — Der deutsche Reichskanzler ist mit seiner Gemahlin gestern Nachmittag 5*/« Uhr von Berlin nach FriedrlchSruh abgereist. — In verschiedenen Blätter» findet sich die Mittheiluug, daß in militärischen Kreisen ver laute, die Armeevrrwaltung würde eine Erhöhung einzelner OffizterSgehälter beantragen. Der „Hamb. Korr." erörtert daS Gerücht sogar in einem längeren Artikel; nach einer Bemerkung der „Nordd. Allg. Ztg." scheint dasselbe aber nur in Reporter-Kombinationen seinen Ursprung zu haben. — AmIO.d. M.nahm der deutsche AnwaltStag in Mün chen folgende Resolutionen an: I.Zur RechtsanwaltSord- nung: a) ES empfiehlt sich, gegen Beschlüsse der Borstände der Anwaltskammern, durch welche einem Rechtsanwalte ohne ehrengerichtliche» Verfahren eine Mißbilligung ausgesprochen wird, dem betheiligten Rechtsanwalte das Recht zu gewähren, aus mündliche Verhandlung vor dem Ehrengericht anzutragen. (Ueber die Frage b) ob die Aufnahme der zeitweisen Unter sagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unter die ehren gerichtlichen Strafen zu empfehlen oder zu Widerrathen sei, konnte ein Beschluß nicht protokollirt werden, da die Abstim mung Stimmengleichheit ergab.) o) Die Einführung einer vorläufigen Vollstreckbarkeit für ein auf Ausschließung lauten des ehrengerichtliches Urtheil ist nicht zu empfehlen, ä) ES ist wünschenSwerth, daß der Staatsanwaltschaft gesetzlich die Verpflichtung auferlegt werde: 1) Die unmittelbar an sie ge langenden Beschwerden über einen Rechtsanwalt in allen Fällen zur Kenntniß de» Vorstandes der Anwaltskammcr zu bringe» und nicht ohne dessen Mitwirkung für beruhend zu erklären oder durch Einstellungsverfügung zu erledigen; 2) die ehren gerichtliche Klage zu erheben, wenn der Vorstand diese» be antragt, so daß in diesem Falle daS Verfahren nicht ohne Entscheidung (Beschluß oder Urtheil) des Ehrengerichts erledigt wxrden kann. II. Zur Zivilprozeßordnung: o) ES besteht kein Bedürfniß zu einer Aenderung der geltenden Bestimmungen dahin, daß die Erhebung der Klage durch Niederlegung der Klage schrift auf der GerichtSschreiberci zu bewirken ist. d) Dagegen ist eine Aenderung dahin, daß die Erhebung der Rechtsmittel und des Einspruchs in der Berufungs- und Revisionsinstanz durch Niederlegung deS bezüglichen Schriftsatzes auf der GertchtSschreiberei zu erfolgen hat, und die Benachrichtigung der gegnerischen Partei von der Einlegung des Rechtsmittels, sowie die Ladung zum Verhandlungstermine über ein Rechts mittel vor das zuständige Gericht von Amtswegen geschehen soll, dringend WünschenSwerth. o) Zu einer Aenderung dahin, daß die Entscheidungen der Gerichte sämmtlich den Parteien von AmtSwegen zuzustellen sind, besteht weder ein Bedürfniß, noch ist diese Aenderung wünschenSwerth. Die Frage der Befugniß des gerichtsseitig bestellten Armenanwalts zur Ab lehnung der Vertretung der ihm übertragenen und von ihm als völlig aussichtslos erkannten Armenprozeßsachen wurde als noch nicht spruchreif von der Tagesordnung abgesetzt; ebenlo die zur Strafprozcßordnung aufgeworfene Frage — zu deren gründlicher Erörterung die Zeit nicht mehr auS- gereicht hätte —, ob durch die bestehenden Vorschriften die Vertheidigung des Angeklagten genügend gewährleistet sei: