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Freiberger Anzeiger und 5li Tageblatt .71 1857. Dienstag, den S8. Juin ,172. . tw Erscheint jeden Wochentag früh S Uhr. Inserate wer den bi« Nachmittags z Uhr Dr die nachst- üscheinmde Nummer angenommen. , Preis vierteljährlich 1L Ngr. Inserate ' werden di« gespaltme Zeile ob« deren Raum mit 5 Zp berechnet. Tagksgeschichte. Plauen, 23. Juli. Das viele Jahrhundert alte, noch s mit hohem Thurme gezierte und von einem Wallgraben umgebene, dermalen der freiherrl. Familie von Brandenstein gehörige Schloß SachSgrün bei Ullitz an der bairischen Grenze ist am 18. d. M. V-11 Uhr fast gänzlich zusammengestürzt, auch der Thurm ist s heremgebrochen und der kleine noch stehen gebliebene Theil des Schlosses unbewohnbar. Die Ursache dieses schon lange be- fürchteten Ereignisses will man darin suchen, daß der Rost, s auf welchem cs stand, durch die Trockenlegung des Wallgrabens gelitten gehabt habe, auch könne der neuliche Erdstoß die Kata strophe beschleunigt haben. Menschenleben sind bei dem über- j raschend plötzlichen Ercigniß wohl in Gefahr gewesen, aber, verunglückt ist Gott sei Dank Niemand. Auch das Bieh ist, bis auf 2 kleine Jagdhunde, gerettet worden. Aus der Provinz Sachsen, 22. Juli. (D A. Z) Es ist noch nicht lange her, daß die Zeitungsnachrichten, nach wel- lhen auch im hiesigen Landestheile ein Mangel an Volksschul- lthrern sich fühlbar mache, von officiösen Blättern als unbe- ss gründet bezeichnet wurden. Daß trotzdem jene Mittheilungen auf Wahrheit beruhten, geht unter Anderm auch aus dem i neuesten Erlasse des königlichen Provinzialschulcollegiums zu Magdeburg hervor, in welchem es im Eingänge heißt: „Nach- 1 dem in den letzten Jahren der Mangel an diöponibeln Schul- amtscandidatcn in dem Bezirke der königlichen Regierung zu Merseburg immer fühlbarer geworden ist, und dem Bedürfnisse > durch die in bestimmte Grenzen gewiesene Wirksamkeit der beiden königlichen evangelischen Scminarien zu Weißenfels und Eis- i leben nicht hat abgeholfen werden könne», ist die Errichtung noch eines königlichen Seminars für den genannten Bezirk nöthig geworden. Es ist zu diesem Zweck mit allerhöchster Be willigung Sr. Maj. des Königs seitens Ler betreffenden könig lichen Ministerien das königliche Schloß zu Elsterwerda mit den dazu gehörigen Grundstücken bestimmt und der betreffenden Behörde zur Einrichtung des neuen Seminars überwiesen worden." Mainz, 23. Juli. Der seitherige Verleger des hiesigen ultramontanen Mainzer Journal, Johann Georg Wirth, hat sich mit Hinterlassung sehr bedeutender Schulden aus dem Staube gemacht und soll mit einem Frauenzimmer nach Amerika gegan gen sein, um sich den Folgen eines Bankrotts zu entziehen. Das Handelsgericht erklärt durch Urthcil vom 16. d. M. den in Mainz unter der Firma I. G. Wirth u. Comp. wohnenden Buchhänd ler I. G. Wirth eben in seinem eigenen Blatte, dem Mainzer Journal, in Fallimentzustand. Die Partei dieses Blatte wird dasselbe indeß nicht fallen lassen; cs wechselt nur den Verleger, nicht die Farbe. Aus Ocsterreichisch-Schlcsicn, 21 Juli. (D. A. Z) In Nachstehendem theile ich Ihnen den Wortlaut eines Send- ' schreibens mit, welcher das olmützer-fürsterzbischöfliche geistliche Diöcesangcricht an Personen, welche von der katholischen zur evangelischen Kirche übertreten, richtet: Mir haben in Erfahrung gebracht, daß ihr dem gottlosen Ge danken Naum gegeben habt, euch von der heiligen katholischen Kirche loSzureißen und zur evangelischen Glaubcnsconfcssion übcrzutrcten. Deshalb ermahnen wir euch im Namen Gottes und seiner heiligen ! Kirche, auf Laß ihr i» Büßfertigkeit zur Einheit Les heiligen Glaubens zuriiekkchrt und so euer ewiges Heil sicher stellt. Denn durch die Annahme Ler ketzerischen Lehre beraubt ihr euch aller Mittel zur Erlangung des ewige» Lebens und stürzt eure Seele in den Abgrund des ewigen Verderbens. Zugleich laden wir euch aber auch binnen 80 Tagen, von dem Emvfang dieses unsers Schreibens an gerechnet, vor dieses geistliche Gericht nach Olmütz, damit ihr euch bezüglich eurer Handlungsweise verantwortet und von dem Verdacht der Ketzerei, in den ihr durch dieselbe gekommen seid, reinigt. Wofern ihr aber > wider Vermachen unsere Ermahnung nicht beachten und Ler an euch ergangenen Vorladung nicht Folge leisten solltet, so werden wir euch des Verbrechens der Ketzerei schuldig erklären, damit die in den s kirchlichen Satzungen hierauf gesetzte Strafe, nämlich die Ausschließung auS der heiligen katholischen Kirche, über euch verhängt werde. GS ist euch angemessene Zeit zur Buße gegeben; thut demnach Dasjenige, was dem Heil eurer Seele frommt, auf daß ihr am Tage deS Gericht- Les Herrn besteht. Amen. - , Natürlich leistet Niemand einer derartigen Vorladung Folge; es wäre aber bei unsern gegenwärtigen Zritverhältniffen gar nicht Wunder zu nehmen, wenn die klerikale Anmaßung sich so weit verfliege, Gendarmericcassistenz in solchen Fällen, wo der Vorladung des geistlichen Tribunals nicht gehorcht wird, in Anspruch zu nehmen; ein Grund hierfür würde wohl auch noch ; im Concordat zu finden sein, da es ja die Ausrottung vost Ketzerei betreffen würde. Wie wir hören, bereitet sich in unserer Provinz unter den Protestanten eine Petition an den Kaiser gegen die Uebergriffe rc. der katholischen Geistlichkeit vor; eS scheint wirklich, als wäre für diese kein Staatsgesetz mehr vor» Händen; die Protestanten wirft man aus den katholischen Fried» Höfen hinaus, aber wo nur ein entfernter Anlaßzu Entschädigung-» forderungen vorhanden ist, da wird er benutzt; so sollen jetzt an einigen Orten hiesiger Provinz die Protestanten selbst da, wo sie eigene Kirchen und Schulen besitzen, dem katholischen Schullehrer oder Meßner eine Entschädigungssumme für daS frühere Wetterläutegeld und Neujahranschreiben zahlen; wir sind neugierig, ob die Remonstrationen der Betreffenden irgend einen Erfolg haben werden. Hannover, 22. Juli. Nach der Zeitung für Norddeutsch» land siud sämmtliche Behörden angewiesen worden, denjenigen Papierfabrikanten, welche an dem frankfurter Bunde thetl» genommen haben, da derartige Verabredungen nach unsern Ge setzen nichtig sind, thunlichst keine Aufträge mehr zuzuwenden. Gera, 21. Juli. Nach einer Bekanntmachung unser- Ministeriums vom gestrigen Tage ist allen VerwaltungS-Justlz- und Communalbehörden deö Fürstenthums sowie allen Geist lichen das Einrücken amtlicher Bekanntmachungen in das Lo be nsteiner Wochenblatt untersagt. Diese Maßregel gegen daS genannte Blatt ist nach dieser Bekanntmachung durch die feindliche Tendenz hervorgerufen worden, die dasselbe, wie schon früher, so auch in einem Artikel vom 18. Juli verfolgt hat, in welchem ein die ausgeschriebenen Landtagswahlen besprechender Artikel die Bestimmungen des Wahlgesetzes falsch darstellte. Die Nummer mit dem betreffenden Artikel ist übrigens von dem LandrathSamt zu Ebersdorf confiscirt worden. Aus Usingen vom 2V. Juli schreibt man dem Frank furter Journal: „Unser Singverein „Walther von der Vogel- weide" ist gesonnen, in kurzem ein großartiges Waldfest zum Besten der schleswig-holsteinischen Beamten zu veranstalten. ES sollen zu diesem Behuf Einladungen an alle Gemeinden de- Amts sowie an benachbarte Sängerbünde ergehen. Im gegen wärtigen Augenblick giebt es keine Angelegenheit, die so wie das Schicksal der Schleswig-Holsteiner unser Nationalgesühl in Mit leidenschaft zieht; deshalb sind wir überzeugt, daß wir ein Fest von höchster Bedeutung erwarten dürfen." Aus der Schweiz, 22. Juli. Der größere Theil der badischen Flüchtlinge in der Schweiz wird wohl von der Amnestie Gebrauch machen. Leider sind aber einige derselben durch Lie Beschränkung der Amnestie an Ler Rückkehr in die Heimath gehindert. Der Magdeburger Zeitung schreibt man aus Kopenhagen vom 19. Juli: „Unsere Nationalen sind über die ehrliche Sprache, welche der alte Grundtvig über den Sprachzwang im Herzogthum Schleswig auf der Kirchenversammlung geführt hat, verstimmt, ja erbittert. Wenn Deutsche über das widerwärtige Unwesen, das in Schleswig getrieben wird, Klage führen, so bringt da- die Leute hier nicht weiter in Verlegenheit, sie helfen sich dann mit Pastor Hagerup mit der Antwort: „Lügen, lauter Lügen!" Aber jetzt tritt plötzlich Einer auf mit dem Anspruch, für bie Wahrheit Zeugniß zu geben, der kein „SchleSwig-Holsteiner", kein Deutscher ist. Grundtvig, der alte vielgefeierte HeroS, der zu der ganzen neuern nationalen Wiedergeburt Dänemarks in